NS-Orden stören den soldatischen Schulterschluss in Mittenwald nicht Pfingsttreffen eint Wehrmachts-Veteranen und Bundeswehr-Mitglieder Polizei setzt angereiste Demonstranten fest

von Joachim F. Tornau (Mittenwald)

Es ist die größte soldatische Feier in Deutschland. Jedes Jahr zu Pfingsten gedenken tausende Wehrmachts-Veteranen und Bundeswehr-Soldaten im bayerischen Mittenwald gemeinsam der gefallenen Gebirgsjäger beider Weltkriege.

Berührungsängste, so schien es am Sonntag, gibt es dabei nicht: Kurz nach einer Abordnung der Bundeswehr, die den Kranz des Verteidigungsministeriums niederlegte, traten die Vertreter einer österreichischen Krieger-Kameradschaft vor das Ehrenmal. Auf der Brust trugen sie Orden mit dem Hakenkreuz. Von den Anwesenden nahm daran niemand Anstoß.

Mögliche Proteste hatte die Polizei unterbunden. Am Vorabend war eine Gruppe von Demonstranten unerwartet beim Kameradschaftsabend der Soldaten aufgetaucht, um auf die Verbrechen der Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg aufmerksam zu machen. Ihr Versuch, an die Opfer zu erinnern, ging allerdings im Tumult unter: Mit Fäusten, Stühlen und Krückstöcken vertrieben die alten und jungen Kameraden ihre Kritiker. "Drecksmüll" seien diese Leute, schimpfte ein aktiver Hauptfeldwebel der Bundeswehr und ärgerte sich, nicht handgreiflicher geworden zu sein: "Wenn ich keine Uniform anhätte, gäbe es die schon nicht mehr."

Ein Großaufgebot Polizei setzte die Demonstranten in einer Jugendherberge fest. Auch eine Kundgebung im Zentrum von Mittenwald - weit entfernt vom Ehrenmal auf dem Hohen Brendten - wurde nicht erlaubt. Am Sonntag sollte alles wieder so reibungslos verlaufen wie gewohnt.

Die Beteiligung der Gebirgsjäger am Vernichtungskrieg der nationalsozialistischen Wehrmacht haben Militärhistoriker schon vor Jahren nachgewiesen. So ermordeten Truppen der 1. Gebirgs-Division am 13. September 1943 auf der griechischen Insel Kephalonia mindestens 4000 italienische Kriegsgefangene - aus Rache dafür, dass die vormaligen Verbündeten die Seiten gewechselt hatten. Den Beteiligten gilt das bis heute als Aktion, bei der "einiges gründlich danebenging". Diese Worte jedenfalls wählte unlängst ein Veteran von Kephalonia in der Zeitschrift des "Kameradenkreises der Gebirgstruppe".

Der Traditionsverband, in dem Ex-Angehörige der Wehrmacht genauso Mitglied sind wie Soldaten der Bundeswehr, ist für die Organisation der alljährlichen Pfingsttreffen in Mittenwald verantwortlich. Den Schulterschluss erklärt Vorstandsmitglied Harald Rettelbach, früher Direktor des Nato-Pressezentrums in Brüssel, mit einer rhetorischen Frage: "Soll ich etwa die verdammen, die mir das Handwerkszeug beigebracht haben?" Bei den Massenerschießungen habe es sich zwar unzweifelhaft um ein Verbrechen gehandelt. Aus seinem Verband möchte er deshalb aber niemanden ausschließen: "Sie sind ja gerichtlich nicht verurteilt worden."

Von den 8000 Mitgliedern des Kameradenkreises haben in diesem Jahr rund 2000 den Weg auf den Berg bei Mittenwald geschafft. Ihr prominentester Mitstreiter ließ sich entschuldigen. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber war auf dem Tag der Sudetendeutschen unabkömmlich. Mit dem fragwürdigen Brückenschlag zwischen Alt und Jung scheint aber auch er kein Problem zu haben: Als vor einem Jahr die Gebirgsdivision der Bundeswehr als eigenständige Einheit aufgelöst wurde, hatte er sich eine persönliche Ansprache nicht nehmen lassen. Bei der alpinen Elite-Truppe zu dienen, sei für jeden Soldaten etwas ganz Besonderes, sagte er - nicht zuletzt wegen ihrer "unangreifbaren Traditionspflege, die in der insgesamt traditionsarmen Bundeswehr ihresgleichen sucht".