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cm, Konstanz 15. Juli 99

Alternative Linke Liste
August 1989
Konstanz

Grundsatzerklärung

Die ALTERNATIVE LINKE LISTE Konstanz (ALL) versteht sich als kommunalpolitisches Bündnis der Linken in Konstanz. Mitglieder verschiedener Organisationen und Initiativen - BWK, DKP, MLPD, VSP, Volksfront gegen Reaktion Faschismus und Krieg, Antifaschistisches Komitee, Wohnrauminitiative und Initiative gegen Atomanlagen, sowie Leute aus autonomen und und feministischen Zusammenhängen - haben die ALL gebildet, weil im Kampf gegen reaktionäre Politik und faschistische Formierung Fortschritte nur durch eine Bündnispolitik erzielt werden können. Sie muß in der ALL vom Grundsatz ausgehen, daß in einem solchen Bündnis alle Strömungen der antikapitalistischen Linken ihre politischen Zielsetzungen formulieren können. Das ist möglich, weil die Beteiligten über alle Unterschiede hinweg eint, daß sie von emanzipa-torischen Standpunkten aus gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung wirken.

Die aktuelle politische Lage macht eine bessere und engere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Strömungen der linken Opposition in Konstanz dringend nötig.

* Die Interessen der Wirtschaft diktieren in Konstanz die Kommunalpolitik. Gestützt auf den BürgerInnenblock aus CDU/FDP/FWG, häufig genug auch auf die SPD und manchmal sogar auf die FGL, steuert die Stadtverwaltung des Oberbürgermeisters Eickmeyer einen Kurs, der ganz auf die Förderung der Profitwirtschaft ausgerichtet ist. Nutznießer dieser Politik sind in erster Linie Konzerne und große Unternehmen. Der BürgerInnenblock bietet ihnen nicht nur den Vorzug traumhaft niedriger Gewerbesteuersätze. Sie werden von der Stadt darüber hinaus mit Billigtarifen für Energie, mit Grundstücken zu Schleuderpreisen, mit kostengünstiger Infrastuktur subventioniert. Dazu kommt eine Investitions- und Baupolitik, mit der die Verantwortlichen in erster Linie das Ziel verfolgen, die Stadt zum luxussanierten Objekt der Profitinteressen der Tourismusbranche und der Geschäftswelt aufzumotzen.

- Die Zeche für diese Politik zahlt die arbeitende Bevölkerung, also ArbeiterInnen und Angestellte, Hausfrauen, Erwerbslose, RentnerInnen, SchülerInnen und StudentInnen. Während dem Kapital großzügige Geschenke gemacht werden, erhöhen Gemeinderatsmehrheiten quer durch alle Fraktionen Jahr um Jahr die Gebühren für öffentliche Dienstleistungen, auf die die arbeitende Bevölkerung angewiesen ist. Gleichzeitig schränken die Verantwortlichen kommunale Leistungen ein und rationalisieren unter den städtischen Beschäftigten. In jüngster Zeit werden die Rufe von Teilender konservativ-liberalen Kräfte immer lauter, Teile der kommunalen Dienstleistungen Privatunternehmen zu überlassen und damit offen den Marktgesetzen zu unterwerfen. Die städtische Förderung von Spekulation und Luxussanierung vernichtet preisgünstigen Wohnraum, führt zu drastischen Mieterhöhungen und macht den bitter notwendigen Bau von Sozialwohnungen faktisch unmöglich.

* Diese Politik trifft die arbeitende Bevölkerung um so härter, als sich ihre Lage in den vergangenen Jahren vielfach verschlechtert hat. Auf breiter Front haben die Unternehmer die Arbeitshetze in den Betrieben erhöht und die Ausbeutung gesteigert. Dieselben Konzerne und Unternehmen, denen die Stadt Millionengeschenke macht unter dem Vorwand, das sichere Arbeitsplätze und Wohlstand, zwingen die Beschäftigten zu immer mehr Schicht- und Wochenendarbeit. Arbeitsverhältnisse in Teilzeit, auf Abruf, nur für kurze Zeit werden geschaffen, von denen viele der Betroffenen nicht leben können. Die Kehrseite der Medaille ist eine anhaltend hohe Arbeitslosigkeit auch in Konstanz, trotz glänzender Konjunktur und satter Gewinne der Wirtschaft. Ergänzt wird diese Politik des Kapitals durch Regierungsmaßnahmen, die auf die Beseitigung der Ansprüche der Lohnabhängigen auf Sozialleistungen und Versicherungen zielen. Kein Wunder, daß die Armut drastisch zunimmt, in Konstanz 1 000 Menschen gezwungen sind, den Gang zum Sozialamt anzutreten.

