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Israel: infodienst: Hans Lebrecht

GEGENSEITIGE LYNCHJUSTIZ BERECHTIGT NICHT ISRAELS KRIEGSHANDLUNG

Von Hans Lebrecht, Kibbutz Beit-Oren - 13. Oktober 2000
Phone: (972-4) - 8307 237 / FAX: (972-4) - 823 25 24
E-Mail:  hlebr@trendline.co.il


Ein Aufschrei geht durch Israel und die weltweite Medienwelt, zwei israelische
Reservesoldaten wurden in der palästinensischen Stadt Ramallah grausam von
einer Menge grausam zu Tode geprügelt und ihre Leichen verbrannt.
Regierungschef und Verteidigungsminister Ehud Barak schickte daraufhin
Kampfhubschrauber aus, um „strategische Ziele“ in Ramallah, Gaza und in
Jericho mit Raketen zu bombardieren. Dies ist eine ausgesprochene
Kriegshandlung als Vergeltung für die schreckliche Bluttat. Gibt es irgend
eine Entschuldigung für die in Ramallah geschehene Lynchjustiz einer
aufgebrachten Menge, oder gleicherweise für Israels Kriegshandlung ?
Die Antwort kann nur ein grosses NEIN sein.

Nach zweitem Nachsinnen darf man aber nicht vergessen, auf welchem
Hintergrund die beiden israelischen Soldaten gelyncht wurden. Ob die
beiden nun in ihrem Jeep als Araber verkleidet durch die Strassen von
Ramallah fuhren genau zu dem Zeitpunkt als Begräbnisproyessionen für vier,
am Tage zuvor von israelischen Besatzersoldaten und Siedlern umgebrachte
Einwohner angesetzt waren und ihr Wagen mit Sprengstoff geladen war, wie
die palästinensische Version der Angelegenheit besagt, oder ob sie,
entsprechend der israelischen Version, sich nur verfahren hatten und
deshalb irrtümlicherweise durch diese Stadt fuhren, ist im Grunde unwichtig.
Tatsache ist, eine palästinensische Polzeistreife hielt den Wagen an und
verhaftete die beiden israelischen Soldaten, die nach den Abkommen mit
Israel sich nicht an diesem Platze befinden hätten dürfen. Eine Menge,
die sich hauptsächlich aus den zu der Begräbnisprozession eingefunden hatte,
stürmten die Polizeistation und ermordeten die beiden Israelis nach
allen Regeln einer grausamen Lynchjustiz. Die wenigen, in der
Station befindlichen Polizisten und vor allem ihr Kommandant machten alle
Anstrengungen, um die Menge von der Untat abzuhalten, waren aber gegenüber
der aufgebrachten Menge ohnmächtig. Einigen Berichten zufolge hatte der
Stationskommandant bereits die israelischen zuständigen Besatzerbehörden
telefonisch über die Festnahme der beiden Reservisten benachrichtigt, um
deren Übergabe an die israelische Seite zu arrangieren, bevor die Menge die
Poizeistation stürmte.

Wie dem auch sei, die Ramallah Untat war ja nicht der erste Lynchmord,
der in der vergangenen Woche verübt worden war. Schon am Sonntag und Montag
verübten klerikal-"faschistische" Siedlerbanden, als „Vergeltungsaktionen“ für
den erzwungenen Rückzug der Besatzerarmee aus der angeblichen Grabstätte des
biblischen Josephs getarnt, abscheuliche Pogrome gegen palästinensische
Zivilsten in den Gebieten um Nablus, Ostjerusalem, Hebron und Bethlehem
im Westjordangebiet, in deren Verlauf mindestens fünf Palästinenser zu
Tode gelyncht wurden. In der von arabischen Palästinensern bewohnten
israelischen Stadt Nazareth drangen aufgewiegelte Ultras aus dem benachbarten
jüdischen Ort Nazareth-Illit ein und verübten ein schreckliches Pogrom unter
den Einwohnern, zertrümmerten Geschäfte, Wohnungen und Autos, zwei Araber
wurden auf offener Straße buchstäblich zu Tode gelyncht.

Kein Wunder, dass eines der Ziele der israelischen Bombardierung aus der
Luft die Radio und Fernsehtation in Ramallah war, welche damit,
wenigsten zeitweilig, zum Schweigen gebracht wurde. Man wollte verhindern,
dass die Version der palästinensischen Seite die sofort nach der Tat
eingesetzte massive propagandisitsche Bombardierung der israelischen und
weltweiten öffentlichen Meinung stören, welche, in zehnstundenlangen
„offenen Kanälen“ die offizielle israelische Version in Umlauf gebracht hatte.
Alle zur Verfügung stehenden „Sprecher“ und Medienkommentatoren wurden der
Reihe nach und auf dem Hintergrund der immer wieder, bis zum Kotzen
wiederholten Szenen rund um die Polizeistation von Ramallah vor und
während der Lynchhandlung vor die Mikrofone gebracht. Eine ausgesprochene
Gehirnwäsche, in deren Verlauf auch nicht ein einziges Wort über die
Hintergründe auf welchem die unentschuldbare Tat vollbracht wurde,
zu erwähnen.

