TATblatt


Die Geschichte der ALF

Die Anfänge des illegalen autonomen Widerstands gegen Tierausbeutung liegen in den frühen 70er Jahren dieses Jahrhunderts in England. "Direct Action", also direkte Aktionen gegen TierausbeuterInnen im Gegensatz zu politischen Aktionen um andere von der eigenen Meinung zu überzeugen, wurden nicht nur für die Tierbefreiung erfolgreich angewandt, sondern auch schon von den FeministInnen am Anfang des Jahrhunderts, sowie von der Menschenrechtsbewegung von Martin Luther King in den USA und der Umweltbewegung heute usw. Seit den 80er und spätestens seit den 90er Jahren haben die meisten europäischen und nordamerikanischen Länder, sowie Australien, Neuseeland und Japan, eine ALF. Die Aktionen werden aber überall staatlicherseits praktisch totgeschwiegen, sodaß vertrauenswürdige Statistiken schwer zu bekommen sind. Über 600 AktivistInnen weltweit haben bisher aufgrund von Tierrechtsaktionen bis zu 18-jährige Gefängnisstrafen erhalten.

E. Brandstätter

Seit Beginn wissenschaftlicher Tierversuche größeren Stils im vorigen Jahrhundert gab es immer wieder Menschen, die Versuchstiere aus Labors befreiten. Aber es waren immer nur einzelne Aktionen, es gab kein organisiertes Vorgehen. Die organisierte Tierbefreiung hat ihre Anfänge erst am Beginn der 70er Jahre dieses Jahrhunderts in England.

Im Jahr 1972, nach achtjährigem Bestehen der englischen Jagdsaboteursbewegung, fand sich eine Gruppe von SaboteurInnen, die den andauernden Gewalttätigkeiten der JägerInnen eine entsprechende Antwort entgegenhalten wollte. Sie nannte sich Band of Mercy, und begann in gezielten Aktionen im gesamten Raum Südenglands Fahrzeuge und anderes Eigentum von Jagdgesellschaften zu zerstören. Im Herbst 1973 beschloß die Gruppe ihre Aktivitäten auf alle Formen der Tiermißhandlung auszuweiten. Im November desselben Jahres verübten sie zwei Brandanschläge gegen ein Tierversuchslabor der Hoechst AG in Milton Keynes, wobei ein Schaden von etwa einer Million Schilling entstand. Im Juni 1974 zerstörten sie erfolgreich ein RobbenjägerInnen-Schiff. Im Juni und August 1974 kam es zu insgesamt acht Anschlägen gegen Tierversuchslabors. Bei einem davon wurden erstmals, mehr oder weniger weil sich die Gelegenheit ergab, Tiere befreit: sechs Meerschweinchen einer Zuchtfarm für Versuchstiere in Wiltshire schlossen sich den AktivistInnen an. Die Besitzerin der Farm beendete daraufhin aus Furcht vor weiteren Anschlägen ihre Zucht.

Nach dieser Serie von Aktionen wurden zwei Aktivisten, Goodman und Lee, bei der Vorbereitung eines Anschlags gegen die Oxford Laboratory Animal Colonies verhaftet. Dieser Schachzug der Polizei stoppte jede weitere Aktion für die nächsten zwei Jahre. Nur Mike Huskisson befreite in einer Einzelaktion zwei Beagles der ICI Company, die Zigarettenrauch an ihnen testete. Die Öffentlichkeit war vorher schon auf diese Versuchsreihe aufmerksam gemacht worden und spendete erstmals einer Tierbefreiungsaktion ungeteilten Beifall. Huskisson wurde Jahre später deswegen angeklagt, aber ICI zog sich aus dem Prozeß zurück, um negative Berichterstattung zu vermeiden.

Im Juni 1976, nachdem die beiden gefangenen Tierrechtler freigelassen worden waren, wurde die ALF aus Teilen der alten Band of Mercy und etwa 25 neuen AktivistInnen gegründet. Zehn Aktionen, hauptsächlich gegen Zuchtfarmen für Tierversuche, wurden noch in der zweiten Hälfte des Jahres 1976 durchgeführt. Darunter war auch die erste Tierbefreiung der ALF: Drei Beagles wurden aus dem Pfizer Labor in Sandwich geholt.

