Nicht viel Neues vom bayerischen Staatsschutz

Akteneinsicht in Passau

Passau. Nach über einem Jahr kommt endlich Licht ins Dunkel der Ermittlungen gegen die Passauer AntifaschistInnen. Am 12. Mai 1998 hatten das bayerische Landeskriminalamt, teilweise das Bundeskriminalamt und örtliche Polizeibehörden bundesweit 36 Hausdurchsuchungen durchgeführt. Als Grundlage diente dabei ein Durchsuchungsbeschluß des Amtsgericht München I, in dem die Existenz einer kriminellen Vereinigung nach §129 „innerhalb der Antifa Passau" behauptet wurde. Konkrete Angaben darüber, wer diese kriminelle Vereinigung sein soll bzw. worin das Organisationsdelikt bestehen soll, wurden nicht gemacht.

Zwei der insgesamt 39 beschuldigten AntifaschistInnen haben nun Akteinsicht erhalten, aus der das Konstrukt der Ermittlungsbehörden hervorgeht: Als kriminelle Vereinigung soll demnach die Antifaschistische Aktion Passau (AA/PA) gelten, die für 33 Straftaten verantwortlich gemacht wird. Die Begründung läuft im wesentlichen über folgende Konstrukte:

Die Straftaten, für die die AA/PA verantwortlich gemacht werden soll, wurden in einem Katalog aufgelistet und thematisch geordnet, so z.B. Aktionen gegen die faschistische DVU, die sich alljährlich in der Passauer Nibelungenhalle trifft, gegen die faschistische NPD usw. Neben drei Anschlägen sind es vor allem politisch motivierte Sachbeschädigungen (knapp die Hälfte), die Rede ist von Sprühereien, Aufklebern und Plakaten, weiterhin Verstöße gegen das Presserecht und Versammlungsgesetz, also Demonstrationen. Desweiteren werden der „Verein zur Förderung des kulturellen Bewußtseins junger Menschen e.V.", die „Antifaschistische Jugendfront Passau" und die „Antifaschistische Jugend-Aktion" als „Untergruppierungen" der AA/PA gehandelt. Ob die Ermittlungen zu einer Anklage führen werden, steht noch nicht fest.

Fest steht jedoch, daß auch dieses Verfahren nicht dazu dienen soll, irgendwelche „Straftaten" zu unterbinden. Es ist vielmehr ein Paradebeispiel für die Verfolgungswut eines Staates, der in historischer Kontinuität versucht, die Linke mit Repression zu behindern und zu zerschlagen. Schon die Durchsuchungsbefehle wiesen die Staatsschützer an, Beweise für die bloße antifaschistische Gesinnung der Beschuldigten zu finden. Auch die Tatsache, daß die Ermittlungsbehörden über ein Jahr lang nicht dazu in der Lage sind, ihre eigenen Konstrukte überhaupt erst zu formulieren, läßt darauf schließen, daß es ihnen vor allem um die Ausleuchtung antifaschistischer Zusammenhänge geht. Denn der §129 ermöglicht u.a. Telefon- und Postüberwachung, ständige Observation oder den Einsatz von verdeckten Ermittlern, ohne daß Umfang und Ausmaß juristisch begrenzt würden.

Es ist kein Zufall, daß die AA/PA im Fadenkreuz der Ermittler steht. Die Gruppe ist seit 1993 Mitglied der Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO). Durch intensive Jugend- und Öffentlichkeitsarbeit gelang es, antifaschistische Positionen auch in der Provinz zu vermitteln und antifaschistische Politik in Passau zu etablieren. Gerade der Organisierungsansatz, der Versuch, die gesellschaftliche Isolation zu überwinden und kontinuierliche Politik zu betreiben, waren den bayerischen Behörden ein Dorn im Auge. Der Vorwurf der „Bildung einer kriminellen Vereinigung" soll diesen Politikansatz als kriminell definieren und so dessen Legitimation in Frage stellen. Der Angriff auf die AA/PA ist also als genereller Angriff auf organisierte antifaschistische Politik zu verstehen. Neben der beabsichtigten Spaltung in gute und böse AntifaschistInnen verfolgt der Staat das Ziel, antifaschistische Politik durch die Kriminalisierung zu lähmen, da sich die betroffene Gruppe zwangsläufig auf politischer, juristischer und finanzieller Ebene mit dem Verfahren auseinandersetzten muß. Sollte tatsächlich Anklage erhoben werden, so steht allerdings mehr auf dem Spiel als die ökonomische Basis der Betroffenen. Deshalb muß es schon jetzt darum gehen, öffentlichen Druck aufzubauen, um den Intention des Staates zu verdeutlichen und die bedingslose Einstellung des Verfahrens zu erwirken.

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