TATblatt    

Vorfeld-Diskussion Opernball / Checkpoint Opera

Die folgenden Texte stammen aus der Zeit vor der Opernball-Donnerstags-Demo vom 22.2.2001.

Zum Verlauf der Demo siehe TATblatt-WiderstandsChronologie-Eintrag vom 22.2.2001

Diskussionen über den Ablauf siehe Online-Archiv der E-Mail-Zeitung Widerst@ndsMUND

Text 1: Vorwurf der "Vereinnahmung des Widerstands von j.h.y.a. (eingelangt am 15.2.2001)
Text 2: gegen eine instrumentalisierung - für aktives mitgestalten Antwort auf Text 1 von "Johannes"

siehe auch: Diskussionen über die Großdemos der letzten Wochen:
... 3. Februar (1-Jahr-Widerstands-Demo) ; ... 21. Jänner (Kundgebung gegen FPÖ-Neujahrstreffen in Oberlaa)



Vereinnahmung?

von: j.h.y.a. (eingelangt am 15.2.2001)

einer aussendung zum checkpoint opera (mund, 15.2.) konnte ich folgendes entnehmen: "die demo trifft sich normal um 19 uhr am ballhausplatz, wir ziehen dann einmal rund um die oper und die menschen sollten sich nach lust und laune einem der POINTS zuordnen. falls ihr logistische vorschläge habt, eine gruppe seid, die action haben will oder uns kleine spenden anbieten könntet, wäre das cool."
ich find ja toll, dass da leute sich gedanken über den widerstand machen und den checkpoint opera organisieren. die donnerstagsdemos aber gleich in diesen plan miteinzubeziehen und quasi zum teil dieser organisierung zu machen, widerspricht aber meiner meinung nach dem grundgedanken von checkpoint austria: nämlich dass leute und gruppen selbstständig aktionen als eigenständige teile durchführen. irgendwie kommt mir dies - insbesondere in vorwahlzeiten - als vereinnahmung vor.
wenn ihr euch noch an die demo am 3.2. erinnert, dann wird euch wohl aufgefallen sein, dass dort ebendies geschah. zum ersten vorbereitungstreffen haben damals einige kaderorganisationen eingeladen. als dann verschiedene vorschläge kamen, wie die demo inhaltlich zu füllen sei, wurde entgegnet: es gäbe keinen bedarf an inhaltlicher diskussion, diese könnte in kleinerem kreis an anderen orten stattfinden usw. viele leute blieben in der folge den vorbereitungen fern, da sie sich nicht instrumentalisieren lassen wollten.
so wurde zum beispiel verweigert, das thema faschismus zu thematisieren - gerade in österreich, wo sich der widerstand ja ganz eindeutig gegen faschistische tendenzen richtet, sehr eigenartig. weiters nicht im programm: antisemitismus, operation spring, die ermordung von vier roma vor sechs jahren usw.
den höhepunkt der verarschung stellte die situation dar, dass zwar auf der homepage zur demo (www.rassismus.at/demo) die forderung zur abschaffung der schubhaft vertreten wurde (geklauter text von www.no-racism.net, wenn ich nicht irre, der übrigens laut den anmerkungen noch unter einer spvp-koalition entstand - siehe da, die fpö ist nicht für alles verantwortlich!!!). als wir aber auf der rossauer lände nahe dem schubhäfen ankamen, bog die demo plötzlich rechts ab und ließ die schubhäftlinge links liegen. ob dies nicht symbolisch verstanden werden soll?
durchgesetzt haben sich mainstreamthemen, die wohl dem wahlprogramm einiger in wien kandidierender parteien entsprechen? fühlt ihr euch provoziert?
der widerstand im letzten jahr zeichnet sich vor allem durch zwei dinge aus:
1. er ist nicht vom oben koordiniert, die do-demos finden ohne anmeldungen statt und eine relative selbstorganisation ist bemerkbar.
2. der widerstand konnte von anfang an auf strukturen zurückgreifen, die schon lange vor schwarzblau existierten und sich grundsätzlich gegen eine politische entwicklung richteten, die erst ermöglichte, dass es zu einer rechstextremen regierung in ö kommen kann.
dies bedeutet, dass der widerstand wesentlich älter als ein jahr ist - so wie die opernballdemos! die gabs schon, als noch kein mensch dachte, dass eine fpö in die regierung kommt und mit derartigem widerstand konfrontiert wird.
sollte euch der widerstand gegen faschismus, sozialabbau, rassismus, antisemitismus, sexismus uswusf tatsächlich ein anliegen sein und nicht nur das zurückkehren zum status quo von vor einem jahr, dann macht das bitte in eurem handeln sichtbar.
SMASH AUSTRIA!


