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Leipziger Volkszeitung, Regionalbeilage Delitzsch 26.07.2000
"Der Mensch ist wichtig - einer wie der andere"
Im K & S Wohnheim im Delitzscher Stadtteil Spröda leben zurzeit 132 Asylbewerber aus 12 Ländern
13.016 Asylbewerber erhielten im vergangenen Jahr in Sachsen Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Das gab das statistische Landesamt in Kamenz kürzlich bekannt. Der Landkreis Delitzsch zählte 710 Asylbewerber, 586 davon waren Männer.
Im K & S Wohnheim im Delitzscher Stadtteil Spröda wohnen zurzeit nur noch Männer. Die 132 17- bis 56-Jährigen warten auf die Bewilligung ihrer Asylanträge, berichtet Heimleiter Karlheinz Lindau.
Etwas trist wirken die drei Häuser des Asylbewerberheimes vor dem Stadtforst. Niemand ist im Freien zu sehen, menschenleere Stimmung. Aber in den Häusern ist Leben. Zwölf Nationalitäten leben hier zusammen. Nach der Flucht aus ihren Heimatländern, darunter Indien, Jugoslawien, Iran und Ägypten, haben sie hier einen Platz gefunden. Vielleicht für kurze Zeit, manchmal auch für Jahre. Nur fünf Prozent der Asylanträge in Deutschland haben die Chance auf Erfolg, so Angelika Stoye, Dezernentin im Delitzscher Landratsamt.
Etwa 4,5 Quadratmeter Wohnraum stehen jedem Asylbewerber gesetzlich zu. In den Delitzscher Zimmern befinden sich Betten, Schränke, Tische, Stühle, Ölheizung und Kühlschränke. Küchenutensilien hat jeder Bewohner selbst, gekocht wird in den Gemeinschaftsküchen. Da die Zimmer der Intimbereich der Männer sind, betont Karlheinz Lindau, müssen sie sie auch selbst säubern.
Mit Quittungslisten kann im Magazin bei Christel Decker unbar für 8,50 Mark pro Tag eingekauft werden. Dort gibt es rund 1000 Artikel - Reis, Marmelade und nach muslimischen Reinheitsvorschriften geschlachtetes Fleisch. Einmal im Monat erhalten die Heimbewohner Kosmetika im Wert von 20 Mark. Alle Produkte kauft das Heim vorher bei einem Großhändler, einem Bäcker und einem Obst- und Gemüsegeschäft. Außerdem bekommen die Männer für die persönlichen Bedürfnisse wie Kino, Briefe oder mal ein Bier 80 Mark Taschengeld im Monat. Aber schon eine Busfahrt vom Stadtforst in das sechs Kilometer entfernte Delitzsch kostet hin und zurück vier Mark.
Das Heim ist weiterhin für die Ausgabe der Krankenscheine, Post und Reinigung der Gemeinschaftsräume durch Hausmeister Herbert Gohl zuständig. Drei Waschtage stehen den Heimbewohnern zur Verfügung.
Tag und Nacht können die Männer das Heim verlassen, dürfen sich aber nur im Landkreis Delitzsch aufhalten. Urlaub außerhalb des Landkreises gibt es nur mit besonderer Genehmigung des Landratsamtes, wie Angelika Stoye informiert.
Da den Asylanten keine Arbeitserlaubnis und kein Deutschkurs zugestanden werden, sind ihre Tagesaktivitäten beschränkt. Oft nutzen sie das vielseitige Sportangebot - Volleyball, Tischtennis, Kraftsport und eine Ruderbank. Die Muslime beten in der kleinen Moschee (um die sie sich selbst kümmern). Andere gehen spazieren, mal ins Kino. Und viele pflegen Freundschaften in Delitzsch. Wie der Heimleiter zu verstehen gibt, erleben sie dabei hin und wieder Diskriminierung, wenn sie zum Beispiel wegen ihrer Hautfarbe nicht in eine Disko gelassen werden.
Karlheinz Lindau, seit Dezember 1995 an dieser Stelle, weiß meist nichts über die biographischen Hintergründe der einzelnen Männer. Manchmal, so deutet er an, kommt aber jemand von ihnen und schüttet sein Herz vor dem Heimleiter aus. Dabei macht Karlheinz Lindau deutlich: "Für mich ist der Mensch wichtig - einer wie der andere. Ich mache da keine Unterschiede."
E.K.

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