* Besonders brutale Auswirkungen zeitigt die konservativ-liberale Politik für Frauen. Sie müssen häufig die schlechtestbezahlten Jobs verrichten, werden oft als erste gefeuert und als letzte wieder eingestellt. Von der zunehmenden Armut sind überdurchschnittlich viele Frauen betroffen. Solche Verhältnisse - ergänzt um eine sich von Konservativen bis zu Faschisten spannende Propaganda, die Frauen biologistisch auf Gebärerin und Umsorgerin von Mann und Familie reduzieren will - führt zu einer Vertiefung patriarchalischer Strukturen und sexistischer Erscheinungen, durch die Frauen zusätzlich unterdrückt werden.

* Die Unterdrückung der ausländischen Bevölkerung wird von der Reaktion vertieft. Das gültige Ausländergesetz enthält ihr wesentliche Rechte vor und erlaubt nicht einmal die Teilnahme an Wahlen. Bei den Kommunalwahlen im Herbst verhindert dieses Zweiklassenwahlrecht, daß 10% der Konstanzer Bevölkerung ihre politische Meinung äußern. Gleichzeitig nimmt die Hetze gegen diesen Teil der Bevölkerung unerträgliche Ausmaße an. Im Dunstkreis von Konservativen und Faschisten blühen armselige, rassistische Theorien von einer angeblich natürlichen Ungleichheit der Menschen. Sie bilden den ideologischen Hintergrund für die von Späth bis Schönhuber geäußerten Drohungen mit zusätzlichen Repressalien und Schikanen; Drohungen, die die Bundesregierung mit einem neuen Ausländergesetz in Paragraphen gießen will. Flüchtlinge, die gezwungen sind, in die BRD zu kommen, sehen sich einer immer brutaleren Behandlung ausgesetzt. Heute schon unter unmenschlichen Bedingungen kaserniert und mit Arbeitsverbot belegt (oder bald zur Zwangsarbeit gezwungen), sollen sie nach den Plänen von CDU/CSU künftig noch schneller abgefertigt und dann abgeschoben werden - häufig genug in die Arme ihrer Henker. Die Ausländer- und Asylpolitik der Stadt Konstanz liegt ganz auf dieser reaktionären Linie. Die hier kasernierten Flüchtlinge sind unter menschenunwürdigen Bedingungen auf engstem Raum zusammengepfercht. Mehrmals wurden sie in den vergangenen Jahren von einem Tag auf den anderen in andere Unterkünfte verlegt, ohne daß die Verantwortlichen sie auch nur unterrichtet hätten. Sie dürfen die Stadt nicht verlassen, erhalten Sozialhilfe in "Naturalien" und selbst das Kochen wird ihnen verwehrt.

* Auch in Konstanz formieren sich faschistische Gruppierungen. Bei den Europawahlen in diesem Jahr erzielten sie zusammengenommen erschreckende 9,6%. Egal wie sie heißen, sie gleichen sich in ihrem Gedankengut, dessen Kernpunkte Rassismus, Sexismus, Nationalismus und Militarismus sind. Sie treten ein für einen starken Staat, der im Dienste der Profitwirtschaft soziale Ansprüche niedermacht; sie wollen die Wiederrichtung eines großdeutschen Reiches, also Krieg gegen die Länder Osteuropas; Frauen weisen sie die Rolle von Gebärmaschinen für's Vaterland und Dienerinen von Mann und Familie zu; ihre "Ausländer raus"-Parolen werden rassistisch mit mit einer angeblich "natürlichen" Überlegenheit des Deutschtums begründet. Um ihre Ziele durchzusetzen, schrecken sie vor Terror und Totschlag nicht zurück. Dieses Erstarken faschistischer Organisationen läßt sich ohne die konservativ-liberale Politik nicht erklären. Sie bietet den Faschisten zahlreiche Bezugspunkte, wie zum Beispiel die Leistungs- und Elitepropaganda, wonach Leute, die es nicht zu Geld bringen, ein Dreck sind. Besonders deutlich werden solche Parallelen zwischen CDU/CSU bei den Positionen zur Ausländerpolitik, wo die Hetze sich häufig nur im Tonfall unterscheidet. Der Faschismus steht für die schrankenlose Durchsetzung der Wolfsgesetze des Kapitalismus in der Gesellschaft.

