TATblatt

Zu den Polizeiübergriffen auf der bzw. nach der Opernballdemo

Information der Rechtshilfe:

Gemeinsam gegen Repression und Spaltungsversuche

Wie viele von euch wahrscheinlich schon wissen, wurden rund um die Anti-Opernball-Demo fünf Personen festgenommen. Drei davon sitzen immer noch in Untersuchungshaft. Eine Frau, die alleine auf dem Nachhauseweg von Zivilpolizisten festgenommen wurde, wurde sowohl auf dem Kommissariat Wien 16 als auch in der Polizeidirektion am Schottenring geschlagen und beschimpft. Außerdem wurde sie aus Gründen der Einschüchterung permanent gefilmt. Sie hat sich trotzdem geweigert, Auskünfte über ihre Bekannten zu erteilen, denn das interessiert die Polizei mehr als angebliche Straftaten.

Die zwei anderen wurden von vermummten Zivilpolizisten auf dem Heimweg in der Schwarzenberggasse aus einem Taxi gezerrt. In den frühen Morgenstunden verlautbarte die Polizei in einer Presseerklärung, dass die Verhafteten während der Demonstration festgenommen worden seien. Aufgrund der zufälligen Anwesenheit eines Filmteams musste sie diese Lüge später zurücknehmen. Das zeigt uns, dass die Behörden auch lügen, nur um „Straftäter" konstruieren zu können. Denn diese "brauchen" sie, um die Bewegung in „Gewaltfreie" und „Gewalttäter" spalten und damit entscheidend schwächen zu können.

Es ist immer noch unklar, was den drei Personen eigentlich konkret vorgeworfen wird, geschweige denn was die Überstellung in U-Haft rechtfertigt. Umso mehr, als auch die Polizei selbst von einer friedlichen Demonstration spricht. Von Widerstand gegen die Staatsgewalt, Sachbeschädigung und Landfriedensbruch ist die Rede. Warum erfährt die interessierte Öffentlichkeit aber nicht, welche Sache denn eigentlich beschädigt worden sein soll?

W. und H. - die in der Schwarzenberggasse Festgenommenen - wurden zu „Rädelsführern", „Landfriedensbrechern" und so weiter stilisiert; sie hätten per Handy anderen „Anweisungen" erteilt und was einem Polizistenhirn noch an Abstrusitäten einfallen kann.

Zum „Landfriedensbruch" ist zu sagen, dass es bei diesem Paragraphen um die Zusammenrottung von mindestens 100 Personen zum Zwecke von Mord, schwerer Sachbeschädigung etc. geht. Alle, die den karnevalesken Umzug am 2. 3. miterlebt haben, wissen um die Unhaltbarkeit dieses Vorwurfs.

In der Vergangenheit war es oft so, dass die Delikte, die angeblich zur Festnahme geführt hatten, bei der Gerichtsverhandlung sehr oft fallen gelassen wurden, weil keinerlei Beweise vorlagen. Übrig bleibt dann als einziger Anklagepunkt das Delikt des „versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt", das niemals der Grund für die Festnahme ist, da es erst bei der Festnahme begangen werden kann. Das Gericht fragt jedoch nicht mehr danach, warum die Leute eigentlich festgenommen wurden. Gerne wird noch der Paragraph „schwere Körperverletzung" hinzugenommen, denn jede Verletzung eines Beamten ist automatisch eine schwere Körperverletzung - es reicht ein blauer Fleck.

So werden also durch die routinemäßige Anzeige wegen „versuchten Widerstands" bei Festnahmen strafrechtliche Tatbestände durch die Polizei konstruiert. Das hat für die Staatsgewalt den entscheidenen Vorteil, dass die beteiligten Polizisten als Zeugen für eine Verurteilung ausreichen - es sei denn, es gibt genug Beweise, die diese Aussagen widerlegen.

Und deshalb ist es so wichtig, dass die Rechtshilfe sofort von Verhaftungen erfährt und sich ZeugInnen melden bzw. andere Beweismaterialien (Fotos, Filme etc.) zur Verfügung gestellt werden.

