radio st. paula

Von Holzwegen, falschen Pferden...

...und interner Projektpolitik, wie sie sein sollte

"Wenn das hier so weiter geht, muss ich mir wirklich überlegen, ob ich dabeibleibe!" So oder ähnlich erbittert klingt's mindestens einmal auf jedem Plenum. Kein Wunder: das FSK robbt sich gefährlich an sein10-jähriges Jubiläum heran, da ist es höchste Zeit, den Selbstzerfleischungsprozess auf die Spitze zu treiben. Wieso sollte FSK dem Gang aller linken Projekte, nämlich an ungelösten und mies ausgetragenen Konflikten zu ersticken, entkommen? Daran, dass niemand mehr Bock hat, die AnbieterInnengemeinschaftssitzungen nur durchhalten zu müssen, sind selbstredend die jeweils anderen schuld, und zwar komplett. Im Groben zwei Sündenbock-Varianten nach dem beliebten Muster "die Guten gegen die Bösen" (wo bleibt eigentlich die breite Masse der Mittelmäßigen?) stehen zur Auswahl: - entweder die "Machtclique" um bestimmte Vorstandsmitglieder aus den Reihen von namentlich Radio Loretta und Uni Radio, die böswillig und mit falschen inhaltlichen Vorwürfen "missliebige" Radiomachende absägen und rausschmeißen wollen; - oder die bei Forum Radio versammelten altlinken "Klassenkämpfer", die mit inhaltlichen Plattitüden dem Projekt schaden und mit demagogischen Mitteln die Arbeitsfähigkeit der AnbieterInnengemeinschaft untergraben.

Mögen diese extremen Charakterisierungen auch das Ansinnen und Vorgehen einzelner durchaus treffend beschreiben, trägt jedoch das auf beiden Seiten spürbare vereinfachte Bewusstsein darüber, welches Lager nun das der bösen Wölfe sei, bereits die realitätsverzerrenden Züge, die aus der Sicht der ZuschauerInnen eines politischen Kasperletheaters durchaus zum Lachen wären. In unserem eigenen Laden aber ist es doch eher zum Heulen, dass jede inhaltliche Auseinandersetzung (wie die um die Antikriegsschleife und kürzlich um Antisemitismus) zwangsläufig in diesen Abwasserkanälen von Ressentiments und Unterstellungen, Selbstverteidigung und Selbstinszenierung, Rechthaberei und politischen Klischees untergeht. Wo sich selbst die notwendigste inhaltliche Kritik mit Häme, Herablassung und dem erklärten Interesse verbindet, den gegnerischen Einfluss auszuschalten, verspielt sie von vornherein jede Chance, für tatsächliche Auseinandersetzung Raum zu lassen, und macht sich auf kontraproduktive Weise anrüchig. Andererseits: Wo inhaltliche Kritik reflexhaft als Machtmittel diffamiert, ohne politische Selbstverantwortung abgewiesen und mit beleidigendem Schlamm beantwortet wird, verkrumpelt selbst der schwächste Ansatz einer kritischen Debatte, ohne die ein Projekt wie FSK verloren gegeben werden kann.

FSK ist ein heterogener Zusammenschluss von Radiogruppen des linken Spektrums, die ehemals versprengt auf dem Offenen Kanal sendeten. Radio St.Paula ist eine davon, die sich bewusst auf das Arrangement eingelassen haben, Teil dieses in mehrerer Hinsicht gemischten Projekt zu sein. Für uns und alle anderen bedeutet es einen ständigen Kompromiss, im FSK organisiert zu sein. Inhaltliche Übereinstimmungen gibt es nur sehr bedingt. Auf einer feministischen Plattform bewegen wir uns jedenfalls FSK-weit nicht. Zu den bisherigen Versäumnissen im Gesamtprojekt gehört es, viele politische Kontroversen innerhalb des FSK nicht aufgebrochen zu haben. Wir haben keine politische Streitkultur mit den dazugehörigen Kommunikationsstrukturen entwickelt, die es uns jetzt erleichtern würde, Konflikte auf der sachlichen Ebene zu halten, ohne uns in einem heillosen und immer autoritärer werdenden Machtpoker zu verstricken, in dem immer neue formale Prinzipien geritten, immer neue Gegenmaßnahmen ergriffen, immer neue Zankäpfel gefunden werden, um die angeblich zu mächtig werdende Gegenseite klein zu kriegen.

