linksrhein Quelle: AZW Nummer 02, erschienen am 25.05.1995
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Autonomes Zentrum

Panama - oder ein kommunalpolitisches Lehrstück

In einem der zahlreichen kommunalen Blättchen ist der/die geneigte LeserIn mit Sicherheit schon einmal auf das Projekt Panama gestoßen. Deshalb kurz zu dessen Bewandtnis. Es handelt sich hier nicht um ein denkbares Solidaritätsprojekt mit dem gleichnamigen mittelamerikanischen Entwicklungsland. Viel mehr verbirgt sich dahinter eine Initiative für ein autonomes (Jugend-)Zentrum, wobei Zentrum die falsche Bezeichnung ist, doch dazu gleich.

Das Projekt Panama ist das konkrete Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Initiative "Unser Juze" und der Stadt Konstanz, vornehmlich der Stadtjugendpflegerin Irene Jun. Es steht in direktem Zusammenhang mit dem über 5 jährigen Jugendzentrumskampf in Konstanz. D.h. von den ersten Autonomiebestrebungen (90), dem Verein "Juze statt Plastik" (91), der Juze Besetzung und Räumung (92), Lenkbrunnenkneipe und Rathausbesetzung (92- 93), Besetzung der Inselgasse (93), bis zur Neueröffnung des Edeljuzes (Ende 93) gab und gibt es den Kampf um ein autonomes Zentrum in Konstanz bis zum heutigen Tag (wobei autonom nicht nur im Sinne von selbstverwaltet, sondern auch im Sinne eines linken, politischen Anspruchs zu verstehen ist). Inzwischen zum Teil schon in der dritten und vierten "Generation" von Jugendlichen.

Von der Entschlossenheit mit der sich die Jugendlichen bei der Neueröffnung des Juzes ihrer Wut Luft machten (Eier, Farbbeutel, Preßluftsirenen) aufgeschreckt, nahm die damals neue Stadtjugendpflegerin Jun Kontakt mit der Initiative "Unser Juze" auf. Sie signalisierte auf Anhieb ihre Unterstützung für die Bestrebungen der Initiative. Diese nahmen dann auch im Laufe der Gespräche konkrete Formen an. Die ganze Sache sollte über den Jugendhilfeauschuß in den Gemeinderat eingebracht werden. Zu diesem Zweck wurden mehrere Vorschläge ausgearbeitet. Z.B. ein Haus, wie die freiwerdende Mainauwache oder eine ausrangierte Fähre. Oder eben in Form einer Wagenburg aus Bussen, Containern, Waggons und Bauwägen. So mancheR Stadträtln wird hier schon gestaunt haben, wie detailliert die Vorschläge ausgearbeitet waren, bis hin zu den Anschaffungskosten von einigen gebrauchten Bussen im Raum Südbaden. Überraschenderweise wurde der Antrag, das Projekt zu unterstützen, und die Verwaltung nach der am schnellsten zu verwirklichen Lösung suchen zu lassen, einstimmig angenommen. 10000 DM sind zur Verfügung gestellt worden, die sich die Stadt dann für Wasser und Stromanschlüsse selbst wieder bezahlt.

Seit dieser Sitzung tauchten die Begriffe Haus und Fähre in den Gesprächen nicht mehr auf, was die Jugendlichen im Blick auf eine Wagenburg nicht bekümmerte. Kurzzeitig war noch die Rede von einem Kellerraum im AWO-Gebäude. Diesen lehnte die Initiative ab.

Damit war das autonome Wagenburg- Treffpunktprojekt "Panama" geboren. Panama bezieht sich dabei auf eine Kindergeschichte von Janosch "Oh wie schön ist Panama" und weckte als "Panama: das Land der Träume" die Hoffnungen der Jugendlichen. Immerhin betrug deren Zahl zusammen mit den "SympatisantInnen" weit über 60 Leute. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die kreative Energie und die Zahl der Beteiligten auf dem Höchstpunkt. Hier hätte es wohl schon die ersten Möglichkeiten zur Verwirklichung der Ideen an Ort und Stelle geben müssen. Doch, während die Leute also schon dabei waren, Bauwägen zu renovieren, begann die schöne ungeschliffene Idee von Panama erst den zermürbenden Weg durch die Bürokratie. Konnte die Initiative zu Anlässen wie der TU- Ausschußsitzung, in der der Standort Klein Venedig abgesegnet wurde, noch sehr viele Leute mobilisieren, sank das Interesse an der sonstigen "Kleinarbeit" nach einiger Zeit auf eine Hand voll Leute.

Die aktuelle Situation

Derzeit wird von der Initiative ein genau ausgearbeiteter Bebauungsplan verlangt. Das war mit Sicherheit nicht das, was die Leute sich vorgestellt hatten: 500qm, jeder Bauwagen an einem festen Platz mit vorgeschriebener Funktion in einen Plan mit Drauf- und Seitenansicht etc. Keine Möglichkeit für Spontaneität und Entwicklung.

