Pressemitteilung und Resolution der Veranstaltung ”Gegen das Vergessen” vom 21. Januar 2024

Eine Veranstaltung des Auschwitz-Komitees i.d. BRD e.V. und des AK Distomo zum 79. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945
Die Veranstaltung fand im Centralkomitee in Hamburg statt, das bis auf den letzten Platz besetzt war.

Auf der Veranstaltung ”Gegen das Vergessen” vom 21.1.2024 berichtete Salo Muller über seine Geschichte und den Kampf um Entschädigung. Salo Muller wurde 1936 in Amsterdam geboren. Seine Eltern wurden während der Besatzung der Niederlande durch die NS-Truppen nach Auschwitz deportiert und ermordet. Bekannt wurde Salo Muller als Physiotherapeut von Ajax Amsterdam sowie durch seine vielfältigen Bücher. Im Jahr 2018 erreichte er eine Vereinbarung mit der niederländischen Bahngesellschaft (Nederlandse Spoorwegen) über Entschädigungszahlungen an Opfer der Shoah, die durch deren Mithilfe deportiert wurden.

Im ersten Teil der Veranstaltung berichtete Salo Muller über seine Kindheit während der deutschen Besatzung. Nur durch die Unterstützung des niederländischen Widerstands, deren Mitglieder dabei ihr Leben riskierten, konnte er überleben. Im zweiten Teil berichteten Salo Muller und sein Anwalt Martin Klingner über die Verhandlungen mit der niederländischen Bahngesellschaft, die zu Entschädigungszahlungen an die Überlebenden und deren Angehörigen führten. Salo Muller und sein Anwalt, Martin Klingner, verdeutlichten die zahlreichen Herausforderungen, die sich in der Debatte um Entschädigungszahlungen durch die Deutsche Bahn AG ergeben. Sie kritisierten scharf, dass das Unternehmen, als Hauptverantwortliche und Rechtsnachfolgerin der historischen Deutschen Reichsbahn, sich ihrer Verantwortung entzieht, während andere Beteiligte wie die Nederlandse Spoorwegen ihre Verantwortung anerkennen. Salo Muller will heute erreichen, dass die Deutsche Bahn AG ebenfalls ihre historische Verantwortung übernimmt und die Opfer der Deportationen endlich entschädigt werden.

Die Teilnehmer:innen der Veranstaltung unterstützen Salo Muller und verabschiedeten die folgende Resolution, die sich an die Deutsche Bahn AG und die Bundesregierung richtet:
Wir bedanken uns bei Salo Muller für seinen Bericht über die nationalsozialistische Verfolgung, über seine Geschichte und die seiner Familie während der Shoah.
Wir erinnern an den niederländischen Widerstand, dem Salo Muller sein Überleben verdankt.
Wir gedenken der 70 Familienangehörigen von Salo Muller, die in Auschwitz ermordet wurden.

Wir unterstützen die Forderung von Salo Muller nach Anerkennung des Leids und Entschädigung durch die Deutsche Bahn AG.
Wir teilen die Ansicht von Salo Muller ”Nur wer zahlt, meint es ernst.”
Wir bewundern Salo Muller für seinen erfolgreichen Kampf um Entschädigung durch die niederländische Bahn.

Wir fordern die Deutsche Bahn AG als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn auf, die moralische und materielle Verantwortung für die Beteiligung am Holocaust durch die Deportation von Millionen Menschen in die Vernichtungs- und Konzentrationslager zu übernehmen.
Wir fordern die Bundesregierung und den Vorstand der Deutschen Bahn AG auf mit Salo Muller sowie seiner rechtlichen Vertretung in Verhandlungen einzutreten und eine angemessene Entschädigungsregelung zu vereinbaren.

In Gedenken an die Opfer des Holocausts.


Hamburg, den 25. Januar 2024
Auschwitz-Komitee i.d. BRD e.V. und AK Distomo

Salo Muller: ”Nur wer zahlt, meint es ernst.”
Der Kampf um Entschädigung durch die Deutsche Bahn AG.

Sonntag, 21. Januar 2024, 12:00 Uhr
Centralkomitee, Steindamm 45, Hamburg

GEGEN DAS VERGESSEN
Gemeinsame Veranstaltung des Auschwitz-Komitees und des AK Distomo zum 79. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945


Mit Salo Muller (Shoah-Überlebender), Martin Klingner (Rechtsanwalt und Aktivist) und Mitgliedern des Auschwitz-Komitees und des AK Distomo

Musik: A Mekhaye

Salo Muller wurde 1936 in Amsterdam geboren und verdankt sein Überleben während der Shoah dem mutigen Einsatz des niederländischen Widerstands. Seine Eltern und 70 weitere Verwandte wurden in Auschwitz ermordet. Zu Beginn wird Salo Muller über seine eigene erschütternde Geschichte und die seiner Familie berichten, während er sich im Verborgenen vor der Gefahr verstecken musste.

Des Weiteren widmen sich Salo Muller und sein Rechtsanwalt Martin Klingner dem Thema der rechtlichen und politischen Auseinandersetzung um Entschädigungzahlungen. Sie werden Ihre Erfahrungen im Kampf um Gerechtigkeit für die Opfer des Holocausts teilen und dabei speziell auf Salo Mullers Auseinandersetzung mit der Niederländischen Bahn und der Deutschen Bahn AG eingehen.

Salo Muller wird in dieser Veranstaltung klarstellen, dass die Deutsche Bahn AG Entschädigung leisten muss. Die Deutsche Reichsbahn spielte eine zentrale Rolle bei der Organisation des Holocausts. Die Opfer wurden nicht nur deportiert, sondern auch noch für die Kosten ihrer eigenen Deportationen zur Kasse gebeten - ganze vier Pfennige pro Kilometer. Historischen Schätzungen zufolge erhielt die Deutsche Reichsbahn umgerechnet etwa 445 Millionen Euro für diese Fahrten durch das Deutsche Reich. Wir fordern die Deutsche Bahn AG auf, ihrer moralischen und finanziellen Verantwortung gerecht zu werden. Salo Muller formuliert es so: ”Nur wer zahlt, meint es ernst.”

Salo Muller hat bereits in den Niederlanden einen bedeutenden Erfolg erzielt, indem er die Niederländische Bahngesellschaft dazu brachte, Entschädigungsleistungen an die wenigen Überlebenden und ihre direkten Angehörigen zu erbringen. Doch dieser Kampf ist noch lange nicht vorbei, und wir wollen darüber sprechen, wie seine Forderungen auch in Deutschland durchgesetzt werden können.

Der Aufruf als PDF-Dokument
Das Plakat als PDF-Dokument

Centralkomitee

Kundgebung am 16. Januar 2024, 17 Uhr, Dessauer Straße

Am 16. Januar 1945 wurden 106 niederländische Bürger aus dem Groninger-Gefängnis ins Konzentrationslager Neuengamme deportiert. Von ihnen überlebte keiner, 29 kamen im Lagerhaus G am Dessauer Ufer ums Leben.

In Hamburg möchten wir vor dem Lagerhaus G an die niederländischen KZ-Häftlinge am Dienstag, den 16. Januar 2024 um 17 Uhr, Dessauer Straße zusammen mit Angehörigen erinnern und Blumen niederlegen.

