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RE-AKTIONEN, Leipziger Flüchtlingspostille, November 2000, Nr. 2

"Nazis raus!"

Es war 22.45 Uhr, als etwa 50 Polizisten ins Zwickauer Flüchtlingsheim in der Kopernikusstraße einfielen. Das martialische Aufgebot diente einzig und allein dazu zwei libysche Familien aus dem Heim zu holen und die von der Ausländerbehörde der Stadt verfügte Abschiebung zu vollstrecken. Der massive Polizeiauftritt hatte auch die anderen BewohnerInnen des Heimes aufmerksam gemacht. Trotz Verbotes und seiner teilweise repressiven Umsetzung durch die Polizei versammelten sich etwa 300 der insgesamt 450 Flüchtlinge außerhalb ihrer Unterkünfte. So mußten sie mitansehen, wie die Türen zu den Zimmern der betroffenen Familien einfach von der Polizei eingetreten und Einrichtungsgegenstände in den Zimmer zu Bode geworfen wurden. Ein Libyer, dessen schwagere Frau und drei Kinder ebenfalls abgeschoben werden solten, wollte zunächst aus dem Fenster springen und fügte sich, als dies nicht gelang, mehrere Messerstiche in den Oberschenkel des rechten Beines zu. Beim Versuch ihn zu überwältgen fügten die Polizeieinsatzkräfte ihm noch eine Armverletzung (Bruch?) zu. Weder die schwangere Frau noch die kleinen Kinder - auch die andere libysche Familie hat 4 Kinder - hielt die deutschen Polizisten vo der Ausführung ihrer Befehle ab. Dem verletzten Man wurde keinerlei Hilfe erteilt noch Hilfeleistung zugelasen. Ihm wurden sogar Hände (auf dem Rücken) und Füße gefesselt. Als andere HeimbewohnerInnen dies lautstark kritisierten und die Abschiebug insgesamt verhindern wollten, wurden jegliche Blockadeversuche von der Polizei gewaltsam beendet wodurch einige leichte Verletzungen durch Polizeischlagstöcke verursacht wurden. HeimbewohnerInnen, die die Ereigisse per Videokamera dokumentieren wollten, wurde die Kamera beschlagnahmt. Als nach über zwei Stunden die Polizei mit den beiden Familien das Heimgelände, teilweise über einen Nebeneigang, verlassen wollte, weil das Haupttor von den Flüchtligen blockiert war, wurden sie mit dem Ruf: "Nazis raus!", verabschiedet. Erst am Morgen des nächsten Tages wurde die Schwangere wieder ins Heim gebracht. Der verletzte und gefesselte Mann wurde nur notdürftig ärztlich begutachte und die Entscheidung zur Abschiebung den Behörden überlassen. Er war in ein ihm unbekanntes Gefängns gebracht wurden, wo er sich trotz seiner Fesselung noch um seine Kinder kümmern mußte. Erst am Mittag des nächsten Tages entschloß man sich ihn zeitweilig wieder im Heim unterzubringen. Dort wartet er nunmehr angstvoll auf den nächsten Versuch der Behörden seie Abschiebung durchzuführen, was nach seiner Aussage seinen sicheren Tod in Libyien bedeuten würde. Mittlerweweile hat eine örtliche Solidaritätsgruppe und die sächsiche PDS sich der Agelegenheit angenommen. Das brutale Vorgehen der Polizei, welches viele der HeimbewohnerInnen über die Zustände in Deutschland desillusioniert hat, war am 13. Oktober 2000 Thema im sächsischen Landtag.

Andrew

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