In der Nacht zum 10. Oktober 1997 kam es zum vorerst
            letzten faschistischen Anschlag auf eine Kirche in
            Lübeck. Diesmal betroffen - die St.
            Lorenz-Kirche.  
            Seit dem 9. Mai 1997 gewährt die St.
            Marien-Gemeinde und der ihr vorstehende Pastor Harig einer
            algerischen Familie Kirchenasyl. CDU und Neofaschisten
            begannen nach Bekanntwerden dieser Tatsache in der
            örtlichen Springerpresse mit einer Hetzkampagne.
            Resultat: Mehr als ein halbes Dutzend faschistische
            Anschläge mit eindeutigem Bezug zum
            Kirchenasyl. 
            Erster Anschlag aufgeklärt!? 
            Die erste Brandstiftung auf die St. Vicelin-Kirche scheint
            mittlerweile so gut wie aufgeklärt zu sein. Der
            19jährige Gärtnerlehrling Christian Prudlo, der
            sich selbst als „rechtsradikal“ bezeichnet,
            wurde ca. 3 Wochen nach dem Anschlag festgenommen. Er
            gestand die Brandstiftung, widerrief sein Geständnis
            jedoch später wieder. Inzwischen hat die
            Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn wegen schwerer
            Brandstiftung und Verwenden von Kennzeichen
            verfassungswidriger Organisationen erhoben. Mitte November
            wurde der Haftbefehl gegen Prudlo von der Jugendkammer des
            Landgerichts unter Auflagen außer Vollzug gesetzt.
            Nur einen Monat später jedoch ordnete das
            Oberlandesgericht in Schleswig den Vollzug des Haftbefehls
            wieder an und folgte damit der Beschwerde der Lübecker
            Staatsanwaltschaft. Sie sah die Verdunklungsgefahr nicht
            durch die Auflage behoben, daß Prudlo sich
            verpflichtete, jeglichen Kontakt mit Zeugen zu vermeiden.
            Hatte dieser doch vorher bereits Zeugen bedroht. So wird
            die U-Haft wohl bis zum Prozeßbeginn  am 4.
            Februar andauern. Als Prudlos VerteidigerInnen werden dann
            P. Annette Ott und Hans Leistritz auftreten, da Prudlo
            Mitte November den Antrag gestellt hatte, seinen bisherigen
            Anwalt aufgrund eines „gestörten
            Vertrauensverhältnisses“ zu
            entpflichten. 
            Organisierte Kampagne 
            Spätestens die auf den ersten Anschlag folgende Serie
            von Brandstiftungen und Schmierereien trägt eindeutig
            die Merkmale einer organisierten faschistischen Kampagne.
            Die „Handschrift“ der Sprühparolen
            beispielsweise gleicht sich so auffällig, daß
            von einem identischen Täterkreis ausgegangen werden
            muß. Als das Büro von Günter Grass wenige
            Tage nach einem gemeinsamen Auftritt des Schriftstellers
            mit Pastor Harig auf einer öffentlichen Veranstaltung
            zum Ziel von Schmierereien wurde, machte dies deutlich,
            daß die Anschlagsziele bewußt ausgewählt
            werden und keine „Dummen Jungen“ dahinter
            stecken können. Bisher wurde jedoch keiner dieser
            Anschläge aufgeklärt, was kein Wunder ist,
            bedenkt man, daß diese, wie im jüngsten Fall
            geschehen, als „ein weiterer Fall von
            Spraydosen-Terrorismus“ (O-Ton Oberstaatsanwalt
            Möller) verharmlost werden. 
            Politisches Kalkül 
            Auch die Tatsache, daß der letzte Anschlag bereits
            drei Monate zurückliegt, ist ein weiteres deutliches
            Indiz für eine organisierte faschistische Kampagne.
            Denn nachdem Lübeck durch die Anschläge wieder in
            die Schlagzeilen gebracht worden ist, wird nun eine weitere
            Provokation gestartet und zwar der Versuch als
            „Bündnis Rechts“ an diesem
            symbolträchtigen Ort in die Bürgerschaft
            einzuziehen. Da passen Brandstiftungen und Schmierereien
            dann wiederum nicht ins politische Konzept. Und so wird die
            Anschlagsserie gegen das Kirchenasyl einfach für
            einige Zeit ausgesetzt, um das Thema im Wahlkampf
            „politisch“ angehen zu können. Sollte sich
            die Prognose bewahrheiten, daß es bis zur
            Kommunalwahl keine weiteren Anschläge mehr geben wird,
            dürfte endgültig klar sein, aus welchem Umfeld
            die Täter kommen. Nämlich aus dem des
            „Bündnis Rechts“, einer sehr brisanten
            Mischung aus Faschisten, die in der parlamentarischen(!)
            und organisatorischen(!) Arbeit erfahren sind und solchen,
            deren Stärke eher der Straßenterror(!)
            ist.