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cm, Konstanz 03. 08. 99

Für eine feministische Kommunalpolitik

Sexismus - Diskriminierung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts - durchzieht alle Bereiche dieser Gesellschaft. Patriarchale Strukturen unterdrücken Frauen zusätzlich zur "normalen" alltäglichen kapitalistischen Ausbeutung.

Ehe und Familie als Keimzelle des Staates, Hort der Geborgenheit und Garant für Stabilität und Ordnung, explizit die traditionelle Rollenverteilung (der Mann als Brötchenverdiener, die Frau als Mutter, Hausfrau und Dienerin des Mannes) sollen nach dem Willen der Herrschenden gefestigt bzw. wiederhergestellt werden. Voraussetzung dafür ist, daß Frauen keine Möglichkeit haben, ihre Lage zu erkennen und sich dagegen zu organisieren. Gebärmaschine und billige Arbeitskraft im Reproduktionsbereich - das ist die eine Seite des reaktionären Idealbildes der (deutschen) Frau. Andererseits hat die Wirtschaft und deren ExponentInnen in der Politik die "spezifischen Fähigkeiten der Frau" längst erkannt und entsprechend in das Ausbeutungssystem integriert. Allerdings bedeutet das keineswegs, daß weibliche Arbeitskräfte denselben Bedingungen unterworfen sind, wie sie für Männer gelten: nicht nur werden sie für die gleiche Arbeit meist (noch) mieser bezahlt, sondern oft genug ist mit "spezifischen Fähigkeiten" gemeint, daß Frauen "flexibel" und in den übelsten Arbeitsverhältnissen ausgebeutet werden können: Wenig Lohn (Leichtlohngruppen), Kapovaz, ungesicherte Arbeitsverhältnisse etc. So wurde z.B. in den städtischen Krankenanstalten der Reinigungsdienst an eine private Firma vergeben, die die dort Beschäftigten, meist Frauen, unter Tarif bezahlt. Auch qualifizierte Frauen haben schlechtere Einstellungschancen als ihre männlichen Kollegen: so sind z.B. 98% der C4-Stellen an bundesdeutschen Universitäten mit Männern besetzt.

Seit Jahren propagieren konservativ-reaktionäre RegierungspolitikerInnen zusammen mit faschistoiden "Lebensschützer"vereinen eine Verschärfung des Paragraphen 218. So soll z.B. ein "Beratungsgesetz" verabschiedet werden, das es Frauen noch zusätzlich erschwert bzw. unmöglich machen soll, eine soziale Indikation zu bekommen. Auch ist es in den unionsregierten Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg unmöglich, einen ambulanten Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Weil es mit ideologischem Trommelwirbel allein nicht gelingt, eine Wende zu erzwingen, wurde auch auf juristischer Ebene ein Präzedenzfall geschaffen: Das Urteil im Memminger Prozeß vom Mai 1989 macht deutlich, wie Frauen das Selbstbestimmungsrecht abgesprochen wird und diejenigen kriminalisiert werden, die dieses Recht in Anspruch nehmen. Dagegen fordern wir die ersatzlose Streichung des §218.

Noch mehr als bisher werden Frauen, die ungewollt schwanger werden und einen Abbruch wollen, zu spüren bekommen, daß sie über keinerlei Recht verfügen. Spießrutenlauf, massiver moralischer Druck, Verunglimpfung als "Mörderin" bis hin zu einem staatlich verordneten Gebärzwang sind schon heute Realität. Die "neuen" Rechtsradikalen und Faschisten können an eine solche Politik bestens anknüpfen. Sie propagieren offen und unverhüllt biologistische und rassistische Theorien, reduzieren die Frauen gänzlich auf ihre "naturgegebene Fähigkeit als Mutter" (REP) und stellen den Weiblichkeitsmythos in den Mittelpunkt ihrer menschenfeindlichen Politik. Sie fordern Gebäranreize für deutsche Frauen bzw. die Verschärfung des § 218, um der "rassischen Überflutung durch Ausländer" entgegenzuwirken. Diese unheilige Allianz von konservativen und faschistischen PolitikerInnen gilt es durch eine antifaschistische und aufklärerische Politik zu bekämpfen.

Doch nicht nur AusländerInnen, sondern auch Behinderte, Psychiatrisierte und sogenannte Asoziale sollen möglichst keinen Nachwuchs haben. Während vor allem "wertvollen" Mittelschichtsfamilien finanzielle Anreize zur Familiengründung geboten werden, sollen unproduktive, für das Bruttosozialprodukt unnütze Menschen an den gesellschaftlichen Rand gedrängt werden; letztendlich ist es das Ziel der westlichen Bevölkerungspolitiker, die Zahl dieser Menschen zu dezimieren.

