Geldstrafe für Protest gegen Gebirgsjäger
Kritiker der umstrittenen Traditionspflege der Bundeswehr vor Gericht
Von Lorenz Matzat

"Neues Deutschland" vom 5. November 2004

Ein 42-jähriger Berliner ist gestern vom Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen zu einer Geldstrafe von 300 Euro verurteilt worden. Er soll eine unangemeldete Demonstration in Mittenwald angeführt haben.

Rund 20 Demonstranten hatten Ende Mai dieses Jahres in der Fußgängerzone der oberbayerischen Kleinstadt ein Straßentheater veranstaltet. Mit Hilfe von Tafeln formten sie den Schriftzug »Endlich weg da mit«. Laut Staatsanwaltschaft hat der Verurteilte die Tafel mit dem »t« getragen und sich darüber hinaus auch als Sprecher der Gruppe betätigt. Wiederholt hätte er Passanten gefragt, so der Vorwurf, ob es ihnen Spaß machen würde, mit »Massenmördern Tür an Tür zu wohnen«.

Seit 1952 findet auf Einladung des »Kameradenkreises der Gebirgstruppe« zu Pfingsten ein Treffen ehemaliger Angehöriger der Bundeswehr und Wehrmacht statt. Mancher heftet sich -  dem Anlass entsprechend - einen mit Hakenkreuzen verzierten Orden ans Revers. Musikalisch untermalt von einer Militärkapelle wird an einem »Ehrenmal« der Gefallenen der Einheiten gedacht. Prominentestes Mitglied des heute 8000 Köpfe zählenden »Kameradenkreises« ist der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber. Er prägte das Wort von der »unangreifbaren Traditionspflege der Gebirgsjäger.

Antifaschisten und Kriegsgegner halten das Treffen der ehemaligen Soldaten für eine Verherrlichung von Massenmördern. Ihren Erkenntnissen nach haben Gebirgsjägereinheiten im Zweiten Weltkrieg in über 50 Fällen in Griechenland und Italien Kriegsverbrechen an Tausenden von Zivilisten begangen. Die »Initiative Angreifbare Traditionspflege«, die seit drei Jahren zu Protesten in Mittenwald aufruft, geht davon aus, dass auch unter den diesjährigen Besuchern der Gedenkfeier Dutzende Kriegsverbrecher zu finden gewesen wären.

400 Demonstranten waren in diesem Jahr nach Bayern gereist. Dort mussten sie sich nicht nur mancher zum Schlagstock umfunktionierten Gehhilfe der Veteranen erwehren. Mehrere Hundertschaften der Polizei schützten die 2000 Teilnehmer an der Veranstaltung zur »Traditionspflege«. Bei der Aktion gab es 20 Festnahmen, unter anderem war auch der gestern Angeklagte für 18 Stunden eingesperrt worden. Die »Initiative angreifbare Traditionspflege« wertet den gestrigen Prozess als Versuch, Kritik am Militarismus einzuschüchtern. Immerhin befinde sich die Bundeswehr in aktuellen Kriegseinsätzen. 250 Gebirgsjäger der Bundeswehr sind zur Zeit im Einsatz in Afghanistan.

Ursprünglich hätte der Verurteilte 1500 Euro zahlen sollen. Das Gericht reduzierte das Strafmaß jedoch auf 300 Euro, weil der Mann derzeit arbeitslos ist.