Wichtig: Gedächtnisprotokolle über Festnahmen dienen in erster Linie der Verteidigung der Betroffenen, d.h. der Vorbereitung von Prozessen. Sie gehören deshalb nicht im Internet oder sonstwo veröffentlicht, auch wenn alle gern „aus erster Hand" wissen wollen, was geschehen ist. Dazu reichen Zusammenfassungen und redaktionell bearbeitete Berichte auch aus.

Seit Beginn der Proteste gegen die neue Regierung und ihre asoziale Politik hat die Polizei die Personaldaten von hunderten Menschen aufgenommen, viele wurden geschlagen, beschimpft, Dutzende festgenommen. Uns allen muss klar sein, dass bei jeder Demo viele Zivilpolizisten mitgehen, die provozieren, bespitzeln und zu spalten versuchen. Die Dokumentationstrupps der Exekutive fotografieren und filmen ständig die DemoteilnehmerInnen, und sie werten ihr Material auch aus.

Sich angesichts dieser Sammelwut zu vermummen, ist mehr als legitim und kein Hinweis darauf (oder gar Beweis dafür), dass jemand „gewaltbereit" (was gerne mit „gewalttätig" gleichgesetzt wird) oder StraftäterIn ist. Es ist eine Methode, sich selbst zu schützen, genauso wie auf Demos in Ketten zu gehen, in Gruppen hinzukommen und wegzugehen.

Die Verhaftungen vom 2.3. haben bewiesen, wer hier die „vermummten Gewalttäter" sind: wir wissen zwar noch nicht, ob diese agents provocateurs von der Staatspolizei, der Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus oder welcher Sondereinheit, die seit Jahren wie Pilze aus dem Innenministerium sprießen, auch immer geschickt wurden; sie haben uns aber einen kleinen, gut dokumentierten Einblick in ihre „Arbeit" erlaubt.

Was ist der Sinn dieses völlig unverhältnismäßigen Zuschlagens der Staatsgewalt? Was bedeutet der kürzlich eingeführte Begriff „gewaltbereit", der polizeiliche Verfolgung rechtfertigen soll, ohne dass konkrete Delikte gesetzt werden? Warum schickt die Polizei mindestens 200 Zivilbeamte (nach ihren eigenen Angaben) in die Demos, von denen ein nicht unbeträchtlicher Teil vermummt ist? Warum belauscht sie Demonstranten, die mit Handys telefonieren? Warum beobachtet sie, wer mit wem spricht und wer welche Flugis verteilt? Möchte sie herausfinden, wie die Organisation der Demos funktioniert, um sie besser lahmlegen zu können? Dient die Repression dazu, einerseits Kräfte zu binden und andererseits Demonstranten abzuschrecken? Ist die Angst vor einer breiten, starken, langanhaltenden Widerstandsbewegung, die vielleicht mehr als nur die Beteiligung der FP an der Regierung in Frage stellen könnte, so groß?

Was oft gesagt wird, ist deshalb noch lange nicht wahr, aber man gewöhnt sich daran und irgendwann klingt es dann wahr. Lassen wir uns nicht spalten, gewöhnen wir uns nicht an die in letzter Zeit so oft wiederholte Gleichung „linksradikal = gewaltbereit = gewalttätig => gehört festgenommen"!!!

Wir wissen nicht, ob die Verhaftungen vom 2.3. gezielt waren oder die Opfer zufällig ausgewählt wurden. Mögliche Betroffene sind wir jedenfalls alle, die wir uns an den Protesten beteiligen.

Geht nicht allein zur Demo, sondern in Gruppen - bleibt zusammen und geht gemeinsam wieder weg! Verhindert Festnahmen in der Demo - es reicht oft, wenn genug Leute zum Ort der „Amtshandlung" hinlaufen! Meldet eure Beobachtungen unverzüglich der Rechtshilfe, kommt vorbei und schreibt Gedächtnisprotokolle!

Lassen wir die Gefangenen nicht allein - jede Demo zuerst vorbei am landesgerichtlichen Gefangenenhaus (Wickenburggasse, hinter dem Landesgericht)!

Wenn wir laut sind, hören uns die Gefangenen auch!