gegen eine instrumentalisierung - für aktives mitgestalten

Antwort von "Johannes" auf Text 1

liebe/r smash austria oder was auch immer,

grundsätzlich gebe ich dir recht, wenn du das problem ansprichst, dass mit diesem aufruf die dodemo da einfach instrumentalisiert wird. aber bezüglich deiner anmerkungen zur demo 3.2. möchte ich einiges nicht unwidersprochen lassen ...

ich halte es auch für problematisch, die dodemo mit dem checkpoint opera so zu verbinden - wahrscheinlich aber aus anderen motiven als du: ich fand die opernballdemonstration schon immer eine äußerst eigenartige sache, die ich mir nur mit einer generellen liebe zur tradition auch auf seiten der linken erklären kann. die erste opernball-demo machte total sinn - es war ein protest gegen starke einsparungsmaßnahmen, und es war pervers, dass die sparmeister - kurz nach verkündung ihres pakets zum tanzen luden ... und dann war auch noch franz josef strauss eingeladen - ein guter grund für alle wackersdorfgegnerInnen, diesen herrn nicht ungestört feiern zu lassen ... die demo ein jahr danach machte ebenfalls sinn - es war ein legitimer protest gegen das harte durchgreifen der polizei im jahr davor. aber dann hat das für mich irgendwie den sinn und inhalt verloren - klar findet sich in der langen liste von gründen gegen "die macht", gegen einen kapitalistischen staat, etc. zu protestieren, auch jeweils gute themen, die dann im rahmen der opernballdemo thematisiert werden können. aber es kam mir immer vor, als ob dieser termin einfach da war - jedes jahr - und es irgendwie zur tradition wurde, gegen diesen ball zu protestieren. (aber nichtmal zur abschaffung des balls wurde je aufgerufen - dann wäre es ja noch verständlich, so lange eine gegendemo zu machen, bis das durchgesetzt ist ...)

klar - "die reichen" feiern - die anderen protestieren. aber irgendwie ist´s halt einfach ein stückchen tradition. opernball = demo - auch wenn eigentlich nicht mehr klar ist, warum genau dann ...

ich persönlich sehe zwar keine besondere symbolhaftigkeit in diesem ball - so wie mir bälle generell eigentlich relativ wurscht sind. da gibt es andere gründe, anlässe und symbole genug - aber bitte - tradition ist vielleicht einfach nur tradition - und es geht darum, sie stets aufs neue mit inhalten zu füllen - hüben wie drüben ...

die donnerstagsdemos damit einfach zu verbinden, halte ich daher nicht für besonders geglückt - es beschleicht dabei wahrscheinlich nicht nur mich das gefühl, dass einige diese vielen menschen, die so stetig und dauernd auf die straße gehen, als ein "potential" sehen, dass sich für die jeweils eigenen projekte mobilisieren lässt ... und da ist´s dann wirklich nicht mehr weit zur instrumentalisierung.

aber deine anmerkungen zur demo am 3. februar will ich nicht unwidersprochen lassen. ich habe bei der vorbereitung mitgeholfen und habe die website www.rassismus.at/demo zusammengestellt.

ich weiß nicht, was du mit "kaderorganisationen" meinst - ich selbst bin jedenfalls bei keiner partei, bei keinem verein und die initiative, diese demo zu organisieren ging von einzelnen personen aus, und hat eine längere vorgeschichte. im rahmen des projekts rosa flieder wurden eine reihe von offenen treffen veranstaltet, die versuchten, möglichst breit neue projekte und aktionen zu besprechen. die organisation einer weiteren großen demo war dabei auch immer ein thema - und als klar wurde, dass eigentlich niemand etwas zum jahrestag der regierung plant, wurde damit begonnen, diese demo vorzubereiten.

eine offene einladung bedeutet natürlich auch, dass mitglieder von parteien und gruppen eingeladen sind - aber im rahmen der diskussionen zur vorbereitung waren diese stets einzelpersonen.

das mit der themenauswahl und mit den grundsatzdiskussionen ist so eine sache: es gab eine breite einigung, dass vier zentrale themen im rahmen der demo thematisiert werden sollen:

