Fast vogelfrei im Werdenfelser Land ...

„Euch sollte man alle mit dem Schürhaken erschlagen!“

Zünftige Wirtin in Mittenwald, Pfingsten 04

Leider ruft unter den herrschenden Verhältnissen unser fundamentaler Widerspruch gegen die von den Gebirgsjägern im Geist ihrer großen Wehrmacht offen betriebenen Traditionspflege, sowie der damit verbundene enge Schulterschluss von Teilen der ortsansässigen Bevölkerung unterschiedliche Typen der Repression auf den Plan. Eben: Von dem Gestern der Jahre 33-45 trennt uns nun mal kein Abschied, sondern nur eine veränderte Lage. Darüber hinaus legen wir uns mit dem Protest auch in einem sehr persönlichen Sinne mit keinem Geringeren als dem bayrischen Ministerpräsidenten und gemeinsamen Kanzlerkandidaten der Unionsparteien Stoiber an. Der hat nicht nur 1961 ein Teil seiner Lebenszeit beim Grundwehrdienst in Mittenwald verschwendet, sondern glaubte auch noch im Juni des 2001 den ganzen Wehrmachtstraditionspflegemist der Gebirgsjäger der „insgesamt traditionsarmen Bundeswehr“ als „Vorbild“ empfehlen zu müssen.

Dabei haben die bisher gegen uns durchgeführten staatlichen Repressionsbemühungen ein gar nicht einmal so schlechtes Ungleichgewicht aufgezeigt - zumindest in einem politischen Sinne. Denn schon bei der Anreise zu den Pfingstfeierlichkeiten werden von der Polizei ausschließlich diejenigen kontrolliert und mit ihren Personalausweisen erfasst, die sich bislang weder an Kriegsverbrechen beteiligt haben, noch definitiv Hakenkreuzorden bei sich tragen. Auch wenn es derzeit noch offen ist, wo man es heute, 60 Jahre nach Wehrmachtsmas­senmord und Holocaust genau einordnen soll, so kann definitiv gesagt werden, das der Polizei zu unseren angekündigten Protesten allemal mehr mit ihrem Repressionsinstrumentarium einfällt, als zu einer öffentlichen Versammlung von ganz normalen Kriegsverbrechern auf dem Hohen Brendten. Auch darüber lohnt es sich allemal auch nach Mittenwald für die Zukunft nachzudenken.

Aus guten wie schlechten Erfahrungen in den letzten Jahren haben wir uns diesesmal dazu entschlossen für unsere demonstrative Präsenz in der Gemeinde ein umfängliches Anmelderegime an den Start zu bringen. In einem gewissen Sinne wollen wir damit unsere politische Legitimation an diesem Ort untermauern. Auf der anderen Seite sind wir nicht so naiv anzunehmen, als würde eine Anmeldung einen hohen Schutz für die ganz sicher zu erwartenden polizeilichen Übergriffe darstellen. Im letzten Jahr hat sich gezeigt, das der Polizeieinsatz von dem Bestreben geleitet war, uns zu einem Bestandteil ihres Aufzuges staatlicher Macht werden zu lassen. Dazu gehört beispielsweise die dreiste Praxis während der Demo die Länge von unseren Transparenten nachzumessen. Der oder diejenige, von denen die Bullen den Eindruck gewinnen das er sein Maul im Sinne des Gedankens „BRD-Bullenstaat, wir haben dich zum Kotzen satt“ bewegt haben könnte, muß damit rechnen abgegriffen und für geraume Zeit in Gewahrsam genommen zu werden.