Gegen die Kriminalisierung, Einschüchterung und Spaltung des Widerstands!
Sofortige Freilassung aller Gefangenen!
Sofortige Einstellung aller Verfahren!
Es gibt keine Rädelsführer!
Keine Spaltung in Gut und Böse!
Solidarität macht stark!
 
 


Rechtshilfenummer
535 91 09
(während jeder Demonstration)


 






Rechtshilfe Wien, 8.3.2000
 
 
 

ältere Aussendungen der Rechtshilfe:

Festnahmen rund um die Operball-Demonstration

Im Zuge der Opernballdemo wurden mindestens fünf Personen festgenommen. Um ca. 22.00 Uhr wurden bei einer KünstlerInnenaktion gegen die schwarz-blaue Regierung der Schauspieler Hubsi Kramer und Peter Siegel festgenommen. Vorgeworfen wird ihnen "nationalsozialistische Wiederbetätigung". Die beiden wurden noch in der Nacht auf den 3.3. freigelassen.

Um ca. 23.00 Uhr wurde ein Fotograf von behelmten Zivilpolizisten angegriffen, daraufhin flüchtete er sich in ein Lokal in Opernnähe. Er hatte Polizisten, die auf einen Demonstranten einschlugen, fotografiert. Seine Kamera wurde von den amtshandelnde Polizisten zerstört. Die anwesenden Gäste konnten die Festnahme verhindern.

Nachträglicher redaktioneller Einschub:
Die ZeugInnen dieser Aktion legen dazu Wert auf folgende Richtigstellung:
Der Fotograf [...] wurde nicht von behelmten Zivilpolizisten sondern von zwei ganz normal uniformierten Polizisten in ein Lokal verfolgt, nachdem er  2 behelmte Motorradpolizisten beim Einprügeln auf einen Menschen, sei's drum, ob Demonstrant oder Passant, fotografiert hat. Zum Übergriff auf denjenigen, der fotografiert hat, kam es erst im Lokal. Ein Polizist versuchte, ihm die Kamera abzunehmen. Die Kamera wurde nicht zerstört! [...] Die Fotos wurden bereits entwickelt, leider sind sie nicht wirklich verwertbar.
[siehe auch PA der GRAS auf dieser Seite]
Um ca. 23.50 Uhr wurde eine weitere Person auf dem Nachhauseweg am Burgring von Zivilpolizisten festgenommen. Nach Zeugenaussagen kam es zu schweren Übergriffen seitens der Polizei. Die Festgenommene wurde von Beamten gegen eine Mauer geschleudert und geschlagen. Um ca. 0.30 kam es zu einem weiteren Polizeieinsatz in der Schwarzenbergstraße. An diesem Einsatz waren vermummte Beamte beteiligt. Vier Personen wurden mit vorgehaltener Waffe (Pistole) aus einem Taxi gezerrt, zwei von ihnen wurden festgenommen.
Obwohl alle Festnahmen im 1. Bezirk erfolgten, wurden drei der Festgenommenen in das Polizeikommissariat im 16. Bezirk gebracht. Der Rechtshilfe war es nur unter großen Schwierigkeiten möglich, diesen Aufenthaltsort der Festgenommenen in Erfahrung zu bringen, alle weiteren Auskünfte werden von der Polizei (und dem Landesgericht) nach wie vor verweigert, und zwar nicht nur der Rechtshilfe, sondern auch dem Anwalt der Festgenommenen, der ab dem 3.3. morgens intervenierte.
Die drei befinden sich derzeit im landesgerichtlichen Gefangenenhaus, vorgeworfen wird ihnen (angeblich) "Widerstand gegen die Staatsegwalt", "Sachbeschädigung", "Landfriedensbruch" etc.