# weg mit dieser regierung und ihrem programm
# gegen rassismus und sexismus
# gegen sozial- und bildungsabbau
# gleiche demokratische rechte für alle

gut. und jetzt ist´s natürlich ein leichtes zu argumentieren: aber ihr habt das und jenes nicht ausreichend thematisiert ... (antisemitismus, neoliberalismus, ...) ja bitte, das stimmt ...

und im rahmen von treffen, die dazu dienen sollen, etwas konkretes in möglichst breiter zusammenarbeit zu organisieren, bietet sich auch nur beschränkter raum für grundsatzdiskussionen. es sind viele gruppen und personen beteiligt, die eine lange tradition der auseinandersetzung miteinander haben - es ist weder der widerspruch zwischen trotzkistInnen und orthodoxen kommunistInnen, zwischen autonomen und parteimitgliedern, zwischen .... ach, es gibt da wirklich viele, viele positionen, die sich zwar für manche außenstehende als kleinigkeiten darstellen mag - intern aber zu sehr heftigen und emotionellen diskussionen führt.

wenn es eine gute lösung gäbe, wie es möglich ist, möglichst breit etwas zu organisieren - aber ohne grundsatzdebatten, die ab einem bestimmten punkt einfach nichts mehr bringen - wären wir alle einen großen schritt weiter. einfach zu sagen: und dann haben "wir" (wer ist das?) uns zurückgezogen, weil das ohnedies mainstream ist, ist auch keine sehr gute lösung. aber wenn eine bildung von allianzen zur gemeinsamen organisierung einer aktion nicht tragbar für dich ist, ist so ein rückzug wahrscheinlich das beste im sinne aller beteiligten - schade halt, aber scheinbar unvermeidlich.

zu den texten: da war nichts "einfach geklaut" - das war eine anfrage an no-racism.net, fewor und ANAR, ob sie texte haben/schreiben und rednerInnen für diese demo nominieren wollen. ljubomir bratic war dann einer der redner auf der demo und zu den texten wurde ich einerseits auf diesen text verwiesen (den ich auch persönlich für wichtig und gut halte) sowie auf den text von Asyl in Not (den ich nach rücksprache auch verwendet habe) also nix klauen ... nix drüberfahren ...nix kader ....

und das mit der rosauerkaserne ist mehr passiert, als dass es eine große verschwörung gewesen wäre, das dann doch nicht zu thematisieren um "mainstreamiger" zu bleiben. der redner für diesen demopunkt war auch einfach nicht mehr erschienen ...

zur tradition: ich glaube, die kontinuität von rassismus in diesem land wurde keineswegs ignoriert. gerade daher habe ich auch den angesprochenen text gerne aufgenommen - und gerade daher lausche ich auch den reden vom ljubomir immer mit besonderem interesse ... ich denke auch, es war gut und wichtig, dass er das thematisiert hat ...

ich denke, gerade die texte die ich über die homepage (und auch in einer pressemappe) im zusammenhang mit der demo versucht habe weiter zu verbreiten, sind eben nicht mainstream-themen von wahlwerbenden parteien ... aber ich kann sicherlich nicht die generelle linie der grünen wesentlich mit beeinflussen ... ich fand das eher spaßig, sowas auch im zusammenhang mit ihrem namen und z.t. mit ihrem geld weiterzuverbreiten ...

klar wurde auf ältere strukturen zurück gegriffen - und es sind auch viele menschen beteiligt, die schon viel früher politisch aktiv waren ... was soll die aussage? nicht nur du bist der meinung, dass die FPÖ nicht einfach vom himmel gefallen ist, nicht nur du sieht die faschistische tradition österreichs als wichtiges thema ... und trotzdem finde ich die art und weise, wie du diese punkte darstellst und einforderst, ziemlich öde ...

es provoziert mich nicht - ich finde deine kritik nur etwas flach - und die konsequenz "dann habe ich mich zurückgezogen" auch nicht sonderlich heroisch - auch wenn du dich so fühlen magst ...

manchmal kommt es mir so vor, dass viele so nahe beieinander liegen würden - zumindest was kurz- und mittelfristige ziele betrifft - aber so in ihrem reflex der abgrenzung verhaftet sind, dass eine breitere allianz verändernder kräfte sehr schwierig wird.

es ist halt doch noch immer die judäiische volksfront gegen die volksfront von judäa - und nicht gemeinsam gegen die römische okkupation ...

alles liebe
johannes


siehe auch: Diskussionen über die Großdemos der letzten Wochen:
... 3. Februar (1-Jahr-Widerstands-Demo) ; ... 21. Jänner (Kundgebung gegen FPÖ-Neujahrstreffen in Oberlaa)

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