Im Jahr 1977 unternahm die ALF 14 Aktionen gegen Tierversuchslabors und befreite dabei insgesamt über 200 Tiere. Gegen Ende 1977 und Anfang 1978 mußte die ALF allerdings einen schweren Schlag hinnehmen: die Polizei verhaftete sechs AktivistInnen. Es dauerte bis Mitte 1979, bevor die Gruppe sich davon erholt hatte und neue Aktivitäten unternehmen konnte. In dieser Zeit wurde innerhalb der ALF heftigst diskutiert, ob Brandstiftung, bei der mit größter Sorgfalt jede Gefährdung von Leben nach bestem Ermessen ausgeschlossen werden sollte, eine legitime Taktik wäre, oder nicht. Im August desselben Jahres fiel dann die Entscheidung für Brandstiftung: die Büros der Tucks and Sons Company in Essex, wiederum eine Firma, die Tiere für die Belieferung von Versuchslabors züchtet, wurden angezündet. Es entstanden etwa 400.000 Schilling Schaden.

Das Jahr 1980 sah sechs weitere Aktionen gegen Tierversuchseinrichtungen, wovon eine erstmals gegen einen Vivisektor selbst gerichtet war: die Garage und das Auto von George Sabey, Vivisektor der Wellcome Laboratorien, wurde mit Farbe beschmiert. Aber die Aktion von TierrechtlerInnen, die am weitesten die Öffentlichkeit erreichte und neue Weichen für die Zukunft stellte, kam nicht von der ALF sondern von der Northern Animal Liberation League (NALL), der Tierbefreiungsliga Nord.

Die NALL war die erste der großen Tierbefreiungsligen Englands. Sie hatte ihren Schwerpunkt in den Städten Sheffield, Manchester und Liverpool und sorgte dafür, daß diese Städte für die nächsten Jahre die Zentren der Tierrechtsbewegung sein sollten. Die grundsätzliche Politik der NALL, wie auch der folgenden Ligen, war, nicht wie die ALF in Nacht- und Nebelaktionen heimlich, sondern bei hellem Tageslicht öffentlich Tierversuchslabors oder andere Stätten der Tiermißhandlung zu betreten. Daran wurden so viele AktivistInnen wie möglich beteiligt  meistens nahmen zwischen 100 und 300 teil. Eine typische NALL Aktion war ihre erste, im Juni 1980, gegen das Agricultural Research Council's Animal Physiology Institute in Babraham in Cambridge, in dem neueste Methoden das Halten und Transportieren von Tieren profitabler zu machen an Tieren getestet werden. Etwa 200 AktivistInnen nahmen daran teil. Während einige Leute außerhalb der Gebäude demonstrierten, kletterten andere auf das Dach und befestigten Transparente. Zur selben Zeit drangen mehrere Kleingruppen an verschiedenen Stellen in den Gebäudekomplex ein.

Das Ziel der NALL war es nicht, Schaden anzurichten. Sie wollte in erster Linie als Anwalt der Öffentlichkeit Fakten und Beweise für die Vorgänge sammeln, die in Tierversuchslabors, aber auch bei der Massentierhaltung, vor sich gehen. Sie befreiten deshalb nur gelegentlich Tiere, nahmen aber alle erreichbaren Dokumente mit und filmten und fotografierten die Szenen, auf die sie bei ihren Aktionen stießen. Diese Fakten wurden danach für eine wohlorganisierte Kampagne gegen die jeweiligen Labors oder Farmen benutzt und publik gemacht. Die NALL sammelte auch in aller Öffentlichkeit Spenden für ihre Aktionen. Während die ALF in kleine, autonome Zellen aufgespalten ihre Aktionen organisierte, setzte die NALL und nach ihr die anderen Ligen, wie die ebenfalls 1980 gegründete E(astern)ALL, auf Aktionen im großen Stil mit möglichst starker Anteilnahme der Öffentlichkeit. Und in den frühen 80er Jahren hatten sie auch großen Erfolg mit dieser Taktik. Die Polizei kam immer so spät zum Tatort, daß die jeweiligen Leute die Gebäude schon verlassen hatten, und diejenigen, die dann noch verhaftet wurden, bestenfalls wegen kleinerer, zivilrechtlicher Vergehen angezeigt werden konnten.

Das Jahr 1981 begann mit einer Serie von ALF-Anschlägen gegen die Häuser von VivisektorInnen. Insgesamt kam es zu 40 Beschädigungen dieser Art. Demgegenüber standen 18 Aktionen gegen Tierversuchslabors, darunter die Befreiung von elf Beagles aus den Wickham Laboratorien im März und die Befreiung von zehn Hunden und anderen Tieren aus der Farm des Haustierdiebs Ellis Fox aus Doncaster im Mai. Die NALL hatte indessen weitere Erfolge wie die Wiedervereinigung von Blackie, einem Hund, den die NALL aus der Universität von Sheffield befreit hatte, mit ihrem ehemaligen Herrl. Diese und ähnliche Erfolge der NALL führten dazu, daß auch die ALF Massenaktionen bei Tageslicht versuchen wollte.