Um das für alle Beteiligten nervtötende Chaos einer von Machtkonflikten zerriebenen AnbieterInnengemeinschaft einzudämmen, werden mit Vorliebe formale "Lösungsschritte" eingebracht wie neuerdings: satzungsgemäß zu Beginn jeder AnbieterInnengemeinschaft festzustellen, ob die "Gäste", also alle, auch Projektaktive, außer den Delegierten, aus der Sitzung ausgeschlossen werden sollen (eine Delegiertenstimme reicht dafür). Diejenigen, die diese neue Praxis befürworten, glauben, ihre Lehren gezogen zu haben aus den Sitzungen, in denen Forum Radio zur Bekräftigung seiner Forderungen eine Reihe von externen UnterstützerInnen aufbot.

Zweitens ermöglicht der Delegiertenschlüssel durch die jüngste gezielte Mitgliederwerbung für Uni Radio derweil ein strukturell gesichertes Stimmenübergewicht von Radio Loretta und Uni Radio in der AnbieterInnengemeinschaft mit zusammen 10 Delegierten über Forum Radio mit 3 Stimmen, Stadtteilradio und Radio St. Paula mit jeweils nur noch einer Stimme. Durch die bisher wahrscheinliche inhaltliche Übereinstimmung der zwei nunmehr größten Radiogruppen wäre es damit ein Leichtes, fortan als nervig erachtete Anträge ohne große Diskussion schnell niederzustimmen. Diese Konstellation schafft im Projekt ein politisches Unbehagen und notwendig heftigen Widerstand gegen Politikformen, die in der parlamentarischen Parteiendemokratie üblich, aber nicht einer libertären Projektstruktur angemessen sind, die FSK schließlich immer noch für sich in Anspruch nimmt. Gesicherte Abstimmungsmehrheiten nach dem Muster parlamentarischer Koalitionen in der AnbieterInnengemeinschaft für die Grundlage von Arbeitsfähigkeit zu halten, während gleichzeitig die projektinterne interessierte Öffentlichkeit im Glücksfall willkürlicher Gnade einzelner allenfalls geduldet wird, kommt einer resignativen Selbstaufgabe gleich, was den libertären Projektcharakter des FSK angeht. Für den Schwenk zum Autoritären liefern immer dramatische Kriseneinschätzungen und die vorgebliche "Rettung" irgendeines Gemeinwesens die Legitimation. Dem Scheitern der inhaltlichen Konflikte arbeiten formale Ausgrenzungs- und Konzentrationstendenzen hinterher, anstatt die Bedingungen für die Verhinderung von Auseinandersetzung erst einmal selbstkritisch zu analysieren. Zugegeben: das kostet Zeit und Nerven und ist längst nicht jedermanns und -fraus Sache. Dabei herauskommen werden nun mal keine Entscheidungen, die schnell durchzuziehen sind, auch keine harmonistische Stimmungslage nach dem Motto "wir haben uns alle lieb". Streitigkeiten um Interessen und politische Positionen, sogar Machtkämpfe sind legitim und aushaltbar, wenn sie verantwortlich vor den Mitteln, die die Ziele des Projekts konterkarieren, halt machen. Ziele und Mittel, Formen und Inhalte müssen miteinander in Einklang stehen, eine Art "Krisenmanagement" mit autoritärem Vorzeichen, um die politischen GegnerInnen kaltzustellen, wird nicht einmal vorübergehend Ruhe schaffen, sondern langfristig internen politischen Schaden anrichten. FSK muss intern mit freiheitlichen Mitteln mit den politischen und persönlichen Konflikten fertig werden, auch das kann bedeuten, dass Leute gehen müssen.

Irgendwo zwischen politischer Beliebigkeit und Orthodoxie müssen wir einen Weg finden, mit unserer Heterogenität zurechtzukommen, ohne jeden Scheiß zu integrieren. Es kann sich aber keinesfalls erübrigen, den Streit darüber, was derart zu bezeichnen wäre, bereitwillig zu führen. Es gibt viele Gräben entlang der verschiedenen gesellschaftlichen Unterdrückungsformen, die wir aufreißen könnten, ohne uns nur verbissen zur eigenen Selbstversicherung darin zu verschanzen. Diejenigen, die gestern überlegen kritisierten, können heute als Kritisierte dumm dastehen. Es scheint, dass wir viel mehr Aufmischung, jedoch auf eine neue "sozial verträgliche" Art brauchen, derer sich bisher kaum jemand bei FSK rühmen konnte. Kaum jemand, der oder die sich nicht in den bisherigen Auseinandersetzungen mit schlechtem Stil oder undifferenzierter Blocksolidarität die Finger schmutzig und genau damit zur Verhinderung einer sachlichen Ebene beigetragen hätte. Gemeinhin wird dem politischen und persönlichen Stil im FSK nicht allzu viel Bedeutung beigemessen. Das ist ein offensichtliches Manko, das zu beseitigen es einer gemeinsamen Anstrengung bedarf - so klar es auch ist, dass sich eklatante inhaltliche Kontroversen nicht auf die Frage von Umgangsformen reduzieren lassen und deutliche Kritik nicht verwässert werden muss, um annehmbar zu sein. Vielmehr geht es darum, bewusst auf Diffamierungen und Respektlosigkeiten zu verzichten, die die sachliche Legitimität einer Kritik nur beeinträchtigen können. In dieser Hinsicht sollte auch der Transmitter nicht zum Schmierenblatt verkommen.