In dem letzten Jahr waren wir mit dem Problem konfrontiert, das die Bullen dazu übergegangen sind, Leute, die ihnen politisch nicht passen, für die Zeit unserer Proteste schlicht im Knast verschwinden zu lassen. Das ganze nennt sich euphemistisch „Ingewahrsamnahme“ Aus diesem Grunde dokumentieren wir hier auch ein paar Hinweise zu einem Umgang mit dieser Problematik. Ganz kurz zusammengefasst laufen sie darauf hinaus, das ihr, sofern ihr in die Hände der Bullen geratet, ihr sie so gut ihr könnt damit nerven solltet, vor den Haftrichter gebracht zu werden. Es ist nämlich ein verbreiteter Irrtum zu glauben, die Bullen hätten das Recht dazu, uns einfach so auf`s geratewohl für 24 Stunden in den Knast zu stecken. Nach der Gesetzeslage – an der die Bullen natürlich immer nur bedingt interessiert sind – müssen sie ihre Delinquenten „unverzüglich“ entweder freilassen oder eben dem Richter vorführen. In diesem Sinne werden wir uns für die Pfingststage auch um eine Öffentlichkeits- und Betreuungsstruktur kümmern.

Als ein Ergebnis unserer letztjährigen Protestaktivitäten in Mittenwald hat es Strafbefehle für alles mögliche gehagelt: Unangemeldete Demonstration, nicht einhalten von Demoauflagen, Beleidigung, Widerstand usw. Zur Anschaulichkeit dokumentieren wir einen besonders illustrativen Strafbefehl. Wir haben das alles nicht vergessen, und werden versuchen unsere praktischen wie politischen Schlüsse daraus zu ziehen.

Auch aus diesem Grunde haben wir dieses Jahr das Komittee für Grundrechte und Demokratie zum Zwecke der Demonstrationsbeobachtung eingeladen

Aber wir sollten uns mit unseren praktischen Bewegungs­mög­lich­keiten gegenüber der ziemlich sicher gegen uns in der Gemeinde Mittenwald exe­kutierten Repression nichts vormachen: Gegenüber dem Um­stand, das ein Teil der dort lebenden Bevölkerung uns am liebsten erschlagen oder in die Gaskammer schicken möchte – und das auch klar so zum Aus­druck bringt – muss die bayrische Polizei in gewisser Weise als zivilere Variante angesehen werden. Denn selbst das strenge Polizeiaufgabengesetz dieses Bundeslandes kennt bislang Begriffe wie „Schür­haken“, „Konzentrationslager“ oder „Gaskammer“ nicht. Insofern sind wir zuversichtlich notfalls auch eine nicht auszuschließende Massenfestnahme in Mittenwald praktisch wie politisch durchhalten zu können. Der bayrische Staat würde – nebenbei bemerkt – damit auf seine ganz unverwechselbare Weise dokumentieren, was für ihn Aufarbeitung der Vergangenheit 60 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges praktisch heißt. Und so etwas würde heute einen besseren Aufschluss zu dieser Frage ergeben, als langweilige Parlamentsgedächtnisfeierstunden oder die Marionettenaufmärsche von Neonazis.

Verfahren gegen den "Rädelsführer" des Buchstabenballetts

Aktenzeichen: 2 Cs 11 Js 30753/04 (Bitte stets angeben) Telefon-Nr.: 08821 /928-0 Telefax-Nr.: 08821/ 928100 Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen, Rathausplatz 11 82467 Garmisch-Partenkirchen Herrn M. M. (...)- Beruf: Maschinenschlosser - Staatsangehörigkeit: deutsch - Familienstand: ledig

Strafbefehl

Die Staatsanwaltschaft legt Ihnen folgenden Sachverhalt zur Last: Am 29.05.2004 gegen 16.45 Uhr wurde in der Fußgängerzone in Mittenwald, Landkreis Garmisch-Partenkirchen auf Höhe des Anwesens Obermarkt 29 von einer Gruppe von circa 20 Personen eine Kundgebung durchgeführt. Dabei hielten circa neun Personen nebeneinander aufgestellt insgesamt 16 an Holzstangen befestigte weiße Plakattafeln in die Höhe, die mit einzelnen Buchstaben versehen waren. Diese zusammengesetzten Einzelbuchstaben ergaben den Satz „Endlich weg damit!“, wobei Sie die Tafeln mit dem Buchstaben „t“ und das Ausrufezeichen in den Händen hielten. Die Personengruppe hielt mehrmals an, wobei wiederholt sinngemäß die Frage geäußert wurde: „Macht es ihnen Spaß mit Massenmördern Tür an Tür zu wohnen?“. Mit dieser Kundgebung sollte gegen das an dem betreffenden Wochenende veranstaltete Traditionstreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald demonstriert werden. Die Versammlung war nicht bei der zuständigen Verwaltungsbehörde angemeldet worden.