Wir wissen bis heute nicht die genaue Anzahl der Opfer aus dem Lagerhaus G. Es gibt Listen zu einzelnen Nationen. Es schmerzt, dass es so viele Tausende NS-Opfer im KZ Neuengamme und seinen vielen Außenlagern gab, und dass so wenig über sie erzählt wird. Dank der dokumentierten Erinnerungen der Überlebenden gibt es heute ein Bild von den Lebensbedingungen im Lagerhaus G, der Arbeit, aber auch der Hoffnungen der Menschen. In den Niederlanden wird an die 106 Menschen erinnert. Es gibt ausführliche Biographien, Darstellungen der Lebensumstände und der historischen Zusammenhänge.

Mit unserer Einladung und Veranstaltung wollen wir einen Beitrag am Ort leisten, damit die KZ-Opfer nicht vergessen werden. Zeitgleich wird in Groningen/Harlingen an 106 NS-Opfer erinnert werden.

Das Lagerhaus G war ab Juni 1944 ein Außenlager des KZs Neuengamme. Im Juli 1944 wurden rund 1.500 jüdische Frauen von Auschwitz ins Lagerhaus G verschleppt, um im Auftrag der SS u.a. im sogenannten Geilenberg-Programm für die deutsche Mineralölwirtschaft eingesetzt zu werden. Nach Auflösung des Frauen-KZ im Lagerhaus wurden an die 2.000 KZ-Häftlinge aus Neuengamme dorthin gebracht.Nach der Zerstörung von Teilen der Lagerhäuser Ende Oktober 1944 waren sie zunächst ins KZ Fuhlsbüttel verlegt worden. Im Februar 1945 wurden KZ-Häftlinge erneut im Lagerhaus G untergebracht. Von den 106 niederländischen Häftlingen aus Groningen verloren 29 dort ihr Leben. Im April 1945 wurden das KZ Neuengamme sowie das Außenlager Dessauer Ufer geräumt.

Die drei Lagerhäuser am Dessauer Ufer, F, G und H gehörten der HHLA (Hamburger Hafen- und Lagerhaus-Aktiengesellschaft)und wurden ursprünglich von Reemtsma als Tabaklager genutzt. Nach deren Verlagerung im Sommer 1943 wurden daraus ab September 1943 Zwangsarbeitslager für 6.000 italienische Militärinternierte (IMI). Viele Tausend andere wurden auf weitere Lager in Hamburg verteilt. Über 2.000 Menschen lebten im Lagerhaus F. 500 IMI mussten im Lagerhaus G leben und wurden über den GHB (Gesamthafenbetrieb) zur Arbeit in den Hafenbetrieben zur Arbeit gezwungen. 900 sowjetische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen mussten im Lagerhaus H leben.

https://lagerhausfh.wordpress.com/

”Als am 13. Dezember 1943 die Kirchturmuhr stehen blieb.”
Das Wehrmachts-Verbrechen in Kalavryta.

Der erzählerische Rahmen des Hörspiels ”Kalavryta” aus dem Jahr 2021 ist die Darstellung von Franzeska Nika, die das Massaker überlebt hatte.
https://kalavryta-hoerspiel.de/

Das Hörspiel ”Kalavryta” thematisiert ein als ”Rachefeldzug” getarntes Massaker der deutschen Wehrmacht in der Gegend von Kalavryta, einer griechischen Kleinstadt im Norden der Peloponnes, im Jahr 1943. Viele hundert Zivilisten ab 14 Jahren wurden dort ermordet. Im Oktober 1943 waren rund 80 deutsche Soldaten bei Kalavryta gefangen genommen und später erschossen worden. Die 117. Jäger-Division begann daraufhin ”schärfste Sühnemaßnahmen” und Vergeltungsaktionen gegen die Zivilbevölkerung. Diese hatten zur Folge, dass Kalavryta, weitere 22 Ortschaften sowie drei Klöster zerstört wurden, darunter das hellenische Nationalheiligtum Agia Lavra, wo 1821 der Überlieferung zufolge der Befreiungskrieg gegen das Osmanische Reich ausgerufen worden war. Nach Zählungen der Wehrmacht wurden 676 Zivilisten exekutiert. Die Plünderungen und Zerstörungen hinterließen Krankheiten und Hungersnot.

Die Spuren dessen sind bis heute lebendig, was auch Anlass einer Reise von Hamburger Jugendlichen im Jahr 2017 war, die mit ihren Erfahrungen und einigen Klischees im Hörspiel ebenso zu Gehör kommen. Mit Klanglandschaften und verschiedenen Augenzeugenberichten erinnert das Hörspiel an die Ereignisse während des Zweiten Weltkriegs. Den erzählerische Rahmen bietet die Darstellung von Franzeska Nika, die das Massaker er- und überlebte und ihre Erlebnisse poetisch in Worte fasste.

Der griechische Ort Kalavryta steht stellvertretend für jene NS-Verbrechen, die bei Widerstand als ”Vergeltungsaktionen” vor allem in Ost- und Südosteuropa ein flächendeckendes Instrument der nationalsozialistischen Besatzungspolitik waren.

Den Krieg verloren, aber das Geld bleibt hier
Deutschlands Sieg in Italien über die Opfer der NS-Verbrechen

Deutschland hat es geschafft. Das Verfassungsgericht Italiens entschied im Juli 2023 im Sinne der Bundesregierung. Hunderttausende italienische Opfer von NS-Kriegsverbrechen, ehemalige NS-Zwangsarbeiter sowie Opfer von Massakern, erhalten von Deutschland keine Entschädigung, ihnen bleibt der Rechtsweg in Italien verwehrt.

Seit vielen Jahren klagen vor allem ehemalige italienische NS-Zwangsarbeiter in Italien gegen Deutschland, um endlich eine Entschädigung für das erlittene Leid und Unrecht zu erhalten, dass ihnen Nazideutschland angetan hatte. Hunderttausende - Zivilisten und Soldaten - waren vom ”Dritten Reich” nach Deutschland verschleppt worden, um Zwangsarbeit zu leisten. Vor italienischen Gerichten bekamen sie Recht, ihnen wurden Beträge bis zu Euro 100.000,- pro Person zugesprochen.

Doch trotz rechtskräftiger Urteile verweigerte Deutschland die Zahlung unter Berufung auf den Grundsatz der Staatenimmunität. Vor dem Internationalen Gerichtshof erwirkte Deutschland 2012 ein Urteil, das die Bundesrepublik vor Klagen aus dem Ausland bewahren sollte. Der IGH entschied, dass der Grundsatz der Staatenimmunität auch im Fall von Kriegsverbrechen gelte und Deutschland im Ausland nicht verklagt werden dürfe.

Dies sahen italienische Gerichte allerdings anders. Das italienische Verfassungsgericht hatte in einer Grundsatzentscheidung schon 2014 gegen den IGH und zugunsten der Rechte der Opfer von Nazi-Deutschland geurteilt, das Grundrecht auf Zugang zu den italienischen Gerichten betont und die Anwendung des von Deutschland reklamierten Grundsatzes der Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen abgelehnt. Das Verfassungsgericht sah den Rang des Menschenrechtsschutzes als höherwertig an als das Prinzip der Staatenimmunität. Daher konnten die Prozesse in Italien fortgeführt und gegen deutsches Eigentum vollstreckt werden.

