NS-Opfer entschädigen - NS-Täter bestrafen

Konferenz

Auch 60 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai 1945 sind zahlreiche NS-Opfer ohne jede Entschädigung geblieben. Tausende NS-Täter mussten nie eine strafrechtliche Verurteilung fürchten. Schadenersatz für alle NS-Opfer und Strafverfolgung aller NS-Täter durch die Bundesrepublik Deutschland sind daher die zentralen Forderungen einer Konferenz, zu der wir vom 9. bis 10. April 2005 nach Berlin einladen.

Im ersten Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums zur Errichtung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft““ formulierte die Bundesregierung: „Die Stiftung soll (...) ein abschließendes Zeichen für die umfassende Wiedergutmachung und Entschädigung nationalsozialistischen Unrechts in der Bundesrepublik Deutschland setzen. Die bisherigen Regelungen und Leistungen ergänzend, soll sie die Diskussion über weitere Maßnahmen beenden.“

Im Klartext: Kein weiterer Cent für die Überlebenden, und: Schluss der Debatte um Schadenersatz. So stellt sich die Bundesregierung die Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus vor.

Jedes Gedenken verkommt jedoch zur leeren Geste, wenn es die Leiden der Überlebenden und ihre Forderungen nach Kompensation ignoriert und die für die Verbrechen Verantwortlichen straffrei stellt. Deshalb laden wir alle, die sich der von der Bundesregierung formulierten Schlussstrichpolitik entgegen stellen, zu einer internationalen Konferenz in die deutsche Hauptstadt ein. Die Konferenz bilanziert die bisherige Entschädigungspraxis der Bundesrepublik Deutschland. Vertreter zahlreicher Opfergruppen werden in Berlin ihre Forderungen artikulieren und mit Überlebenden aus aller Welt koordinieren. Vertreter von Opferverbänden und deren Rechtsanwälte informieren über den aktuellen Stand von Entschädigungsverhandlungen und -klagen. Darüber hinaus wird eine Zwischenbilanz zur Strafverfolgung der NS-Täter gezogen. Zum Beispiel wurde bis heute so gut wie kein Angehöriger der Wehrmacht von deutschen Gerichten für seine Verbrechen an der Zivilbevölkerung der besetzten Ländern zur Rechenschaft gezogen. Wer Täter straffrei stellt, demütigt die Opfer. Die Konferenz soll nach außen wirken wie auch eine Plattform für politischen und praktischen Erfahrungsaustausch und Vernetzung schaffen.

Arbeitskreis Distomo (Hamburg) / Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege (Nordrhein-Westfalen) / Support for Survivors of Nazi Persecution International (Baltimore/Köln)

Die Konferenz wird veranstaltet vom ReferentInnenrat der Humboldt-Universität zu Berlin und u.a. unterstützt von: Auschwitz-Komitee in der BRD e.V. / VVN-BdA Bundesverband / VVN-BdA LV Nordrhein-Westfalen / VVN-BdA LV Hamburg / VVN-BdA LV Berlin / Antifa-AG des RefRates (AStA) der Humboldt-Universität zu Berlin / Antifaschismus-Referat Bergische Universität Wuppertal / Antifaschistische Gruppe Oranienburg [A.G.O.] / Antifaschistische Initiative Moabit, Berlin Antifaschistische Linke Berlin (ALB) / Arbeitskreis Gegen das Vergessen, Hamburg / Arbeitskreis Kritische Geschichte, Bremen / bad weather, antifaschistische gruppe hamburg / Berliner Initiative „Griechenland unter dem Hakenkreuz“ / Bündnis gegen Realität, Leipzig / Don’t panic!, Berlin / FreundInnen des Sachsenhausen-Komittees, Berlin / Grünalternative Jugend Österreich/gaj Gruppe. Internationale.Webteam [GI] / JungdemokratInnen/Junge Linke, Nordrhein-Westfalen / Phase 2 - Zeitschrift gegen die Realität – Redaktion / REGENBOGEN - Für eine neue Linke, Hamburg / sinistra!, Frankfurt a.M. / Verlag „Assoziation A“