Es wurde zwar immer davon ausgegangen, daß nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird, doch bei immer mehr nachgefragten Details, beginnen selbst die Gutmütigsten in der Initiative zu begreifen, was hier gespielt wird - und vielleicht schon die ganze Zeit gespielt wurde. Bisher war die Hoffnung, daß jetzt eine Lösung in greifbare Nähe gerückt ist, größer als der Pessimismus und jede bürokratische Hürde wurde in Angriff genommen, denn irgendwo mußte doch das Ziel sein. Selbst ältere Leute waran über die augenscheinlichen Erfolge des Projektes erstaunt. Die Zeit war dabei jedoch immer eine Gegnerin. Es bleibt der düsteren Phantasie der AkteurInnen überlassen, wer/welche sich dieser Tatsache bewußt war und mit ihr spekuliert hat. Noch immer gibt es keine Möglichkeiten eigene Aktivitäten und Veranstaltungen in eigenen Räumen zu organisieren, um z.B. neue Leute anzusprechen und öffentlich erfahrbar zu sein. Während dessen werden die Leute älter, ziehen weg... Wie oft stand die Frage im Raum, wo denn jetzt der Haken an der ganzen Sache ist. Der Haken sind die Leute selbst.

Seit dem Tag, an dem die Initiative mit der Stadt in Kontakt ist, ist sie in deren Macht. Die Unberechenbarkeit der Freiheitsbestrebung, die für die Stadt bisher das größte Problem, war von nun an unter Kontrolle. Es gab keinen Grund mehr die Initiative politisch zu bekämpfen, da sie sich auf die bürokratischen Spielregeln eingelassen hatte. Der Wunsch nach Freiheit war von nun an kanalisiert. Das wichtigste bei diesem Poker - die Stadt ist fein raus. Um nicht mißverstanden zu werden: Ich möchte hier nicht den Stadtbeauftragten böse Absichten unterstellen, die sich sehr für das Projekt engagieren. Auch deren Problem ist es, eine Idee innerhalb dieses Systems zu realisieren, die darin nicht vorgesehen ist. Es gibt jedoch mit Sicherheit einige, die das gewußt/gehofft und damit spekuliert haben. Seltsam klangen die ereiferten Glückwünsche und Lobgesänge der Fraktionen in den öffentlichen Sitzungen, die die damalige Räumung und anderes mitgetragen haben. Ja, sie stritten sich fast, wer zuerst auf die Idee gekommen wäre, die Autonomiebestrebungen der Jugendlichen zu unterstützen. Das macht nach den vielen unpopulären Aktivitäten der Stadt rund ums Juze natürlich viel her.

Was passiert nun?

Die Genehmigung des Bauantrages ist trotz Versprechen auf ein "schnelles Verfahren" nicht in Sicht. Zu viele Hürden sind noch zu nehmen. Die Leute befanden und befinden sich in einem Altersabschnitt, in dem ein selbstverwalteter Treffpunkt jenseits der üblichen Konsumlandschaft enorm wichtig gewesen wäre und ist. Die Erfahrung, wie mit allen Mitteln in den letzten 5 Jahren diese Bestrebungen vernichtet wurden, erzeugt eine für Außenstehende vielleicht nicht ganz nachvollziehbare Wut. Diese Wut muß und wird sich (wie in der Vergangenheit schon öfter der Fall) entladen, früher oder später. Nicht wenige sind in diesem Kampf frustriert worden. Drogen aller Art ergeben hier eine Kontinuität. Doch sind auch einige politisiert worden. Die bürgerliche Politik hat für ein paar mehr Leute die Masken fallen lassen. Der Erfolg des Jugendzentrumskampfes und nun auch Panamas ist und wird es sein, daß viele Leute begreifen, was los ist und nicht nur für einen begrenzten Freiraum, sondern für eine freie Gesellschaft kämpfen.

PS.: Dieser Bericht ist aus der Sicht eines Menschen, der fast von Anfang an dabei ist, geschrieben worden. Diese Erfahrungen führen zwangsläufig zu einer skeptischen, kritischen Sichtweise. Ich kann mit Sicherheit nicht für alle sprechen und schon gar nicht für die, die noch nicht so lange dabei sind und aus ihrer Sicht bisher fast nur positive Erfahrungen gesammelt haben. Deshalb muß ich betonen, daß es tatsächlich bisher noch nie gelungen ist, den Wunsch nach Freiraum zu ersticken. Es gibt noch viel Bewegung und Hoffnung. Es geht weiter.

Fortsetzung folgt.

PPS.: Wir treffen uns Sonntags in der Arbeitsloseninitiative Konradigasse 24 (Ecke Klostergasse) um 12.00 Uhr bei einem selbstgekochten veganen Mittagessen. Tel.: nur So. von 12.00 - 15.00 Uhr 26602; sonst 66113

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