Diese Festnahmen sind nicht die ersten seit Beginn der Proteste gegen die schwarz-blaue Regierung. Am 19.2. wurden vier Personen festgenommen und viel mehr polizeilich mißhandelt. Mehr als 150 Personen wurden perlustriert.
Auffällig ist, daß die gezielten Polizeieinsätze nicht während und in den Demonstrationen stattfinden, sondern  vorher und nachher. Sie richten sich gegen bestimmte Zielgruppen, am 19.2. beispielsweise "jugendliche" Männer, vorzugsweise aus dem Ausland. Auffällig ist weiters, daß die Vorgehensweise bei Personalienkontrollen und Festnahmen immer die gleiche ist: die Betroffenen werden gezwungen, sich an die Wand zu stellen und die Beine zu spreizen wie in amerikanischen B-Movies., häufig begleitet von Schlägen und Beschimpfungen. Das ist uns ein Hinweis darauf, daß es sich keinesfalls um "Übergriffe schwarzer Schafe" handelt, sondern um abgesprochenes gezieltes Vorgehen.
Ein weiterer Hinweis darauf ist die Aussage des Innenministers Strasser, in der er das Vorgehen der Polizei bei der Demonstration am 19.2. ausdrücklich gelobt hat. Die Wiener Polizei treibt also ein doppeltes Spiel: Während die oben genannten Polizeieinsätze stattfanden, sprach Einsatzleiter Schnabl im ORF über den "gelungenen, friedlichen Polizeieinsatz".

Der ORF beteiligt sich an dieser Strategie, im Mittagsjournal vom 3.3. beispielsweise spricht er von den drei Festgenommenen als "gewaltbereite, linksradikales Potential in Wien" – andere Medien stehen dem ORF in nichts nach. "Linksradikal" ist, scheint es, gleich "gewaltbereit" gleich "gewalttätig" und gehört festgenommen. Hierbei geht es nicht um Festnahmen wegen konkreter, strafrechtlich relevanter Vorfälle, sondern um die Verfolgung von Linken. Das zeigt sich auch daran, daß immer wieder FlugblattverteilerInnen von Zivilpolizisten belästigt werden, die ihnen auch die Flugblätter wegnehmen wollten.
Aber auch nicht organisierte Menschen werden von der Polizei schikaniert. So wurde ein Auto mit Leuten, die von einer Demonstration heimfuhren, gestoppt. Alle Personen wurden perlustriert und ihre Personalien aufgenommen.
Trotz und wegen dieser Erfahrungen ist umso notwendiger, weiterhin zu protestieren und Widerstand zu leisten. Die breiten Proteste sollen durch die Erfassung, Einschüchterung (über Übergriffe und Mobbing) und Kriminalisierung geschwächt werden.
Deshalb dürfen wir uns nicht vereinzeln lassen:

Kommt nicht allein, sondern in Gruppen, geht geschlossen wieder von der Demo weg!
Anzeigen, Übergriffe etc. dürfen nicht totgeschwiegen werden, wir müssen sie öffentlich machen!
Wir müssen uns gegenseitig beim Umgang mit der Repression helfen:
Darüber, daß wir untereinander darüber sprechen! – Darüber, daß die Rechtshilfe informiert wird, die Übergriffe zueinander in Bezug setzen und veröffentlichen kann!
Die Gefangenen dürfen nicht allein gelassen werden – führen wir die Demonstrationen am Landesgericht vorbei!
Wenn ihr von der Polizei belästgigt werdet (Anzeigen können auch erst später erfolgen) – meldet euch gleich bei der Rechtshilfe!
Sofortige Freilassung aller Gefangenen! Sofortige Einstellung aller Verfahren!

Rechtshilfe Wien – die Rechtshilfe ist während jeder Demonstration unter der Nummer 535 91 09 erreichbar.

Aktualisierte Presseerklärung der Rechtshilfe Wien zu den drei festgenommenen Personen,
3.3.2000, 14.00 Uhr

Bei der heute von der Bundespolizeidirektion Wien, Abteilung 1, einberufenen Pressekonferenz gaben Polizeipräsident Stiedl, der Leiter der Staatspolizei Bachinger und der Wiener Polizeichef Schnabl bekannt, dass die drei festgenommenen DemonstrantInnen weiterhin in Haft behalten werden werden. Werner S., Eva L. und Hermann R. werden "Sachbeschädigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Landfriedensbruch etc." vorgerworfen. Sie werden wahrscheinlich heute noch in U-Haft überstellt werden und befinden sich derzeit in der Polizeidirektion am Schottenring. Die Polizei behauptet in ihrer Presseeerklärung vom 3.3., daß die Verhaftungen "im Zuge dieser Ausschreitungen" vorgenommen worden seien. Tatsächlich wurden sie auf dem Nachhauseweg (die Frau gegen 0.00 Uhr, beim Burggarten, die beiden Männer gegen 0.45 Uhr in der Schwarzenbergstraße) von Polizisten überfallen und festgenommen. Allein wegen dieser Widersprüche fordern wir die sofortige Freilassung der Gefangenen.