Im Februar 1982 unternahm sie die erste dieser Art von Aktionen: Bei der Befreiung von Versuchskaninchen aus den Safepharm Laboratorien nahe von Derby waren sogar die Presse und das Fernsehen anwesend. Mehrere AktivistInnen, die die Polizei mittels Pressefotos später identifizierte, wurden danach allerdings verhaftet. Am 14. Febraur 1982, eine Woche später, kam es dann zur größten und letzten ALF-Aktion dieser Art, der "Operation Valentin" wie sie nach ihrem Codenamen hieß. Etwa 40 AktivistInnen drangen in die Life Science Research Laboratorien in Stock in Essex ein, befreiten eine Anzahl von Tieren und richteten einen Schaden von 1,5 Millionen Schilling an, während draußen eine Demonstration von statten ging. Insgesamt wurden 60 Personen von der Polizei verhaftet, von denen acht ins Gefängnis kamen. Diese Art von Aktionen hatte zwar eine größere Publizität, führte aber gleichzeitig zu unverhältnismäßig vielen Verhaftungen. Insbesondere weil in den Labors ein relativ großer Schaden angerichtet worden war, wurde es den legalen DemonstrantInnen außerhalb sehr schwer gemacht zu beweisen, daß sie nichts von der Aktion innerhalb gewußt hätten.

Nicht zuletzt wegen der hohen Zahl von Verhaftungen wurde in der Folge die ALF Supporters Group (ALFSG) gegründet. Sie ist eine legale Gruppe, die für die Gefangenen ALFlerInnen Spenden sammelt und sie auch in anderer Weise, wie z.B. durch Briefaktionen, unterstützt. Die ALFSG bietet eine Möglichkeit für Personen, die sich nicht in der Lage sehen selbst ALF-Aktionen durchzuführen, sich legal für die ALF einzusetzen. Die englische ALFSG ist bis heute sehr aktiv. Es gibt mittlerweile auch entsprechende Gruppen in anderen Ländern wie in Nordamerika, Skandinavien und Deutschland. Wenn jemand mit den ALF-Gefangenen irgendwo der Welt in brieflichen Kontakt treten will, so ist es am besten sich an eine ALFSG zu wenden. Sogar Emails werden an Gefangene weitergeleitet.

Die größten Erfolge der ALF in England 1982 waren die Befreiung von zwölf Beagles aus den Boots Labors in Nottingham und die Befreiung aller Tiere mit anschließender Zerstörung des Tierlabors des Instituts für Psychologie der Universität von Leicester, das danach geschlossen wurde. Im Juni dieses Jahres gelang es der ALF sogar acht für ein Labor bestimmte Meerschweinchen aus einem Zug von Bournemouth nach London zu befreien.

Die NALL hatte unterdessen einen weiteren Erfolg: im Dezember 1982 drangen AktivistInnen in eine Truthahnfarm ein. Binnen weniger Tage wurden fotografische Beweise der grausamen Haltung, als auch eine Analyse der Futterzusatzstoffe und ihrer krebserregenden Wirkung der Öffentlichkeit vorgeführt. Ebenfalls 1982 wurde eine weitere Liga, die W(estern)ALL, gegründet.

Im Jahr 1983 erreichte der Schaden, den die ALF an Tierversuchslabors verursachte, neue Höhepunkte: Zwei Millionen Schilling Schaden am Krebsforschungslabor South Mimms in Hertfordshire und danach im September sogar 20 Millionen Schilling Schaden am Park Davis Laboratorium in Cambridge. Seit diesem Anschlag hat letzteres eine große Menge Geld in Sicherheitseinrichtungen investieren müssen. Heute patrouillieren jede Nacht mehrere Wachebeamte, denen monatlich Videos von Tierrechtsdemonstrationen vorgeführt werden, durch den mit Infrarotkameras und Stacheldraht geschützten Gebäudekomplex. Insgesamt gab es mehr als 40 ALF-Aktionen, von denen die bekannteste die Befreiung von 15 Hunden, die alle offensichtlich einmal Haustiere waren, aus der Laundry Farm der Universität Cambridge war. Der Fahrer des Wagens, der die Hunde wegbrachte, wurde später verhaftet und mußte für mehr als ein Jahr ins Gefängnis. Für die ALF war das Jahr 1983 auch der Beginn der Anti-Pelz Kampagne, im nachhinein gesehen vielleicht die erfolgreichste aller Kampagnen, die allerdings ihren Höhepunkt erst zwischen 1987 und 1989 erreichen sollte. Im Sommer 1983 wurde die größte und später bekannteste aller Ligen, die S(outh)E(ast)ALL, gegründet. Ihre erste Aktion, im September, war gegen die Wellcome Labors in Dartford gerichtet. Im üblichen Liga-Stil kamen mehrere hundert DemonstrantInnen, von denen 70 verhaftet wurden, mehrheitlich jene, die am Dach demonstrierten, aber auch einige innerhalb der Labors.

