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Vorgeschichte ++ Staatsgewalt contra Flora ++ Die Verhandlungen 1992 ++ Aufbau F ++ So sehen uns die Anderen ++ Musik und Politik - Konflikte innerhalb der Roten Flora ++ Plenum, VV, ZK ++ eine Organisationsgeschichte der Flora ++ Sexismus in der Flora und der Szene


Die Verhandlungen 1992

In der Jahresmitte 1992 verlangte die Stadt Hamburg von der Roten Flora die Zustimmung zu einer vertraglich geregelten Gebäudenutzungsvereinbahrung. Der Senat nannte dies "das letzte Angebot" an die Flora, obwohl es in Wirklichkeit das erste gewesen ist. Die Stadt wollte den besetzten Zustand der Flora beenden. Darüber hinaus sollte der Roten Flora ein Teil des Gebäudes weggenommen werden. Dieser Gebäudeteil sollte zunächst das gesamte erste Stockwerk umfassen.
Verhandlungsführerin seitens der Stadt war die damalige Stadtentwicklungssenatorin Traute Müller (SPD). Erklärtes Ziel war, eine Kindertagesstätte(KiTa) im ersten Stock der Flora einzurichten. Es hat sich dabei wohl um die KiTa gehandelt, welche zunächst in den Neubauten der Juliusstr. untergebracht werden sollte und dort zugunsten einer Tiefgarage nicht verwirklicht worden ist. Das Ausspielen "sozialer" Interessen gegen die Rote Flora durch die Stadt vor der Öffentlichkeit war also nicht neu.
Die Kindertagesstätte sollte von einem eigenständigen Träger verwaltet werden. Aber auch die Trägerschaft des Erdgeschosses und des Kellers durch die RotfloristInnen war fraglich, da der Senat auch die Eigenschaft als Stadtteilkulturzentrum in Frage stellte.
Ob aber überhaupt mit der Stadt verhandelt werden sollte war innerhalb der Flora umstritten:

"Wir reden nicht mit den Schweinen"
Eine Position in der Roten Flora war, dass es keinen Grund gab und gibt mit der Stadt über die Gebäudenutzung zu verhandeln. Im Gegenteil, die Stadt hatte das Gebäude zum großen Teil zerstört und wollte hier ursprünglich ein Kommerzmusical einrichten, welches das gesamte Schanzenviertel im Handumdrehen komplett aufgewertet und dazu geführt hätte, dass die Menschen, die hier vorher gelebt haben, vertrieben worden wären. Die Stadt sollte also nur das Geld für die Gebäudesanierung rüberschieben und sich ansonsten fernhalten. Bevor mit der Stadt über Fragen der Gebäudenutzung verhandelt würde, würde man lieber die Auseinandersetzung auf der Straße suchen, die Menschen überzeugen und die Rote Flora als linksradikales besetztes Zentrum politisch auf der Straße durchsetzen.

Das Gebäude halten
Eine andere Position stellte den Erhalt der Roten Flora als politisches Zentrum in den Vordergrund, auch wenn dabei Abstriche gegenüber der Stadt hingenommen werden müssten. Geleitet wurden diese Erwägungen davon, dass das Zentrum zwar besetzt, aber deshalb nicht vollkommen außerhalb der gesellschaftlichen Ordnung steht. So bezahlt die Rote Flora zum Beispiel von Anfang an Müllgebühren sowie Strom und Wasser. Zudem glaubte man nicht, einem Kräftemessen mit der Staatsgewalt einem Jahr nach der Parkräumung gewachsen zu sein, so dass man einer Gebäuderäumung letztlich wenig entgegenzusetzen gehabt hätte. Die Frage war dann nur noch, welche Konzessionen man an die Stadt machen würde. Es wurde auch hingenommen, dass eine Vertreterin der Stadt, die Senatorin Müller, das Gebäude offiziell begeht. Das war damals ein heftig umstrittener Umstand, der dazu führte, dass einzelne Floragruppen ihr den Zutritt zu "ihren" Räumen verweigerten.
Diese Position konnte sich darüber hinaus auch auf die Vorgeschichte berufen, dass es von Anfang an die Forderung gewesen ist, mit den "politisch Verantwortlichen" zu reden und nicht mit vorgeschickten Unterhändlern Kompromisse auszuhandeln, die dann doch nur von deren Vorgesetzten aufgehoben werden. Insofern war die Position "Kein Weg mit der STEG" zu dem Zeitpunkt erfolgreich durchgesetzt, als sich die Stadtentwicklungsbehörde (STEB), vertreten durch die Senatorin selbst, Verhandlungen mit der Roten Flora führte und die dafür eigentlich vorgesehene Stadtentwicklungsgesellschaft (STEG) als bloßes Befriedungsinstrument der Stadtverwaltung bezeichnet und behandelt wurde.