Für weitere Informationen wenden sie sich bitte an die Pressestelle der Polizei:
Doris Edelbacher
Mag. Walter Ladik
Tel.: 31310 - 7278
 

Gewalttätige Ausweiskontrolle während der Demo
AugenzeugInnenbericht

am 2.3. (opernball demo gegen blauschwarz) um ca. 22.00 uhr kamen wir vom ring her über den schillerplatz zur ecke Nibelungengasse/ Makartgasse, und sahen dort einen kleinen Tumult, allerdings waren wir noch 10m entfernt. als wir näher kamen, nahm ein mann in zivil einem jungen mann gerade den ausweis ab, "kripo" zischte es durch die kleine menge. (ca. 25 personen)

der demonstrant schien geschockt, die menschen neben ihm rieten ihm bei uns zu bleiben, während sich der mann in zivil mit einem anderen einige meter entfernte und telefonierte.

er versuchte mehrmals mit dem demonstranten alleine zu sprechen, aber keiner wich von seiner seite.

von ihm selber und einigen anderen erfuhren wir, daß er gar nichts getan habe.er wäre nur maskiert (wie viel andere auch) gewesen, mit einer haube vermummt quasi, zusammen mit einem freund dessen maske auf der straße lag:eine motoradhaube (mit 1 großem loch für augen und nase) und rosaroten sonnenbrillen, (letzterer schaffte es davonzulaufen). plötzlich wurde der erstere von 1 bullen in zivil von hinten angegriffen und auf die straße geworfen. einfach so, unangekündigt, zwecks ausweiskontrolle. das war wohl der kleine tumult. die ausweisabnahme haben wir dann selbst gesehen.

der polizist gab irgendwann den ausweis zurück. die amtshandlungen wurden auch von zumindest 1 fotografen (demonstrant) festgehalten.

wir haben die rechtshilfenummer weitergegenen, und einige, die volle zeugen der geschehnisse waren, gaben ihre telefonnummern und namen weiter. wir rieten ihm noch, da er schmerzen im knie hatte, ins krankenhaus zu fahren. einige freunde blieben bei ihm, wir zogen weiter.

GRAS-Sprecherin Zeugin eines Polizeiübergriffs
Demonstrant verprügelt, Zeuge massiv bedroht
(Presseaussendung der GRAS)

Donnerstag abend gegen 23 Uhr wurden sechs Personen (sämtliche Namen bekannt) ZeugInnen eines Polizeiübergriffs. Ein unbewaffneter, vereinzelner Demonstrant wurde in der Operngasse, direkt hinter der TU von zwei mit Motorradhelmen vermummten Polizisten offensichtlich unbegründet niedergeschlagen und verhaftet. Als ein im gegenüberliegenden Lokal anwesender Zeuge den Polizeiübergriff zu fotografieren begann, wurde er von zwei weiteren Polizisten mit den Worten "Gib den Film her, du Drecksau, oder ich schlag dich nieder!" am fotografieren behindert, bedroht und bis ins Lokal verfolgt. Die Polizisten versuchten, dem Zeugen den Photoapparat gewaltsam zu entreisen. Erst das Eingreifen von etwa 25 Lokalgästen konnte die beiden Polizisten von weiteren Übergriffen abhalten. Das Hemd des Zeugen, der den Übergriff fotografiert hatte, wurde vom Polizisten beschädigt. Statt der gesetzlich vorgeschriebenen Nennung der Dienstnummer verliessen die beiden Polizisten unter wüsten Drohungen ("Wenn ich Euch erwisch, dann passiert was...") das Lokal. Die den Übergriff dokumentierenden Fotos blieben unbeschädigt.