Dies ist nun nicht mehr möglich. Das italienische Verfassungsgericht entschied in seinem jüngsten Urteil im Sinne Deutschlands.

In zwei Fällen ehemaliger NS-Zwangsarbeiter, die rechtskräftige Urteile gegen Deutschland erwirkt hatten, drohte Deutschland die Beschlagnahme bzw. die Versteigerung deutschen Staatseigentums in Rom. Darauf strengte Deutschland im Frühjahr 2022 ein Eilverfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag an, um die Vollstreckung zu verhindern. Deutschland nahm den Antrag erst zurück, als Italien unter diesem Druck Ende April 2022 erst ein Regierungsdekret und dann ein Gesetz verabschiedete, durch das alle gegen Deutschland gerichteten Entschädigungsprozesse und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gestoppt wurden.

Das Landgericht in Rom setzte daraufhin die Vollstreckung in deutsches Staatseigentum im November 2022 aus und legte das Verfahren dem italienischen Verfassungsgericht vor, weil es dieses Schlussstrich-Gesetz für verfassungswidrig hielt. Das Verfassungsgericht entschied nunmehr Ende Juli 2023, dass das Schlussstrich-Gesetz doch verfassungsgemäß sei. Zwar stelle es einen erheblichen Eingriff in die Rechte der Betroffenen dar, wenn Deutschland vor Klagen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geschützt werde. Dennoch stehe dieses Gesetz im Hinblick auf den Grundsatz der Staatenimmunität im Einklang mit der Verfassung. Grund hierfür sei, dass die italienische Regierung mit dem Gesetz zugleich einen Fonds begründet habe, aus dem italienische Opfer entschädigt werden können. Dieser ist mit ca. Euro 60 Millionen dotiert. Damit, so das Gericht, seien die Rechte der Opfer ausreichend gewahrt. Mit Zahlung aus dem Fonds erlöschen alle Rechte und Ansprüche auf Entschädigung gegenüber Deutschland.

Deutschland hat es wieder einmal geschafft, sich aus der rechtlichen und moralischen Verantwortung für die NS-Opfer zu ziehen. Nicht der Nachfolgestaat Nazideutschlands sondern Italien wird die Zahlungen an die italienischen Opfer der NS-Verbrechen selbst erbringen. Davon profitieren werden aber nur diejenigen Überlebenden oder deren Angehörige, die rechtzeitig bis zu einem Stichtag Klagen gegen Deutschland erhoben hatten. Zudem werden die Zahlungen sehr begrenzt sein und nicht mal einen Bruchteil dessen erreichen was den Betroffenen von italienischen Gerichten zugesprochen worden war.

Das ist das perfide Ergebnis deutscher Machtpolitik in Europa. Mit ökonomischem Druck und politischer Erpressung hat Deutschland erst Griechenland und dann Italien in die Knie gezwungen. Die Leidtragenden sind die Opfer der NS-Verbrechen und deren Angehörige.

Was ist also davon zu halten, wenn die gegenwärtige Bundesregierung über menschenrechts-orientierte Außenpolitik schwadroniert? Nichts. Nur wenn es den eigenen Interessen nützt, werden Menschenrechte in Stellung gebracht. Für die Opfer der NS-Verbrechen hat Deutschland allenfalls warme Worte an Gedenktagen übrig. Doch die Schuld ist nicht beglichen, das Thema der Entschädigung für Menschen- und Völkerrechtsverbrechen ist aktuell. Deutschland hat Macht, eine Rechtfertigung gegenüber den Opfern des deutschen Faschismus hat es nicht.

Der AK Distomo fordert weiterhin:
Deutschland muss alle Opfer des Nationalsozialismus entschädigen!
Nazi-Verbrechen nicht vergeben, den antifaschistischen Widerstand nicht vergessen!
Gemeinsamer Kampf gegen den wiedererstarkenden Faschismus in Europa!

Hamburg, den 17. September 2023 AK-Distomo

Redebeitrag 8. September 2023, Kundgebung vor dem Hafenamt, Jan Krüger

”NEIN” gesagt
Zum 80. Jahrestag des italienischen Waffenstillstands mit den Alliierten erinnern wir an die italienischen Militärinternierten

Im Juli 2023 hat die juristische Auseinandersetzung der Entschädigungsfrage für die IMIs vor dem italienischen Verfassungsgericht ein bitteres Ende gefunden. Es werden zwar Ansprüche italienischer Opfer von deutschen NS-Verbrechen ausgezahlt - endlich, mit fast 80-jähriger Verspätung, allerdings nicht von dem deutschen sondern von dem italienischen Staat. Der Nachfolgestaat Nazideutschlands hat sich in einem über 20 Jahre dauernden Rechtsstreit durchgesetzt und wieder einmal die Verantwortung für NS-Verbrechen verweigert und deren Opfer düpiert.

Als Folge der Entschädigungsklagen gegen Deutschland legt Italien einen Fonds auf, aus dem in den nächsten 3 Jahren ca. 60 Mio. Euro an italienische NS-Opfer ausgezahlt werden sollen, die bis zu einem festgesetzten Stichtag Klagen gegen Deutschland eingereicht haben.
Es ist ein Skandal, dass nicht der Nachfolgestaat des NS-Staats, der für die Verbrechen verantwortlich ist, in den Fonds einzahlt, sondern ausschließlich der Staat der Opfer die Gelder aufzubringen hat.
Zudem werden 60 Mio. Euro bei weitem nicht ausreichen. Die Zeitung La Stampa vom 05.07.2023 berichtet von insgesamt 780 Fällen mit einem Anspruchsvolumen von ca. 800 Millionen Euro.
Bezeichnend dabei, dass die Auszahlungen von einer rechtsextremen Regierung Italiens vollzogen werden, während eine deutsche grün-sozialliberale Regierung eine Entschädigungszahlung verweigert.

Die Verweigerung einer angemessenen Entschädigung aller Opfer der NS-Verbrechen ist ein Kontinuum der deutschen Außenpolitik seit dem Bestehen der BRD, denn die Auseinandersetzungen um Reparationen und individuelle Entschädigungen begannen schon bald nach Ende des II. Weltkriegs. Eine besondere Bedeutung besaßen dabei die italienischen Militärinternierten.

Als ehemalige Verbündete wurden die italienischen Militärinternierten als sog. ”Verräter” stigmatisiert und waren deshalb besonders schweren Drangsalierungen und Gewalt ausgesetzt. Zwischen September 1943 und Mai 1945 starben mehr als 50.000 italienische Militärangehörige. Sie wurden direkt nach der Gefangennahme von deutschen Truppen ermordet, starben beim Abtransport in die Lager oder infolge der menschenunwürdigen Bedingungen ihrer zwanzigmonatigen Gefangenschaft. Insgesamt wurden 650.000 Italiener als Zwangsarbeiter in der deutschen Kriegswirtschaft eingesetzt.

Nach Kriegsende zahlte Deutschland an Italien nur Minimalbeträge als Entschädigungsleistungen. Im Rahmen eines ”Globalabkommens” wurden 1961 40 Millionen Deutsche Mark an den italienischen Staat gezahlt, allerdings wurden dabei nur die Insassen von Konzentrationslagern berücksichtigt. Opfer von Massakern und Zwangsarbeiter gingen leer aus.

