Quelle: Antifaschistische Gruppen Sachsen-Anhalt


Köthen - hier braunt sich was zusammen



Die Strukturen sind aufgebaut - Naziaktivitäten in Köthen

Bild: Köthen

Lange unbeobachtet von der antifaschistischen Öffentlichkeit blieb die Entwicklung im Landkreis Köthen. Hier hat sich insbesondere in den vergangenen 2 Jahren eine professionell agierende und gut durchstrukturierte Naziszene etabliert. Diese ist vorwiegend an der neofaschistischen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) vorbei nach dem Modell der sogenannten "Freien Kameradschaften" organisiert. Einzelne Personen sind beim NPD-Kreisverband Halle angesiedelt.

Am 20. Mai fand in Köthen eine Nazi-Kundgebung statt. Diese wurde von einer "Bürgerinitiative gegen Drogen" angemeldet. Dass sich hinter diesem harmlosen Namen die besagte Köthener Nazi-Szene verbirgt, wird klar, wenn mensch sich die am vergangenen Wochenende in Köthen verteilten Mobilisierungsflugblätter durchliest. Hier tauchen als Unterstützer der Kundgebung die "Freie Kameradschaft Köthen", der NPD-Landesverband Sachsen-Anhalt und "Freie Nationalisten und Kameradschaften Sachsen-Anhalt" auf. Die neonazistische Ausrichtung der "BI gegen Drogen" wird selbst von kommunalen Stellen nicht geleugnet. Die Tarnung solcher Gruppierungen unter unauffälligen Namen ist eine beliebte und oft praktizierte Methode.

Auch die thematische Orientierung auf einen vermeintlichen "Anti-Drogen-Kampf" ist in Sachsen-Anhalt nicht neu und macht den Sinn dieser Methode beispielhaft klar. Genau dieses Reizthema eignet sich bestens, um angebliche Bürgernähe zu transportieren und öffentliche Naziveranstaltungen positiv zu besetzen - Demagogie eben. Zu dem gleichen Thema gab es z. B. in der Altmark schon mehrere Aufmärsche von Rechtsextremisten.

Bei der subkulturellen Rekrutierung sind die Köthener Nazi ebenfalls sehr aktiv. Im September 1999 suchten möglichlicherweise Köthener Nazis den Veranstaltungsort für das größte Nazikonzert bundesweit des vergangenen Jahres aus. Damals trafen sich ca. 2.000 Nazis aus ganz Europa und den USA in Garitz (Landkreis Anhalt/Zerbst). Die Polizei konnte nur beobachten an eine Auflösung war nicht zu denken.



Nazikader Hupka auf Zielgruppensuche?

Wie breitgefächert die braunen Kontakte insbesondere der "Freien Kameradschaft Köthen" mittlerweile sind, zeigt sich spätestens bei den beiden Rednern auf der Nazikundgebung am 20. Mai, Steffen Hupka aus Quedlinburg. Hupka, die Integrationsfigur militanter Faschos im Osten schlechthin, und Christian Worch, der im nordeutschen Raum die gleiche Rolle spielt, kamen mitnichten zufällig nach Köthen. Ersterer zog in der Vergangenheit zunächst in der Alt-BRD, nach der "Wende" vorwiegend im Ostharz die braunen Strippen und wurde vor einigen Wochen als Landesvorsitzender der neofaschistischen NPD Sachsen-Anhalts geschasst. Offensichtlich war dem Bundesvorstand der NPD dessen Rekrutierung gewalttätiger Stiefelnazis in die Parteistrukturen suspekt. Das öffentliche Image der ordentlichen, disziplinierten Truppe wird bei den Kameraden seit einiger Zeit wieder großgeschrieben.



von Militanten Stiefelnazis und Diplomatenfaschos

Eines der augenscheinlichsten Kriterien für die intakte rechtsextreme Szene in Köthen ist die vorherrschende Arbeitsteilung. Da gibt auf der einen Seite die prügelnden Stiefelnazis, die für Übergriffe und Einschüchterungen gegenüber Linken, AusländerInnen und Andersdenkenden verantwortlich zeichnen; andererseits die Strippenzieher und Beobachter, die durch Verschleierungs- und Diplomatengeschick auffallen. Letztere beobachteten so zum Beispiel in Undercovermanier Anfang April 2000 eine Informationsveranstaltung mit einem Auschwitz-Überlebenden im Köthener Jugendclub "Enno Sander", ohne diese jedoch zu stören.* Auch ein Anruf auf einer Hotline für die heute durchgeführte Antifademo ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Dort fragte ein Nazis im smarten Diplomatendeutsch, warum denn gegen die geplante Kundgebung mobil gemacht würde und man etwa für Drogen wäre.



