linksrhein Quelle: Neue Rundschau vom 19.5.00
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Hungerstreik im Asyllager fordert sein erstes Opfer

27-jährige Mutter von drei Kindern ins Krankenhaus eingeliefert - Was geschah mit ihrem Landsmann Ali Gützel?

Von Christof Baudrexel

SINGEN - Mit einer akuten Nierenerkrankung mußte am Mittwochnachmittag ein erstes Opfer des Hungeratreika von 20 Flüchtlingen in der Singener Sammelunterkunft für Asylbewerber in der Bohlingerstraße vom Roten Kreuz ins Singener Krankenhaus gebracht und stationär aufgenommen werden.

Es handelt sich um eine 27Jahre alte Türkin kurdischer Abstammung. Sie ist Mutter von drei Kindern im Alter von zwei, sechs und.sieben Jahren. Mit ihrem Mann und zwei Kindern war sie vor drei Jahren als politisch Verfolgte nach Deutschland gekommen. Die Familie, deren drittes Kind in Singen zur Welt kam, hat sich am vergangenen Freitag dem Hungerstreik im Asyllager angeschlossen und beteiligte sich am F1üchtlingszug durch die Innenstadt zum Rathaus. Die Kinder sind durch die Verweigerung von Nahrungsmittelpaketen durch die Eltern erheblich mitbetroffen.

Der Vater, der seinen Angaben zufolge in seiner kurdischen Heimat Willkürmaßnahmen der Polizei ausgesetzt war, den Beruf des Möbelschreiners erlernte und ein Geschäft betrieben hatte, berichtet, dass seine Frau von Singener Polizeibeamten grundlos angeschrien und ihr der Vorwurf gemacht worden sei, durch ihre Nahrungsverweigeruog provoziere sie andere, Lebensmittelpakete zu verweigern. Sie hat die Ärzte in der inneren Abteilung angewiesen, zu respektieren, dass sie ihren Hungerstreik vom Krankenhaus fortsetzen wolle. Sie erhält Niereninfusionen, aber nach Aussagen ihres Mann nur flüssige Nahrung.

Die 20 Hungerstreikenden wehren sich vor allem gegen von ihnen als moralische Erniedrigung empfundene Restriktionen bei der Ernährung durch Esspakete und der Bewegung innerhalb einer 30-Kilometer-Zone. Zentraler Protestpunkt ist jedoch das Verbot, durch irgendeine Beschäftigung den Lebensunterhalt selbst zu bestreiten und sich als Menschen bestätigen zu können. Während sechs Frauen in den Lagerzimmern schlafen, übernachten die 14 Männer, die weiße T-Shirts mit der roten Aufschrift "Hunger-Streik" tragen, bei Wind und Wetter unter einem Vorzelt im Hof des Lagers.

Ins Blickfeld der Öffentlichkeit rückt durch den Hungerstreik der Singener F1üchtlinge das Schicksal des 34jährigen Türken Ali Güzel, kurdischer Abstammung, der sich im F1üchtlingslager im Singener Langenrein vor einigen Wochen erhängt hat. Es gibt triftige Gründe zu der Annahme, das sein Selbstmord ursächlich mit den Unterbrigungs- und Lebensbedingungen in dem Asyllager zusammenhängt. Die Neue Rundschau wird dem Fall nachgehen. (siehe auch Life-Report von der Streikszene "F1üchtlingskinder hungern für ihre Menschenrechte).

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