Für ihre Opfer und ihr Leid wurden die italienischen Militärinternierten nie entschädigt, ihre Arbeitsleistung wurde nie entlohnt. Erst 1990 mit der Wende konnten Entschädigungsansprüche überhaupt geltend gemacht werden. Im Kalten Krieg sollte Deutschland nicht durch Reparations- und Entschädigungszahlungen belastet werden. Es dauerte noch weitere 10 Jahre, bis im August 2000 unter massivem Druck durch Verbände und Regierungsvertreter der USA ein Fonds aufgelegt wurde, der die Zwangsarbeiter des NS-Staats entschädigen sollte. Auch in Italien machten sich die ehemaligen italienischen Militärinternierten Hoffnungen. Ca. 130.000 Anträge wurden gestellt. Ein deutliches Zeichen dafür wie präsent die NS-Verbrechen im Jahre 2000 waren und auch heute noch sind.

Der Fonds wurde von der Stiftung ”Erinnerung, Verantwortung und Zukunft” – kurz EVZ - verwaltet, die zu diesem Zwecke gegründet wurde. Doch die Stiftung schloss die italienischen Militärinternierten aus und verweigerte ihnen somit selbst eine kleine Entschädigung. Und das mit einer hahnebüchenen Begründung, die es in sich hat.

Eine Entschädigung aus dem Fonds wurde ihnen verweigert da sie ”normale” Kriegsgefangene waren, die nicht entschädigungsberechtigt sind. Die Nazis hatten sie allerdings 1943 zu Zivilisten zu sog. Militärinternierten erklärt. Als Zivilisten wären sie damit berechtigt gewesen, Gelder aus dem Zwangsarbeiterfonds zu erhalten. Im Jahre 2000 behauptet die Bundesregierung jedoch, dass die Nazis damals im Jahre 1943 illegal gehandelt haben und die italienischen Zwangsarbeiter somit doch Kriegsgefangene waren. Und ihnen somit keine Entschädigung zusteht.

Serafino Gesparino, der als IMI in Deutschland Zwangsarbeit leisten musste, erklärte am 25. Juni 2002 dazu: ”Die deutsche Entscheidung halte ich für skandalös. Wenn sie uns als Kriegsgefangene behandelt hätten, dann wäre ja alles okay gewesen. Aber sie haben uns nicht als Kriegsgefangene behandelt. Wir waren Sklaven. Daher ist das deutsche Rechtsgutachten, wonach wir keine Zwangsarbeiter waren, nicht korrekt.”

Den Opfern der NS-Verbrechen blieb nach dieser demütigenden Zurückweisung nur die Möglichkeit, Klagen vor italienischen Gerichten einzureichen. In diesen Prozessen wurde Deutschland zu Entschädigungszahlungen verpflichtet, die Urteile wurden von dem höchsten italienischen Gericht, dem Kassationshof in Rom, bestätigt.
Mit der Entscheidung vom Juli 2023 werden minimale Zahlungen erfolgen, die einer angemessenen Entschädigung nicht entsprechen, allerdings von dem italienischen Staat und nur an diejenigen, die eine Klage gegen Deutschland eingereicht haben. Die Anträge waren zudem an eine kurze Frist gebunden.
Die meisten IMI haben nach der Abweisung ihrer Anträge bei dem Zwangsarbeiterfonds der EVZ im Jahre 2000 enttäuscht aufgegeben und keine Klage eingereicht. Von den 130.000 Antragsstellern aus dem Jahre 2000 wird also nur ein minimaler Teil eine Zahlung erhalten.

Wir fordern, dass alle IMIs entschädigt werden und das mit Geldern des deutschen Staats!

”NEIN” gesagt
Zum 80. Jahrestag des italienischen Waffenstillstands mit den Alliierten erinnern wir an die italienischen Militärinternierten

Aus Anlaß des 80. Jahrestages der Verkündung des italienischen Waffenstillstands mit den Alliierten am 8. September 1943 finden in Hamburg und Sandbostel verschiedene Veranstaltungen statt. Die Ereignisse des 8. September 1943 führten auch dazu, dass hunderttausende italienische Soldaten gefangen genommen wurden und ihr ”Nein” zur militärischen Zusammenarbeit mit der deutschen Wehrmacht sie zu Militärinternierten machte.

8. September 2023, 18 Uhr, Hafenamt (Hamburger Hafencity, Osakaallee 12/14)
Kundgebung vor dem Hafenamt
Vor dem ehemaligen Hauptsitz von Strom- und Hafenbau (heute Hamburg Port Authority) findet die diesjährige Kundgebung in Erinnerung an die italienischen Militärinternierten (IMI) statt. Strom- und Hafenbau setzte 118 Militärinternierte zur Zwangsarbeit ein. Daran wird während der Kundgebung am historischen Ort erinnert. Die IMI in Norddeutschland wurden über die Kriegsgefangenenstammlager der Wehrmacht, wie z.B. aus Sandbostel, auf Unternehmen verteilt. In Hamburg waren 15.000 IMI in ca. 200 Lagern untergebracht. Sie waren in über 600 privaten und städtischen Unternehmen als Zwangsarbeiter eingesetzt: vor allem im Hafen, in der Bauwirtschaft und in der Rüstungsindustrie.

7. September 2023, 18:30 Uhr, Stiftung Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe
(Kaltehofe Hauptdeich 6-7, 20539 Hamburg)
”Mit dem Hunger kann man nicht diskutieren” - Vorstellung des Tagebuchs von Marino Ruga
Marino Ruga war einer von 214 italienischen Militärinternierten, die zwischen 1943 und 1945 bei den Hamburger Wasserwerken Zwangsarbeit leisten musste. Nach seinem Tod 2013 fand sein Sohn Gianni Ruga sein Kriegstagebuch, in dem er auch über seine Zeit in Hamburg berichtete. 2021 veröffentlichte Gianni Ruga das Tagebuch seines Vaters unter dem Titel ”Diario di un geniere. 1940-1945”. Nunmehr liegt die deutsche Übersetzung vor. Gianni Ruga wird das Buch vorstellen und der Historiker David Templin wird einen Überblick zur NS-Geschichte der Hamburger Wasserwerke geben. Da Marino Ruga auch auf der Elbinsel Kaltehofe eingesetzt wurde, ist der Veranstaltungsort natürlich auch ein besonderer.
Das Tagebuch von Marino Ruga als PDF-Dokument

6. September 2023, 19 Uhr, Italienisches Kulturinstitut Hamburg (Hansastraße 6, 20149 Hamburg)
Präsentation von zwei Büchern über italienische Militärinternierte in Hamburg
Im Rahmen der Veranstaltung werden zwei Neuerscheinungen zur Geschichte der italienischen Militärinternierten vorgestellt: Die erste betrifft die deutsche Übersetzung der Tagebücher von Marino Ruga (1920-2013). Die zweite Präsentation betrifft eine deutsch-italienische Publikation des Comitee der Italiener im Ausland (COMITES) in Hannover, in der die Geschichten von zehn ehemaligen italienischen Militärinternierten, darunter Gino Signori (1912-1992), zusammengefasst sind, der in Hamburg im Lagerhaus G interniert war.
Veranstalter ist die Projektgruppe italienische Militärinternierte Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Italienischen Kulturinstitut Hamburg.

