Bundeswehr doch voll dabei
Gebirgsjäger rühmten sich wieder ihrer "Traditionen"

12.01.2005

War die Bundeswehr im Vorfeld noch auf dezente Distanz zu dem Gebirgsjägertreffen zu Pfingsten im oberbayerischen Mittenwald gegangen, kam dann doch alles anders. Die Militärkapelle, die ihre Teilnahme erst abgesagt hatte, spielte auf und der amtierende Gebirgstruppen-Generalmajor Manfred Engelhardt legte einen Kranz des Bundesministers der Verteidigung nieder. Gab es da neue Weisungen von ganz oben? Schließlich werden im aktuellen Verfassungsschutzbericht des Bundes bei der "Würdigung" der VVN-BdA die Enthüllungen von Gebirgsjäger-Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg durch den nordrhein-westfälischen VVN-BdA-Landessprecher Ulrich Sander und die pfingstlichen Protestaktionen in Mittenwald als "linksextremistische" Aktivitäten aufgelistet. Wörtlich ist in dem Bericht vom "traditionellen jährlichen Treffen der Gebirgstruppe der Bundeswehr in Mittenwald (Bayern)" die Rede. Bisher war von der Bundeswehr immer betont worden, dass nicht sie, sondern allein der Gebirgsjäger-"Kameradenkreis" Träger des Treffens sei. Wie bereits im Vorjahr sorgten auch diesmal der Historiker-Arbeitskreis "Angreifbare Traditionspflege" und die VVN-BdA mit Kundgebungen, Demonstrationen und einer Veranstaltung mit Zeitzeugen aus Griechenland und Frankreich für eine Gegenöffentlichkeit zur größten deutschen Soldatenfeier auf dem Hohen Brendten. Nach wie vor sind die Verbrechen der Gebirgstruppe ungesühnt, ihre Blutspur zieht sich durch nahezu alle von der deutschen Wehrmacht okkupierten Länder Europas. Eine Auswirkung der bisherigen Proteste gab es: Der Vorsitzende der Gebirgsjägerkameradschaft gestand in seiner Ansprache erstmals ein, dass es solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegeben habe. Allerdings nur, um flugs die Mordtaten der deutschen Besatzer gegen die Kriegshandlungen der Partisanen in den überfallenen Ländern aufzurechnen. Über 600 antifaschistische Demonstrantinnen und Demonstranten - rund hundert mehr als im Vorjahr - waren angereist, um mit Transparenten wie "Kein Ja und Amen zu Kriegsverbrechen" und "Entschädigung aller Opfer" gegen die "Traditionspflege" von alten Wehrmachtsveteranen und aktiven Bundeswehrangehörigen zu protestieren. In ihren Reden nahmen Ulrich Sander und Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen auch kritischen Bezug auf aktuelle Auslandseinsätze der Bundeswehr und verhängnisvolle Traditionslinien, die bis heute weiterwirken. Ein "rüde vorgehendes" (so die Frankfurter Rundschau) riesiges Polizeiaufgebot versuchte, zwischen Demonstrationsteilnehmer, Ortsansässige und Gebirgsjägerveteranen möglichst undurchdringliche Riegel zu schieben. Heftig gedrängt werden mussten die Ordnungskräfte aber, bis sie schließlich doch die Personalien eines Mannes aufnahmen, der dem jüdischen KZ-Überlebenden und Landessprecher der bayerischen VVN-BdA, Ernst Grube, entgegenschleuderte: "Hitler hat vergessen, euch zu vergasen." Mit einem Informationsstand im Ortszentrum und Tafeln der Ausstellung "Hellas unterm Hakenkreuz" suchte die VVN-BdA das Gespräch mit Einheimischen und Touristen. Das war nicht immer leicht - gibt es in Mittenwald doch kaum eine alteingesessene Familie ohne Gerbirgsjäger-Verbindungen und lebt die Gemeinde neben Fremdenverkehr und Geigenbau bis heute vor allem vom Militär-Standort. Aber es war sinnvoll und weiterführend, nicht zuletzt angesichts der vorhergehenden Panikmache von Behörden und Presse über "Chaos-Tage", die dem Weiler am Fuße des Karwendelgebirges ins Haus stehen würden. Ernst Antoni