linksrhein Quelle: Südkurier vom 19.06.01
  Startseite suchen

Wehret den Anfängen

Ausstellung zur Widerstandsgruppe "Weiße Rose" - Zeitzeugin berichtete

Konstanz (mek) Mit dem Namen ihrer Schule stellt sich für die Lehrer der Geschwister-Scholl-Schule eine besondere Aufgabe: "Unsere Schüler sollen mehr wissen", sagte Schulleiter Wolfgang Müller-Fehrenbach bei der Eröffnung einer Ausstellung über "Die Weiße Rose - Der Widerstand von Studenten gegen Hitler München 1942/43".

Doch nicht nur in der Ausstellung können die Schülerinnen und Schüler etwas über die jungen Mitglieder der Widerstandsgruppe erfahren. Anneliese Knoop-Graf war nach Konstanz gekommen, um über ihre sehr persönlichen Erinnerungen an die Mitglieder der "Weißen Rose" zu sprechen. Die Schwester von Willi Graf, der am 12. Oktober 1943 hingerichtet worden war, ist die letzte Überlebende, die noch alle Mitglieder gekannt hat. Vor allem über Sophie Scholl wollte sie berichten, denn diese wäre am 9. Mai 80 Jahre alt geworden.

Sophie Scholl war "klein und unscheinbar". Sie sprach "sehr leise, sehr schwäbisch und sehr zurückhaltend". Doch sie war "die moralische Instanz der Gruppe". "Sie hatte in sich ein inneres Gesetz." Davon ist Anneliese Knoop-Graf überzeugt. Sie hat Sophie Scholl gut gekannt, doch ihre Größe und Stärke sei ihr damals verborgen geblieben. "Sie war reifer und ernsthafter als ich", erinnert sich Anneliese Knoop-Graf. Wer sie wirklich war, werde in ihren Tagebüchern und Briefen deutlich. Sophie Scholl sagte in einem Verhör der Gestapo: "Was wir dachten und taten, dachten ja so viele, nur wagten sie es nicht, es auszusprechen." Und kurz vor ihrem Tod meinte sie zu einer Mitgefangenen, die Hinrichtung der Mitglieder der "Weißen Rose" werde Wellen schlagen. Es werde eine Revolte unter den Studenten geben. Ihre Hoffnung erfüllte sich nicht. Die "Weiße Rose" hatte in dem "Koloss Nationalsozialismus allenfalls kleine Risse erzeugt", so Anneliese Knoop-Graf. Trotzdem können die Studenten v! on damals ein Beispiel sein, für das, wozu junge Leute in der Lage sind, wenn sie das tun, was ihnen "ihr Gewissen auferlegt". "Wehret den Anfängen" war eines ihrer Flugblätter überschrieben.

Anneliese Knoop-Graf will aus dem Bruder und den Freunden keine Märtyrer und keine Helden machen. "Sie waren Menschen mit Fehlern und Unzulänglichkeiten." Neben dem Widerstand habe es auch ein ganz normales Leben gegeben. "Wir haben auch viel gelacht, es war nicht alles voller Bedeutungsschwere." Vor allem Hans Scholl sei ein ironischer, redseliger und ungewöhnlich attraktiver junger Mann gewesen, der alle Mädchen, "auch mich", begeisterte.

Die Ausstellung ist mit Hilfe Überlebender und Angehöriger zusammengetragen worden. Sie ist "unsere Ausstellung, unser Vermächtnis", sagte Anneliese Knoop-Graf. Damit ist sie einem letzten Wunsch ihres Bruders gefolgt, der sie in einem Abschiedsbrief aufforderte: "Du sollst dafür sorgen, dass mein Wollen und Andenken weitergetragen wird." Dieses Weitertragen sei ein Bestandteil ihres eigenen Lebens geworden, auch wenn ihr Bruder sie damals nicht in die Aktionen der "Weißen Rose" mit einbezogen hatte. Trotzdem wurde sie gemeinsam mit ihm verhaftet und saß vier Monate in Untersuchungshaft. Die Freunde der "Weißen Rose" sagten aus, sie habe nicht nur nicht an den Aktionen teilgenommen, sondern auch nichts davon gewusst. Dass sie einige Tage in der Wohnung von Hans und Sophie Scholl gewohnt hatte, hatte Sophie im Verhör verschwiegen.

Anneliese Knoop-Graf wünscht sich, dass die Schülerinnen und Schüler von heute aus der Ausstellung etwas mitnehmen in den Alltag, dass sie wissen, was diese Menschen "auch für euch geopfert haben". In ihre Gesichter zu schauen sei dabei fast noch wichtiger, als die Texte zu lesen.

Die Ausstellung "Die Weiße Rose - Der Widerstand von Studenten gegen Hitler München 1942/43" ist noch bis zum 6. Juli, Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr, in der Aula der Geschwister-Scholl-Schule zu sehen.

mek

  Startseite Anfang

sw, 19.06.01