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Strassenmedizin
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Putz braucht Schutz!

Uns scheint es angebracht, grundsätzliche Überlegungen zu unserem Verständnis autonomer Sanigruppen zu veröffentlichen, weil zunehmend Einzelpersonen und Gruppen als Sanis auftauchen, die offensichtlich ein eher karitatives Verständnis ihrer Tätigkeit als Demosanis mitbringen. Wir haben das auf einer früheren Version unserer Homepage zum Anlaß genommen, ein Schreiben einer dieser Gruppen abzubilden und unsere Kritik an dieser Herangehensweise zu formulieren. Vor allem die Veröffentlichung des (selbstverständlich anonymisierten) Briefes hat einige Verstimmung ausgelöst.

Wir haben mit der Publikation sicherlich einen Fehler gemacht. In unserer inhaltlichen Kritik sehen wir uns allerdings mehr denn je bestätigt!

» Der Brief

(Der Text des Briefes findet dsich am Ende)

In den von ihnen vertretenen und praktizierten Organisationsformen sehen wir bestenfalls gutgemeinte Kopien der offiziellen Sanitätsdienste. Wir haben an der hierarchischen und an formalen Qualifikationen festgemachten Struktur der betreffenden Gruppen ebenso heftige Kritik, wie an ihrem uniformierten auftreten. Wir sehen einen grundlegenden Unterschied zwischen Krankenhaus und Demonstration, zwischen "Patienten" und verletzten Genossinnen, zwischen Demosanis und "Helfern", zwischen Demonstration und "Einsatz" (Zitate aus dem Selbstverständnis einer "Sani"-Gruppe).

Statements zum eigenen politischen Ansatz wie

"...die Befreiung der Menschen von den nennen wir's mal negativen Einflüssen unserer Zeit, hin zu einer lebenswerten Welt für alle..."

oder

"Als Teil der Bewegung kämpfen wir für eine lebenswerte Welt für alle. Dies beinhaltet als sehr wichtigen Bestandteil, unter allen Umständen auch die Gesundheit aller und das Leben selbst zu schützen."

sind uns zu dünn und allgemein. Eine Verbundenheit mit der radikalen Linken vermittelt uns sowas jedenfalls nicht.

Einige Verhaltensweisen dieser Gruppen empfinden wir nicht nur als unkritisch, sondern als schädlich und in einigen Fällen sogar gefährlich für Genossinnen, die in kritischen Situationen auf Hilfe angewiesen sind. Hierzu gehören beispielsweise die Statistiken und an Katastrofenschutz und Polizei erinnernde "Taktikschemata", die im Internet veröffentlicht wurden. Saniarbeit in unserem Sinne soll unter anderem dazu beitragen eben nicht zusätzlich zu bei Demonstrationen erlittenen Verletzungen auch noch strafrechtlich verfolgt zu werden. Unsere Genossinnen müssen sich absolut darauf verlassen können, dass keine verwertbaren Informationen über sie und ihre Verletzungen an die Öffentlichkeit gelangen. Eine Veröffentlichung von Statistiken mit Alter und Geschlecht der Verletzten, Verletzungsmustern, -orten und -verursacherin (u.a.: eigene Leute!) spielt dem Feind in die Hände. Die detailierte Beschreibung der eigenen Arbeitsweise nützt nicht uns, sondern der Gegenseite - auch wenn sie nur beim Arbeiter-Samariter-Bund abgeguckt ist.

Der Konflikt zwischen den "Sanigruppen" unterschiedlicher Couleur gipfelt darin, dass von einer Gruppe "Witchcraft Enterprises" aus Marburg behauptet wird, wir seien Spitzel des VS oder Bullen. Ein Flugblatt mit diesem Inhalt ist im Wendland gestreut und an Infoläden verschickt worden. Die "Demosanitätergruppe im Demokratischen Zentrum Ludwigsburg" verbreitet -neben anderen Halb- und Unwahrheiten- den gleichen Text auf ihrer Homepage, ohne sich davon klar zu distanzieren, oder genauere Erklärungen zu liefern. Der Vorwurf selbst ist bisher von den Urheberinnen und Verbreiterinnen nicht weiter erklärt, geschweige denn belegt worden.

