R.O.T.K.Ä.P.C.H.E.N.

POLITJUSTIZ IN GRAZ.

Politischer Prozeß endet mit Schuldspruch! Bedingte Haftstrafe wegen Verleumdung für "Checkpoint Graz"-Aktivisten


Mit einem Schuldspruch und einer Verurteilung wegen "Verleumdung im schweren Fall" ging heute, 3. Mai, eine Verhandlung am Grazer Landesgericht für Strafsachen zu Ende. Ein Aktivist von "Checkpoint Austria" Graz wurde zu drei Monaten bedingter Haft verurteilt.

Er hatte am 5. Dezember während der Kundgebungen gegen den Budgetbeschluß am LKW von "Checkpoint Graz" die Musikanlage bedient. Als Staatspolizisten auf die Ladefläche stürmten, um den Strom abzudrehen, versuchte er, die Anlage zu schützen. Kurz nach einem Wortwechsel mit einem Beamten rief der Aktivist den übrigen DemonstrantInnen zu, dass ihn dieser Polizist soeben mit den Worten "Paß auf, wenn ich dich allein in einer Gasse treffe, dann - Kopfschuß!" bedroht habe (Formulierung laut Gerichtsurteil). Dafür wurde er wegen "Verleumdung" angeklagt.

Der Prozeß am Landesgericht war eine einzige Farce: Das Urteil stand schon von vornherein fest. Der Urteilsspruch war schon fertig getippt. Obwohl der Staatspolizist sich in zahlreiche Widersprüche verwickelte (aus denen ihm der Richter teilweise freundlicherweise heraushalf) und sogar Aussagen, die er bereits als Zeuge vor dem U-Richter getätigt hatte korrigieren mußte, stand für das Gericht fest, dass seine Aussage in jedem Fall glaubwürdig war. Außerdem, so die Argumentation des Richters, würde ein Staatspolizist gerade zu einem polizeibekannten Aktivisten so etwas doch nie sagen, der sich im übrigen erdreistet hatte, zu einem Thema zu demonstrieren, das ihn - so der Staatsanwalt - gar nichts anginge (weil er als Nicht-Student gegen Studiengebühren aufgetreten war). Aber das gehe in einer Demokratie gerade noch durch. Überhaupt beschäftigte sich der Staatsanwalt wesentlich mehr mit den Umständen der Kundgebungen, also dass z.t. trotz Untersagung versucht wurde, sie durchzuführen, als mit dem eigentlichen Anklagepunkt.

Eine weitere Kostprobe: Der erwähnte Staatspolizist - Josef Lipp - behauptete, die DemonstrantInnen hätten auf die Durchsage des Aktivisten mit "Gelächter" reagiert. Ein Video bewies zweifelsfrei, dass die DemonstrantInnen mit lautstarker Empörung und Pfiffen diese Mitteilung beantwortet hatten, von Gelächter war weit und breit nichts zu hören. Der Staatspolizist wußte auch nicht mehr, ob er den Aktivisten jetzt zum Zeitpunkt von "Checkpoint Graz" schon gekannt hatte oder nicht: Mal hieß es ja, mal doch nicht, letztlich habe er ihn vom Sehen gekannt. In der Aussage vor dem U-Richter hatte Lipp erklärt, dieser Aktivist sei ihm als "besonders aggressiv" bekannt gewesen. Auf die Frage des Anwalts, wie er zu dieser Aussage komme, wo er doch den Beschuldigten damals höchstens von Sehen gekannt habe, kam als Antwort: "Er hat da im Stadtpark eine Aussage gemacht. Er hat gesagt, er ist Anarchist." Wann das gewesen sei? "Vorgestern." So ging es weiter: Er ist aggressiv. - Nein, eigentlich doch nicht. - Agressiv-aktiv. - Der Abstand zwischen dem Polizisten und dem Aktivisten habe einen halben Meter betragen. (Auf dem Video ist zu sehen, dass sich der Polizist zu ihm hinbeugt). Weiters meinte der Staatspolizist zu seiner Verteidigung, daß es ausgeschlossen und vollkommen unsinnig wäre, dass er oder einer seiner Kollegen jemals so ein Vokabular gebrauchen könnten. USW. Trotzdem: Schuldspruch. Als mildernd bewertete der Richter die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten und sein Alter unter 21 Jahren. Was für den Betroffenen, der dem Großteil der Polizei in Graz bekannt ist, bedeutet, dass künftig eine Kleinigkeit ausreicht, damit es zu unbedingter Haft kommt, angesichts der Grazer Polizeipraxis eine äußerst beunruhigende Aussicht...

Das Landesgericht wurde übrigens wegen der Verhandlung von "Taurus"-Einheiten, ca. 20 Beamten, bewacht, sogar im Gerichtssaal hatten sich Polizisten der Sondereinheit positioniert. Die zahlreich anwesenden Staatspolizisten (mindestens 8) notierten sich die Personalien aller ProzeßbesucherInnen und ließen sie nur einzeln eintreten. Die Vermutung liegt nahe, daß die Polizei mit ihrer völlig übertriebenen Präsenz wohl ihren Beitrag dazu leistete, ein faires Verfahren zu verunmöglichen. So paßte es zur Farce, die drinnen im Saal ablief.

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