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RE-AKTIONEN, Leipziger Flüchtlingspostille, September 2000, Nr. 1

Chronik der Flüchtlingsproteste in Leipzig: Juni-August 2000

12.5.2000
Erster Erlaß des Sächsischen Innenministeriums (SMI) über die Sachleistungen

29.5.2000
Anordnung des Regierungspräsidiums Leipzig an alle Kommunen.

1.6.2000
Neue Regelung für Flüchtlinge, die länger als 3 Jahre im Deutschland sind, tritt in Kraft.

2.6.2000
150 Flüchtlinge im Heim in der Liliensteinstraße (Grünau) treten in einen Hungerstreik. Sie blockieren die LKW's, die die Freßpakete anliefern sollen.

5.6.2000
Flüchtlinge in der Torgauer Straße (Leipzig) schließen sich dem Hungerstreik an. Sie blockieren außerdem die Bundesstraße für über zwei Stunden.

Anfang Juni 2000
Flüchtlinge in weiteren Heimen in Leipzig und Umgebung schließen sich den Protesten mit Hungerstreiks und vielfältigen Aktionen an. Zur Koordinierung ihrer Aktionen bilden die Flüchtlinge in den Heimen Räte. Im Verlauf der Aktionen wird ein gemeinsamer Forderungskatalog, der heimübergreifend getragen wird, ausgearbeitet. Die Forderungen beschränken sich nicht auf die Frage "Geld statt Sachleistungen", sondern thematisieren an erster Stelle Arbeitsverbot und Residenzpflicht sowie die allgemeinen Wohn- und Lebensbedingungen in den Heimen.

7.6.2000
Aufgrund der Streiks und Aktionen der Flüchtlinge beschließt die Stadt Leipzig, Flüchtlingen, die länger als 3 Jahre im Asylverfahren sind, Geld auszuzahlen.

9.6.2000
In Dahlen (Landkreis Oschatz) blockieren Flüchtlinge für eine Stunde mit Autos um Möbeln die Bahnhofsstraße. Außerdem treten sie in einen Streik. Die 200 Flüchtlinge in Taucha (Landkreis Delitzsch) treten in einen Streik und verweigern die Annahme der Freßpakete.

14.6.2000
Ein Sprecher der Flüchtlinge in Leipzig-Grünau wird von der Polizei zwangsweise nach Grimma umverteilt. Die Flüchtlinge in Taucha senden ihre Forderungen in einem offenen Brief an das Regierungspräsidium Leipzig. Daneben erarbeiten sie einen umfangreichen Forderungskatalog. Die Flüchtlinge aus dem Heim in Markkleeberg wenden sich ebenfalls mit einem Brief an das Regierungspräsidium Leipzig.

17.6.2000
Auf der antifaschistischhen Demonstration durch Leipzig-Grünau beteiligen sich einige Flüchtlinge und machen mit einem Flugblatt auf ihre andauernden Proteste aufmerksam. Außerdem verlesen sie auf der Demonstration einen Redebeitrag.

18.6.2000
10 Flüchtlinge im Heim in Taucha treten in den Hungerstreik.

20.6.2000
Ein erneuter Erlaß aus dem SMI bekräftig eigene Position.

21.6.2000
In Taucha sperren die Flüchtlinge aus Protest den Heimleiter stundenlang aus.

22.6.2000
Aufgrund des Hungerstreiks bricht einer Iranerin im Heim in Taucha zusammen und wird ins Krankenhaus gebracht.

23.6.2000
Landtagsdebatte zum Asylbewerberleistungsgesetz.

Ende Juni
Flüchtlinge aus den verschiedenen Heimen treffen sich das erste Mal und beschließen, ihre Aktionen fortan heimübergreifend zu planen und diskutieren. Auf diesem Treffen wird auch der gemeinsame Forderungskatalog ausgearbeitet.

30.6.2000
Aufgrund des neuen Erlasses des SMI (siehe 20.6.2000) treten erneut Flüchtlinge in der Liliensteinstraße in den Hungerstreik.

3.7.2000
Flüchtlinge aus verschiedenen Heimen in Leipzig und Umgebung (Leipzig 3 Heime, Taucha, Markleeberg, Doberschütz, Bahren) treten gemeinsam in einen Streik (Hungerstreik bzw. Verweigerung der Annahme der Freßpakete/kein Einkauf in den Heimläden/Boykott der Kantinenverpflegung/keine Annahme des Taschengeldes). Am Vormittag erläutern sie ihre Forderungen auf einer Pressekonferenz im Leipziger Rathaus.

4.7.2000
Aufgrund der Proteste in Bahren (Muldentalkreis) wird der Firma, die den Laden im Heim betreibt, von Seiten des Ordnungsamtes gekündigt. Die Kontrollen hätten ergeben, daß die Preise tatsächlich überteuert gewesen wären. Die Flüchtlinge geben sich jedoch mit dem Betreiberwechsel nicht zufrieden und setzen den Streik fort. Die Pressesprecherin der Stadt Leipzig verkündet, daß die Stadt sich den Weisungen des SMI und Regierungspräsidiums beugen werde. Die Flüchtlinge in Doberschütz (Landkreis Delitzsch) treten mit eigenen Forderungen in die Öffentlichkeit.

5.7.2000
In Zettlitz (Sachsen) zünden Flüchtlinge aus Protest gegen die Verpflegung ihr Heim an.

6.7.2000
700 Flüchtlinge und UnterstützerInnen demonstrieren unter dem Motto "Für unsere Würde" durch die Leipziger Innenstadt. Zwischenkundgebungen werden vor dem Leipziger Rathaus und dem Regierungspräsidium abgehalten. Zur gleichen Zeit demonstrierten in der Innenstadt von Grimma knapp 100 Flüchtlinge aus Bahren.

17.7.2000
Die Flüchtlinge aus dem Heim in Delitzsch schließen sich dem Streik an und boykottieren den Einkauf in der Verkaufsstelle des Heimes.

21.7.2000
Die Flüchtlinge aller Heime beschließen die Streiks vorerst zu beenden, da kurzfristige Erfolge mit dieser kräftezehrenden Aktionsform nicht zu erzielen seien. Es werden weitere Aktionen angekündigt.

2.8.2000
Ca. 40 Flüchtlinge im Leipziger Heim in der Wodanstraße verhindern eine geplante Abschiebung eines Tunesiers. Sie verwickeln die Polizei in eine Schlägerei, bei der eine Polizistin verletzt wird. Der Tunesier kann flüchten.

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