5. und 10. September 2023, Gedenkstätte Sandbostel
In der Gedenkstätte Sandbostel findet am 5. September 2023 eine Veranstaltung mit Prof. Dr. Schminck-Gustavus zu den IMI in Sandbostel und den Bremer Lagern statt. Am 10. September 2023 gibt es in der Gedenkstätte zwei Themenrundgänge.
https://www.stiftung-lager-sandbostel.de/

Ab 3. September, KZ-Gedenkstätte Neuengamme
Von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme werden fünf Biografien ehemaliger Häftlinge aus Italien ab dem 3. September 2023 auf Instagramm https://www.instagram.com/neuengamme.memorial/ vorgestellt.

Weitere Infos https://imiinhamburg.wordpress.com/

Das Programm als PDF-Dokument

Grußwort des AK Distomo/Hamburg
zum 79. Jahrestag des Massakers von Distomo am 10. Juni 2023

Zum 79. Jahrestags des NS-Massakers senden wir euch herzliche und solidarische Grüße aus Hamburg. In diesem Jahr können wir leider nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen, aber wir denken an euch und haben am 8. Juni 2023 eine Veranstaltung in Hamburg mit jungen Menschen zu dem Massaker und die Auseinandersetzung um die Entschädigung durchgeführt. Nächstes Jahr werden wir wieder in Griechenland sein und den Gedenktag mit euch gemeinsam begehen.

Seit dem Urteil des Landgerichts Levadia von 1997 bekämpft Deutschland die Klägerinnen und Kläger von Distomo gerichtlich. Deutschland hintertreibt die in Italien erfolgende Vollstreckung des Urteils mit dem Ruf nach ”Staatenimmunität” für NS-Kriegsverbrechen mit seiner politischen Macht, mit seiner finanziellen Potenz und dem offensichtlichen Wunsch, die noch überlebenden Opfer des Massakers von Distomo und ihre Angehörigen zu zermürben.

Nachdem Deutschland in Italien in 15 Fällen zu Entschädigungszahlungen für NS-Kriegsverbrechen verurteilt worden war und in zwei Fällen die Beschlagnahme bzw. die Versteigerung deutschen Staatseigentums in Rom drohte, hat Deutschland im Frühjahr 2022 ein Eilverfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag angestrengt, um die Vollstreckung zu verhindern. Deutschland nahm den Antrag erst zurück, als Italien unter diesem Druck Ende April 2022 ein Gesetzesdekret verabschiedete, das in Italien die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen NS-Kriegsverbrechen ausschließlich gegen einen mit lediglich 55,4 Millionen Euro dotierten Fond zulässt. Mit Zahlung aus dem Fond erlöschen alle Rechte und Ansprüche auf Entschädigung.

Das Landgericht in Rom hat die Vollstreckung in deutsches Staatseigentum im letzten November ausgesetzt und das Verfahren dem italienischen Verfassungsgericht vorgelegt. Das Verfassungsgericht hatte in einer Grundsatzentscheidung schon 2014 zugunsten der Rechte der Opfer von Nazi-Deutschland geurteilt, hatte das Grundrecht auf Zugang zu den italienischen Gerichten betont und die Anwendung des von Deutschland reklamierten Grundsatzes der Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen abgelehnt. Möglich, dass Deutschland sich angesichts des Aufstiegs der Faschisten in die italienische Regierung eine Änderung der Rechtsprechung erhofft. Die Verhandlung vor dem italienischen Verfassungsgericht soll im Juli 2023 stattfinden. Dabei wird es auch um die Zwangsvollstreckung im Fall Distomo gehen.

Das Vorgehen Deutschlands beweist, dass die bei den Gedenkfeierlichkeiten der letzten Jahre an den Orten der NS-Verbrechen vorgetragenen schönen Worte nur Rhetorik waren. Salo Muller, Überlebender des Holocaust aus den Niederlanden, dessen gesamte Familie im KZ umgebracht wurde und der von Deutschland Entschädigungen für die Deportationen durch die Deutsche Reichsbahn in die Vernichtungslager verlangt, hat im letzten Jahr erklärt: ”Nur wer zahlt, meint es ernst.” Wir stimmen ihm zu und unterstützen seine Forderungen.

Der Streit um Entschädigung für NS-Verbrechen ist ein Kampf
  • gegen die faktische Akzeptanz der Nazi-Barbarei, die bis heute weitestgehend folgenlos geblieben, die weder strafrechtlich noch zivilrechtlich aufgearbeitet worden ist;
  • gegen die von Arroganz und Machtbewusstsein getragene Behauptung der deutschen Bundesregierungen, das Reparationsthema sei seit 1990 rechtlich und politisch abgeschlossen und individuelle Entschädigungsforderungen könnten nicht in dem Land, in dem die NS-Verbrechen verübt wurden, sondern nur im Land der Täter gerichtlich verfolgt werden;
  • gegen den schönen Schein der Reue, den Deutschland an den Orten des deutschen Massenmordes in ganz Europa so gern verbreiten lässt, solange er nichts kostet;
  • gegen den in Europa um sich greifenden Nationalismus, gegen Rassismus, Hass, rechte Gewalt und faschistische Ideologien und gegen eine Politik, die wieder Unmenschlichkeit zu ihrer Grundlage macht, die Menschen in höchster Not von ihren Grenzen abweist und ihrem – oft tödlichen - Schicksal überlässt;
  • für ein: NIE WIEDER FASCHISMUS
Der AK Distomo fordert weiterhin:
Sofortige Entschädigung aller Opfer des Nationalsozialismus!
Nazi-Verbrechen nicht vergeben, den antifaschistischen Widerstand nicht vergessen!
Gemeinsamer Kampf gegen den wiedererstarkenden Faschismus in Europa!

Hamburg, den 9. Juni 2023 AK-Distomo

Donnerstag, den 08. Juni 2023, um 18.00 Uhr
Jugend- und Stadtteilhaus Tesch
Max-Brauer-Allee 114, 22765 Hamburg

”Ein Lied für Argyris”
Film- und Diskussionsveranstaltung

Am 10. Juni 2023 gedenkt die griechische Ortschaft Distomo an das Massaker vom 10. Juni 1944, bei dem deutsche SS-Soldaten 218 Bewohner*innen ermordeten. Bei dieser wichtigsten Gedenkfeier zur Erinnerung an die NS-Verbrechen in Griechenland werden Menschen aus Distomo, aber auch aus dem In- und Ausland teilnehmen. Auch in Hamburg wollen wir an dieses Ereignis erinnern.

Bis heute gibt es für die Opfer und deren Angehörigen aus Distomo und vielen anderen Orten in Griechenland keine Gerechtigkeit. Keiner der Täter wurde je vor ein deutsches Gericht gestellt. Deutschland weigert sich bis heute, trotz rechtskräftiger Urteile, Entschädigungsleistungen an die Opfer zu zahlen. 1995 begann ein zähes juristisches und politisches Ringen um eine Entschädigung, das heute noch nicht beendet ist.