Eine Entsprechung findet diese Politik weltweit: die imperialistischen Staaten versuchen auch mit bevölkerungspolitischen Maßnahmen, die Länder des Trikont (die Länder der drei Kontinente Lateinamerika, Afrika und Asien) in immer stärkere ökonomische Abhängigkeit zu zwingen. In den letzten Jahrzehnten sind die Geburtenkontrollprogramme systematisch in fast allen "Drittweltländern" realisiert worden und haben eine Radikalität erreicht, die oft in eine gezielte Ausrottungspolitik mündet. Zwangssterilisation ist das wichtigste Mittel der Bevölkerungsstrategen und richtet sich gegen die armen Teile der Bevölkerung: so sind z.B. 58% der über 30-jährigen Indiofrauen in Mexiko sterilisiert, zunehmend sind aber auch jüngere Frauen davon betroffen.

Neuestes Instrument der Bevölkerungspolitik - Gen- und Reproduktionstechnologie - werden in Zukunft hier wie im Trikont eine Schlüsselrolle einnehmen. Verschärfung des § 218 in der BRD - Zwangssterilisationen in den Ländern des Trikont: zwei Seiten einer Medaille. Das heißt, daß sich der Kampf gegen Repression und Ausbeutung nicht nur auf die hiesigen Zustände beschränken darf, sondern auch den Kampf der Frauen im Trikont unterstützen muß.

Kommunale Frauenpolitik

Frauen sind nicht nur Opfer der gesellschaftlichen Verhältnisse, sondern auch der Gewalt von bekannten, verwandten oder fremden Männern ausgesetzt. Ebenso gewalttätig ist die alltägliche Diskriminierung, Herabsetzung und Verächtlichmachung von Frauen durch Pornographie, sexistische Werbung, Medien, Sprachgebrauch, Männeranmache usw. Die große Zahl von mißbrauchten oder geschlagenen Frauen macht die Notwendigkeit für ein Frauenhaus klar. Vor wenigen Jahren gab es schon mal einen Vorstoß in diese Richtung, allerdings ohne Erfolg. Jetzt gilt es, die Initiative von Frauen der ASF, des DGB und der FGL zu unterstützen, die ein selbstverwaltetes Frauenhaus fordern.

Frauen, die ungewollt schwanger werden, müssen die Möglichkeit haben, ambulant oder stationär einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Dieses Recht darf nicht von der politischen Einstellung eines Chefarztes abhängen, sondern muß prinzipiell in den städtischen Krankenanstalten gelten. Darüber hinaus muß die Tendenz, Pro Familia finanziell und personell den Hahn abzudrehen, gestoppt werden. Das heißt konkret, daß die Kommune mehr Gelder bereitstellen muß, mehr Fachpersonal einstellt und die Beschäftigten angemessen entlohnt.

Forderungen an die Stadt:

- Unterstützung der Forderung für ein selbstverwaltetes Frauenhaus, finanziert durch öffentliche Gelder, keine ehrenamtliche Tätigkeit von Frauen, sondern Einstellung von Fachpersonal mit entsprechender Entlohnung

  • Notruftelefon
  • Nachts Freifahrten für Frauen in öffentlichen Verkehrsmitteln;
  • Nachttaxis für Frauen
  • Frauengerechte Stadtplanung, d.h. ausreichende Beleuchtung in der ganzen Stadt, besonders in Tiefgaragen und Unterführungen
  • Finanzielle Unterstützung von Pro Familia durch die Kommune
  • Verbot von sexistischer Werbung auf öffentlichen Anschlagtafeln und Werbeflächen; kein sexistischer Sprachgebrauch in allen Bekanntmachungen der Kommune (so wird z.B. in den "Hinweisen für die Aufstellung und Einreichung von Wahlvorschlägen zur Gemeinderatswahl 1989" der Gebrauch der weiblichen Form als Ausschmückung bezeichnet und deshalb abgelehnt); Entzug bzw. keine Neuerteilung von Konzessionen für Sexshops
  • Bereitstellung von ausreichenden Mitteln zur Schaffung eines autonomen Frauenzentrums , als Ort, an dem Frauen zusammenkommen können, um zu diskutieren, Politik zu machen, als Informations- und Anlauf stelle bzw. Knotenpunkt für alle Gruppen oder Einzelfrauen
  • Bei gleicher Qualifikation müssen Frauen in der städtischen Verwaltung und öffentlichen Betrieben bevorzugt eingestellt werden
  • Keine Vergabe von Reinigungsdiensten an private Firmen, die oft einen Hungerlohn zahlen; statt dessen Rekommunalisierung
  • Keine moralische Repression von Frauen, die abtreiben wollen, sondern die Schaffung von Möglichkeiten, ambulant oder stationär einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. In den städtischen Krankenanstalten muß es möglich sein, eine Schwangerschaft unterbrechen zu lassen