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Leipziger Volkszeitung, Regionalbeilage Eilenburg 19.07.2000
Mehr Handlungsfreiheit wäre angebracht!
Zum Thema "Gedanken zu Protestaktionen in Asylheimen" erhielten wir folgende Leserzuschrift:
Die Probleme, die in den letzten Tagen in der LVZ standen, u.a. in Bezug auf die Verpflegung in den Asylheimen, habe ich auch durch meinen Mann (einem Ausländer) kennengelernt. Die "Hygienebeutel" empfand ich damals als ein Witz und wahrscheinlich hat sich nichts geändert. Die Einzigen, die von dieser Art der Verteilung der Waren Nutzen haben, sind offensichtlich die Händler, welche die Belieferung übernahmen und der Staat (Steuern).
Ein Jahr sind wir verheiratet und wir sind immer noch in der "glücklichen" Lage, kein Duschbad kaufen zu müssen, so viel wurde in diese Beutel gepackt. Der folgende Gedanke bleibt einfach nicht aus: Trotz des vielen Schaumbades ist es nicht gelungen, die Hautfarbe zu verändern! Wir hatten auch Abnehmer in unserem Bekanntenkreis für Wegwerf-Rasierapparate, besagtem Duschbad, auch für Deosprays und Rasiercrems. Waren es dennoch zu viele, war der Mülleimer die Lösung für unsere Entsorgungsprobleme geworden.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies im Sinne der Steuerzahler ist. Auch die Preise, die in diesen Magazinen verlangt werden, grenzen ans Unverschämte. Abzocken von Geldern, die zur offiziellen Verfügung stehen, um damit die Menschen zu ernähren, die wir als Ausländer betrachten. So "durfte" mein Mann, damaliger Freund, für einen bestimmten Wert an Geld Schuhe erwerben. Verkauft wurde in einem Lkw-Container. Es waren jedoch in seiner Größe nicht genug Schuhe vorrätig, so dass er gezwungen war, Schuhe zu "kaufen", die mehr als eine Nummer zu groß waren, nur damit der Wertschein/Gutschein auch vollständig eingelöst wurde. Sie dienen heute als Mahnmal, dass keiner von uns je (wieder) in solch eine Situation kommen möge.
Warum in Gottes, Allahs, Buddhas oder was weiß ich welchem Namen lässt man den Menschen nicht ein bisschen mehr Handlungsfreiheit, statt dessen, so scheint es mir, nimmt man erwachsene mündige Menschen "an die Hand" und geht mit ihnen einkaufen (LVZ vom 5. Juli). Mein Mann ist gelernter Bankkaufmann und wäre durchaus in der Lage gewesen, mit Geld umzugehen und ich glaube auch, dass dies viele andere Ausländer können... und seien wir ehrlich, schwarze Schafe gibt es auch unter uns Deutschen.
Sagt nicht unser aller Grundgesetz, dass die Würde eines Menschen un- antastbar ist? War es denn nicht würdelos, als Deutsche "betteln" mussten, um ins Ausland, welches sich BRD nannte, zu fahren? Möchten wir denn aus einem Container Waren beziehen? Gehen wir nicht alle gerne mal Bummeln/Shoppen? Wir sollten überlegen, ob sich nicht die ausländischen Menschen ähnlich fühlen, wenn sie einkaufen wollen, Freunde besuchen möchten, welche vielleicht im Nachbarkreis im Asylheim wohnen (Besuch ohne Antrag ist in unserem Staat nicht möglich, wenn überhaupt!). Ich denke, dass ausländische Menschen anatomisch genauso "gebaut" sind wie wir, also fühlen sie, sehen sie, erleben sie, essen sie usw. wie wir. Einziger Unterschied ist für mich, meinen Sohn und meiner Familie - die Farbe der Haut (und oftmals noch nicht mal dies). Wenn dies alles so ist, warum lässt man sie nicht auch so leben und arbeiten? Ist der Gedanke und die Hoffnung Arbeit zu finden uns denn so unbekannt? Wollen nicht die meisten von uns ihr Geld durch eigene Hände Arbeit verdienen? Auch dies hat für mich etwas mit Würde zu tun.
Mein Mann hatte trotzdem Glück, weil die Heimleitung sehr zugänglich war, das linderte sicher manchen seelischen Schmerz. Warum so viele Vorschriften? Gesetze, Vorschriften, Regeln sind sicher wichtig und richtig, dies ist weltweit so. Trotzdem wünschte ich mir ein konsequentes überdenken der bestehenden Gesetze durch unsere Politiker, damit die Vielfalt eines Miteinander-Lebens besser möglich ist in unserem Staat. Ein Umdenken in den Köpfen von uns allen wäre auch nicht schlecht, denn auf der blauen Erdkugel sind wir alle (egal woher wir stammen) nur Gäste.
Herrn Kamran Taregh und seinen Mitbewohnern wünschen wir den Mut den Hungerstreik zu beenden, denn Aufmerksamkeit hat man erreicht, gilt es jetzt zu verändern und ich glaube dies geht in Deutschland nur über den Behördenweg. Dafür ist Kraft und Ausdauer notwendig, die kann aber nur ein gesunder Mensch aufbringen.
A. Kh., Eilenburg

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