Neuer Ärger um Gebirgsjäger-Treffen

Quelle: BR-Korrespondenten

Die Mär von der tapferen Wehrmacht, die im Zweiten Weltkrieg immer nur getreu der Soldatenehre gehandelt habe, ist längst widerlegt. Auch Wehrmachtssoldaten begingen Kriegsverbrechen, zum Beispiel Gebirgsjäger in Griechenland. Sie sollen sich auch an der Deportation von Juden beteiligt haben - so ein neuer Vorwurf, der vor dem Gebirgsjägertreffen bei Mittenwald für Brisanz sorgt.

Seit 48 Jahren trifft sich alljährlich an Pfingsten der "Kameradenkreis der Gebirgstruppe" mit mehreren tausend Teilnehmern am Hohen Brendten bei Mittenwald. Abgeschirmt von einem großen Polizeiaufgebot gedenken sie nach eigenem Bekunden "der Toten und mahnen zum Frieden". Am kommenden Wochenende ist es wieder so weit. Auch heuer sind wieder viele Protestveranstaltungen dagegen angekündigt, dass "Täter zu Opfern umgelogen" würden. Auch das ist nicht neu.

Neu sei allerdings die Erkenntnis, dass bayerische Gebirgsjäger, von denen im Zweiten Weltkrieg viele in Griechenland stationiert waren, bei der Deportation von Athener Juden mitgewirkt haben sollen. Das zumindest behaupten die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) und der "Arbeitskreis angreifbare Traditionspflege". Demnach begleiteten Soldaten der Gebirgstruppe Deportationszüge nach Auschwitz und Dachau.

Protest gegen Gebirgsjägertreffen in Mittenwald

Fast schon ein halbes Jahrhundert lang treffen sich ehemalige und aktive Soldaten der Gebirgstruppe zu Pfingsten in Mittenwald. Gegner der Veranstaltung werfen den Gebirgsjägern Kriegsverbrechen vor. In Mittenwald treffen sie jedoch kaum auf Verständnis (Thies Marsen, B5aktuell, 3:09 min).

Kritik an Stoibers Mitgliedschaft

Was die VVN besonders stört, ist, dass Ministerpräsident Edmund Stoiber Mitglied des "Kameradenkreises" ist und gleichzeitig an einer Gedenkfeier der KZ-Gedenkstätte Dachau teilnimmt - so geschehen am 1. Mai zur Erinnerung an die Befreiung des KZ Dachau vor 60 Jahren. Das sei eine Verhöhnung der KZ-Überlebenden, Stoiber solle deshalb aus dem Traditionsverband austreten.

Demonstrationsrecht eingeschränkt

Die Brendten-Gegner wollten Stoiber ursprünglich in dessen Wohnort Wolfratshausen eine entsprechende Resolution übergeben, doch dies war vom Landratsamt Bad Tölz im Vorfeld verhindert worden. Es schränkte das Demonstrationsrecht in Wolfratshausen ein, indem es eine Sperrzone um Stoibers Haus erließ. Stattdessen übergaben rund 60 Demonstranten das Papier dem stellvertretenden Polizeichef in Stoibers Wohnort. Die Resolution ist auch von zahlreichen Holocaust-Überlebenden unterzeichnet worden, so die VVN, etwa vom griechischen Widerstandskämpfer Manolis Glezos oder Adolf Brunnthaler vom Mauthausen-Komitee. Auch Efraim Zuroff, Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, habe die Resolution unterschrieben.

Überlebende des Holocaust berichten

Auch das Gebiet unterhalb des Hohen Brendten, wo Gegner des Treffens ursprünglich demonstrieren wollten, hat die Polizei gesperrt. Die Polizei verwies auf das Mittenwalder Ortszentrum, wo sich am Samstag mehrere hundert Demonstranten versammelten. Unter anderem berichteten Überlebende des Holocaust über ihre Erfahrungen in Konzentrationslagern und auf den so genannten Todesmärschen nach Dachau und Auschwitz. Auch am Sonntag versammeltemn sich erneut zahlreiche Demonstranten um gegen das Treffen der Gebirgsjäger zu demonstrieren. 115 von ihnen wurden nach Polizeiangaben vorläufig in Gewahrsam genommen weil sie kurzzeitig die Zufahrt zu dem Ort blockiert hatten. Weitere 35 hatten versucht, zum Hohen Brendten zu gelangen.

Nicht nur Veteranen

Für York Runte, Mitglied des "Arbeitskreises angreifbare Traditionspflege", ist die Gebirgsjäger-Feier auch deswegen problematisch, weil nicht nur Veteranen daran teilnehmen, sondern "leider auch viele junge Bundeswehrler". Diese würden verdrängen, was im Zweiten Weltkrieg geschah, so Runte. Bereits Donnerstagabend positionierte sich in Mittenwald eine Mahnwache, die am Pfingstmontag enden soll.

Gebirgsjäger als Kriegsverbrecher in Griechenland

Die VVN wirft den Gebirgsjägern vor, an zahlreichen Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs beteiligt gewesen zu sein. Feststeht, dass Gebirgstruppen im September 1943 mindestens 4.000 italienische Soldaten in Griechenland töteten. Das Massaker fand auf Kephallenia statt, einem Eiland neben der Insel Ithaka vor der griechischen Westküste.

Kephallenia war damals von Italien besetzt, das unter Mussolini mit Hitler-Deutschland verbündet war. Nachdem der italienische Diktator im Juli abgesetzt worden war, erklärte sein Nachfolger als Regierungschef, Badoglio, am 8. September 1943 den Austritt aus dem Kriegsbündnis mit Berlin. Das Oberkommando der Wehrmacht ordnete danach an, alle Territorien zu besetzen, die von italienischen Truppen gehalten waren und diese zu entwaffnen. Die Italiener auf Kephallenia wollten sich dem aber nicht beugen. Die Wehrmacht antwortete mit einer beispiellosen Blutorgie: Am 21. und 22. September massakrierten die Gebirgsjäger, unter denen sich auch die so genannten "Edelweiß"-Gebirgsjäger aus Mittenwald befanden, mindestens 4.000 Italiener, manche Schätzungen sprechen auch von 5.300 Opfern. Sie wurden mit MG-Feuer niedergemäht, erstochen oder erschlagen. Dem Wehrmachtskenner Gerhard Schreiber zufolge war es "eines der abscheulichsten Kriegsverbrechen".