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Fri Jan  2 16:36:19 2004
 

Bemerkungen zur genmanipulierten Landwirtschaft und der Erniedrigung der Arten
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[p. 90 - 91]

Nicht nur die Fortschritte der wissenschaftlichen Medizin haben bewirkt, dass die Menschen nicht mehr sterben wollen, sondern vor allem die Tatsache, dass sie die Gewissheit haben, sofort danach vergessen zu werden, nichts mehr hinter sich zu lassen, weil sie nichts weitergegeben, um sich herum keinen verständigen Nachkömmling ausgemacht haben, ihr ganzes Leben weiter nichts gewesen sind als völlig austauschbare Ersatzteile im Innern der gesellschaftlichen Maschine, die keine Erinnerung ihres Gastspiels auf Erden aufbewahren wird. Bedeutet leben heute nichts, dann bedeutet sterben nie etwas gewesen zu sein: diese traurige Evidenz, in die sich zu schicken schwer ist, stellt eine der wesentlichen Bestimmungen der modernen Subjektivität und ihrer depressiven Tendenz dar; eine Evidenz, die ihr auf das Versprechen von ein paar Jahren mehr »in Hochform« das Plazet geben lässt zu einem Leben, das durch und durch in totaler Abhängigkeit von der organisierten Gesellschaft abläuft, in der wir eingesperrt sind. Einst »vermachte man seinen Körper der Wissenschaft«; heute gehört man ihr, quicklebendig, wie ein Leichnam, noch bevor sie uns in ihren Krankenhäusern ausschlachtet.

Die Verheissungen der »Gentherapien« werden sich ebensowenig verwirklichen wie die der amerikanischen Regierung, als sie 1971 »dem Krebs den Krieg erklärte«. (Der Sieg sollte in zehn oder 20 Jahren errungen werden und als man schließlich die Bilanz dieser Niederlage zog, wurde gemutmaßt, es sei womöglich angebracht, die Forschungen auf die »Risiken durch chemische Erzeugnisse« zu konzentrieren; doch dafür war es schon zu spät und eigentlich kam es auch gar nicht infrage: deshalb zog man es vor, die neue Hoffnung mit den »Gentherapien« zu erwecken.) Was man dagegen halten wird, ohne es versprochen zu haben, ist die Beseitigungn von Erbschäden durch die Selektion in vitro oder in utero der Embryonen mittels Vorhersagetests und dann zwangsläufig durch Keimbahntherapie an Embryo-Zellkulturen. Die Nachfrage nach solchen Techniken ist zweifelsohne durch emotionale Propaganda wie die des Telethon geschürt worden, doch war diese nur so wirksam, weil alle hofften selbst davon profitieren zu können: schon heute besitzen die Eltern nichts mehr, was sie an ihre futuristischen Kinder weitergeben könnten, weder Wissen, Erfahrung, Erinnerungen noch Moral-Bewußtsein oder materielle Güter; nur ihre Gene können sie ihr eigen nennen und das ist es, was sie unbedingt weitergeben wollen, wenigstens diese Spur wollen sie von sich hinterlassen (diese gesellschaftliche Nachfrage wird, falls notwendig, das reproduktive Klonen durchsetzen). Dank der Früherkennung von angeborenen Anomalien beim Embryo und dem Einpflanzen von im Labor korrigierten Embryos werden die Kinder wirklich zu denen des medizinischen Engineerings und dass sie ihm anvertraut wurden, wird alles sein, was sie ihren Eltern zu verdanken haben werden. Das man da ab noch früher in den Fabrikationsprozess eingreifen, um ersteinmal sicher zu gehen, dass man sich mit einer guten Genotype paart, ist nur logisch. Erfährt man dann diesbezüglich, dass ein Nazi-Physiologe als erster auf den Gedanken kam, man könne eine Eizelle entkernen und durch den Kern einer anderen Eizelle ersetzen, was die Erfindung des Konzepts der Ersatzmutter war, dann wird man sich auch daran erinnern, dass es neben der negativen Eugenik zur Beseitigung der schlechten Gene der Menschheit mittels Zyklon-B und Vernichtung durch Arbeit auch äußerst positive Eugenik-Versuche in den Zuchtställen der SS gab mit dem Ziel, die Zahl der Blonden und Blauäugigen auf Erden zu vervielfachen - und das bevor ein amerikanischer Nobelpreis auf den Gedanken kam, Banken für Sperma von Nobelpreisträgern einzurichten.

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