Der damals 4-jährige Argyris Sfountouris überlebte das Massaker, bei dem seine Eltern und dreißig weitere Familienangehörige ermordet wurden. Der Film des Schweizer Regisseurs Stephan Haupt ”Ein Lied für Argyris” aus dem Jahr 2006 beschreibt sein Überleben und das Leben danach. Einfühlsam wird gezeigt, wie er nach dem Massaker in einem Kinderheim in der Schweiz aufwuchs und später Lehrer und Entwicklungshelfer wurde. Der Film schildert auch seinen langjährigen Kampf um die historische Wahrheit und um Gerechtigkeit. Über das persönliche Schicksal von Argyris hinaus zeigt der Film die Hintergründe und die Folgen eines Verbrechens, das exemplarisch für die Grausamkeit der deutschen Besatzung Griechenlands in den Jahren 1941 bis 1944 steht.

Wir halten den Film für ein wichtiges Dokument der Aufarbeitung eines deutschen Verbrechens und laden im Anschluss zur Diskussion darüber ein.

Pressemitteilung 13. Dezember 2022

Deutsche Bahn AG ignoriert Forderungen eines Holocaust-Überlebenden aus den Niederlanden
Salo Muller fordert Entschädigung für die Deportationen der Deutschen Reichsbahn in die Vernichtungslager

In einem Brief vom 4.11.2022 wandte sich Salo Mullers Rechtsanwalt Martin Klingner an die Deutsche Bahn AG. Darin fordert er im Namen seines Mandanten Entschädigung für die Überlebenden der Deportationen und für die Angehörigen der Ermordeten. Der Brief blieb bis heute ohne Antwort. Salo Muller will dies nicht auf sich beruhen lassen.

Salo Muller, geb. 1936 in Amsterdam, überlebte als Kind den Holocaust, versteckt vom niederländischen Widerstand. Seine Eltern wurden in Auschwitz ermordet, wie auch 70 weitere Verwandte. 107.000 niederländische Jüdinnen und Juden sowie Roma und Sinti wurden unter der Herrschaft Nazideutschlands in die Vernichtungslager deportiert. Die Opfer mussten für die Kosten ihrer Deportation selbst aufkommen, vier Pfennige pro Kilometer musste jeder Deportierte zahlen. Für die Fahrten durch das Gebiet des Deutschen Reiches erhielt die Deutsche Reichsbahn nach Schätzungen von Historikern umgerechnet ca. 445 Millionen Euro.

Die Deutsche Bahn AG hat eine eigene Dokumentation über die Deportationen der Deutschen Reichsbahn unter dem Titel ”Sonderzüge in den Tod” herausgegeben. Darin heißt es: ”Im Zweiten Weltkrieg bildete die Deutsche Reichsbahn nicht nur das Rückgrat der deutschen Militärmaschinerie, sondern sie führte auch die Transporte durch, die dem millionenfachen Mord an den europäischen Juden dienten. Die verbrecherische nationalsozialistische Judenpolitik war auch auf das Massentransportmittel Eisenbahn und die tätige Mithilfe der Deutschen Reichsbahn angewiesen. Ohne sie wäre die Vernichtung von Menschenleben in diesem Ausmaß kaum möglich gewesen.”

Die Deutsche Bahn AG erklärte dessen ungeachtet in einer früheren Stellungnahme, sie könne keine individuellen Entschädigungszahlungen übernehmen. Warum kann Sie dies nicht? Salo Muller möchte Antworten auf diese Frage. Er will mit den Vertreterinnen und Vertretern der Deutsche Bahn AG ins Gespräch kommen und sie überzeugen, dass eine Entschädigung für die Opfer der Deportationen gezahlt werden muss. Nur so könne Verantwortung für die Verbrechen des Bahnunternehmens während der Nazibesatzungszeit übernommen werden.

Salo Muller überzeugte die niederländische Bahngesellschaft im Jahr 2019 durch viele Gespräche und eine öffentliche Kampagne, Entschädigungsleistungen an Deportierte und deren Angehörige zu zahlen. Seine Hoffnung ist, dass auch die Deutsche Bahn AG mit ihm in einen ernsthaften Dialog über das Thema eintritt, denn wie Salo Muller sagt: ”Nur wer zahlt, meint es ernst.”

In einem erneuten Brief vom 12.12.2022 wiederholt Rechtsanwalt Martin Klingner das Anliegen seines Mandanten und spricht die Erwartung Salo Mullers aus, von der Deutsche Bahn AG nach Berlin eingeladen zu werden, um Antworten zu erhalten und seine Sicht der Dinge darzustellen.

Der AK Distomo (Hamburg) unterstützt die Forderungen von Salo Muller.

Deutschland klagt gegen Entschädigungsforderungen italienischer NS-Opfer

Dreist, dreister, Deutschland

Deutschland wehrt sich mit aller Kraft gegen die Entschädigungsforderungen von italienischen Opfern des Nazi-Regimes.

21.07.2022, Artikel der Jungle World von Jan Krüger (AK Distomo)

Vor etwa drei Monaten hat die Bundesrepublik Deutschland Italien verklagt. Was hatte Italien verbrochen, dass sich Deutschland nur noch juristisch zu helfen wusste? Die Klage, die Deutschland am 29. April beim Internationalen Gerichtshof (IGH) einreichte, zielte darauf ab, dass in Italien Gerichtsprozesse eingestellt werden - Prozesse, bei denen Opfer deutscher NS-Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs Schadensersatz von Deutschland einforderten. Zudem versuchte Deutschland mit einem Eilantrag, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen deutsche Liegenschaften in Italien zu verhindern. Diese hätten ab dem 25. Mai etwa gegen die Deutsche Schule, das Goethe-Institut, das Archäologische Institut und das Deutsche Historische Institut gedroht.

Diesen Eilantrag - nicht aber die Klage - zog die deutsche Seite zurück, nachdem die italienische Regierung am 30. April ein Dekret erlassen hatte, dem zufolge Ansprüche aus einem eigens dafür eingerichteten Fonds beglichen werden sollen. Das Dekret sieht im Einzelnen vor, dass die Entschädigungsansprüche italienischer Staatsangehöriger vom italienischen Staat beglichen werden und hierzu von der italienischen Regierung bis zum Jahr 2026 über 55,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Ferner sind alle gegen Deutschland geführten Entschädigungsprozesse einzustellen. Vollstreckungstitel, die sich aus solchen Prozessen ergeben, sind außer Kraft zu setzen und bereits eingeleitete Vollstreckungsmaßnahmen sind einzustellen. Sollte dieses Dekret Bestand haben, hätten die italienischen Opfer der Nazis keine Möglichkeit mehr, Deutschland zu verklagen, und Deutschland hätte seine Entschädigungsverpflichtungen auf den italienischen Staat abgewälzt.

Bis heute fordern zahlreiche Italienerinnen und Italiener Entschädigung, weil sie Opfer von NS-Verbrechen gewesen sind. Als Italien am 8. September 1943 einen Waffenstillstand mit den Alliierten vereinbarte, besetzen die Nationalsozialisten das Land und der ehemals wichtigste Verbündete wurde zum ”Verräter”. In der Folge ermordeten die deutschen Besatzer bis zum Ende des Krieges jeden Tag im Durchschnitt 165 italienische Zivilisten, Kriegsgefangene oder sogenannte Militärinternierte. Zu diesem Ergebnis kam eine von der deutschen Regierung eingesetzte Historikerkommission. Getötete italienische Soldaten und Partisanen sind dabei nicht eingerechnet.