» Text des Spitzelvorwurfs

(Der Text des Spitzelvorwurfs findet sich am Ende)

Wie geht mensch gegen so etwas vor? Wir denken, dass es nicht an uns ist, so einen Blödsinn zu wiederlegen. Stattdessen erwarten wir, dass die Urheberinnen und Verbreiterinnen dieses Vorwurfes denselben öffentlich und genauso flächendeckend wiederrufen, wie sie ihn verbreitet haben! Solange dies nicht geschieht, sehen wir keine Basis für irgendeine Zusammenarbeit innerhalb der radikalen Linken. Seid wachsam!

Was haben wir zu meckern?

Wir haben den Versuch unternommen, unsere Standpunkte ausführlich darzustellen und vertrauen darauf, dass Du in der Lage bist, zu einer eigenen Einschätzung zu kommen. Über Post und eMail zum Thema freuen wir uns natürlich.

Fangen wir also von vorne an:

Warum gibt es eigentlich Sanigruppen?

Saniarbeit, so wie wir sie verstehen, ist in ihrem Kern "Anti-Repressionsarbeit". Es würde den Rahmen dieser Seite sprengen und uns nachhaltig überfordern, hier eine ausführliche und allgemeingültige Definition von Repression zu leisten. Daher folgen hier nur einige Kernthesen, die den Bereich unserer Arbeit betreffen und sicherlich noch Ergänzungs- und Diskussionsbedürftig sind.

Die BRD ist ein kapitalistisches Staatsgebilde, das auf rassistischen und patriarchalen Strukturen aufbaut. Wie in jedem Staat ist das Rechtssystem auf den Erhalt und den Ausbau der bestehenden Machtverhältnisse ausgelegt. Der Staat bedient sich dabei verkürzt dargestellt zwei Mechanismen, die die Bevölkerung spalten und Aufstände verhindern sollen:

Wir sind uns bewußt, daß der Teil staatlicher Repression, mit dem wir uns als Autonome Demosanis in der Praxis befassen, nur ein relativ kleiner Anteil des Gesamtsystems ist, nähmlich die Auswirkungen unmittelbarer Gewalt gegen Menschen die dem System BRD Widerstand leisten. Dazu gehören nach unserem Verständnis aber nicht nur die körperliche Gewalt und ihre psychischen Auswirkungen, sondern auch die stetige Einschränkung der politischen Betätigungsmöglichkeiten. Neben der Aushöhlung des Demonstrationsrechtes oder der fortschreitenden Ausweitung von Polizei- und BGS-Befugnissen ist für uns die Kriminalisierung ganzer Bewegungen (und auch Einzelner) der Punkt, dem es etwas entgegenzusetzen gilt. Entsprechend sind uns die Zusammenarbeit mit Rechtshilfe- und anderen Anti-Repressionsgruppen und die Verbreitung von Wissen und Fähigkeiten genauso wichtig, wie "medizinische" Hilfe auf Demos und Aktionen.

Die Erfahrungen mit offiziellen Sanitäts- und Rettungsdiensten waren und sind einer der Hauptgründe für die Linke, eigene Sanitätsstrukturen aufzubauen. Oft haben wir erlebt, dass Verletzte an die Bullen ausgeliefert worden sind oder ihre Personalien von Rettungsdiensten und Krankenhäusern bereitwillig an diese weitergeleitet wurden. Nach der Logik "wer verletzt ist, muss selber etwas getan haben ..." ist dann natürlich weiterer Ärger vorprogrammiert. Hinzukommt die Erfahrung, von den offiziellen Strukturen häufig schlecht, manchmal sogar viel zu spät oder garnicht versorgt zu werden, obwohl medizinische Hilfe dringend notwendig wäre.

Struktur Autonomer Sanigruppen

Autonome Sanigruppen haben sich immer als Teil der Bewegung verstanden. Sie haben sich aus der Szene heraus organisiert, um ob als feste Gruppe oder als Deligierte ihrer Zusammenhänge an Aktionen teilzunehmen und durch ihre Organisation zum Schutz eben dieser Zusammenhänge beizutragen. Für uns war und ist es dabei wichtig, dass unsere Arbeit als Autonome Demosanis mit unseren restlichen politischen Vorstellungen übereinstimmt. Schon von daher begreifen wir uns ausdrücklich nicht als Dienstleistungsunternehmen, das für eine Veranstaltung angefordert werden kann. Selbstverständlich nehmen wir uns auch einmal die Freiheit, an politischen Aktionen teilzunehmen, ohne unsere Funktion als Demosani wahrzunehmen. Ohnehin hat es in Regionen mit einer kleinen linken Szene sich genauso wie in Antifa-Zusammenhängen bewährt, informelle Funktionsgruppen zu bilden -sich mit anderen Sanis in anderen Gruppen zu koordinieren- und die Aktivitäten der eigenen Genossinnen aktiv zu begleiten. Überall, wo wir es mit Nazis zu tun haben -aber nicht nur dort- ist eine erkennbare, ggf. sogar gekennzeichnete, Sanigruppe ohnehin unnötig gefährdet (Stichwort "Anti-Antifa").