Weitere Informationen: www.ns-opfer-entschaedigen.org

Der Vernichtungskrieg gegen die Zivilbevölkerung

Überlebende von Massakern fordern Gerechtigkeit

Ungezählte Verbrechen begingen deutsche Truppen der SS und der Wehrmacht während des zweiten Weltkriegs. Die Kriegsführung der Deutschen - vor allem in Ost- und Südosteuropa sowie gegen die Sowjetunion - kannte keine Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung. Die Vernichtung jüdischer und anderer als „rassisch minderwertig“ ausgemachter Menschen – und damit vor allem großer Teile der polnischen und sowjetischen Bevölkerung – war vielmehr integraler Bestandteil der deutschen Kriegführung. Sie verband sich auf direkte Weise mit dem Ziel der Herstellung politischer und ökonomischer Vorherrschaft Deutschlands.

Vor der systematischen Vernichtung in Auschwitz, Majdanek oder Treblinka erfolgten Pogrome und Massaker an der jeweiligen jüdischen Bevölkerung in zahllosen Orten, jeweils unter Beteiligung der Wehrmacht. Orte wie Lemberg (Polen/Ukraine) oder Babi Jar/Kiew stehen namentlich für diese Verbrechen.

Allein in Weißrussland wurden in drei Jahren deutscher Besatzung weit mehr als 9.000 Ortschaften zerstört. Das Massaker von Chatyn steht nur für eines von 619, bei denen nicht nur die Dörfer, sondern auch alle Einwohner/innen verbrannt wurden. Bei ihrem Rückzug aus der Sowjetunion hinterließen die Deutschen „verbrannte Erde“: Die gesamte Infrastruktur wurde zerstört, die arbeitsfähige Bevölkerung deportiert, die übrig Gebliebenen dem Hungertod überlassen.

Ähnlich wie in der Sowjetunion gingen die Deutschen in Jugoslawien, insbesondere im serbischen Teil, vor. Zehntausende Zivilisten wurden planmäßig ermordet, offiziell deklariert als Vergeltung für Partisanenangriffe auf deutsche Truppen. Die Massaker von Kraljevo oder Kragujevac in Serbien, wo jeweils mehrere Tausend Menschen ermordet wurden, stehen exemplarisch für diese Politik.

Aber auch in den westeuropäischen Ländern wurden anfängliche Beschränkungen der deutschen Kriegführung aufgehoben, je erfolgreicher sich dort Widerstand gegen die Besatzer formierte und je näher die Niederlage Nazi-Deutschlands rückte. Die Massaker von Oradour in Frankreich, St. Anna di Stazzema in Italien oder Distomo und Kalavryta in Griechenland stehen stellvertretend für die Grausamkeit der deutschen Besatzer.

Doch der millionenfache Mord hatte nach der Zerschlagung der nationalsozialistischen Herrschaft für das Nachkriegsdeutschland kaum Konsequenzen. Nur wenige Täter wurden verfolgt, die Opfer blieben bis heute weitgehend ohne jede Entschädigung, insbesondere die Opfer von Massakern der SS oder der Wehrmacht. Sämtliche Forderungen gegenüber der deutschen Regierung nach Anerkennung der Verbrechen und angemessenen Entschädigungsleistungen, die vornehmlich seit der deutschen Wiedervereinigung erhoben wurden, werden von der Bundesregierung kategorisch zurück gewiesen.

Diese Weigerung, auch nur in Verhandlungen einzutreten, führte zu einer Welle von Klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland, vor allem vor griechischen Gerichten. Im Fall Distomo (Griechenland) gelang dabei ein spektakulärer Erfolg. Deutschland wurde im April 2000 vom obersten griechischen Gerichtshof (Areopag) rechtskräftig zur Zahlung von ca. € 28 Mio. verurteilt, dennoch hat Berlin bis heute keinen Cent gezahlt. Mit politisch-diplomatischem Druck wurde die griechische Regierung erfolgreich genötigt, die Vollstreckung gegen Deutschland aus dem Distomo-Urteil zu unterbinden. Der Fall Disto­mo steht heute exemplarisch für den Umgang mit den legitimen Forderungen der Überlebenden deutscher Verbrechen. Über diesen Fall werden auf der Konferenz die Referenten Argyris Sfountouris und Ioannis Stamoulis berichten.