Im Rahmen von ”Bandeneinsätzen” verübte die deutsche Wehrmacht schwerste Kriegsverbrechen in über 600 italienischen Orten. Im toskanischen Sant'Anna di Stazzema zum Beispiel wurden am 12. August 1944 mehr als 560 Menschen ermordet, darunter Frauen und Kinder. Zehn der an diesem Massaker beteiligten SS-Offiziere wurden in Italien zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch Deutschland weigerte sich, sie auszuliefern.

Ein schweres Schicksal erlitten auch viele italienischen Soldaten, die von den Deutschen interniert wurden. Italienische Militärangehörige, die nicht auf deutscher Seite weiterkämpfen wollten, wurden gefangengenommen und ins Reichsgebiet sowie in die besetzten Gebiete im Osten abtransportiert. Dort wurden sie unter unmenschlichen Bedingungen als Zwangsarbeiter eingesetzt. Die über 600 000 Verschleppten wurden zu sogenannten italienischen Militärinternierten (IMI) erklärt, womit ihnen auch die wenigen Rechte von Kriegsgefangenen verweigert wurden. Zwischen September 1943 und Mai 1945 starben auf diese Weise mehr als 50 000 italienische Militärangehörige. Einige von ihnen wurden direkt nach der Gefangennahme von deutschen Truppen ermordet, andere starben beim Abtransport oder infolge der menschenunwürdigen Bedingungen ihrer Gefangenschaft.

Nach Kriegsende zahlte Deutschland an Italien nur Minimalbeträge als Entschädigungsleistungen. Im Rahmen eines ”Globalabkommens” wurden 1961 40 Millionen Deutsche Mark an den italienischen Staat gezahlt, allerdings wurden dabei nur die Insassen von Konzentrationslagern berücksichtigt. Opfer von Massakern und Zwangsarbeiter gingen leer aus.

Als im Jahr 2000 unter Druck aus den USA ein Fonds eingerichtet wurde, der die Zwangsarbeiter des NS-Staats entschädigen sollte, gab es auch in Italien Hoffnungen. Den Fonds verwaltete die deutsche Stiftung ”Erinnerung, Verantwortung und Zukunft” (EVZ). Viele IMI hofften auf eine materielle Entschädigung aus Deutschland.

Doch die deutsche Regierung schloss die IMI vom EVZ-Fonds aus und verweigerte ihnen somit selbst eine kleine Entschädigung. Die Begründung war, dass die IMI ”normale” Kriegsgefangene gewesen und damit nicht entschädigungsberechtigt seien. Dabei hatten die Nazis sie 1943 eigens zu Zivilisten, nämlich zu ”Militärinternierten” erklärt, um ihnen den Status von Kriegsgefangenen zu verweigern. Als Zivilisten wären sie eigentlich berechtigt gewesen, Gelder aus dem Zwangsarbeiterfonds zu erhalten. Im Jahre 2001 entschied die Bundesregierung jedoch, dass diese Behandlung durch die Nazis im Jahre 1943 illegal gewesen und die italienischen Zwangsarbeiter somit doch Kriegsgefangene gewesen seien - und als solchen stünde ihnen keine Entschädigung zu.

Den Opfern der NS-Verbrechen blieb nach dieser erneuten Demütigung nur die Möglichkeit, Klagen vor italienischen Gerichten einzureichen. In diesen Prozessen wurde Deutschland zu Entschädigungszahlungen verpflichtet, die Urteile wurden von dem höchsten italienischen Gericht, dem Kassationshof in Rom, bestätigt. Daraufhin verklagte Deutschland Italien erstmals vor dem IGH in Den Haag. Der IGH gab der deutschen Seite in einem Urteil von 2012 recht und bestätigte damit, dass selbst bei schwersten Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen keine individuellen Entschädigungsansprüche gerichtlich geltend gemacht werden können. Nach dem Grundsatz der Staatenimmunität dürfe ein Staat nicht vor einem Gericht eines anderen Staates verklagt werden.

Das IGH-Urteil widerspricht allerdings dem italienischen Recht, das jeder Bürgerin und jedem Bürger den Zugang zu Gerichten garantiert, insbesondere bei schwersten Kriegsverbrechen. Folglich entschied im Jahr 2014 das italienische Verfassungsgericht, dass das Urteil des IGH für die italienischen Gericht nicht bindend ist. Die italienischen Urteile, die Deutschland zu Entschädigungszahlungen verpflichteten, blieben nach wie vor gültig und die Zwangsvollstreckungen von deutschem Vermögen und Liegenschaften wurden von italienischen Anwälten weiter angestrebt. Am 25. Mai dieses Jahres sollte ein Vollstreckungsgericht in Rom über die Einleitung von Zwangsversteigerungsmaßnahmen gegen deutsche Liegenschaften entscheiden. Hierzu kam es aufgrund des Dekrets der italienischen Regierung vorerst nicht.

Das abgestimmte Handeln der italienischen und der deutschen Regierung ist in jeder Hinsicht eine Farce und demütigt die Opfer deutscher NS-Verbrechen ein weiteres Mal. An Respektlosigkeit kaum zu überbieten ist darüber hinaus die in der deutschen Klage enthaltene Forderung, dass Italien Deutschland entschädigen müsse, da Deutschland seine Staatenimmunität verletzt sieht. In Italien wurde zudem scharf kritisiert, dass der dem Dekret zufolge einzurichtende Fonds, aus dem die Entschädigungszahlungen nun erfolgen sollen, mit Geldern des italienischen Staats zu füllen ist.

Die meisten IMI haben nach der Abweisung ihrer Anträge bei dem Zwangsarbeiterfonds der EVZ im Jahre 2000 enttäuscht aufgegeben und keine Klage eingereicht. Um Zahlungen aus dem Fonds zu erhalten, muss ein rechtskräftiges Urteil erwirkt werden. Das Dekret setzte hierfür eine Frist, Klage musste bis zum 30. Mai vor einem italienischen Gericht erhoben werden. Von dieser Frist dürften nur wenige potentielle Antragssteller überhaupt erfahren haben, denn in dem besagten Dekret sollte es eigentlich um einen Konjunkturplan gehen; erst am Ende ist dann plötzlich die Rede von den Schadenersatzklagen. In einer Petition haben sich italienische Richter bereits gegen das Dekret gewandt.

Es ist zu vermuten, dass das Dekret vor dem italienischen Verfassungsgericht verhandelt werden wird. Hält das Gericht an seiner bisherigen Linie fest, müsste es das Dekret wohl für verfassungswidrig erklären. Bis dahin könnten allerdings wieder Jahre vergehen, in denen die inzwischen hochbetagten Opfer ohne Recht auf Entschädigung bleiben. Deutschland hat sich wieder einmal vorerst erfolgreich dagegen gewehrt, berechtigte Entschädigungsforderungen zu erfüllen.