Die Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS) werden dem Vorfall nachgehen und die Polizisten wegen Mißbrauch der Amtsgewalt anzeigen. "Die Übergriffe der Polizei auf einzelne, abseits stehende PassantInnen hatte bei dieser Demonstration System! Die Aggression ging eindeutig von der Polizei aus!", so die ebenfalls im Lokal als Zeugin anwesende Sprecherin der GRAS, Doris Müller.

Gedächtnisprotokoll: Festnahme Eva L.

Am 2.3.2000 wurde ich um 23.55 Uhr Zeugin der Festnahme von Eva L. Ich stand gerade bei der Endstation der Linie 46 am Dr. Karl-Renner-Ring, als ich verzweifelte Hilferufe hörte. Ich konnte sehen, wie an der Kreuzung Volksgartenstrasse/Dr. Karl Renner-Ring eine Frau um die 20 Jahre von 2 Männern in Richtung Ring-Fahrbahn gezerrt wurde, und ging daraufhin sofort auf die Gruppe zu. So wie ich verhielten sich mehrere Passanten. Daraufhin zerrten die beiden Männer die Frau auf den Gehsteigund stießen sie gegen eine Mauer. Es ist dies der ca. 130 cm hohe Betonkasten, indem sich meines Wissens Installationen der Wiener Verkehrsbetriebe befinden.

Die Beamten waren nicht als solche erkennbar. Genausogut hätte es sich um einen Überfall handeln können. Auf meine Frage, was die Frau denn getan habe, erwiderten die Beamten kein einziges Wort. Daraufhin fragte ich die Frau direkt, und sie sagte, dass sie es auch nicht wisse. Sie teilte den Beamten daraufhin mit, dass sie von ihnen so stark gegen die Mauer gestossen worden war, dass sie sich "angemacht" hätte. Ich wies die Beamten darauf hin, dass dieser Umstand doch erniedrigend sei, und fragte nochmals nach dem Grund für die Amtshandlung. Wieder gab es keine Antworten. Nun wandte ich mich an den Beamten, der näher zu mir stand, und bat ihn höflich um seine Dienstnummer. In höhnischem Tonfall sagte er: "4050". Währenddessen rief der 2. Beamte per Handy nach Verstärkung. Erst zu diesem Zeitpunkt konnten die Frau und wir Passanten sicher sein, dass es sich wirklich um Polizeibeamte gehandelt hat. Innerhalb von höchstens 2 Minuten traf Verstärkung ein: mindestens 3 Polizeiwagen wegen einer Frau. Mit einem Handy verständigte einer der Passanten nun die Rechtshilfe, fragte die Frau nach ihrem Namen (sie antworte "Eva L....") und gab die Autokennzeichen der beteiligten Einsatzfahrzeuge sowie die Umstände der Verhaftung durch. Die Frau wurde in einem Polizeiwagen abtransportiert.

Ab dem Moment, wo ich den Vorfall beobachten konnte, haben sich die Beamten nicht als solche ausgewiesen und keinen Grund für die Amtshandlung genannt. Ich habe kein einziges Anzeichen von Widerstand seitens der Festgenommen wahrnehmen können. Sie hatte einfach Angst, und die hätte ich auch gehabt, wenn zwei Männer mich mitten in der Nacht angegriffen hätten! Ihre einzige Gegenwehr bestand in Hilferufen, und die waren aus meiner Sicht mehr als berechtigt. Auch auf die Frage, was denn nun mit ihr geschehen werde, bekam Eva L. keine Antwort.
Alle Passanten, die den Hilferufen von Eva L. gefolgt sind, blieben in Respektabstand zu den Beamten, sodass auch von dieser Seite kein Grund für aggressives Vorgehen abgeleitet werden kann.

Ich möchte in diesem Zusammenhang festhalten, dass ich das Vorgehen der Beamten für schockierend und in einem demokratischen Rechtsstaat für absolut unangebracht halte.

Soweit das Protokoll in korrektem Amtsdeutsch. Meine persönliche Meinung: Es ist zum Kotzen. Das Einzige, was Eva L. verbrochen hat, war es, alleine zu gehen. Sie war ganz normal bekleidet mit Jeans und Jacke und hatte nicht einmal einen Demosticker! Wer weiß, ob sie vorher überhaupt auf der Demo war? Und sie sitzt seit Donnerstag in U-Haft! Ich hoffe inständig, dass das Vorgehen dieser Beamten eigenmächtig erfolgte und nicht System hat.