Polen unter deutscher Besatzung- „Germanisierung“ und Holocaust

Am 1. September 1939 begann der deutsche Angriffskrieg gegen Polen. Was folgte, war die vollständige Zerschlagung des polnischen Staates, die Annektion weiter Teile polnischen Territoriums durch das Deutsche Reich und die Gründung des so genannten Generalgouvernements in den übrigen besetzten Gebieten, einer Art Kolonialverwaltung. Die politische Führung Polens wurde zerschlagen, tatsächliche und vermeintliche politische Gegner ermordet. Die Deutschen betrieben die „Germani­sierung“ der ihnen unterstehenden Gebiete, indem große Teile der dort ansässigen polnischen Bevölkerung vertrieben oder zu so genannten „Volksdeutschen“ bestimmt wurden und deutsche Bevölkerung aus dem übrigen Reich angesiedelt wurde. Dies ging einher mit einer Terrorkampagne gegen die polnische Zivilbevölkerung, öffentlichen Hinrichtungen, Misshandlungen und Überfällen auf Dörfer. Insgesamt verloren sechs Millionen Polen während der Kriegs- und Besatzungszeit ihr Leben, die Hälfte davon waren Juden. 2,5 Millionen Menschen wurden zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich deportiert. Mehr als eine Million Polen wurden vertrieben, 500.000 allein nach dem Warschauer Aufstand. Die Stadt Warschau wurde nach dem Aufstand von den Deutschen vorsätzlich dem Erdboden gleichgemacht.

Die Besetzung Polens ermöglichte den Deutschen vor allem die systematische Vernichtung der dort ansässigen Juden. Bereits im September 1939 begannen die Einsatzgruppen mit Verfolgungen und Morden an der jüdischen Bevölkerung Polens. Aus allen annektierten Gebieten wurden die Juden ins Generalgouvernement vertrieben und nach und nach in Ghettos eingewiesen. Die Lebensbedingungen dort waren durch Isolation, Verarmung, Hunger und Krankheiten gekennzeichnet, es war die Vorstufe der endgültigen Vernichtung, die Ende 1941 einsetzte. Im Konzentrationslager Chelmno begann die Ermordung Tausender durch Gas. 1942 wurde diese fortgesetzt in den speziell geschaffenen Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka. In Auschwitz und Majdanek wurde dann die letzte Stufe der „Endlösung“ vollzogen. Allein in Auschwitz wurden mehr als eine Million Juden aus ganz Europa ermordet.

Für die Verbrechen der Besatzung wurden seitens der Bundesrepublik niemals adäquate Reparations- und Entschädigungsleistungen erbracht, die meisten polnischen Opfer der deutschen Besatzung und des Holocausts haben überhaupt keine oder nur geringfügige Kompensationen von der Bundesrepublik erhalten. Individuelle Zahlungen an NS-Opfer wurden erst nach der Wiedervereinigung mit der Vereinbarung über die „Stiftung Deutsch-Polnische Aussöhnung“ geleistet, die allerdings nur symbolische Beträge für besonders schwer geschädigte Überlebende bereit stellte. Polnische NS-Zwangsarbeiter haben schließlich bescheidene individuelle Leistungen aus dem Fonds „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ erhalten.