Kein Wort auch darüber, dass die palästinensische Autoritätsregierung,
einschließlich ihr Chef Yassir Arafat die Schandtat von Ramallah verurteilte
und den Hinterbliebenen der Lynchopfer ihr Bedauern aussprach. Allerdings war
dieser Ausdruck des Bedauerns von auf die Hintergründe hinweisende Hintergründe
begleitet. Man dürfe nicht vergessen, dass dieser bedauerliche Vorfall ein
Ergebnis der unmenschlichen und extrem mörderischen Politik Israels mit
dem willkürlichen Einsatz der schießwütigen Besatzerarmee vorgekommen sei,
welcher innerhalb der zwei vergangenen Wochen zum Martyrertod von mehr als
einhundert Palästinensern und zu annähernd zweitausend Verwundeten verursacht
hatte. Der Pressesprecher von Arafat, Marwin Kanafani beschuldigte Israel
eines „Informationsterrorismus“, in deren Rahmen palästinensische Internet
websites und andere Informationsquellen stundenlang lahmgelegt worden waren,
währenddessen die israelische Luftwaffe Ramallah und Gaza bomberdierten.
Er fügte
dem hinzu, dass die unverantwortliche Lynchtat israelischerseits geschickt
ausgenutzt worden sei, um eine, dem Völkerrecht zuwiderlaufende Kriegshandlung
zu begehen, welche allem Anschein nach schon von langer Hand vorbereitet war.

Der Chef der präventiven Sicherheitskräfte in Gaza, Mohammed Dahlan, erklärte,
mit der Bombardierung aus der Luft habe Israel den Krieg gegen das
Palästinenservolk erklärt. Dis Palästinenser würden sich aber in keiner
Weise dem kriegerischen Diktat beugen oder sich ergeben.

In einem Telefongespräch Eures Korrespondeten kommentierte das in
Ramallah befindliche Mitglied der PLO Exekutive, Suleiman al-Nadjab,
während seine Büroräume von, in der Nähe einschlagenden den Raketen
erzitterte, er bedauere sehr die unmenschliche Lynchtat, die von einer
aufgebrachten Menge in Ramallah begangen wurde. Aber Schuld an solchen
Vorkommnissen liege an der schon zwei Wochen andauernden zügellosen
Morderei der israelischen Besatzer, die ja auch vom Sicherheitsrat
verurteilt wurde. Barak und die ihm zur Verfügung stehende Kriegsmaschine
könne noch so viel Zerstörung und Mordtaten anrichten, werde aber nicht
imstande sein, den Volkswiderstand gegen die unmenschliche Besatzung und
gegen die Lynch Pogrome der Siedlerbanden zu brechen. „Wir Paläsinenser
werden uns nicht dem, durch Waffenterror aufgedrängten Diktat beugen“ -
betonte A-Nadjab..

Das Barak Kabinett beschloss, die Ereignisse in Ramallah zum Anlass
nehmend, die rechten Oppositionsparteien, mit dem übelbeleumdeten
Kriegstreiber Scharon an der Spitze, aufzufordern, einem zeitweiligen
„Notstandskabinett“ beizutreten. Wie zu erwarten, stimmten die
zionistischen Politiker, mit ihren Knessethabgeordneten an der Spitze,
einen, von rechts bis „links“ kaum zu unterscheidenden Chor der
Verurteilung und Verantwortlichmachung für die Ereignisse der
Palästinenser überhaupt, und von Arafat im Besonderen ein.
Demgegenüber beschlossen die arabischen Knessethabgeordneten und das
Überwachunskomitee der arabischen Minderheit in Israel, dass,
solange die Unruhen und die schießwütige Unterdrückung in den besetzten
palästinensischen Gebieten andauere, keine Kommentare zu dem Ereignis in
Ramallah abzugeben.

Der Gusch-Schalom Friedensblock betonte in einer Verlautbarung,
es gebe nur einen Weg aus dem verhängnisvollen Teufelskreis des
gegenseitigen Mordens und der, von Israel gesarteten Kriegshandlungen,
nämlich die Besatzung aller seit 1967 besetzten Gebiete unverzüglich
aufzuheben und die Armee aus diesen Gebieten, einschließlich Ostjerusalem,
abzuziehen. Das Bombardement auf Ramallah und Gaza sei eine Eskalation der
Auseinandersetzung, werde aber keinen Deut an der dringend notwendigen Lösung
des Konflikts ändern. Jeder Tropfen Blut, der vergossen wird, sei es
palästinensisches oder jüdisches Blut, sei unnötigerweise vergeudet und
erhöhe lediglich das unsagbare Leid von immer noch mehr von Familien auf
beiden Seiten.

Eine von der Chadasch Front für Samstag (14.Okt.)
anberaumte jüdisch-arabische Demonstration durch das Wadi Nisnass Viertel
von Haifa wurde abgesagt, angeblich um den rechtsradikalen Elementen und
der Polizei keinen Anlass für neues Blutvergießen zu geben.
Eine, dem Hauptquartier der israelischen Friedensbewegungen
nahestehende Gruppe ruft im Internet dazu auf, anstatt dieser
gekanzelten Chadasch Demonstration jüdisch-arabische Kundgebungen
in Jerusalem, Tel-Aviv, Haifa und Nazareth anzuberaumen.

 

13.10.2000
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