Das Jahr 1984 ist wahrscheinlich das bisher bedeutendste für die autonome Tierrechtsbewegung. In dieses Jahr fielen die weitreichendsten autonomen Aktionen der 80er Jahre als auch und nicht zuletzt deswegen, der Beginn der organisierten Reaktion der Polizei.

Am 24. April schlug die NALL in einer 400 TeilnehmerInnen starken, englandweit koordinierten Aktion gegen das ICI Forschungszentrum in Alderly Edge los. Viele unglückliche Umstände kamen zusammen, sodaß diese Aktion in eine Katastrophe mündete. Erstens war die Polizei mittlerweile gut auf diese Großaktionen vorbereitet und kam unerwartet früh zum Tatort. Zweitens mußte eine beträchtliche Menge an Schaden in Kauf genommen werden, um bis in die gut geschützten Forschungslabors vordringen zu können. Und zuletzt war, nach der bisherigen Erfahrung, niemand der TeilnehmerInnen auf die harten Strafen gefaßt, die auf einige zukamen, niemand war auch darauf vorbereitet von der Polizei so scharf verhört zu werden. Der großangelegte Prozeß fand genau 12 Monate später statt und beendete die Tätigkeit der NALL ein für alle mal.

Im Juli testete die Bournemouth Zelle der ALF eine neue, kontroversielle Art von Kampagne: Sie kontaminierte mehrere Flaschen eines Shampoos von Sunsilk mit Bleichungsmittel und sandte diese der Presse mit der zusätzlichen Mitteilung, daß sich mehrere solcher vergiftetenen Shampooflaschen schon im Handel befänden, obwohl das gar nicht stimmte. Die Herstellerin, Elida Gibbs, mußte daraufhin unter hohem Kostenaufwand alle ihre Produkte zum Test aus den Regalen der Geschäfte nehmen.

Im August unternahm die EALL eine Aktion mit 300 TeilnehmerInnen gegen den Unilever Forschungskomplex in Bedford. Die Aktion war einerseits nicht sehr gut organisiert, andererseits reagierte die Polizei schneller als erwartet. Die AktivistInnen drangen zu hunderten mit Schneidmaschinen und Vorschlaghämmern in die Labors ein, verloren sich aber im Wirrwarr der Gänge und brauchten zuletzt viel länger als die 15 kalkulierten Minuten um wieder herauszukommen. Die Polizei hatte unterdessen Straßensperren errichtet und konnte insgesamt 42 Leute festnehmen. Der Prozeß im Februar 1986 führte zur völligen Auflösung der EALL.

Nach mehreren erfolgreichen großangelegten Aktionen in diesem Jahr, und vor allem nach den Ereignissen vom April und August, beschloß die SEALL ihre Aktionen viel professioneller zu organisieren, ohne AktivistInnen als DemonstrantInnen am Dach oder vor den Gebäuden und mit qualitativ hochwertiger Ausrüstung. Eine Woche nach der EALL Aktion drang die SEALL in das Royal College of Surgeons in Downe, in dem Operationen an Affen erprobt werden, ein. Alle AktivistInnen konnten entkommen, obwohl ein Polizeihubschrauber schon elf Minuten nach dem Auslösen des Alarms am Tatort war. Ein Makake namens "Mone" wurde befreit und ein Videofilm der Umstände ihrer Haltung führten später zur gerichtlichen Verurteilung des Versuchslabors wegen unausreichender Belüftung der Käfige. Fünf Wochen später kam es zu einem ähnlichen Erfolg der SEALL, als sie 13 kranke Beagles aus einem Bios Laboratorium befreite und diese Aktion filmte.

Die Polizei befand sich nun unter erheblichem Druck dieser Serie von gelungen SEALL-Aktionen ein Ende zu setzen. Es gelang ihr auch tatsächlich, einerseits durch unbedachte Aussagen eines SEALLlers und andererseits dadurch, daß ein SEALL-Organisator bei der Beobachtung der Wickham Forschungslabors gesehen worden war, herauszufinden, welches das nächste Ziel der SEALL war. Am 28. Oktober fand dann die Aktion gegen die Wickham Labors statt. Die ForscherInnen waren vorher von der Polizei gewarnt worden, sodaß sich die AktivistInnen beim Eindringen plötzlich zwei Gewehren gegenüber sahen. Im folgenden Handgemenge wurde der Direktor der Labors leicht verletzt. Der Polizei gelang es nur 19 AktivistInnen festzunehmen. Der Prozeß, der die Tätigkeit der SEALL beendete, fand im September 1985 statt.