Seit der Einrichtung dieses Fonds schien das Thema „Entschädigung“ auf polnischer Seite an Bedeutung verloren zu haben. Erst als sich die deutschen Vertriebenenverbände unter Führung der CDU-Politikerin Erika Steinbach in immer dreisterer Form anschickten, Kompensationsforderungen an den polnischen Staat zu stellen, begannen sich die Polen zu wappnen. Sie berechneten die Schäden, die aufgrund der Zerstörung ihrer Städte durch die Deutschen entstanden, und ermittelten allein für die Stadt Warschau einen Schaden in Höhe von ca. 40 Mrd. Euro. Das polnische Parlament verabschiedete eine Resolution, mit der die polnische Regierung aufgefordert wurde, Reparationen von Deutschland zu fordern. Auf die Gründung der „Preußischen Treuhand“, die den Auftrag hat, vermeintliche Ansprüche deutscher Vertriebener auf Eigentumsübertragung und Schadensersatz durchzusetzen, konterten Polen mit der Gründung einer „Polnischen Treuhand“. Denn den deutschen Tätern und ihren Nachkommen, welche jetzt die Opfer verklagen, geht es nicht nur um Geld und Besitz. Diese Kampagne geht einher mit dem Versuch der Umdeutung der Geschichte und der Destabilisierung des polnischen Staates. Viele Polen, jüdischer und nicht-jüdischer Herkunft, haben sich daher entschlossen, auch individuell für ihre Rechte zu kämpfen. Sie wollen für ihr Leid entschädigt werden und sie wollen um die historische Wahrheit kämpfen.

Sowjetische und italienische Kriegsgefangene - Vernichtung durch Haft und Zwangsarbeit

Im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion wurden von Juni 1941 bis Mai 1945 5,7 Millionen Rotarmisten durch deutsche Truppen gefangengenommen. 3,3 Millionen sowjetische Soldaten, also fast 60 %, starben in der deutschen Gefangenschaft an Schwäche und Krankheiten aufgrund katastrophaler Unterbringung, systematischer Unterernährung und schwerer Zwangsarbeit sowie durch selektive Ermordung.

Im ersten Kriegswinter bis Februar 1942 waren fast 2 Millionen der 3,35 Millionen Soldaten der Roten Armee in deutschen Gewahrsam meist an Hunger, Kälte, Erschöpfung und Epidemien gestorben. Ab 1942 wurden aufgrund des Arbeitskräftemangels auch sowjetische Kriegsgefangenen zur Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie herangezogen. 40.000 bis 120.000 Rotarmisten, die jüdischen Soldaten sowie die politischen Kommissare, wurden “ausgesondert” und direkt ermordet.

Die Behandlung der gefangenen Rotarmisten durch die deutschen Wehrmacht war eingebunden in die Vernichtungsstrategie des NS-Staates. Sie traf jedoch nicht nur Rotarmisten und gefangene Komba­ttanten der Partisanenarmeen, sondern auch Auch

die seit September 1943 gefangengenommenen italienischen Soldaten. Nachdem die italienische Regierung einen Waffenstillstand mit den Alliierten schloss, wurden auch die ehemaligen Verbündeten zum Objekt der NS-Ideologie. Alle italienischen Soldaten sollten gefangengenommen und nach Deutschland zur Zwangsarbeit deportiert werden. Bei Widerstand gegen die Verhaftung sollten alle beteiligten italienischen Offiziere erschossen werden. Über 700.000 italienische Soldaten wurden deportiert, Tausende wie auf der griechischen Insel Kephallonia erschossen.

Die gefangenen Italiener wurden bald zu “Italienischen Militärinternierten” (IMI) umbenannt. Ihr völkerrechtlicher Status als Kriegsgefangene nach der Genfer Konvention von 1929 war damit aber nicht nur formal, sondern auch faktisch aufgehoben. Für sie gab es keine Betreuung durch das internationale Rote Kreuz, Verpflegung und Unterbringung waren erbärmlich. Die einfachen italienischen Soldaten wurden sofort zur Zwangsarbeit vor allem in der deutschen Rüstungsindustrie herangezogen. Aber auch die Offiziere mussten ab Sommer 1944 Zwangsarbeit leisten, nachdem alle ehemaligen italienischen Soldaten völkerrechtswidrig in einen zivilen Status überführt worden waren.