Kritisch betrachten wir Sanigruppen, die als eine Art Alternativer-Samariter-Bund auftreten und offensichtlich bewusst eine Ähnlichkeit mit den offiziellen Rettungs- und Sanitätsdiensten herstellen. Das geht zumindest bei einigen soweit, dass sie sich als "neutrale" Begleitung "linker Demonstrationen jeder Art" begreifen. Demonstrationen werden im Stil einer Rot-Kreuz-Organisation als "Einsatz", die Demosanis selbst als "Helfer" bezeichnet. Auch optisch ist kaum ein Unterschied zu den Uniformen der offiziellen Sanitätsdienste festzustellen. Damit haben wir erhebliche Probleme.

Die Erfahrungen, die die Gesundheitsarbeiterinnen unter uns im Gesundheits(un)wesen machen mussten, sind überwiegend negativ. Militärähnliche Hierarchien, Dominanz von Ärztinnen, Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen sind nur einige Stichworte in diesem Zusammenhang. Unser Bestreben liegt neben der notwendigen medizinischen Begleitung von Aktionen der radikalen Linken vor allem im Abbau dieser Strukturen. Für uns heisst das, uns als Autonome Sanis inhaltlich und auch optisch vom offiziellen Gesundheitsunwesen abzusetzen (ihnen eben nicht ähnlich zu sehen und schon lange nicht ihr Verhalten oder ihre Strukturen zu kopieren!) und nur im absolut notwendigen Mass mit ihnen zusammenzuarbeiten, d.h dann wenn andernfalls eine gesundheitliche Gefährdung zu befürchten ist.

In den Autonomen Sanigruppen sind medizinisches Wissen und Fähigkeiten erforderlich, darüber kann es keinen Streit geben. Diese Fähigkeiten sind aber so speziell, dass jede -auch eine Oberärztin- sie erlernen muss. Eine medizinische Berufsausbildung ist bestimmt machnchmal hilfreich, genauso sicher aber auch häufig hinderlich - Hexerei steckt jedenfalls nicht dahinter. Wichtiger als das "Physikum" sind eine gesunde Selbsteinschätzung und eine gute Gruppenstruktur, die auch in Krisensituationen Sicherheit gibt. Eine Sanigruppe kann nur dann funktionieren, wenn die Gesamtstruktur funktioniert; und damit meinen wir nicht nur die Demosanis, sondern auch die politischen Zusammenhänge, in denen wir uns bewegen.

In kritischen Situationen und wenn Menschen körperlich oder psychisch verletzt werden, kommt es auf solidarisches Verhalten, auf "wir kümmern uns umeinander" an. Genossinnen, die in Panik geraten, die verletzt werden oder die den Streß einer Aktion nicht bewältigen, müssen beruhigt und aus dem Getümmel gebracht werden, bevor überhaupt eine medizinische Grundversorgung erfolgen kann. In solchen Situationen sind Demonstrantinnen mit einer guten Erste-Hilfe-Ausbildung meist wertvoller, als Oberärztinnen, die Kernspinntomografien beurteilen können. Damit wollen wir natürlich nicht sagen, dass wir in unseren Gruppen keine Ärztinnen haben wollen. Entscheidend ist die Art, wie innerhalb einer Gruppe mit unterschiedlichem Kenntnissen und Fähigkeiten umgegangen wird. Fachwissen sollte sich in Kompetenz, nicht aber in Macht niederschlagen. Leute, die mal so richtig abretten oder die Oberschwester spielen wollen gibt's im richtigen Leben schon genug.

Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir keine!