Die ALF setzte unterdessen zu einem ihrer größten und erfolgreichsten aller Anschläge an: in einer landesweit koordinierten Aktion wurden in zehn verschiedenen Regionen 50 Marsriegel in Geschäftsregale gelegt, die einen Zettel enthielten auf dem stand, daß sie vergiftet seien. Zusätzlich wurden drei Marsriegel an die Presse und das Fernsehen gesandt  die einzigen, die wirklich vergiftet waren. Das Entfernen der angeblich vergifteten Marsriegel kostete der Firma etwa 60 Millionen Schilling. Die Aktion war organisiert worden, weil die Firma ein Forschungsprojekt über den vorsätzlich herbeigeführten Kariesbefall an Zähnen von Affen finanziert hatte, um den Verlauf des Zahnverfalls zu studieren.

Das Ausmaß an Tierrechtsaktionen in diesem Jahr, speziell die letztgenannte Anti-Mars-Aktion, führte am 5. Dezember 1984 zur ersten Gründung einer Anti-Tierrechts-Polizeigruppe in Scotland Yard.

Die einzige Liga, die sich in das Jahr 1985 retten konnte, war die neugegründete C(entral)ALL. Die CALL verließ sich aber in keinster Weise auf Massenerstürmungen oder dergleichen, sie behielt vielmehr als einzigen Aspekt der "Ligenphilosophie" das Prinzip des minimalen Schadens, um Beweise von Tiermißhandlungen zu bekommen, die sie dann an die Öffentlichkeit weitergeben konnte und die strikte hierarchische Struktur bei. In den nächsten Jahren fanden jährlich etwa zwei solche wohlorganisierten Aktionen der CALL mit großem Aufwand an TeilnehmerInnen (etwa 50) und Material statt. Im Jahr 1985 war es z.B. der Einbruch in die Labors der Universität Oxford, bei dem Versuche an Kaninchen gefilmt und später veröffentlicht wurden. Aber die Strategie war veraltet, die Kommandostruktur zu anfällig gegen Polizeiinfiltration. Um 1988 wurde es auch um die CALL still.

Die ALF hingegen, mit ihrer dezentralisierten Organisation und dem Ziel möglichst viel Schaden anzurichten und möglichst viele Tiere zu befreien, hat sich immer weiter verbreitet. Doch auch bei ihr ist ein genereller Trend zu mehr Professionalität zu bemerken. So entwickelte die Essex ALF eine Methode, mittels Schneidmaschinen Türen oder Dächer aufzuschneiden anstelle sie einzuschlagen, um so die Alarmsysteme zu umgehen. Auf diese Weise gelang es u.a. im November 1985 in die Brocades Laboratorien in Braintree einzudringen und 150 Tiere zu befreien.

Da bis zum Ende 1985 etwa 6.000 Tiere befreit und insgesamt ein Schaden von um die 100 Millionen Schilling in den mehr als 400 Aktionen verursacht worden war, beschloß die Polizei im Jänner 1986 die Gründung einer eigenen Tierrechtsabteilung im Scotland Yard, der ARNI (Animal Rights National Index). Anfänglich zehn BeamtInnen, später mehr, begannen ausschließlich an Tierrechtsakten zu arbeiten. Die Basis der Abteilung ist im Londoner Scotland Yard, aber jede englische Polizeistelle außerhalb Londons hat eineN eigeneN Beamten/Beamtin für Tierrechtsfragen, der/die mit der ARNI in Kontakt ist.

Die Arbeit der ARNI trug bald erste Früchte: mittels Infiltration und ununterbrochener Beschattung (inklusive dem Abhören von Wohnungen und Telefonen) gelang es, die sieben AktivistInnen der Sheffield Zelle der ALF festzunehmen. Im Jänner 1987 kam es zum Prozeß, bei dem insgesamt 38 Jahre Gefängnis ausgeteilt wurden. Die schwerste Strafe erhielt Ronnie Lee, einer der Gründer der ALF, mit zehn Jahren für vorsetzliche Brandstiftung. Im Laufe des Jahres 1987 wurden drei weitere Zellen ausgehoben.