Als Kriegsgefangene im Sinne der Genfer Verträge hätten die sowjetischen und italienischen Soldaten angemessen ernährt und untergebracht werden müssen. Die Heranziehung von Kriegsgefangenen zu Arbeiten in der Rüstungsindustrie war verboten. Die Ermordung von gefangenen Soldaten ist generell als Kriegsverbrechen anzusehen.

Beide Kriegsgefangenengruppen blieben bis heute von Entschädigungszahlungen ausgeschlossen. Für die KZ-ähnlichen Haftbedingungen und die geleistete Zwangsarbeit hätten die sowjetischen und italienischen Soldaten zumindest eine Entschädigung aus dem Stiftungsfond für NS-Zwangsarbeit erhalten müssen. Mit abenteuerlichen Begründungen verweigerte die Bundesregierung aber eine solche. Offenbar wollte sie die Entschädigungssumme einsparen, zumal die finanzielle Ausstattung der Stiftung mit 5 Mrd. Euro hierfür völlig unzureichend gewesen wäre. Das Bundesverfassungsgericht segnete im Sommer 2004 diese Entrechtung im Fall der IMIs ab. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte wurde angerufen, um diesen Rechtsbruch zu korrigieren. Unabhängig von der Regelungen müssen eide Opfergruppen für ihr Leiden entschädigt werden.

Für die Entschädigung aller NS-Opfer!

Im Workshop soll die aktuelle Situation zur Entschädigung von NS-Opfern analysiert werden: In den letzten Jahren sind vor nationalen und internationalen Gerichten verschiedenste Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland geführt worden. Gleichzeitig haben sich diverse Solidaritätsaktivitäten entwickelt. Über nationale Grenzen hinweg möchten wir eine aufeinander bezogene Vorgehensweise diskutieren und eine gemeinsame politische Perspektive entwickeln: Welche Möglichkeiten der Vernetzung sind vorstellbar? Welche politischen und /oder juristischen Initiativen sind sinnvoll? Wie können anstehende Prozesse öffentlich unterstützend begleitet werden?

Arbeitskreis Distomo (Hamburg)

NS-Täter und die deutsche Justiz – Eine Bilanz

heute noch ist ein großer Teil der NS-Verbrechen nicht strafrechtlich gesühnt. Trotz tausender Ermittlungsverfahren mit 10.000 Beschuldigten kam es nur in wenigen Fällen zu Verurteilungen der Täter. Die meisten Täter im Vernichtungskrieg blieben straflos. So sind z.B. nur zwei Wehrmachtssoldaten von einem deutschen Gericht wegen Judenmord verurteilt worden, so sind die Schreibtischtäter vom Reichssicherheitshauptamt durch die juristische Konstruktion der Gehilfen und durch Verjährungstricks niemals vor ein deutsches Gericht gestellt worden. Wurden deutsche Täter im Ausland verfolgt, übte die Bundesrepublik politischen Druck aus wie in Italien oder zwang die Gegenseite - wie im Falle Griechenlands - zu politischen Kuhhändeln. Die letzten Verfahren gegen NS-Verbrecher, wie der Prozeß gegen den niederländischen SS-Mann Hubertus Bikker, wurden so lange herausgezögert, bis die Angeklagten nicht mehr verhandlungsfähig oder die letzten Zeugen tot waren. In den Fällen Überlebende von Massakern fordern Gerechtigkeit

Ungezählte Verbrechen begingen deutsche Truppen der SS und der Wehrmacht während des zweiten Weltkriegs. Die Kriegsführung der Deutschen - vor allem in Ost- und Südosteuropa sowie gegen die Sowjetunion - kannte keine Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung. Die Vernichtung jüdischer und anderer als „rassisch minderwertig“ ausgemachter Menschen – und damit vor allem großer Teile der polnischen und sowjetischen Bevölkerung – war vielmehr integraler Bestandteil der deutschen Kriegführung. Sie verband sich auf direkte Weise mit dem Ziel der Herstellung politischer und ökonomischer Vorherrschaft Deutschlands.

