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 Sexismus in der Flora
 
  Die radikale Linke hat sich in den 90er Jahren intensiv der Auseinandersetzung 
              um Patriarchat und Sexismus speziell in den eigenen Reihen zugewandt. 
              Auch in der Flora wurden solche Debatten geführt. Eine ganze 
              Reihe davon drehten sich direkt um das Verhalten einzelner Männer; 
              die können und wollen wir hier nicht nachzeichnen. Aber es 
              gibt einige eng mit der Flora verbundene Konflikte, die nicht unerwähnt 
              bleiben dürfen. Die Wahrnehmung der Flora über das Haus 
              hinaus war häufig von den Positionen in Sexismusdebatten gekennzeichnet. 
              
 Die Ausstellung "World War III"
 Im Sommer 1990 organisierten einige Mitglieder der Veranstaltungsgruppe 
              eine Ausstellung von Comic-Geschichten amerikanischer ZeichnerInnen 
              in der Flora. Eine der Geschichten handelte von einem gesellschaftlichen 
              Verlierer, der durch New York streift, mit einer Prostituierten 
              schläft und anschließend von ihrem Zuhälter zusammengeschlagen 
              wird. Eine Zeichnung stellte den Geschlechtsverkehr dar, wobei auch 
              ein Penis zu sehen war. Diese Darstellung wurde überklebt und 
              der Penis selbst rausgeschnitten.
 Die Verantwortung übernahm hierfür eine Frauengruppe, 
              die die Flora als einen weiteren Ort von Sexismus ausmachte. Der 
              Organisator der Ausstellung versuchte darüber eine offene Diskussion 
              einzufordern, die aber nicht stattfand. Stattdessen erschienen mehrere 
              Flugblätter, die sich zwischen der Ignoranz gegenüber 
              Sexismus, allgemeinem Unverständnis und dem Vorwurf der Lustfeindlichkeit 
              bewegten. Nicht wenige der direkt an der Diskussion Beteiligten 
              verließen bald die Flora: Der Verfasser des Flugblattes "Einige 
              Männer" flog raus, der Ausstellungsorganisator zog sich 
              frustriert zurück und FrauenLesben-Zusammenhänge gingen 
              noch stärker auf Distanz zur Flora.
 
 Heiter bis wolkig: Ein Skandal erschüttert die Stadt
 Seit Ende der 80er Jahre tourte eine Kölner Komödiantengruppe 
              durch die Republik, die gerne szeneinterne Grausamkeiten aufs Korn 
              nahmen, was sogar der gegnerischen Presse auffiel. Im Februar 1994 
              traten "Heiter bis Wolkig" erneut in der Flora auf. Ihr 
              damaliges Programm enthielt eine Lindenstraßenpersiflage, 
              in der einer der Akteure (als Vater Beimer) mit einem Besenstiel 
              penetriert wurde.
 Einige anwesende Frauen und Männer waren nicht nur von dieser 
              Szene irritiert, sondern vor allem von den Reaktionen des (überwiegend 
              männlichen) Publikums. Die Szene wurde mit Kommentaren wie 
              "tiefer, tiefer" und anderem bejohlt. Die Irritierten 
              bestiegen die Bühne - zuallererst, um dem Publikum zu sagen, 
              wie scheiße sie es finden. Sie mussten allerdings ob dieser 
              vermeintlichen Spaßunterbrechung fast fluchtartig die Bühne 
              verlassen, woraufhin sie und einige andere Anwesende den Abbruch 
              der Veranstaltung erzwangen.
 Die Aktion wurde in weiterem sehr stark darauf reduziert, dass eine 
              "Verge-waltigungsszene" damit angegriffen wurde. In anderen 
              Städten  z.B. Hannover  liefen dann Aktionen gegen 
              die Band. In Hamburg selbst eskalierte die Situation, als ein "feministisches 
              Zensurkommando" den Fanladen St. Pauli mit Buttersäure 
              und Plakaten attackierte, da in der Fan-Zeitung "Übersteiger" 
              das Vorgehen gegen "Heiter bis Wolkig" kritisiert wurde. 
              Nun entstand ein Riss in der gesamten Szene. Einerseits die, für 
              die "Heiter bis Wolkig" gewissermaßen Speerspitze 
              gegen Lustfeindlichkeit und "political correctness"-Denken 
              waren, andererseits die Fraktion, für die das ganze Geschehen 
              den Sexismus in der Szene und die fehlenden Auseinandersetzungen 
              darum bewies. Und in der Mitte die Mehrzahl der Indifferenten und 
              Uninteressierten.
 Eine weitere Verschärfung der Auseinandersetzung trat ein, 
              als eine Paderborner Frauengruppe einem Mitglied von "Heiter 
              bis Wolkig" vorwarf, eine Frau vergewaltigt zu haben. Dies 
              führte zum endgültigen Bann gegenüber der Gruppe, 
              die aber von einem Teil der Szene nicht mitgetragen wurde. Zusammen 
              mit den Boykottaktionen gegenüber dem Satiriker Wiglaf Droste, 
              die ebenfalls 1994/95 liefen, wurde sich wechselseitig Verrat an 
              linken Inhalten vorgeworfen.
 In der Flora war die Position zu "Heiter bis Wolkig" weitgehend 
              einhellig: Die Gruppe galt als sexistisch und wurde boykottiert. 
              Die Auseinandersetzungen mit dem Fanladen hatten zur Folge, dass 
              in einigen Hamburger Szenekreisen die Flora als Hort stalinistischer 
              ZK-Dogmatiker gesehen wurde.
 
 Darüberhinaus....
 Die Flora kann sicher als für das Thema Sexismus sehr sensibilisiert 
              gelten. Immer wieder gab und gibt es Auseinandersetzungen um einzelne 
              Personen, um Stimmungen und Werbung für Partys. Hier zeigte 
              sich jedoch auch, dass zwischen dem Plenum und anderen Aktiven und 
              manchen NutzerInnen eine große Lücke klafft.
 Als im März 1995 das"Love Tank Soundsystem" eine 
              Party organisierte, für die mit MoPo-Sexanzeigen als Layouthintergrund 
              auf dem Plakat geworben wurde, beschloss das Plenum einen Boykott 
              der Party und überklebte die Plakate im Schanzenviertel. Dessen 
              ungeachtet wurde die Party gut besucht, was dem Plenum deutlich 
              machte, dass es nur noch wenig Volk vertritt. Dies löste unter 
              anderem die Auflösung des Plenums im Sommer 1995 aus. (siehe 
              auch: "eine Organisationsgeschichte 
              der Flora")
 
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