Mehrere Hinterbliebene damals erschossener Griechen klagen vor dem Bundesgerichtshof.

VON CHRISTIAN RATH, Kölner Stadt-Anzeiger vom 12. Juni 2003

Karlsruhe - Die Bundesregierung "bedauert" die "brutalen SS-Massaker" in Griechenland, will aber den Hinterbliebenen keinen Schadensersatz zahlen. Dies erklärte ihr Rechtsvertreter Achim Krämer gestern vor dem Bundesgerichtshof.

Geklagt hatten der heute in Zürich lebende 63-jährige Wissenschaftler Argyris Sfountouris und seine drei Schwestern, die noch im griechischen Dorf Distomo leben. Dort hatte die SS 1944 während einer "Sühneaktion" für den Tod deutscher Soldaten zwölf Partisanen und mindestens 218, vielleicht aber auch 300 unbeteiligte Dorfbewohner erschossen, unter anderem Sfountouris' Eltern. Die Kläger waren gestern in Karlsruhe nicht anwesend, dafür aber zahlreiche deutsche Unterstützer, die vor dem Gericht für eine Entschädigung demonstrierten.

Dass die Massenerschießung nach der Haager Landkriegsordnung ein Verbrechen darstellte, ist unbestritten, fraglich ist nur, ob die Nachfahren der Opfer persönlich Ansprüche gegen Deutschland einklagen können. Klägeranwalt Joachim Kummer hält die traditionelle Sicht, wonach nur der griechische Staat solche Ansprüche geltend machen könnte, für überholt. Sein Kontrahent Achim Krämer warnte: "Wenn solche Individualklagen zulässig werden, dann verklagen bald die Nachkommen der in Dresden Getöteten die britische Regierung wegen ihrer Bombardements."

Kummer hält des Weiteren auch die "Amtshaftung" des deutschen Zivilrechts für gegeben. Nach herrschender Auffassung gilt diese zwar nicht für "Kriegsschäden". Kummer jedoch argumentiert, bei dem Massaker habe es sich um eine "Polizeiaktion" im Rahmen der "Verwaltung" besetzter Gebiete gehandelt.

Der BGH, das höchste deutsche Zivilgericht, wird sein Urteil am 26. Juni verkünden. Auf Nachfrage bekräftigte die Bundesregierung gestern, dass sie nicht mit Griechenland über Entschädigungen verhandeln werde. Dies sieht die griechische Regierung allerdings anders. Gerade weil man inzwischen bilateral und in der EU gut zusammenarbeite, sollten für "offene Fragen produktive Lösungen" gefunden werden.