Wasserstände (juristische Hintergründe)
Interview mit Miguel D.: Droht eine Auslieferung wegen "radikal"?

Teil I (Deutsche Generalbundesanwaltschaft verfolgt Spanier in den Niederlanden)

Deutsche und niederländische Polizei gingen gemeinsam in den Niederlanden gegen die radikal vor. - Gespräch mit Miquel D., dem vorgeworfen wird, an der verdeckt organisierten Zeitschrift mitgearbeitet zu haben

F: Niederländische Polizisten haben gemeinsam mit deutschen Beamten Ihre Wohnung in Vaals wegen "radikal" durchsucht. Wie ist diese internationale Amtshilfe einzuschätzen?
Offenbar wollten sowohl der Ermittlungsrichter in Maastricht als auch die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe Tatsachen schaffen, die eventuell noch gar keine rechtliche Grundlage haben. Das paßt in die gesamten Ermittlungen gegen "radikal". So wurde auch der große Lauschangriff praktiziert, als er noch illegal war. Das wird dann nachträglich abgesegnet. Bei mir soll es wohl auch in diese Richtung gehen: Erst mal machen und dann sehen, wie die Resonanz ist. Auch deswegen will ich mit der Durchsuchung und den Vorwürfen offensiv umgehen. Neben meinem persönlichen Schutz und dem Wunsch, daß linke Themen in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert werden können, möchte ich zeigen, daß Deutschland hier wieder eine Politik betreibt, der sich andere Länder einfach zu beugen haben.
F: Die deutschen Behörden verfolgen im Ausland eine Zeitung, die dort überhaupt nicht verboten ist ...
Ja, sie sagen, es ginge nicht um eine Zeitung, sondern um die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Diese sei auch in den Niederlanden verboten. Aber da muß man betrachten, was die Basis dieser »kriminellen Vereinigung« sein soll.
F: Also müßten sich die niederländischen Behörden damit auseinandersetzen, wie eine kriminelle Vereinigung zu definieren sei. Es scheint, die Niederländer haben nicht mitbekommen, was in der BRD darunter alles gefaßt wird - wie eben das Herstellen einer Zeitung.
Oder sie wollten es nicht mitbekommen. Die Niederlande sind nicht per se ein liberales Land. Gerade bei vielen deutschen Linken existieren Vorstellungen darüber, wie liberal das Land sein soll. In manchen Punkten stimmt es, in anderen sind sie viel repressiver. Internierungslager für Flüchtlinge gab es beispielsweise früher als in der BRD. Wichtig ist allerdings, daß Deutschland gegenüber den Niederlanden ein mächtiges Land ist. Wahrscheinlich wurde nicht damit gerechnet, daß ein so großer öffentlicher Druck entsteht. Einige Tageszeitungen stehen der Sache kritisch gegenüber, außerdem gab es jetzt eine Kleine Anfrage in der zweiten Kammer des niederländischen Parlamentes.
F: Was werden Sie jetzt weiter unternehmen?
Ich weiß immer noch nicht, ob ein Auslieferungsgesuch aus der BRD vorliegt. Ich werde mich um Öffentlichkeitsarbeit in den Niederlanden und in Deutschland kümmern. So wird eine Auslieferung nicht so leicht durchzusetzen sein.
F: Liegt denn in den Niederlanden ein Haftbefehl vor?
Ich gehe nicht davon aus, aber ich weiß es nicht sicher. Bislang habe ich von den niederländischen Behörden noch gar nichts zugestellt bekommen. Sollte ein Auslieferungsgesuch vorliegen, werden mich die Niederländer wahrscheinlich erst mal festnehmen und dann darüber urteilen, ob sie mich ausliefern oder nicht.

Interview: Ann Lemmen, Vaals
(Quelle: junge Welt, Freitag, 27. Dezember 1996, Nr. 301, Seite 2)

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kombo(p) | kombo@riffraff.ohz.north.de | 11.7.1997