Die Frage ist, was wir für Eva tun können. Versuchen, die Sache über Amnesty Int. publik zu machen? Bitte um Vorschläge, wenn Euch was besseres einfällt!

Wenn Grundrecht zu Strafrecht wird:
5.9.00: Eva L. zu 5 Monaten bedingt verurteilt

Rechtshilfe Wien
Am Dienstag, den 5. September 2000, wurde das erste Urteil in der Causa Opernball-Demonstration 2000 gefällt. Eva L. wurde zu 5 Monaten bedingt auf 3 Jahre verurteilt. Durch diesen skandalösen Schuldspruch, sollen Demonstrationen, und die Menschen die daran teilnehmen, kriminalisiert werden – sprich demokratisches Grundrecht zu Strafrecht gemacht werden. Weiters dient er dazu die, auf Grund fragwürdiger Arbeitsmethoden, bereits aufgelassene SonderEinsatzgruppe Kriminaldienst (SEK), im Nachhinein zu legitimieren. Eva wurde nämlich von einem dieser Gruppe angehörigen Kommando verhaftet.
Das Gerichtsverfahren, welches zu diesem Urteil führte, war eine Farce. Es gliederte sich in 2 Verhandlungstage. Der Richter (Fritz Zöllner; Anm. TATblatt) machte von Anfang an klar, dass er sein Urteil bereits gefällt hat. So warf er Eva z.B. vor, dass ihr Verhalten während und nach ihrer Verhaftung, nämlich von ihrem Grundrecht auf Aussageverweigerung gebrauch zu machen, ein Beweis für ihre Zugehörigkeit zum so genannten harten Kern (der gewaltbereiten DemonstrantInnen) sei. Andererseits war der Richter stetig bemüht, den Belastungszeugen vom ehem. SEK bei widersprüchlichen Aussagen unter die Arme zu greifen. Einer der Polizisten sagte z.B. aus , dass er Eva ab 17:00 Uhr lückenlos beobachtet hat. Dies konnte mittels Zeitbestätigung einer staatlichen Lehranstalt, welche besagt, dass Eva an diesem Tag bis 17:55 Uhr anwesend war, widerlegt werden. Trotzdem hielt der Richter an der Glaubwürdigkeit des Polizisten fest. Eine Beeidigung des Zeugen wurde abgelehnt.
Ebenso wenig wie die zahlreichen Widersprüche der Belastungszeugen nicht geklärt oder gänzlich ignoriert wurden, wurde die Legitimität des versuchten Abtransportes per Taxi in Frage gestellt. Wobei eine derartige Vorgangsweise an eine Verschleppung erinnert und die anscheinende Normalität dieser Praxis der Legitimierung der Einführung eines Polizeistaates dient.
Am Ende der Verhandlung begann Eva eine Erklärung zu dem Prozess zu verlesen, woraufhin der Richter die Wega einmarschieren lässt, um den Saal zu räumen, und um Eva den Zettel weg zu nehmen. Zitat des Richters: "Sie haben hier gar nichts zu sagen, ich habe ihnen schon gesagt was sie zu sagen haben.".
Daraufhin fällte er das in der Einleitung erwähnte Urteil.
Eva L. soll "versuchten Widerstand" geleistet haben und zwar in genau der Phase, wo nur der festnehmende Beamte bei ihr war und somit auch die EntlastungszeugInnen, die ein paar Minuten später am Schauplatz waren, nichts dazu aussagen konnten.
Weiters wurde sie wegen Beitragstäterschaft zum versuchten Widerstand verurteilt. Das eigenhändige Werfen des Tretgitters, welches dem Tatbestand zu Grunde liegt, wurde in Beitragstäterschaft umgewandelt, da auf einem Video eindeutig zu erkennen war, dass sich Eva zur Tatzeit nicht am Tatort befunden hat.
Begründet wurde dies mit der Behauptung des Richters, Eva hätte alles im Vorhinein geplant und war deshalb auf Grund der Presse vor Ort im Hintergrund geblieben.
Insgesamt stützt sich das gesamte Urteil lediglich auf widersprüchliche Aussagen der ehemaligen SEK-Beamten.
Dadurch tritt eine Beweislastumkehr in Kraft. Dies bedeutet, dass nicht seitens der Polizei ein Verbrechen Evas bewiesen werden muss, sondern sie zuerst ihre Unschuld nachzuweisen hat. Aus diesem Grund hat dieses Verfahren gegen jede Form von Rechtstaatlichkeit verstoßen. Juristische Willkür dieser Art ist ein Angriff auf alle demokratischen Grundrechte. Daher fordern wir einen sofortigen Stopp dieser Praxis und einen Freispruch für Eva L..