Diese Entwicklungen - und viele andere, hier nicht genannte - machen es dringend nötig, daß Positionen gestärkt werden, die sich an den Ansprüchen und Interessen der arbeitenden Bevölkerung orientieren. Die ALL will mit ihren Aktivitäten dazu beitragen.

- Sie wendet sich in allen Fragen der Kommunalpolitik gegen die Förderung der Profitinteressen des Kapitals und tritt demgegenüber ein für den Ausbau von sozialen, kulturellen, pädagogischen und sportlichen Einrichtungen für die arbeitende Bevölkerung. Sie kämpf t gegen weitere Gebührenerhöhungen und fordert, daß kommunale Dienstleistungen für die arbeitende Bevölkerung zum Nulltarif zur Verfügung gestellt werden.

- Sie wendet sich gegen die gegenwärtig betriebene Wohnraumpolitik, die sich hauptsächlich an den Interessen von Bauindustrie und Spekulanten orientiert. Sie fordert dagegen eine Wohnraumpolitik, die sich an den Bedürfnissen von Menschen mit wenig Geld orientiert. Wohnen ist ein Grundbedürfnis der Menschen - die Möglichkeit, menschenwürdig zu wohnen, darf nicht an die Höhe des Einkommens gekoppelt sein. Deshalb fordert die ALL eine Politik, die billigen Wohnraum mit menschenwürdigen Mindeststandards erhält (z.B. durch konsequente Anwendung des Zweckentfremdungsverbots) und neuen Wohnraum dieser Art schafft.

- Sie unterstützt den Kampf gegen jede Form von patriarchalische Unterdrückung, und tritt ein für eine Kommunalpolitik, die gegen die gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen wirkt. Sie fordert ausreichende und billige öffentliche Einrichtungen, die es Frauen mit Kindern ermöglichen, berufstätig zu sein, wie Kindergärten und -krippen. Sie unterstützt die Forderung nach einem von der Stadt finanzierten, autonom verwalteten Frauenhaus.

- Sie kämpft gegen Rassismus und AusländerInnenfeindlichkeit und wendet sich gegen alle die ausländische Bevölkerung diskriminierenden Gesetze und Verordnungen. Sie tritt für eine Kommunalpolitik ein, die es Menschen aus dem Ausland so weitgehend wie möglich gestattet, ihre Ansprüche und Interessen zu formulieren und durchzusetzen. Sie fordert die vollständige politische und rechtliche Gleichstellung von Menschen aus dem Ausland mit Deutschen. Erster Schritt in diese Richtung ist das Kommunalwahlrecht für die ausländische Bevölkerung.

- Sie bekämpft die faschistische Formierung und fördert alle Bestrebungen, faschistische Ideologie gesellschaftlich zu ächten. Sie tritt faschistischen Organisationen öffentlich entgegen und nutzt alle Möglichkeiten, faschistische Ideologie zu isolieren und anzugreifen. Sie fördert eine antifaschistische Bündnispolitik auf kommunaler Ebene und fordert eine Kommunalpolitik, die sich an antifaschistischen Grundsätzen orientiert. Sie tritt ein für das Verbot faschistischer Organisationen nach Art. 139 des Grundgesetzes und der entsprechenden Kontrollratsgesetze der Alliierten.

Um eine Kommunalpolitik zu stärken, die sich an solchen Grundsätzen orientiert, kandidiert die ALL bei den Kommunalwahlen am 22. Oktober mit einer eigenen Liste. Sie betrachtet diese Kandidatur als einen wichtigen Beitrag zur Stärkung fortschrittlicher Positionen in Konstanz. Sie vertritt allerdings die Auffassung, daß die Entscheidung darüber letztlich nicht im Gemeinderat fällt. Über Erfolge oder Mißerfolge im Kampf gegen reaktionäre Politik und faschistische Formierung entscheidet vielmehr, ob die davon Betroffenen für ihre Interessen aktiv werden und ihre Ansprüche und Forderungen gegenüber den Herrschenden formulieren. Dazu beizutragen ist Ziel der Politik der ALL.