Am 1. September 1939 begann der deutsche Angriffskrieg gegen Polen. Was folgte, war die vollständige Zerschlagung des polnischen Staates, die Annektion weiter Teile polnischen Territoriums durch das Deutsche Reich und die Gründung des so genannten Generalgouvernements in den übrigen besetzten Gebieten, einer Art Kolonialverwaltung. Die politische Führung Polens wurde zerschlagen, tatsächliche und vermeintliche politische Gegner ermordet. Die Deutschen betrieben die „Germani­sierung“ der ihnen unterstehenden Gebiete, indem große Teile der dort ansässigen polnischen Bevölkerung vertrieben oder zu so genannten „Volksdeutschen“ bestimmt wurden und deutsche Bevölkerung aus dem übrigen Reich angesiedelt wurde. Dies ging einher mit einer Terrorkampagne gegen die polnische Zivilbevölkerung, öffentlichen Hinrichtungen, Misshandlungen und Überfällen auf Dörfer. Insgesamt verloren sechs Millionen Polen während der Kriegs- und Besatzungszeit ihr Leben, die Hälfte davon waren Juden. 2,5 Millionen Menschen wurden zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich deportiert. Mehr als eine Million Polen wurden vertrieben, 500.000 allein nach dem Warschauer Aufstand. Die Stadt Warschau wurde nach dem Aufstand von den Deutschen vorsätzlich dem Erdboden

Im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion wurden von Juni 1941 bis Mai 1945 5,7 Millionen Rotarmisten durch deutsche Truppen gefangengenommen. 3,3 Millionen sowjetische Soldaten, also fast 60 %, starben in der deutschen Gefangenschaft an Schwäche und Krankheiten aufgrund katastrophaler Unterbringung, systematischer Unterernährung und schwerer Zwangsarbeit sowie durch selektive Ermordung.

Im ersten Kriegswinter bis Februar 1942 waren fast 2 Millionen der 3,35 Millionen Soldaten der Roten Armee in deutschen Gewahrsam meist an Hunger, Kälte, Erschöpfung und Epidemien gestorben. Ab 1942 wurden aufgrund des Arbeitskräftemangels auch sowjetische Kriegsgefangenen zur Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie herangezogen. 40.000 bis 120.000 Rotarmisten, die jüdischen Soldaten sowie die politischen Kommissare, wurden “ausgesondert” und direkt ermordet.