Das Jahr 1987 stand im Zeichen der Anti-Pelz Kampagne. Die angewandte Taktik war kleine zeitgezündete Rauchbomben in Pelzgeschäften zu plazieren, die in der Nacht zündeten, das automatische Feuerlöschsystem einschalteten und damit das ganze Geschäft unter Wasser setzten und alle Pelze zerstörten. In Ausnahmefällen, wie in Debenham, versagte das Löschsystem und das ganze Geschäft ging in Flammen auf: 180 Millionen Schilling Schaden. Die TäterInnen wurden ausgeforscht und kamen 1988 vor Gericht. Die Anti-Pelz Kampagne dauerte noch bis 1989 an und hatte einen ungeheueren Erfolg: alle großen Kaufhäuser stiegen aus dem Pelzgeschäft aus. Seit damals ist der Pelzhandel aus England praktisch verschwunden.

Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre begann sich die ALF in England immer weiter auszubreiten. Heute gibt es in fast jeder Kleinstadt eine eigene ALF Zelle. Insgesamt sind, Polizeischätzungen zufolge, in England etwa 3000 bis 5000 Personen in der ALF aktiv und es finden jeden Tag im Mittel sechs (!) ALF-Aktionen statt. Das reicht vom Einschlagen von Auslagenfenstern von Fleischhauereien bis zur großen Tierbefreiungsaktion in einem der schwerbewachten Versuchslabors.

Das Rekordjahr der ALF-Aktivität in England bisher war wahrscheinlich 1991, in dem nach Polizeiangaben Schäden von etwa 500 Millionen Schilling in insgesamt mindestens 2.800 Anschlägen, davon 45 Brandstiftungen, angerichtet wurden. Im selben Jahr gab es auch die wahrscheinlich größte Tierbefreiung: 1400 Mäuse und vier Beagles entkamen mit Hilfe der AktivistInnen aus der Medical School des London Hospitals. Im Jahr 1994 kam es zur vielleicht größten Serie von Brandanschlägen, bei der in verschiedenen Städten wie York, Bristol und Cambridge, sowie Newport und Ryde auf der Isle of White, in einer Nacht jeweils fünf Tierausbeutungsgeschäfte gleichzeitig angezündet worden waren. Entsprechend dieser anhaltenden Aktivitäten wurden die Gefängnisstrafen immer höher: in den 90er Jahren erhielten (in chronologischer Reihenfolge) Keith Mann 14 Jahre, Barry Horne 18 und Dave Callender zehn, und weiters eine Anzahl von TierrechtlerInnen an die zehn Jahre. Bis heute dominiert die englische ALF die Szene weltweit.

In den USA fand die erste ALF Aktion im Jahr 1977 statt. Die Gruppe "Undersea Railroad" (in Anlehnung an "Underground Railroad", die illegale SklavInnenbefreiungsgruppe aus dem vorigen Jahrhundert) befreite zwei Seeschildkröten aus einem Versuchslabor auf Hawaii. Zwei Jahre später befreiten vier Leute am hellichten Tag eine Katze, zwei Meerschweinchen und zwei Hunde aus dem New York University Medical Center, indem sie sich als Angestellte ausgaben. Im Jahr 1979 gab es auch die ersten Befreiungsaktionen in Frankreich und Holland.

Der USAmerikanischen ALF gelang es, im Gegensatz zur englischen, lange Zeit so konspirativ zu agieren, daß erst 1992 die erste Person im Zusammenhang mit ALF-Aktionen vom FBI verhaftet wurde. Die amerikanische ALF war aber natürlich auch viel weniger aktiv als die englische. Im Jahr 1994 wurde bekannt gegeben, daß die ALF in den USA insgesamt 100 Einbrüche in Versuchslabors verübt hatte. Dabei ist natürlich zu bedenken, daß die Polizei solche Informationen nur sehr gefiltert herausgibt. Generell scheint aber die ALF in den USA bis in die 90er Jahre weniger Brandanschläge verübt zu haben als in England. Beispiele von großen Aktionen, die bekannt geworden waren, sind der Einbruch in der City of Hope, Duarte, Kalifornien, der zur Verurteilung des Versuchslabors wegen Tierquälerei führte (1984), Tierbefreiung von der Universität Kalifornien in Riverside mit dem Äffchen Britches, dem die Augen zugenäht worden waren, 264 Tiere befreit und 100.000 Schilling Schaden an der Universität von Oregon in Eugene angerichtet (1986) und ein Brandanschlag auf das sich noch im Rohbau befindliche diagnostische Labor der Universität Kalifornien in Davis (1987). Das 1992 von Ingrid Newkirk publizierte Buch "Free the Animals", das als die Geschichte der ALF in den USA verkauft wurde, gilt übrigens als nicht authentisch.