Rund um das Nazizentrum im Holländerweg

Seit dem Frühjahr ist bekannt, dass die Nazis im Holländerweg in Köthen ein regelrechtes Zentrum haben. 2 der aktivsten Nazis vor Ort, Steffen Bösener und Sebastian Dankowski, haben ca. 100 Quadratmeter des ehemaligen Finanzamtes seit Oktober ´99 für ein Jahr von der ebenfalls im Holländerweg ansässigen Köthener Immobilenfirma LIPSIA GmbH angemietet. In dem Zentrum gibt es alles, was die Nazipropaganda zum Funktionieren und die Kader zum Rekrutieren der potentiellen, jugendlichen Zielgruppe benötigen. Eine technische Infrastruktur gehört ebenso zum vorhandenen Equipment, wie ein Bandproberaum oder die Ausrichtung von Partys und Konzerten im kleineren Rahmen, um die Kids über die subkulturelle Nazischiene für die braune Politarbeit zu motivieren. Das qualitativ außergewöhnliche an dem Objekt im Holländerweg ist, dass die Nazis nicht wie andernorts durch einen Träger akzeptiert betreut werden, sondern dass es absolut ihr eigenes Domizil ist. Die breitgefächerte Frequentierung des Objektes lässt auf einen überregionalen Charakter schließen.

Durch die Öffentlichmachung der Vermietung durch Dessauer AntifaschistInnen entstand für die LIPSIA ein Auftragsmangel, woraufhin sie Vertre-terInnen der Antifa und der örtlichen PDS gegenüber in einem Gespräch Ende Mai erklärte, den Mietvertrag zu Ende September ´00 kündigen zu werden. Da dies auch den Nazis seit Ende Mai bekannt ist, haben diese 4 Monate Zeit, sich ein neues Objekt zu suchen, was sie derzeit auch tun.

Das Nazi-Zentrum in Köthenstellt eine völlig neue Qualität für Sachsen-Anhalt dar, die mit dem ehem. Faschohaus in Wurzen (Sachsen) verglichen werden kann.




Die Polizei stand Pate.

Wie der Geschäftführer der vermietenden Immobilenfirma LIPSIA GmbH in einem Gespräch erklärte, ermutigte ihn die Polizei in Gestalt der politischen Staatsschutzabteilung sogar, die besagten Räumlichkeiten den Nazis weiter zu überlassen. Begründet wurde dieser unsichtbare Schulterschluß zwischen staatlichen Repressionsorganen und den hiesigen Neonazis mit einem taktischen Argument. Dort, im Holländerweg, wäre die Szene wenigstens konzentriert und ließe sich somit unkomplizierter beobachten.



Was ist zu tun?

Nur mittels einer überregionalen, antifaschistischen und kontinuierlichen Arbeit scheinen die gefestigten Nazistrukturen in und um Köthen überhaupt noch angreifbar zu sein. Ein kurzfristiges Ziel, die Schließung des Zentrums, auch mittels öffentlichen Drucks auf den Vermieter LIPSIA GmbH, ist zwar erreicht, aber ist damit der Neonaziszene nicht vollständig beizukommen, sie muß ihre Kommunikations- und Rekrutierungsplattform neu aufbauen. Eine überregionale, bundesweite Kampagne ist in Planung, falls sich die Situation nicht grundlegend ändern sollte, wovon auszugehen ist.

Wir erachten es als dringende Notwendigkeit, gemeinsam mit potentiellen BündnispartnerInnen vor Ort, so zum Beispiel Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Verbänden/ Vereine und insbesondere der Fachhochschule Anhalt, diese antifaschistischen Ziele zu verwirklichen.




Nazis isolieren statt gesellschaftlich akzeptieren!

Nur durch die Vogel-Strauß-Taktik & diffuse Akzeptanz seitens kommunaler Behörden der Stadt Köthen und der Polizei war und ist das Nazizentrum überhaupt praktisch möglich. Wir sprechen uns rigoros gegen alle Akzeptierungsansätze, gerade auch im sozialpädagogischen Bereich, aus. Bekennende Nazis sind nicht zu therapieren oder akzeptalble Diskussionspartner, sondern in allen gesellschaftlichen Bereichen zu isolieren. Ob im privaten Umfeld, im öffentlichen Bildungs- und Berufsbereich oder im Vereinsleben, überall sollten die Nazis zu spüren bekommen, dass sie nicht willkommen sind!

Nationalismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!!!

antifaschistische Gruppen Sachsen-Anhalt

* Während der vom Alternativen Jugendzentrum Dessau e. V. organisierten, mehr als 2-wöchigen Veranstaltungsreihe durch ganz Sachsen-Anhalt kam es auch in Gardelegen und Roßlau zu Störungen.



Weitere Infos:

Antifa Dessau,
c/o Infoladen "Volk & Wissen",
Schlachthofstr. 25, 06844 Dessau,
tel./fax: 0340 - 266 - 02 -10/ -20,
e-mail:querkopf@t-online.de
Infoline:
0178 - 288 37 35