So wie wir Autonome Sanigruppen sehen, sind sie vor allem Selbsthilfe. Wir verstehen uns nicht als Dienstleistungsunternehmen, das jegliche Demos mit seinem Angebot neutral begleitet, sondern als linke Demonstrantinnen, die ihr Fachwissen und ihre Infrastruktur in die Szene einbringen. Wichtiger als die Dienstleistungen "Verbändewickeln und Köpfe nähen" ist für uns die Weitergabe unseres Fachwissens, damit linke Demonstrantinnen selber in die Lage versetzt werden verantwortungsvoll für sich und andere -auch- medizinisch tätig zu sein. Das kann als organisierte und nach aussen kenntliche Demosanigruppe sein, genauso gut aber auch als Fachfrau innerhalb anderer politischer Zusammenhänge. Wichtig ist nur, dass sich überhaupt eine dafür verantwortlich findet.

Ein weiterer Aspekt zum Schluß: Neben der rein praktischen Arbeit von Autonomen Sanigruppen auf der Strasse oder in der Natur, sehen wir einen Arbeitsschwerpunkt darin, die Entwicklung der Staatsgewalt -sei es nun chemischer, bellender, fliegender, trabender oder einnässender Art- zu beobachten und unsere Ergebnisse zu veröffentlichen. Auch hier gilt: Wissen ist Macht! Gute, funktionstüchtige Kleidung, schützende Utensilien und die richtige Gegenwehr zur richtigen Zeit haben schon so manche Aktion zum Erfolg gebracht und so manchen Arm verschont.

Lernt Erste Hilfe
bildet Demosani-Banden!

Autonome Sanität Hamburg und Autonome Sanität Schleswig-Holstein
Januar 2001

Kontakt

Autonome Sanität Hamburg-
c/o Buchhandlung im Schanzenviertel
Schulterblatt 55
20357 Hamburg
eMail: sanis-hamburg@nadir.org
internet: http://demosanis.nadir.org/

 

 

 

 

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Der Brief


Hallo Sanis,
Vor kurzem haben wir, XXXXXX ( Sanitätsausbildung Bundeswehr) und XXXXXX ( Krankenpfleger - Sanitätsausbildung B. KatSch.), eine Demosanigruppe gegründet, die "Linke-Demos" neutral begleiten wird, um verletzte und hilflose Personen besser versorgen zu können. Unsere Ausrüstung besteht aus Notfallrucksäcken, Einsatzjacken mit Kennzeichnung "Star of Life", Bergetüchern, Rettungsdiensthelmen usw. Wir würden uns darüber freuen, von Euch Tips zur Ausrüstung zu bekommen oder Erste-Hilfe Anleitungen wie zb. Ruhig Blut. Bitte schreibt oder faxt uns doch, wenn Ihr mit uns in Kontakt kommen möchtet oder wenn, Ihr für eine Demo Unterstützung braucht.
Mit solidarischen roten Grüßen
Das Demosaniteam XXXXXX & XXXXXX

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Der Spitzelvorwurf


(...)
Leider notwendige Anmerkung:
Betrifft: Autonome Sanität Berlin, Sanigruppe Göttingen, Sanigruppe München, Autonome Sanität Hamburg
Die genannten Gruppen verhalten sich seit geraumer Zeit und kontinuierlich massiv konterrevolutionär. Sie schädigen andere Gruppen und Zusammenhänge der neuen sozialen Bewegungen mit Propaganda/Mobbingattacken. Ein konstruktiver Dialog hierüber wurde wiederholt abgelehnt, im Vorfeld behindert oder entsprechende Angebote schlicht nicht angenommen.
Der Schluß, daß hier ehemals verdiente Zusammenhänge von operativen Gruppen des Bundesamtes für Verfassungsschutz unterwandert oder sogar übernommen wurden liegt nicht nur nahe sondern drängt sich massiv auf. Ob dies wirklich so ist, werden wir erst im nächsten System erfahren, wenn wir unsere Akten lesen... zur Zeit ist jedoch klar, daß mit diesen Gruppen nicht zu arbeiten ist. Es liegen aber auch Aussagen (und Erfahrungen) von ihnen vor, daß sie eh' nicht kooperationsbereit sind. (Dabei könnte mensch sie dann ja endgültig als Spitzel oder zumindest als inkompetent entlarven.)
Daher gilt: Angehörige dieser Gruppen und (sonstige) Mitarbeiter der Polizei und der Nachrichtendienste (auch informelle und privat) sind gem. § 6 (1) Versammlungsgesetz von diesem Treffen ausgeschlossen!
Entsprechend gelten §§ 12 und 12a Versamml.G.
Traurig, das sowas nötig ist aber scho' schön, dt. Gesetze zur Abwechslung ma' für uns anwenden zu können.
(...)

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