Der Verlauf der Verhandlungen:

Das erste Treffen zwischen STEB und Flora fand am 7.9.92 im Altonaer Rathaus statt: Dort legten beide Seiten ihre wesentlichen Eckpunkte dar, um die es in den Verhandlungen gehen konnte: Die Rote Flora stellte klar, dass die Flora ein seit drei Jahren existierendes Stadtteilkulturzentrum ist, und es eine Nutzung durch Krabbel- und Kindergruppen nur innerhalb des bestehenden Konzeptes der Roten Flora geben kann. Die Senatorin Müller stellt die Eigenschaft der Flora als Stadtteilkulturzentrum in Frage. Eine solche Nutzung würde erfordern, dass die Flora für "alle" Menschen offen sei. Zudem habe die Flora einen zweiten Träger im Gebäude zu akzeptieren.
Am 21.9.92 fand eine Ortsbegehung von Senatorin Traute Müller und dem damaligen Bezirksamtsleiter von Altona, Strenge, in der Flora statt. In diesem Zuge wurde ihnen das Gebäude gezeigt und das bestehende Nutzungskonzept übergeben. Einzelne Gruppen machten ihre Räume allerdings nicht für die Begehung zugänglich. Es blieb auch das einzige Treffen in der Flora während der Verhandlungen.
Am 24. 9.92 fand ein weiteres Treffen mit Senatorin Müller im Altonaer Rathaus statt. Der Ortstermin hatte wohl bewirkt, dass die Rote Flora als Stadtteilkulturzentrum anerkannt wurde. Es ging dann um die zweite Trägerschaft einer Kindertagesstätte im ersten Stockwerk des Gebäudes, welche Gegenstand der Verhandlung blieb.
Diese Schwierigkeiten brachen dann am 24.11.92 auf, als Müller Vorgaben von Voscherau bekommen hatte, der Flora das erste Stockwerk als einen politischen Preis abzunehmen. Zwischendurch bestand die Einschätzung, die zweite Trägerschaft im Gebäude sei vom Tisch. Es ging an diesem Punkt nicht mehr um Sachfragen, sondern nur noch um ein Politikum zwischen dem SPD-Senat und der Roten Flora. Dies wurde um so deutlicher, als die Rote Flora mit einem KiTa-Anbau ein weiteres Kompromissangebot vorschlug.

Der KiTa-Anbau in der Baulücke neben dem alten Druckraum
Dieser Vorschlag basierte auf der Annahme, dass die Flora auf den ersten Stock nicht verzichten kann. Allerdings wäre eine Anbauvariante neben dem Gebäude akzeptabel. Außerdem wurde die Stadt mit diesem Vorschlag unter Druck gesetzt, sich dazu auch zu äußern. Zudem konnten hier organisatorisch zwei Trägerschaften in zwei Gebäuden eingerichtet werden. Die Rote Flora würde also als Einheit bestehen bleiben.
Der Anbau war jedoch bereits für eine Gruppe bereits zuviel Zugeständnis an die Stadt, und sie trat aus den Florastrukturen aus.
Das Angebot des Anbaus sollte nach Müller gleichfalls nicht ausreichen, um die vom Senat offiziell gemachte Vorgabe 60 KiTa-Plätze zu schaffen, zu erfüllen. Die Rote Flora sollte sich das mit der zweiten Trägerschaft doch noch einmal überlegen, da ansonsten der Senat die Verhandlungen als gescheitert einstufen würde. Zu diesem Zeitpunkt stand aber fest, dass es eine zweite Trägerschaft in dem Gebäude der Roten Flora nicht geben würde.
Ein weiteres Gespräch gab es dann dennoch am 22.12.92. Während Müller nicht müde wurde, zu betonen, dass eine vertragliche Lösung für die Flora nur durch die Akzeptanz eines zweiten Trägers in dem Gebäude gewährleistet werden könne, legte Bezirksamtsleiter Strenge Bauplanungszeichnungen auf den Tisch, wie ein Anbau mit zweiter Trägerschaft doch realisiert werden könnte: "eine organisatorisch und räumlich getrennte Tagesstätte, die in einem Anbau zwischen Roter Flora und Weißer Ecke und einem Teil des Obergeschosses der Roten Flora arbeiten soll. Wir sollen durch einen Raum im Anbau, neben der Vokü, einen Teilausgleich für unseren Raumverlust im ersten Stock bekommen. Zwischen den Räumen der KiTa und der Roten Flora sollen massive Wände stehen, so dass es sich dann faktisch um zwei Gebäude mit eigenen Eingängen, Treppenhäusern etc. handeln würde. Das Büro, der Radio St. Paula Raum [heute: Farbzelle], der Offset-Raum [vormals Sani-Raum heute: Jump-Raum], der Olaf Ritzmann Raum, zwei Drittel des Schlafraums [heute: Archiv] und mehr als ein Drittel der oberen Halle werden uns weggenommen."
Wenngleich die Raumverluste für diese Vorgabe sehr schmerzlich waren, so wurde es doch als Erfolg angesehen, dass der zweite Träger im Gebäude wohl vom Tisch war, und dieser Vorschlag getrennte Mietverträge und getrennte Räumlichkeiten vorsah.