Die Behandlung der gefangenen Rotarmisten durch die deutschen Wehrmacht war eingebunden in die Vernichtungsstrategie des NS-Staates. Sie traf jedoch nicht nur Rotarmisten und gefangene Komba­ttanten der Partisanenarmeen, sondern auch Auch heute noch ist ein großer Teil der NS-Verbrechen nicht strafrechtlich gesühnt. Trotz tausender Ermittlungsverfahren mit 10.000 Beschuldigten kam es nur in wenigen Fällen zu Verurteilungen der Täter. Die meisten Täter im Vernichtungskrieg blieben straflos. So sind z.B. nur zwei Wehrmachtssoldaten von einem deutschen Gericht wegen Judenmord verurteilt worden, so sind die Schreibtischtäter vom Reichssicherheitshauptamt durch die juristische Konstruktion der Gehilfen und durch Verjährungstricks niemals vor ein deutsches Gericht gestellt worden. Wurden deutsche Täter im Ausland verfolgt, übte die Bundesrepublik politischen Druck aus wie in Italien oder zwang die Gegenseite - wie im Falle Griechenlands - zu politischen Kuhhändeln. Die letzten Verfahren gegen NS-Verbrecher, wie der Prozeß gegen den niederländischen SS-Mann Hubertus Bikker, wurden so lange herausgezögert, bis die Angeklagten nicht mehr verhandlungsfähig oder die letzten Zeugen tot waren. In den Fällen der wegen Mordes auf Kephalonia gesuchten Gebirgsjäger schleppen sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dortmund zäh dahin. Das bislang letzte Urteil gegen einen NS-Täter, den SS-Mörder Engel, wurde gar vom BGH in Leipzig aufgehoben, weil es an den subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit gefehlt habe. Engel war vom Hamburger Landgericht wegen der grausamen Ermordung von 59 italienischen Zivilisten zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Engel, so der Bundesgerichthof, sei kein Mörder, weil ihm keine grausamen Absichten nachgewiesen werden konnte. 1944 war Engel SS- und Polizeichef in Genua. In der Nähe von Genua wurden auf seinen Befehl 59 Zivilisten erschossen - als Vergeltung für einen Anschlag auf ein deutsches Sol­daten­kino. „Die Opfer kamen in kleinen Gruppen zum Erschießungsort. Dort mußten sie auf einem Balken über einen Graben steigen, den jüdische Häftlinge ausgehoben hatten. In dem Graben sahen sie die bereits erschossenen Personen. Doch damit der Grausamkeiten nicht genug. Eine Gruppe von Offizieren aß und trank fröhlich mit Blick auf die Erschießungen.“ (Pier Paolo Rivello, Militärstaatsanwalt). Außerdem sei nicht bewiesen, dass Engel den Ablauf der Erschießungen mit grausamer Absicht geplant habe. „Die Sache [musste] unter größter Eilbedürftigkeit mit geringen personellen und sachlichen Mitteln durchgeführt werden, (...) und dass auch vermieden werden musste, jedenfalls aus der Sicht desjenigen, der das durchzuführen hatte, dass diese Erschießungen in der Stadt Aufsehen erregten und möglicherweise zu Demonstrationen oder zu Aufruhr geführt hätten.“ Mit diesem Argument, „es musste schnell geschehen, es musste heimlich geschehen, und es gab am Tatort Personalmangel“ könnten jetzt viele der Massenmorde in Italien und Griechenland, aber auch die Massenvergasungen in der Endphase des Holocaust straffrei gestellt werden. Der Leiter des Simon Wiesenthal Centers, Efraim Zuroff, bemerkte gegenüber dem Fernsehmagazin Kontraste zur Recht: „Es ist wirklich fraglich, ob es in Deutschland jetzt noch möglich ist, Nazi-Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen. Denn wenn die Ermordung von 59 Zivilisten kein Zeichen von Grausamkeit ist, dann weiß ich nicht, was sonst ein Zeichen für Grausamkeit sein soll.“

Am Samstag wird F. C. Rüter in einem Vortrag den Umgang mit NS-Tätern in Ost und West-Deutschland bilanzieren. Am Beispiel des ungesühnten Massenmordes in Sant’ Anna di Stazzema, in dem die 16. Panzergrenadierdivision „Reichsführer SS“ am 12.August 1944 560 BewohnerInnen ermordete, soll über die Täter gesprochen werden, die seit 60 Jahren unbehelligt in Deutschland leben. Wir haben den Überlebenden des Massakers und den Leiter der Gedenkstätte Enio Mancini eingeladen. Er wird von seinen Versuchen berichten, die in Deutschland lebenden Mörder vor Gericht zu ziehen.

Initiativen zur Verfolgung noch lebender NS-Täter

Für den Sonntag laden wir politische AktivistInnen, HistorikerInnen und RechtswissenschaftlerInnen zu einem Workshop ein. Wie können NS-Täter doch noch zur Rechenschaft gezogen werden? Dazu haben wir AktivistInnen und politische Gruppen eingeladen, die sich seit vielen Jahren in ihren Ländern um die Benennung und Bestrafung von NS-Tätern bemühen. Diese Vorhaben sollen unterstützt und neue Initiativen diskutiert werden. Die einladende Gruppe AK Angreifbare Traditionspflege bringt seit drei Jahren die Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger in die Öffentlichkeit und benennt die Täter. Von ihren Versuchen, die Traditionspflege der Täter in Mittenwald zu beenden und neue Strafverfahren gegen die Täter zu initiieren, soll berichtet werden.

