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Leipziger Volkszeitung, Regionalbeilage Oschatz 14.06.2000

Nach der Straßensperrung am Wochenende:
Asylbewerber in Dahlen wollen weiter protestieren

Die Asylbewerber in Dahlen setzen ihren Protest fort. Nachdem sie am vergangenen Freitag für eine Stunde mit Autos und Möbeln die Bahnhofstraße blockiert hatten, kündigten sie gestern gegenüber der OAZ weitere Aktionen an. Auch ein Hungerstreik gehört dazu. Das Ordnungsamt der Kreisbehörde versucht, die Wogen zu glätten.
Der kleine Verkaufsladen im Keller ihres Wohnheimes ist der Auslöser für den Ärger der Asylbewerber. Die Produkte dort seien viel zu teuer, das Geschäft zu eng, das Angebot zu klein, klagen sie. Darum wollen die Heimbewohner selbst entscheiden, wo sie einkaufen gehen. "Dazu müssten wir doch wohl fähig sein", meinte gestern ein Kosovare, der bereits seit achteinhalb Jahren mit seiner Familie im Dahlener Heim wohnt.
Der Grundsatz "Sachleistung vor Geldleistung" verhindert, dass die Asylbewerber ihren Supermarkt selbst auswählen können. Bislang bekommen sie 80 Mark Bargeld im Monat (Kinder 40 Mark). Den Rest ihrer Bezüge erhalten sie in Form von Gutscheinen, die aber nur im Laden des Wohnheimes eingetauscht werden können.
Eigentlich hatten die Asylbewerber zum 1. Juni mit einer Verbesserung ihrer finanziellen Lage gerechnet. Denn wer länger als 36 Monate in Deutschland ist, sollte nun laut neuem Gesetz Bezüge in Höhe der Sozialhilfe erhalten. Doch für die Asylbewerber entsteht daraus kein Anspruch auf mehr Bargeld.
"Wir wollen nicht, dass zwischen denen, die jetzt mehr Geld bekommen würden und denen, die weniger haben, Rivalitäten entstehen", erklärte Lothar Kuntz, beim Leipziger Regierungspräsidium zuständig für Ausländerfragen, gegenüber unserer Zeitung. "Darum halten wir uns mit Auszahlungen von Geldleistungen zurück", so Kuntz.
Im Fall Dahlen hat der Beamte kein Verständnis für die Wahl der Protestmittel. "Es geht nicht an, dass die Asylbewerber mit Straßensperrungen Leistungen einfordern wollen", sagte der Referatsleiter. Er empfehle Ordnungsamt und Polizei, "entsprechende Mittel anzuwenden", damit weitere Störaktionen verhindert würden.
Die Oschatzer Polizei teilte mit, sie wolle gegen die Asylbewerber Anzeige wegen Gefährdung des Straßenverkehrs erstatten. Das werde derzeit geprüft, so Revierleiter Gerhart Hänsch. Die Asylbewerber in Dahlen schließen weiteren Protest trotzdem nicht aus, um mehr Freiheiten beim Einkauf zu erhalten. "Meine Kinder möchten auch mal zu McDonald's essen gehen", wies ein Kosovo-Albaner auf das Problem hin. Mit dem wenigen Bargeld sei das aber kaum möglich.
Ein Palästinenser, der seit drei Jahren im Dahlener Heim wohnt, empört sich: "Die Preise in unserem Kellerladen sind teurer als in der Tankstelle. Die machen doch Geschäfte mit uns."
Seit einer Woche sind etliche Asylbewerber darum im Hungerstreik, wie sie der OAZ gestern mitteilten. Jutta Pfennig vom Landratsamt in Torgau wollte das nicht bestätigen. "Einige haben die Annahme von Nahrungsmitteln verweigert. Außerdem wird die Verkaufsstelle bestreikt", sagte die Ordnungsamtsleiterin. Sie versuchte auch gestern wieder, im Gespräch mit den Asylbewerbern die Situation zu entschärfen. "Doch ich kann keine Versprechungen machen, die ich nicht halten kann", sagte sie. Der Protest wird vorerst also weitergehen.
Gerit Schulze

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