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Presseerklärung Leipzig, den 02.06.2000
Flüchtlingsrat Leipzig e.V.: „Stadt Leipzig läßt Flüchtlinge im Stich“
„Tief enttäuscht“ ist der Flüchtlingsrat Leipzig e.V. über die Entscheidung der Stadt Leipzig, Asylbewerbern und vielen geduldeten Flüchtlingen, die seit
über drei Jahren hier leben, ab 01.06.2000 weiterhin nur Sachleistungen, also Essen- und Hygienepakete, zu gewähren. „Die Stadt hat nicht den Mut,
die Interessen der Flüchtlinge gegen den Druck des Sächsischen Innenministeriums und des Regierungspräsidiums Leipzig zu verteidigen“, sagt Petra
Krüger, Sprecherin des Flüchtlingsrats Leipzig e.V. Während in anderen sächsischen Städten wie Zwickau oder Chemnitz die Betroffenen Bargeld
erhalten sollen und dies auch in anderen Bundesländern möglich sei, beuge sich die Stadt den zweifelhaften Beschlüssen der Landesbehörden.
Für die betroffenen Flüchtlinge heißt dies, dass nach drei Jahren Wartezeit mit abgesenkten Leistungen ihre Zuwendungen kaum erhöht werden, obwohl
sie Ansprüche auf Leistungen entsprechend Sozialhilfe hätten. Für Haushaltsvorstände und Jugendliche (von 14 - 17 Jahren) bedeutet dies ca. 40 DM
mehr Bargeld im Monat (123,70 DM bzw. 119, 50 DM statt 80 DM), für die übrigen Familienangehörigen keinen Pfennig mehr (weiterhin 40 DM).
Dies bewirken auch willkürliche Kürzungen: für „Verbrauchsgüter“ (im Wesentlichen Reinigungsmittel und Toilettenpapier) wird einer Familie mit zwei
Kindern z.B. ca. 100 DM pauschal abgezogen. Den Rest erhalten sie wie bisher als Sachleistungen. Die Betroffenen empfinden dies natürlich als
Betrug, und einige haben schon mit Boykottaktionen gedroht.
Hintergrund ist, dass ab 01.06.2000 wieder § 2 Asylbewerberleistungsgesetz angewendet wird, der für drei Jahre außer Kraft gesetzt wurde. Dieser
sieht vor, dass Asylbewerber sowie geduldete Flüchtlinge, die aus humanitären oder rechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden dürfen, nach drei
Jahren Wartezeit Leistungen entsprechend Sozialhilfe erhalten sollen. Der Streit dreht sich um das Wörtchen: „entsprechend“. Das
Oberverwaltungsgericht Sachsen hatte schon im Dezember 1994 in einem Eilverfahren entschieden, dass auch die Form der Leistungen entsprechend
Sozialhilfe sein müsse: also Bargeld. Eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes 1997 ermöglicht zwar, dass die zuständige Behörde, aufgrund
örtlicher Umstände, über die Form entscheiden darf. Das Verhältnis von Regel und Ausnahme wird dadurch aber nicht umgekehrt. Dies tut jedoch der
Erlass des Innenministeriums vom 12.05.2000, nach dem die Stadt nun handelt. Dort heißt es: „In der Regel werden Geldleistungen nur ausnahmsweise
gewährt werden können, wenn ausgeschlossen werden kann, dass es auf Grund unterschiedlicher Leistungsformen in derselben Unterkunft zu
Störungen des Hausfriedens kommt.“ Auf die wahrscheinlichen Proteste durch die enttäuschten Hoffnungen der eigentlich Bevorrechtigten geht der
Erlass nicht ein.
Nachdem auch das Regierungspräsidium Leipzig der Stadt Leipzig vorhielt, ihr Plan, Geld auszuzahlen, sei vorschriftswidrig, entschloss sie sich, diesem
Druck nachzugeben. Der Flüchtlingsrat Leipzig e.V. bittet die Stadt dringend, den Mut früherer Jahre auch diesmal aufzubringen und sich für die
Flüchtlinge einzusetzen. Dass es möglich ist, haben andere Kommunen gezeigt. Und selbst im Erlass des Innenministeriums heißt es: „Allein die
zuständige Behörde ist befugt, die Form der Leistung zu bestimmen.“ Und das ist laut Verwaltungsvorschrift zum Asylbewerberleistungsgesetz das
örtliche Sozialamt.
Petra Krüger
Sprecherin

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