Link zu dem Artikel der jungle.world

Griechenland unter deutscher Besatzung
(1941-1944)

Massaker - Ausplünderung - Holocaust

Für heutige Touristen ist Griechenland vor allem ein schönes Urlaubsziel, bestimmt durch Sonne, Tavernen und die Überreste der griechischen Antike - Akropolis, Delphi oder Olympia. Von der jüngeren Geschichte, insbesondere der deutschen Besatzung Griechenlands während des zweiten Weltkriegs, wissen die meisten nur wenig. Griechische Ortsnamen wie Distomo, Kalavryta und Kommeno standen jahrelang in keinem Reiseführer. Sie stehen jedoch beispielhaft für die nationalsozialistischen Verbrechen an der griechischen Zivilbevölkerung und die Erinnerung an das erfahrene Leid. Am 10. Juni 2023 jährt sich das Massaker von Distomo zum 79. mal, mit einer Gedenkfeier wird auch dieses Jahr den 218 Menschen gedacht werden, die 1944 von einer SS-Einheit ermordetet wurden.

Am 6. April 1941 überfiel die deutsche Wehrmacht Griechenland. Die militärische Besatzung dauerte bis zum 3. November 1944 an. Kennzeichen war ein allgegenwärtiger Terror gegen die griechische Zivilbevölkerung, die Vernichtung des größten Teils der jüdischen Bevölkerung und die ökonomische Ausplünderung des Landes unter Inkaufnahme tausendfachen Hungertodes. Ca. 15 % der griechischen Bevölkerung kam während dieser Zeit ums Leben. Auf den Partisanenkrieg des griechischen Widerstands reagierten die Deutschen mit wahllosen Greueltaten. Mindestens 30.000 griechische Zivilisten fielen sogenannten Vergeltungsaktionen der deutschen Besatzungstruppen zum Opfer, hunderte von Dörfern wurden zerstört, Tausende starben in Gefängnissen und Konzentrationslagern. Die jüdische Bevölkerung Griechenlands wurde systematisch erfasst, in die Vernichtungslager deportiert und dort ermordet. 58.000 Jüdinnen und Juden, ca. 83 % der griechischen Juden wurden ermordet, die große jüdische Gemeinde in Thessaloniki fast vollständig vernichtet, ihr Vermögen geraubt.

Die Verbrechen während der deutschen Besatzung Griechenlands sind in der Bundesrepublik Deutschland ohne jede rechtliche Konsequenz geblieben. Vor deutschen Gerichten wurde bis heute nicht einer der Täter verurteilt, die meisten Opfer wurden niemals entschädigt. Die bundesdeutschen Nachkriegsregierungen taten alles, um die Kriegsverbrecher vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen, denn die ehemaligen Wehrmachtsoldaten wurden zum Aufbau der Bundeswehr gebraucht. Gleichzeitig widersetzte man sich den griechischen Forderungen nach Entschädigungsleistungen. Bis heute behauptet die Bundesregierung, mit einer einmaligen Zahlung von DM 115 Mio. im Jahr 1961 sei alles erledigt. Dieser Betrag deckte aber noch nicht einmal im Ansatz die Schulden der BRD gegenüber Griechenland ab.

Die griechischen Opfer der Massaker von Wehrmacht und SS wie auch die meisten Überlebenden des Holocausts haben bis heute keine Entschädigungsleistungen erhalten. Sie fordern von der deutschen Regierung die Anerkennung der Verbrechen und eine angemessene Entschädigungsleistung. Von der gegenwärtigen Bundesregierung wird zwar ”Trauer und Scham” bekundet (Bundespräsident Rau in Kalavryta), an der Haltung der Bundesregierung zur Entschädigungsfrage hat sich indes bis heute nichts geändert. Aus Berlin kommt stets dieselbe monotone Antwort: Es wird nicht gezahlt!

Deutschland ist verpflichtet, allen Opfern der nationalsozialistischen Verbrechen eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Die Weigerung der Bundesregierung stellt eine permanente Demütigung der Opfer und eine Nichtanerkennung der Verbrechen dar. Nach über 70 Jahre nach dem Ende der deutschen Besatzung muss den Überlebenden und Hinterbliebenen endlich Gerechtigkeit widerfahren.

Diese kategorische Weigerung auch nur in Verhandlungen einzutreten, führte zu einer Welle von Klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland, vor allem vor griechischen Gerichten. Im Fall Distomo gelang dabei ein spektakulärer Erfolg. Deutschland wurde im April 2000 vom obersten griechischen Gerichtshof (Areopag) rechtskräftig zur Zahlung von ca. 28 Mio. Euro verurteilt, dennoch hat Berlin bis heute keinen Cent gezahlt. Mit politisch-diplomatischem Druck wurde die griechische Regierung erfolgreich genötigt, die Vollstreckung gegen Deutschland aus dem Distomo-Urteil zu unterbinden.

Eine Durchsetzung des Urteils in Griechenland wurde somit unmöglich. Die Kläger aus Distomo wandten sich nach Italien und beantragten vor italienischen Gerichten die Vollstreckung der griechischen Urteile. Sämtliche italienischen Gerichte bis hin zum Kassationsgerichtshof in Rom bestätigten die Vollstreckbarkeit der griechischen Urteile. Der Immunitätseinwand Deutschlands wurde zurückgewiesen, da dieser auf Verbrechen gegen die Menschheit nicht anwendbar ist.

Doch Deutschland wollte sich den italienischen Urteilen noch immer nicht beugen und erhob am 23.12.2008 Klage gegen Italien vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Bei einem Gipfeltreffen im Herbst 2008 in Triest hatten die deutsche und die italienische Regierung (Merkel/Berlusconi) einvernehmlich die Einleitung des Verfahrens vor dem IGH beschlossen, um die Durchsetzung der berechtigten Entschädigungsansprüche von NS-Opfern gegenüber Deutschland auf diese Weise zu vereiteln.

Am 3.2.2012 verkündete der Internationale Gerichtshof in Den Haag seine Entscheidung im Fall Deutschland gegen Italien. Er gab der Klage Deutschlands statt und gewährte der Bundesrepublik Immunität gegenüber Klagen von NS-Opfern in Italien. Mit diesem Urteil wurde der Klageweg für NS-Opfer in deren Herkunftsländern versperrt und bedeutet eine Kapitulation des Rechts vor der Macht. Das Ergebnis ist eine faktische Beseitigung des Individualrechtsschutzes für die Opfer von Kriegs- und Menschheitsverbrechen. Selbst schwerste Staatsverbrechen sollen keine Ausnahme mehr vom Prinzip der Staatenimmunität erlauben.

In Italien wurde das Urteil des IGH in italienische Gesetze umgewandelt, nach denen Klagen gegen deutsche Verbrechen während des II. Weltkriegs abzuweisen sind. Allerdings widerspricht dieses Gesetz dem in Italien verbürgten Grundrecht auf Zugang zu den Gerichten. Folglich erklärte am 22.10.2014 das italienische Verfassungsgericht dieses Gesetz für verfassungswidrig!
Die Prozesse von italienischen NS-Opfern gegen Deutschland vor italienischen Gerichten werden bis heute geführt. Derzeit ist ein Konto der Deutschen Bahn AG zugunsten der NS-Opfer aus Distomo gepfändet und ein Vollstreckungsgericht muss entscheiden, ob das gepfändete Geld frei gegeben wird.

Für die sofortige Entschädigung aller griechischen Opfer des Nationalsozialismus!