Sie riefen jeweils als erstes Gruppenmitglied die oben genannte Frage den Passanten zu. Wenn es zu Diskussionen mit Passanten kam, ergriffen Sie stets das Wort. Bei den räumlichen Verlegungen der Gruppe gingen Sie stets voran, wobei Ihnen die anderen Gruppenmitglieder folgten. Im Gespräch mit den anwesenden Polizeibeamten betätigten Sie sich als Sprecher der Gruppe. Sie werden daher beschuldigt, als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung durchgeführt zu haben, strafbar als Abhaltung nicht angemeldeter Versammlungen und Aufzüge gemäß §~26 Nr. 2 VersammlG. Beweismittel:

Zeugen:

KHK O., KPI Weilheim / PM W., VI. BPA Dachau

(...) Gegen Sie wird eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen verhängt. Der Tagessatz wird auf 50,— EUR festgesetzt. Die Geldstrafe beträgt somit insgesamt 1.500,— EUR. (...)

Zum Umgang mit der Polizei

Kessel, polizeiliche Vernehmung; Gefangenensammelstelle, richterliche Anhörung

Für den Fall, das ihr Euch in einem Polizeikessel, auf einer polizeilichen Vernehmung oder auf der Wache im Polizeigewahrsam landet, so solltet ihr schleunigst Folgendes tun:

Dem Ermittlungsausschuss Bescheid sagen, der kann unter Umständen AnwältInnen vorbeischicken. Eine telefonummer werden wir vorher noch bekannt machen.

Einen Richter/eine Richterin verlangen, die über die Zulässigkeit der Ingewahrsamnahme entscheiden soll (Ihr könnt versuchen, schriftliche Anträge auf richterliche Entscheidung einem verantwortlichen Polizisten in die Hand zu drücken, dann am besten Empfang auf 2. Zettel quittieren lassen) – Achtung! Damit gebt ihr der Polizei Eure Namen, die sie sonst möglicherweise nicht bekommen hätten (wenn ihr ihm Kessel seid, auf der Wache erübrigt sich das)

Bei einer pllizeilichen Vernehmung solltet ihr mit Ausnahme der Angaben zur Person euer gutes recht auf Aussageverweigerung in Anspruch nehmen. denkt daran: Alles was ihr im beisein der Polizei sagt, kann gegen euch verandet werden.

Werdet ihr von der Polizei vor einen Richter gebracht, dann gibt`s eine sogenannte Anhörung auf die es dann eine - ihr ahnt es bereits - richterliche Entscheidung gibt. Ihr solltet versuchen, dass da einr Anwält/in dabei ist. Wenn nicht:: Es kommt hier nur auf die Gefahrenprognose an, nicht darauf, was ihr gemacht habt (ob ihr was gemacht habt, ist allerdings für die Gefahrenprognose von Bedeutung). Ihr braucht also zur Sache nichts zu sagen, könnt aber Gründe anführen, warum ihr geht und Euch nicht mehr an (rechtswidrigen) Aktionen beteiligen wollt: Zugticket, zu betreuende Kinder, Katzen pflegen, müde, krank, usw.….