In den 90er Jahren wurde die ALF in den USA zusehends aktiv. Seit 1995 gab es über 60 Pelztierbefreiungen. 1997 wurde die Fur Breeders Agricultural Cooperative in Sandy, Utah, mit sieben Rohrbomben in die Luft gesprengt. Die Brüder Douglas und Clinton Ellerman bekamen dafür jeweils sieben statt 35 Jahre Gefängnis, nachdem sie durch ein Kronzeugen-Abkommen vier andere Mittäter verraten hatten. Diese Mittäter wurden allerdings alle freigesprochen.

Deutschland ist das einzige Land, in dem die Geschichte der dortigen ALF in Buchform dokumentiert wurde ("Operation Tierbefreiung"). Die erste Aktion der ALF in Deutschland gab es am 1. Oktober 1981, bei der 48 Beagles aus dem Pharmalabor Leuschner in Mienenbüttel befreit und etwa 150.000 Sachschaden angerichtet wurde. 1982 und 1983 folgten dann zwei Brandanschläge gegen Tierversuchseinrichtungen in Berlin, für die der "Rädelsführer" Andreas Wolff ausgeforscht wurde und fünf Monate in Untersuchungshaft saß. Im öffentlichkeitswirksamen Prozeß Jänner 1984 bekam er zwei Jahre auf Bewährung.

Neben der "Wolff-Gruppe" bildeten sich eine Reihe weiterer autonomer ALF-Zellen, die im August 1982 erstmals zuschlugen und 55 weitere Beagles aus demselben Labor wie 1981 befreiten. Zellen im Süden Deutschlands wurden erstmals im April 1984 aktiv, indem sie 37 Katzen und vier Hunde aus einem Labor des Deutschen Krebsforschungszentrums an der Universität Heidelberg befreiten. Der durch die breite Öffentlichkeitswirksamkeit der Aktion alarmierten Staatsanwaltschaft gelang es letztendlich zwei der 16 Beteiligten zu verhaften. Der Prozeß selbst ging dann 1985 mit einer Verwarnung zu Ende. Diesem Prozeß folgte eine Buchpublikation über die schlimmsten Versuche Heidelberger VivisektorInnen, die selber zu einer Prozeßflut führte, die bis 1994 dauerte. Mitglieder der involvierten autonomen Tierbefreiergruppe gründeten 1985 den Echo Verlag in Göttingen, um zunächst das Enthüllungsbuch zum Prozeß und danach weitere Bücher zu tierrechtsrelevanten Themen zu verlegen. 1985 wurden noch weitere Tierbefreiungs- und Zerstöraktionen organisiert, die dann letztendlich zur Verfolgung der ALF in Deutschland als "terroristische Vereinigung" führten. Bis heute ist das autonome Tierrecht in Deutschland stetig aktiv, wenn auch mit viel niedrigerer Frequenz als im angloamerikanischen Raum.

ALF Aktionen sind mindestens aus England, Schottland, Wales, Irland, Island, Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, Polen, Estland, Holland, Belgien, Frankreich, Deutschland, Schweiz, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Italien, Spanien, USA, Mexiko, Kanada, Australien, Neuseeland und Japan bekannt. Es ist durchaus möglich, daß viele ALF Gruppen  vielleicht auch aus nicht genannten Ländern  nicht mit der internationalen Tierrechtsszene in Kontakt stehen und dadurch ihre Aktivitäten dem Rest der Bewegung nicht bekannt sind. Bis heute gab es über 600 Tierrechtsgefangene weltweit. Im Mittel sitzen zu jeder Zeit über 20 ALF-AktivistInnen irgendwo im Gefängnis.

In England hat sich in den 80er Jahren ein eigener Pressekontakt für die ALF gegründet. Obwohl alle bisherigen englischen Pressekontaktpersonen einige Zeit im Gefängnis verbringen mußten, zumeist weil ihnen "Aufforderung zu illegalem Handeln" durch ihre Pressearbeit vorgeworfen worden war, folgten verschiedene Länder dem englischen Beispiel und haben jetzt Pressekontakte.

Seit einigen Jahren gibt es auch eine ALF Internet Division, die mittels "hacking" und Massenemailsendungen TierausbeuterInnen und vor allem Tierversuchslabors mit eigenem Computeranschluß attackieren. So wurde einem finnischen Tierversuchs-Institut am 26. September 1999 insgesamt 30.000 Emails geschickt. Manchmal werden auch die Internet-Server von z.B. Universitäten, die Tierversuche machen, in weltweit koordinierten Massenbesuchen von TierrechtlerInnen so überlastet, daß der Computeranschluß vom Netz genommen werden muß.