Unsere Anträge bei verschiedenen Stiftungen (u.a. „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“) waren erfolglos. Wir bitten dringend um Spenden für die Durchführung der Konferenz auf folgendes Konto:

Kontoinhaber: wei ji / Bank für Sozialwirtschaft - BLZ 37020500 / Kontonummer: 7079500 / Stichwort: „Entschädigungskonferenz April 2005“

 Freitag, 8. April 2005

12.00 Uhr Pressekonferenz mit Überlebenden des NS-Regimes 17.00 Uhr - S-Bahnhof Friedrichstraße Antifaschistischer Gedenkrundgang / Deserteure – Opfer der „Euthanasie“ – „Italienische Militärinternierte“

Samstag, 9. April 2005 • Ort: Humboldt-Universität zu Berlin – Hauptgebäude – Kinosaal

10.00 Uhr Konferenzbeginn Begrüßung und Eröffnung 10.15 Uhr Abschließende Regelung? Einführungsvortrag - Bilanz der Entschädigungspolitik der Bundesrepublik Deutschland Dr. Rolf Surmann (Hamburg), Historiker 11.00 Uhr Der Krieg gegen die Zivilbevölkerung in Griechenland und Jugoslawien Entschädigungsforderungen von Massakeropfern Argyris Sfountouris (Zürich), Überlebender des Massakers von Distomo Ioannis Stamoulis (Athen), Rechtsanwalt der Überlebenden von DistomoDragan Novovic (Novi Sad), Verband der Opferorganisationen Serbien/Montenegro 12.30 Uhr Polen unter deutscher Besatzung – „Germanisierung“ und Holocaust - Polnische NS-Opfer fordern EntschädigungIzabela Brodacka (Warschau), Tochter des Auschwitzüberlebenden Julian Brodacki Stefan Hambura (Berlin), Rechtsanwalt von Frau Brodacka 13.30 Uhr Mittagspause 15.00 Uhr NS-Täter und die deutsche Justiz Der Umgang der Bundesrepublik Deutschland mit NS-Verbrechern - Eine Bilanz Prof. em. Dr. Christiaan F. Rüter (Amsterdam), Jurist / Prof. Dr. Ingo Müller (Bremen), Jurist 16.00 Uhr Das Massaker von Sant’ Anna die Stazzema (Italien) Beispiel der juristischen Aufarbeitung eines NS-Verbrechens / Enio Mancini, Überlebender des Massakers und Leiter der dortigen Gedenkstätte / Dr. Claudia Buratti, Historikerin, Prozessbeobachterin 17.00 Uhr Vernichtung durch Haft und Zwangsarbeit Die Nichtentschädigung ehemaliger sowjetischer Kriegsgefangener Prof. Dr. Pavel Polian (Freiburg), Historiker 17.30 Uhr „Nicht entschädigungsberechtigt“ Der Ausschluss italienischer „Militärinternierter“ von Entschädigungsleistungen Dr. Joachim Lau (Florenz), Rechtsanwalt 18.00 Uhr Abschluß: Zusammenfassung und Resolution

Sonntag, 10. April 2005 • Arbeitsgruppen • 10.00-17.00 Uhr / IG Metall Bildungsstätte Pichelssee – Am Pichelssee 30 – 13595 Berlin (Anmeldung zwingend erforderlich! )

10.00 Uhr Beginn Arbeitsgruppe I: „Kampagne für die Entschädigung aller NS-Opfer“ Arbeitsgruppe II: „Initiativen zur Verfolgung noch lebender NS-Täter“ Zielvorstellungen, Vernetzung - Informationsaustausch, politische und juristische Aktivitäten

13.00 Uhr Mittagspause

14.30 Uhr Fortsetzung der Arbeitsgruppen 16.30 Uhr Berichte aus den Arbeitsgruppen 17.00 Uhr Konferenzend