Verlangt im Gewahrsam, dass ihr Eure Grundbedürfnisse befriedigen könnt (Toilettengang, Trinken, Schutz vor Regen und Kälte, bei längeren Kesseln Essen und Sitzgelegenheiten)

Gewahrsam dient der Gefahrenabwehr, es gibt also keinen Grund, Euch Bücher, Schreibzeug, Handys, etc. wegzunehmen. Verlangt danach.

Versucht, Euch alle Namen von PolizistInnen zu merken, die Euch Dinge verweigern, und schreibt diese sofort auf

Wenn ihr aus dem Kessel oder aus der Gefangensammelstelle raus seid: dem Ermittlungsauschuss A Bescheid sagen und ein Gedächnisprotokoll schreiben, ggf. mit Personenbeschreibungen von PolizistInnen, die Euch Dinge verweigert haben, und den zeitlichen Abläufen!

Komitee für Grundrechte und Demokratie

„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ Erich Kästner bringt damit etwas auf den Punkt, was in besonderer Weise für Demokratie, Grund- und Menschenrechte gilt. Sie müssen in Anspruch genommen, ausprobiert und praktiziert werden. Es muss um sie gestritten werden.

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie sieht seine Aufgaben darin, durch aktives, streitbares und couragiertes Engagement Grundrechte und Demokratie zu verteidigen. Es konzentriert sich dabei vor allem auf die Situation in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Gefährdung der Grund- und Men­schenrechte hat viele Dimensionen, vom Betrieb bis zur Polizei, vom ‘AtomstaatA bis zur Friedensfrage, von der Umweltzerstörung bis zu den neuen Technologien (nicht zuletzt im Bereich der Bio- und Gentechnologie), von der Mei­nungsfreiheit bis zum Demonstrationsrecht, von Arbeitslosigkeit bis zur sozialen Deklassierung, von den zahlreichen ‘MinderheitenA bis zur längst nicht verwirklichten Gleichberechtigung der Frau.Das Komitee für Grundrechte und Demokratie wurde 1980 gegründet.

Demonstrationsbeobachtungen

Immer wieder beobachtet das Komitee für Grundrechte und Demokratie mit mehreren Personen Demonstrationen und berichtet darüber. Erste Erfahrungen mit Demonstrationsbeobachtungen sammelte es 1981 bei der Brokdorf-Demonstration. Seitdem hat es immer wieder die Erfahrung gemacht, wie wichtig eine genaue Wahrnehmung und Beschreibung der Vorgänge vor und während der Demonstrationen sind. Wir verstehen uns in dieser Rolle nicht als Teilnehmer der Demonstration. Das Anliegen der Demonstration ist uns bei einer Demonstrationsbeobachtung sogar prinzipiell egal. Für unsere Demonstrationsbeobachtung ist der Schutz des Rechts auf Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 8 Grundgesetz, in Verbindung mit dem Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG), das entscheidende und uns interessierende Grundrecht, für das wir uns mit dieser Form der Aktion einsetzen. Es handelt sich dabei um ein hohes Rechtsgut, dessen Wahrnehmung ‘geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren@ (Brokdorf-Beschluss des BVerfG). Großräumige Versammlungsverbote und unverhältnismäßige Gewalteinsätze der Polizei stellen das Demonstrationsrecht immer wieder in Frage. Anhand unserer eigenen Beobachtungen wollen wir das gesamte Demonstrationsgeschehen dokumentieren, um nicht allein auf die Medien und Polizeiberichterstattung angewiesen zu sein. Demonstrationen sind keine geordneten Aufzüge. Die Vielfalt der Gruppen und die Mannigfal­tigkeit der Ausdrucksformen kommen in der Ungeordnetheit zum Ausdruck. Meist kann nicht eine Gruppe oder gar eine Person die Verantwortung für das ganze Geschehen und die Eigendy­namik, die im Zusammentreffen der Menschen begründet liegt, übernehmen.

Demonstrationen richten sich vornehmlich gegen die herrschende Politik. Das Recht, sich zu versammeln, ist ein Grundrecht, das gerade Minderheiten in Anspruch nehmen (müssen).