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Bargeld statt Sachleistungen für Flüchtlinge

- Einige Hintergrunderläuterungen zum § 2 Asylbewerberleistungsgesetz -

Flüchtlinge in der BRD leben in einer künstlich erzeugten materiellen Bedürftigkeit. Verschiedene Regelungen verhindern, daß Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert werden: So gilt ein generelles Arbeitsverbot für Flüchtlinge, die in Erstaufnahmeeinrichtungen leben sowie für Flüchtlinge, deren Verfahren bereits abgeschlossen ist und die eine Grenzübertrittsbescheinigung haben und ferner für Flüchtlinge, deren Ehepartner/innen über einen befristeten Aufenthalt oder eine Duldung verfügen. Letzteres bedeutet, daß z.B. die Ehefrau eines Mannes, der das sogenannte "kleine Asyl" (§ 51 AuslG) hat, und die kein Asyl beantragt hat oder deren Verfahren erfolglos beendet wurde, für die Dauer von einem bis vier Jahren keine Lohnarbeit annehmen kann. (vgl. Asylverfahrensgesetz und Arbeitserlaubnisverordnung)

Seit mehreren Wochen machen Flüchtlinge durch Protestaktionen auf folgendes Problem aufmerksam: Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), das die rechtliche Grundlage für die Versorgung der Flüchtlinge darstellt, besagt in §2 Abs.1:
Flüchtlinge, die bereits über eine Dauer von drei Jahren, frühestens beginnend am 01.Juni 1997, hier leben und deren Asylverfahren noch immer nicht rechtskräftig abgeschlossen ist sowie Flüchtlinge, deren "Ausreise nicht erfolgen kann und aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, weil humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe oder das öffentliche Interesse entgegenstehen" und die bisher Sachleistungen in Form von Lebensmittel- und Hygienepaketen, Wertgutscheine für Kleidung sowie 80,-DM Taschengeld bekamen, sollen Leistungen entsprechend der Sozialhilfe (BSHG) erhalten.
Der § 2 Abs 2 besagt, daß "bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft (...) die zuständige Behörde die Form der Leistung aufgrund der örtlichen Umstände" bestimmt.
Dieser Paragraph wird in den Bundesländern, sogar in den Kommunen unterschiedlich ausgelegt. So erhalten die genannten Personengruppen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt Geldleistungen. Aber auch die Städte Zwickau und Chemnitz zahlen Bargeld entsprechend dem BSHG. Die Stadt Leipzig wollte ebenfalls ursprünglich Bargeld auszahlen. Allerdings fügte sie sich einem Erlaß des Sächsischen Innenministeriums vom 12.05.2000 und einer weiteren Anordnung des Regierungspräsidiums vom 29.05.2000, wonach weiterhin die Gewährung von Sachleistungen die Regel und die von Bargeld die Ausnahme bleiben sollte. Wer drei Jahre in einem Leipziger Asylheim lebt, soll nun Zuwendungen bekommen, die kaum höher sind als die bisherigen Leistungen. So soll ein Haushaltsvorstand zwar ca. 40,-DM mehr im Monat erhalten. Dafür macht die geldgebende Seite Einsparungen, wenn sie viel zu hohe Pauschalbeträge für "Verbrauchsgüter" wie Toilettenpapier und Reinigungsmittel (für eine vierköpfige Familie werden 100,-DM berechnet) von der Sozialhilfe abzieht.
Nach Protesten von Flüchtlingen in Leipzig und Umgebung einigten sich die entsprechenden Stellen in Leipzig darauf, zunächst das Bargeld auszuzahlen. Dies gilt auch noch für den Monat Juli, was womöglich eher einen technischen Grund hat: Die Flüchtlinge müssen für die Paketversorgung rechtzeitig ihre "Bestellungen" aufgeben, was durch die Streiks im Juli nicht erfolgte.

Flüchtlinge der hier aufgeführten Gruppen haben durch die lange Aufenthaltsdauer oft ebenso neue Ansprüche wie anerkannte Flüchtlinge. Die Kinder gehen seit Jahren in die Schule, sind mangels Geld aber von Klassenfahrten ausgeschlossen. Erwachsene haben ein Studium aufgenommen, verfügen aber nicht über das Bare, die Studienmittel zu erwerben. Flüchtlinge betreiben Asylverfahren, haben aber mit 80,-DM Taschengeld nicht die Möglichkeit, einen Rechtsbeistand zu finanzieren. Die restriktive Handhabung des §2 Abs.2 in Sachsen bedeutet eine Verschärfung der sozialen und rechtlichen Ausgrenzung und Isolation der Flüchtlinge.

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