Grenzcamp 2000

3. antirassistisches Grenzcamp
der Kampagne 'Kein Mensch ist illegal'
vom 29. Juli bis 6. August 2000
in Forst / Brandenburg
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Lausitzer Rundschau
[31.07.2000]

Friedlicher Spaziergang durch Forst

FORST. Angesichts des großen Polizeiaufgebots kam so manchem Forster auch am Samstag der Spruch "Forst, die sicherste Stadt Deutschlands" über die Lippen. Aus Sicht der Veranstalter war das Aufgebot an Uniformierten übertrieben, aus Sicht der Polizei war es eine gerechtfertigte Vorbeugung.

Die Vorbereitung war offenbar so groß angelegt, dass der befürchtete "harte Kern" überhaupt nicht angereist war, wie aus Polizeikreisen verlautete. Genau so wenig, wie rechte Gegendemonstranten, die nach Ablehnung ihres Demonstrationsantrages durch das Polizeipräsidium Cottbus auch keine rechtlichen Schritte mehr dagegen eingelegt habe und offenbar uns offenbar nur das große öffentliche Interesse für ihre Zwecke nutzen wollten. Zumindest sei ihm davon nichts bekannt, so Polizeipräsident Jürgen Lüth, dass die Antragssteller nach der Entscheidung des Präsidiums noch weitere rechtliche Schritte zur Durchsetzung ihres Wunsches gegangen seien.

Zwischen 300 und 500 vornehmlich junge Teilnehmer bildeten den Zug, der sich kurz nach 15 Uhr vom Wasserturm aus in Bewegung setzte; rechts und links eskortiert von Bereitschaftspolizisten aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Fast vor jedem Schaufenster in der Innenstadt waren Polizisten postiert, vor Banken und dem Rathaus standen noch mehr. Seitenstraßen wurden abgesperrt. Schon am Freitag hatten Autohändler ihre zugänglichen Außenflächen geräumt, weil sie nicht wussten, was auf sie zukommt. In einem Schaufenster hing sogar das Schild "Wegen Geschäftsaufgabe geschlossen", wohl um zu suggerieren, dass es dort nichts mehr zu holen gebe.

Stationen des "Stadtspaziergangs" waren die künftige Dienststelle des Bundesgrenzschutzes gegenüber der Polizeihauptwache, der Standort der ehemaligen Forster Synagoge, das Rathaus, das Flüchtlingsheim sowie die zerstörte Neißebrücke am Gutenberg-Platz. Im Zug wurden verschiedene Transparente mitgeführt, von denen eines von Lüth, aber auch von Forster Verantwortungsträgern mit besonderem Interesse zur Kenntnis genommen wurde: "Dies ist zwar kein 2. Zittau, aber ein 1. Forst". Zittau war von der Stadt immer wieder als Grund dafür genannt worden, warum man das Grenzcamp aus Sicherheitsgründen nicht zumuten könne.

Wiederholt machten die Veranstalter in Wohnbereichen, die sie durchquerten, die Einwohner auf ihren Balkonen oder auf der Straße auf ihr Anliegen aufmerksam. Am künftigen BGS-Standort Hermannstraße wurde unter anderem an die Bewohner in der Grenzregion appelliert, hilflose Flüchtlinge wie Menschen zu behandeln; ihnen beispielsweise ein Handtuch oder einen Tee anzubieten, wenn sie nass seien und frieren.

Vor dem Flüchtlingsheim forderten Flüchtlinge die Aufhebung der Residenzpflicht, die ihre Bewegungsfreiheit stark einschränkt. "Im Vorfeld kam es zu Irritationen, leider auch Missverständnissen, die dazu führten, dass einige Flüchtlinge abgereist sind", bedauerte der Sprecher der Grenzcamper, bevor er das Mikrofon an einige der da gebliebenen Flüchtlinge weiterreichte, die ihr Anliegen größtenteils in französischer und englischer Sprache vorbrachten. Beim Wunsch nach Bewegungsfreiheit sei man auf die Unterstützung von Nicht-Flüchtlingen angewiesen, man sei hier, man sei aber nicht ungesetzlich, betonten die Flüchtlingssprecher, die mit der Kampagne "Kein Mensch ist illegal" zusammenarbeiteten.

Frank Hönke vom Verein "Buntes Haus" hatte die Vorbereitungen des Grenzcamps vor Ort unterstützt. Vor dem Flüchtlingsheim äußerte er sich "froh, dass das Camp hier ist" und dass alles in geordneten Bahnen laufe.

Ohne Zwischenfälle endete der Umzug kurz vor 18 Uhr am Wasserturm und löste sich dort auf. Von dort zogen die Teilnehmer des Grenzcamps wieder in Richtung Domsdorfer Kirchweg. Für Unruhe sorgten danach vornehmlich Jugendliche, die sich zunächst zum Bahnhof und dann in Richtung Stadtzentrum bewegten und nach Polizeiangaben aus Forst stammten.

Mitorganisatorin Uschi Volz lobte die deeskalierenden Bemühungen der Cottbuser Polizei. Allerdings sei es zeitweilig schwierig, den richtigen Ansprechpartner zu finden, weil sich mehrere zuständig fühlten. Einigen Teilnehmern sei außerhalb von Forst gesagt worden, dass die Versammlung nicht stattfände oder es seien Platzverweise ausgesprochen worden.


Jürgen Scholz


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