Was tun mit dem Strenge-Vorschlag? Sich darauf einlassen?
Ob aber diese Kröten geschluckt werden sollten oder nicht war in der Zeit Anfang 93 umstritten. Sich auf den Vorschlag einlassen war eine Position, die auf der Einschätzung basierte, dass dem Kräfteverhältnis nach bereits eine Menge erreicht worden ist, und sich eine weitergehende Verteidigung über diesen Vorschlag hinaus nicht realisieren lassen würde. Mehr als eben nur einen Teil der Flora zu behalten ist nicht drin. Und: Ein Zentrum wie die Flora ist zu wichtig, als das es wegen ein paar Quadratmetern aufgegeben werden soll.

Keine Raumabgabe vom Hauptgebäude

Die meisten NutzerInnen wollten aber den Vorschlag nicht akzeptieren. Die zu schluckenden Kröten galten als zu groß. De facto bedeutete dies, dass Gruppen konkret die Möglichkeit genommen worden wäre, sich in der Flora zu treffen. Die Räume waren teilweise auch schon anderweitig für politische Initiativen (z.B. Archiv der sozialen Bewegungen) verplant, so dass eine Nutzung durch eine vom Senat aufoktruierte KiTa hier nicht mehr in Betracht kam. Die obere Halle wäre als Veranstaltungsraum für Kabarett oder auch Plena weggefallen. Die Vorgabe des Senates, der Roten Flora um jeden Preis etwas wegzunehmen, war auch in diesem Vorschlag noch deutlich zu erkennen.



Die gemeinsame Position

Die gemeinsame Position, wie mit diesem Strenge-Angebot umzugehen sei, war schließlich, ihn als eine Diskussionsgrundlage zu betrachten, über die weiter verhandelt werden sollte. Dies wurde der STEB auch in Form einer Stellungnahme mitgeteilt.
Diese Stellungnahme wertete die STEB jedoch als Zustimmung zu dem vom Bezirksamtsleiter Strenge am 22.12.92 vorgelegten "Kompromiss". Auf eine hinterhergeschickte Richtigstellung, dass es sich bei der Erklärung nicht um eine Zustimmung, sondern um eine Diskussionsgrundlage handelte, von der aus weiter verhandelt werden müsste, ging die Behörde nicht mehr ein. Müller bestätigte lediglich noch einmal schriftlich, dass sie weiteren Verhandlungen nicht mehr nachkommen wird.
Als ein Ergebnis der Verhand-lungen lässt sich also formulieren, dass die STEB einen Vorschlag zur Vertragsgestaltung im Senat vorlegen wollte, welchem die Rote Flora zu keinem Zeitpunkt zugestimmt hat.

Wie ging es dann weiter?
Die letzten offiziellen Kontakte gab es im Januar`93. Auf Anfrage teilte der Referent von Senatorin Müller im Juni noch einmal mit, dass es eine Entscheidung zur Roten Flora im Senat nicht mehr vor der Bürgerschaftswahl am 19.9.93 geben würde.
Danach hat die Rote Flora bezüglich eines Verhandlungsangebotes offiziell nie wieder etwas von der Stadt gehört. In der zurückliegenden Zeit gab es lediglich einige Verlautbarungen, dass der jetzige Bezirksamtsleiter von Altona "Handlungsbedarf" bei der Roten Flora sieht. Außerdem gab es von Bezirksamtsseite aus auch den Versuch, die Patriotische Gesellschaft als Vermittlerin zwischen Flora und der Stadt einzuschalten. Irgendetwas wird also passieren, und gemessen an den Erfahrungen von 1992 kann dies auch sehr schnell geschehen. Ob die Gespräche sich dann aber auf die in der Zwischenzeit sieben Jahren zurückliegenden Verhandlungen beziehen wird oder nicht, bleibt abzuwarten.

Was ist aus den Beteiligten geworden?
Traute Müller hielt sich noch ein paar Monate im Amt. Dann allerdings wurde ihr Ehemann der Stasi-Mitarbeit überführt. Sie trat daraufhin zurück. Ihre Amtsnachfolger Peter Mirow (bis 1997) und Wilfried Mayer meldeten sich nicht bei der Roten Flora.
Hans-Peter Strenge, damals Bezirksamtsleiter von Altona, ist heute Chef der Senatskanzlei im Hamburger Rathaus. Sein Nachfolger heißt Uwe Hornauer.