linksrhein Quelle: AZW Nummer 13, erschienen am 09.05.1995
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Zur deutschen Unterstützung der Kriegspartei Kroatien

Thomas Klein vom Rüstungsexportarchiv Idstein in der Infokneipe

Am Dienstag vergangener Woche war Thomas Klein vom Rüstungsexportarchiv im Kommunikationszentrum Idstein zu Gast in der Infokneipe. Sein Thema: die seit Jahren andauernde Aufrüstung Kroatiens, u.a. mit deutschen Waffen. Eine Aufrüstung, die trotz eines bestehendem Waffenembargos gegen sämtliche Nachfolgestaaten Jugoslawiens ungeniert betrieben wurde.

"Vermutlich gab es in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten kaum ein Waffenembargo, dessen Einhaltung von den führenden Rüstungsexportländern so wenig befolgt, wurde wie dieses", so Thomas Klein. Denn ohne staatliche Unterstützung wäre es für Kroatien und Bosnien nicht möglich gewesen, so schnell und in diesem Umfang seine Waffenarsenale aufzufüllen.

Während Serbien auf gut gefüllten Waffenkammern zurückgreifen konnte, da die Hauptproduktionsstätten des ehemaligen Jugoslawien auf seinem Territorium liegen, rüstete Bosnien vor allem mit Hilfe islamischer Länder und der Türkei auf. Der Hauptlieferant Kroatiens war hingegen Deutschland. Laut Angaben des Spiegel stammt knapp die Hälfte aller von Kroatien eingeführten Waffen aus Deutschland. In Zahlen für den Zeitraum von 92 bis 94: von den 660 Mio Dollar , die Kroatien für den Import von Waffen verwendet hat, waren 320 Mio Dollar für Waffen aus Deutschland.

In seinem Vortrag führte Thomas Klein hierfür auch konkrete Belege für deutsche Rüstungslieferungen an:

Die Unterstützung der kroatischen Kriegsseite hält bis heute an. Die Eroberung der serbisch besiedelten Krajina durch die kroatische Armee ist hierfür ein beredtes Beispiel. Nicht nur, daß die Vertreibung von nahezu 200000 serbischen ZivilistInnen aus einem von ihnen seit ca. 400 Jahren bewohnten Gebiet kaum mehr als diplomatisches Bedauern bei Außenminister Kinkel hervorrief; nicht nur, daß mittlerweile bekannt wurde, daß NATO-Bomber serbische Artelleriestellungen in der Krajina ausschalteten und unter anderem hiermit den schnellen Vormarsch der kroatischen Armee ermöglichten. Auch im Vorfeld dieses Vertreibungsfeldzuges sagte der bayerische Wohnungsminister seinem kroatischen Amtskollegen einen 30 Mio DM Kredit zu, der für den Wiederaufbau in der damals noch serbisch beherrschten Krajina bestimmt war.

Ob für diese Parteinahme auf kroatischer Seite eher historisch Gründe ausschlaggebend sind - Kroatien war ein wichtiger Verbündeter des deutschen Faschismus in Südosteuroa - oder die Absicht der heute in Deutschland bestimmenden politischen Kräfte, sich nach dem Umbruch in Osteuropa diese Einflußsphäre über loyale verbündete Staaten zu sichern, die in hohem Maße von ihnen abhängig sind, wurde in der an den Vortrag anschließenden Diskussion kontrovers erörtert. Fakt bleibt, daß ohne politische, militärische und ökonomische Einmischung Deutschland der Konfliktverlauf auf dem Balkan ein anderer gewesen wäre.

Die in dem Vortrag angeführten Belege für die massive deutsche Unterstützung Kroatiens - beginnend mit der einseitigen und gegen den Willen der wichtigsten anderen europäischen Mächte und der USA erklärten Anerkennung Kroatiens- werfen natürlich auch noch mal ein anderes Bild auf die hierzulande mit großem Eifer und heftigen Anklagen geführten Debatte um die angebliche Notwendigkeit einer Intervention in den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien. Nach Ansicht von Thomas Klein sind dies Scheindebatten, da sie die seit Jahren von Deutschland praktizierte Intervention ignorieren. Zur Freude der Regierung, die sich derweil kräftig die Hände reibt, bringt die Debatte sie doch dem Ziel ein gutes Stück näher, eine öffentliche Legitimation für die von ihr in Zukunft wieder weltweit geplanten Einsätze der Bundeswehr zu schaffen.

Wolfgang Isele

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