Es ist eine der wichtigsten Bedingungen für die Weiterarbeit des Projekts, dass alle Beteiligten ihre verbiesterten schwarz-weiß gemalten Schuldzuweisungen, wer durch welche Politik den Karren in den Dreck gefahren habe und daher nicht tolerabel sei, aufgeben. Konfrontatives Erbsenzählen und rechtgläubige Starrheit, um klarzustellen, wer die Henne und wer das Ei gewesen sei, bringt uns nicht weiter. Weniger braucht das FSK irgendwelche "Maßnahmen" als vielmehr eine Art geistige Flexibilität, eine unvoreingenommene Nachdenklichkeit als Methode und Grundlage, auf der es gelingen könnte, Einfluss und Macht flexibel zu verhandeln und sich produktiv die Meinung zu sagen.

FSK ist schon lange reif für eine Supervision - worunter eine externe Konfliktmoderation zu verstehen ist. Um uns die teuren Profis zu sparen und diejenigen Kollegen im FSK, die die größte Angst vor Selbsthinterfragung haben, nicht allzu sehr herauszufordern, wäre auch die Bildung einer Art "Kommission" aus integrativen Einzelpersonen vorstellbar, die die Sitzungen der AnbieterInnengemeinschaft inhaltlich vorbereitet und die Diskussionen strukturiert. Eine geteilte Verantwortung für den Auseinandersetzungsprozess im FSK bedeutet aber gleichzeitig eine unter den 5 konstitutiven Radiogruppen gleichberechtigte Teilhabe an den Entscheidungen der AnbieterInnengemeinschaft. Da der geltende Modus der Stimmenvergabe (die Delegiertenstimmen steigen mit der wachsenden Anzahl von Mitgliedern einer Radiogruppe) den konkurrenzhaften Wettlauf bereits dreier Radiogruppen um Mitglieder und Stimmenmacht fördert und zur Marginalisierung derer führt, die sich, wie Radio St. Paula, einer solchen Fass-ohne-Boden-Methodik verweigern, sollte nach unserem Vorschlag durch eine Satzungsänderung jede Radiogruppe egalitär 3 Stimmen erhalten.

Ein zweiter Satzungsänderungsantrag beträfe die grundsätzliche Offenheit der AnbieterInnengemeinschaft für Projektaktive, die neben den Delegierten ein Recht darauf haben, an den Diskussionen des wichtigsten Gremiums teilzunehmen und sich ein eigenes Bild zu machen.

Wäre es nur eine Handvoll ausgemachter Querköpfe, die es bloß vor der Tür zu halten gälte, würden formale Lösungen vielleicht ausreichen, um alles wieder ins Lot zu bringen. Wenn wir aber zugeben müssen, dass die gesamten Kommunikationsstrukturen der Wurm eines Misstrauens durchzieht, dem immer wieder neue Nahrung vorgeworfen wird, gibt es keine einfachen Rezepte, uns aus der Spirale der Demoralisierung herauszuwinden. Es besteht aber Hoffnung, dass sich genau zu diesem Ziel eine verständigungsbereite Mehrheit im FSK zusammenfindet, zumal deutlich wird, dass die dramatisch zugespitzte Rede von der Krise sich immer weiter von der Realität ablöst. Es dauert nicht mehr lange, bis eigentlich niemand mehr durchblickt und sich erinnert, wer nun eigentlich was verbrochen haben soll. Der interne Heckmeck wird zum Selbstzweck, politische GegnerInnen erstarren zu Feind- und Phantombildern, energische Offenheit erstickt in kleingeistiger Verklammerung. Dagegen tut es jetzt not, aufbrechende Differenzen im Sinne einer politischen Beweglichkeit intern, aber auch nach außen nutzbar zu machen.

Mit freundlichen Grüssen,

Radio St. Paula

Navigation

Sprache

Deutsch | English

© radio st. paula
Zuletzt geändert: 28.7.2003