Ergänzung d. TATblatts: Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Eva kündigte Berufung an.

augenzeugenbericht:
0:45 ecke schwarzenbergstr. 10 / mahlergasse

aus ca. 25 m entfernung höre ich schreie und hilferufe und sehe polizeifahrzeuge mit blaulicht. ich laufe zur ecke mahlerg. / schwarzenbergstr. 10, ca. 200m von der oper entfernt und sehe 3 vermummte polizisten (das das polizisten sind wird mir erst etwas später klar), ein taxi, 2 demonstranten, und einige andere uniformierte.die vermummten polizisten in zivil drängen die beiden in einen geschäftseingang, die ersten schläge von ihnen sind erkennbar. ein betroffener demonstrant schreit "was ist da los, was passiert da?".

in den nächsten minuten stellt sich heraus, dass die vermummten polizisten in zivil die beiden demonstranten am nachhausefahren mit dem taxi hindern wollten und mit gezogener pistole verhafteten. durch dazustoßende demonstrantInnen ein kamerateam und weitere polizisten entsteht ein ziemliches wirrwarr, die scheinbar als verdeckt geplante aktion der vermummten polizeikräfte geht ziemlich baden, allen anwesenden ist klar, dass es sich um einen gezielten polizeiübergriff handelt.auf die frage wer den einsatz leitet gibt es keine antwort, dienstnummern werden verweigert, nach mehrmaligen nachfragen warum die beiden überhaupt verhaftet werden sollen, wird mitgeteilt, dass sie widerstand geleistet haben. dass kann wohl nur ein übler scherz sein - mit waffengewalt durch vermummte polizisten eingeschüchtert, dann in handschellen gelegt und abgeführt, ohne jeden widerstand der beiden. gut war, dass die anwesenden sich nicht einschüchtern ließen, nach dem grund der amtshandlung fragten, fragten, wieso handschellen angelegt werden, sofort die rechtshilfe informierten und ein kamerateam anwesend war, das sicherlich eine weitere eskalation seitens der exekutive verhinderte.
so funktioniert das also: am nachhauseweg vermummt und bewaffnet auf demonstrantInnen losgehen, mir wird speiübel wenn ich mir das ganze nochmals überlege - widerstand!
[FOTOS]

NEU: Ausschnitt aus dem Video von den Festnahmen nach der Demo am 2.3. in der Schwarzenbergstraße als MOV-Datei (QuickTime) ACHTUNG! große Datei (ca. 5MB)
(C) Copyright "Schnittpunkt - Film- und Multimediaproduktion", 2000
Für Anfragen bezüglich Verwendung der Bilder wenden Sie sich per E-Mail an: schnittpunkt@gmx.at


mehr zum Widerstand gegen die österreichische Rechts-Rechtsextrem-Koalition
sowie weitere Beiträge zu Rassismus in Österreich und diverse andere Artikel aus aktuellen und älteren TATblatt-Ausgaben siehe Inhaltsübersicht auf der
TATblatt-Homepage.
 

täglich aktualisiert:


aus: TATblatt nr. +135  (6/2000) vom 9. märz 2000
(c)TATblatt
alle rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise, nur in linken, alternativen und ähnlichen medien ohne weiteres gestattet (belegexemplar erbeten)!
In allen anderen fällen nachdruck nur mit genehmigung der medieninhaberin (siehe impressum)


[zum TATblatt-inhaltsverzeichnis]