Redebeitrag von Flüchtlingen zu den momentanen Protesten gegen das Asylbewerberleistungsgesetz:

Guten Tag,

im Jahre 1997 wurden nach einem Beschluß im Bundestag die Sozialhilfe für Asylbewerber um 20% gekürzt.
Dieses Gesetz wurde verabschiedet, um Häuser in Bosnien aufzubauen und war somit auf drei Jahre beschränkt. Daß wir als Flüchtlinge dafür aufkommen sollen, daß die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien schneller zurückgeschoben werden können, war schon ein besonderer Trick, der die rassistische Politik der Bundesregierung augenscheinlich macht.
Das Sächsische Innenministerium verschärfte die Situation aber noch, indem es entschied, daß die Leistungen als Sachleistungen ausgegeben werden. Statt Geld gibt es Essenspakete, Hygieneartikel und Wertgutscheine für Bekleidung. Das Schlimme daran ist nicht nur, daß wir uns nicht mehr aussuchen können, was wir essen und anziehen wollen. Hinzu kommt nämlich noch, daß die Qualität der Essenspakete oft sehr zu wünschen übrig läßt. Die Produkte sind zum Teil überlagert, schon halb verschimmelt, es gibt kein frisches Fleisch oder Gemüse - sondern immer nur Tiefkühlfrost. Aus Protest gegen die Paketverpflegung traten wir nach deren Einführung im Jahre 1997 in einen fünfwöchigen Hungerstreik. Als kleinen Erfolg konnten wir durchsetzen, daß wir seitdem in Leipzig Listen erhalten und dort aus einer recht beschränkten Auswahl von Lebensmitteln uns den Inhalt der Pakete aussuchen können. Trotzdem waren wir mit dieser Situation nie zufrieden. Alle Produkte, die wir uns aussuchen können, sind 2 bis 3 mal teurer als in einem normalen Geschäft. D.h. daß wir eigentlich 80% der Sozialhilfe erhalten, in Wirklichkeit aber nur Sachen im Gegenwert von rund 200 DM.
200 DM sind wirklich viel zu wenig zum Leben! Man darf nicht vergessen, daß wir nach dem geltenden Ausländerrecht nicht arbeiten dürfen und medizinische Hilfe nur in akuten Notfällen geleistet wird.
Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde eingeführt, um Flüchtlinge abzuschrecken. Wer nur 80,- DM Taschengeld im Monat bekommt, immer schlechtes und beschränktes Essen vorgesetzt und teilweise abgetragene Kleidung anziehen soll, überlegt es sich dreimal, ob er das Grundrecht auf Asyl wahrnimmt - oder nicht lieber in ein anderes Land flüchtet bzw -freiwillig- aus der BRD ausreist.
Nach Ablauf der 3-Jahresfrist am 1.6.2000, auf der die Kürzung um 20% beschränkt war, sollten die AsylbewerberInnen wieder Leistungen analog zum Bundessozialhilfegesetz bekommen. Die Stadt Leipzig händigte jedoch weiter die Essenspakete aus. Dagegen haben wir uns gewehrt und die Pakete nicht in Empfang genommen. Wir sind in einen unbefristeten Hungerstreik getreten und haben unsere Forderungen der Öffentlichkeit mitgeteilt.
Mit dem Streik begannen die Flüchtlinge aus dem Grünauer Heim am 2.6.2000. An dem Streik beteiligten sich 150 Flüchtlinge. Im Lauf der Woche schlossen sich Füchtlinge aus anderen Heimen in Leipzig und Umgebung an. So wurde in dem Leipziger Heim in der Torgauer Str. die Bundesstraße am 5.6.2000 über zwei Stunden lang blockiert.
Am Mittwoch, den 7.6.2000 haben die Behörden beschlossen, den Asylbewerbern, die seit drei Jahren in Deutschland sind, Bargeld in voller Höhe auszuzahlen. Diejenigen aber, die eine Duldung haben und auch schon 3 Jahre im Land sind, erhalten zum Teil weiterhin die Pakete. Die Entscheidung, wer in den Genuß von Bargeld kommt, trifft die Zentrale Ausländerbehörde in Chemnitz. Da die meisten Flüchtlinge in den Heimen, die länger als 3 Jahre hier sind, nur eine Duldung haben, ist es unklar, wieviele Flüchtlinge nun wirklich das Geld bekommen. Deshalb protestieren wir dagegen, daß jetzt eine neue Ungleichbehandlung eingeführt wird bei den Flüchtlingen, die über eine Duldung verfügen. Die Behörde kann recht willkürlich entscheiden, wem sie Geld gibt und wem nicht. Wir befürchten, daß Flüchtlinge, die am Streik teilgenommen haben, damit bestraft werden sollen, daß sie weiterhin die Pakete bekommen.
Die Proteste in den Heimen in der Umgebung von Leipzig dauern noch an, da dort weiterhin alle Flüchtlinge gezwungen sind, die Paketnahrung zu essen. Dabei kam es sogar schon zu Festnahmen durch die Polizei.

Wir fordern die Gleichbehandlung alle Menschen!
Wir fordern, daß alle Flüchtlinge die gleichen Leistungen nach dem Sozialhilfegesetz erhalten!
Wir fordern die Abschaffung des rassistischen Asylbewerleistungsgesetzes!
Wir fordern die Einstellung aller Verfahren, die gegen uns wegen den Protesten eingeleitet wurden!
Wir fordern die Rückverlegung aller Flüchtlinge, die wegen den Protesten zwangsweise in ein anderes Heim gebracht wurden!


nach oben