In Österreich wurde die ALF wahrscheinlich erstmals im Dezember 1988 aktiv, und verübte eine Anzahl von Anschlägen auf Pelzgeschäfte in Wien. In BekennerInnenschreiben an die Presse bezeichneten sich die AktivistInnen als "Tierrechtler". Als sich die Anschläge bis zum Jahr 1990 häuften setzte die Wiener Handelskammer sogar eine Ergreiferprämie von 50.000 Schilling aus. Die Gruppe "Aktion 4. Oktober" (Welttierschutztag) bekannte sich zu einer Serie koordinierter Anschläge auf Pelzgeschäfte am 14. Februar 1990 in Graz, Eisenstadt und Bregenz. In einem BekennerInnenschreiben bezeichnete sie ihre Aktivität als "Notwehr im Sinne der Tiere" und endete mit "vegetarischem Gruß". Am 20. Februar folgten Attacken auf 24 Pelzgeschäfte in Wien, worauf es am 21. Februar zu einer Protestkundgebung der ArbeitnehmerInnen der Kürschnerbetriebe am Stefansplatz in Wien kam. Spätestens seit September 1990 sind auch Zerstörungen von Jagdständen durch die ALF bekannt geworden.

Die Höhepunkte der ALF Aktivität in Österreich sind vielleicht der Brandanschlag auf die Legebatterie (Produktions- und Verpackungshallen) und vier Transportfahrzeuge der Firma Ganzinger "Gutshof-Ei" nahe Ried in Oberösterreich im September 1996 (auch 1,5 Millionen Eier verbrannten; insgesamt etwa zehn Millionen Schilling Schaden, die Firma ist mittlerweile im Konkurs), der größten (und letzten  es gibt keine Pelzfarmen mehr) Pelztierbefreiung von 600 Nerzen im Juli 1997, Befreiung von 500 Mastschweinen und völlige Zertrümmerung und Demontage der Masthallen in Zemendorf im Burgenland im Sommer 1997 und Serien von Tierbefreiungen aus Massentierhaltungen und Buttersäureanschlägen auf Pelz- und FleischhändlerInnen in Wien. Am 8. November 1997 wurden zwei Aktivisten festgenommen und letztendlich verurteilt, einen Buttersäureanschlag auf ein Pelzgeschäft in Salzburg verübt zu haben.

Das Jahr 1998 ist das bisherige Rekordjahr von ALF-Aktionen in Österreich. Es gab weit über 300 Anschläge und Tierbefreiungen, wobei mindestens 76 Anschläge allein den Pelzgeschäften  zumeist in Wien  gegolten haben. Der gesamte Sachschaden ist nicht vollständig eruierbar, geht aber mit Sicherheit in die Millionen.

Auch 1999 gab es zahlreiche Anschläge. In der Nacht von Freitag auf Samstag, den 23. 10. 1999, wurde ein Brandanschlag auf eine Daunenfabrik in Wampersdorf bei Baaden in Niederösterreich durchgeführt. Als die Feuerwehr eintraf war bereits alles in Flammen. 250 Feuerwehrmänner im Einsatz konnten einen Teil des Wohn- und Bürogebäudes retten. Zehn Personen waren im total zerstörten Bettfedernwerk beschäftigt gewesen. Der Schaden wird auf 100 Millionen Schilling geschätzt. Eine hohe Belohnung wurde für Hinwese, die zur Festnahme der Täter führen, ausgesetzt. Am Sonntag, den 19. 12. 1999, wurde ein Brandanschlag auf die Garage des letzten österreichischen Pelzfarmers, Pfeiffer, aus Heidenreichstein in Niederösterreich, der nach dem Pelzfarmverbot in Österreich noch in Tschechien Pelztierzucht betreibt, verübt. Eine Warnung wurde an die Medien versandt, von diesen aber nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben.

Verwendete Literatur:
Roberts, "Against All Odds", Gedanken und Fakten zur Geschichte der Tierbefreiung von 1972 bis 1986.
Verschiedene Ausgaben von "Arkangel" und von "Beast", zwei englische Tierrechtsmagazine.
Finsen und Finsen, "The Animal Rights Movement in America", Twayne Publishers, 1994.
Haferbeck und Wieding, "Operation Tierbefreiung", Echo Verlag, 1998.
Zu Informationszwecken veröffentlichen einige Internetseiten Listen von ALF-Anschlägen in Österreich, wie etwa "freeweb.digiweb.com/health/zwurz/index.html".

mehr über die A.L.F. aus TATblatt +140/141/142/143:
Grundsätze der A.L.F.
Geschichte der A.L.F.
Interview mit A.L.F.-AktivistInnen (von Ende 1999)

Erklärung der Animal Liberation Front (A.L.F.) zum Brandanschlag auf den Zirkus Knie am 3. Juli 2000 in Linz


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