linksrhein Quelle: Südkurier, 24.5.00
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Protest gegen Essens-Pakete hält an

Asylbewerber vor Landratsamt · In anderen Landkreisen haben Flüchtlinge mehr Freiheiten

Konstanz (rin) Mit einer Mahnwache vor dem Landratsamt haben Asylbewerber aus Konstanz und Singen ihren Protest gegen die Lebensbedingungen in ihren Unterkünften sowie die Versorgung durch Lebensmittel-Pakete fortgesetzt. Auf Nachfragen des SÜDKURIER sagten Vertreter benachbarter Landkreise, dass sich Probleme in den Unterkünften entspannt hätten, seit Asylbewerber die Möglichkeit haben, eigenbestimmt Lebensmittel auszuwählen.

Der Protest der Konstanzer Flüchtlinge richtet sich vor allem gegen die Essens-Pakete. Sie wünschen sich bei der Versorgung mit Lebensmitteln freie Wahl. Sie fordern, dass Konstanz, wie andere Landkreise auch, Gutscheine ausgibt, die sie in bestimmten Geschäften einlösen können.

Nach Angaben einer Flüchtlings-Sprecherin verweigern sieben Asylbewerber aus Singen seit neun Tagen die Nahrungsaufnahme. Sie wenden sich mit dieser Aktion gegen die Essens-Pakete, wollen aber auch weitreichendere Forderungen durchsetzen, wie beispielsweise ein Recht auf Arbeit. Derzeit gibt es in zwei von vier Asylbewerber-Heimen des Landkreises Unruhen wegen der Essens-Pakete.

Andere Landkreise kennen solche Probleme nicht mehr. Nach Angaben von Roland Leppert aus dem Sozialamt des Bodenseekreises habe sich der Betrieb eines eigenen Heim-Ladens, in dem Asylbewerber mit Punktekarten einkaufen können, bewährt. "Der hat viel zur Beruhigung beigetragen." Im Geschäft bekommen Flüchtlinge die selben Waren, die früher in Paketen gereicht wurden, sie können unter den Lebensmitteln aber frei wählen. Leppert weist darauf hin, dass sich der Betrieb eines eigenen Ladens nur bei Heimen mit mindestens 100 Leistungsbeziehern lohne. Im bestreikten Konstanzer Heim leben 145 Flüchtlinge.

Nach Angaben Lepperts wäre der Einbezug eines bestehenden öffentlichen Supermarkts in Friedrichshafen nicht möglich gewesen. Auf die entsprechende Ausschreibung habe sich niemand gemeldet. In kleineren Unterkünften des Bodenseekreises bekommen Flüchtlinge weiter Pakete, allerdings können sie die Waren auf einer Bestell-Liste selbst zusammenstellen. "Der Shop ist die idealere Lösung. Da spielt auch das psychologische Moment eine Rolle", so das Fazit Lepperts.

Im Schwarzwald-Baar-Kreis können Asylbewerber in normalen Supermärkten einkaufen. Allerdings nur in solchen, die mit einem Vollsortiment ausgestattet sind, so eine Vertreterin des Kreissozialamts. Abgerechnet wird über ein "Kunden-Konto-Blatt". Monatlich können Flüchtlinge auf diese Weise Lebensmittel und Hygieneartikel im Wert von 282 Mark kaufen. "Wir haben mit mehr Schwierigkeiten gerechnet. Es haben alle mitgemacht, auch kleine Tante Emma-Läden", so die Angaben aus dem Kreissozialamt in Villingen-Schwenningen.

Der Landkreis Konstanz will am Paket-System festhalten. Ludwig Egenhofer, Leiter der Aufnahme-Behörde des Kreises, sieht schon aus räumlichen Gründen keine Möglichkeiten, einen Laden einzurichten, der von Asylbewerbern gut erreichbar ist. Während Egenhofer sagt, Essens-Pakete würden immer wieder dem Wirtschaftskontrolldienst (WKD) zur Untersuchung vorgelegt, weiß die Behörde davon nichts. Zumindest in den vergangenen eineinhalb Jahren seien keine Kontrollen der Essens-Pakete verlangt worden, so WKD-Mann Wolfgang Karl.

  • Diskriminierend Leserbrief von Jascha Hilkowitz im Südkurier vom 27.5.00

  • Bevormundet

    Die Paket-Regelung des Landkreises Konstanz bevormundet Asylbewerber. Menschen, die sich in Deutschland nicht frei bewegen oder arbeiten dürfen, werden durch die Gabe vorbereiteter Essenspakete zusätzlich gegängelt. Auch wenn Bezieher der Pakete Waren umtauschen können, bleibt das Gefühl, fremdbestimmt leben zu müssen. Solche Einschränkungen entsprechen nicht den Standards eines freiheitlichen Landes.

    Claudia Rindt

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    sw, 24.5.00