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Minderheiten stören das Geschäft

08.08.2002, 21:13, Junge Welt

Antifa | Karlsruhe | Punk | Öffentlicher Raum

Stoppsignal des Karlsruher Verwaltungsgerichts gegen Vertreibungspolitik der Stadt


Ein von der Stadt Karlsruhe (Baden-Württemberg) vor sechs Wochen verfügtes Betretungs- und Aufenthaltsverbot für Punks an einem zentralen Innenstadtplatz ist vorerst unwirksam. Dies entschied die 12. Kammer des Karlsruher Verwaltungsgerichts (VG) am Mittwoch und gab damit dem Eilantrag eines Studenten statt, der zur Karlsruher Punk-Szene gehört. Dieser muß das Aufenthaltsverbot vorerst nicht befolgen.

»Einen Erfahrungssatz, daß Personen, die von ihrem Äußeren her erkennbar der Punkszene zuzuordnen seien, zugleich Verhaltensstörer im Sinne des Polizeirechts seien, gebe es nicht«, erläuterte das Gericht. Dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche es eher, wenn bei polizeirechtlich relevanten Störungen im Einzelfall eingeschritten werde. Zu den »Störungen« zählt das Gericht ausdrücklich nicht den öffentlichen Genuß von Alkohol.

»Personen, die der sogenannten ›Punk-Szene‹ zuzuordnen sind, dürfen sich ab 6. Juli bis zum 31. Oktober 2002 auf dem Kronenplatz nicht aufhalten«, hieß es im Erlaß der Stadt. Der Polizei wurde ausdrücklich erlaubt, zur Durchsetzung des Aufenthaltsverbots unerwünschte Personen in Gewahrsam zu nehmen. Verstöße sollten mit 1000 Euro Zwangsgeld oder »Zwangshaft» geahndet werden.

»Das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt unsere Position«, freute sich die Fraktionsvorsitzende der Karlsruher Grünen, Christa Caspari, über den Gerichtsbeschluß. »Wir lehnen die pauschale Vertreibungspolitik der Stadt gegen soziale Randgruppen ab und fordern statt dessen einen Ausbau der Beratungsangebote und Hilfen bei der Wohnungs- und Arbeitssuche«, sagte Caspari gegenüber jW. Doch da bewege sich die von Oberbürgermeister Heinz Fenrich (CDU) geleitete Stadtverwaltung überhaupt nicht. In dem Urteil wurde noch nicht über die Verfügung selbst entschieden, sondern lediglich über den Zeitpunkt des Inkrafttretens. Die Stadt hatte den Anti-Punk-Erlaß für sofort vollziehbar erklärt.

Bei der Karlsruher Stadtverwaltung zeigte man sich vom VG-Urteil unbeeindruckt. »Wir werden Beschwerde einlegen«, kündigte Helga Riedel, stellvertretende Pressesprecherin der Stadt, am Donnerstag auf jW-Nachfrage an. Man wolle das Hauptsacheverfahren abwarten und sei in der Sache zuversichtlich. Dabei könnte das Urteil durchaus auch ein Signal für andere Kommunen sein. »Die Minderheiten stören das große Geschäft, den Konsum und die bürgerliche Befindlichkeit«, meint Roland Saurer, Leiter eines Wohnungslosenheims in Offenburg. Öffentliche Plätze werden im Südwesten mittlerweile in Stuttgart, Mannheim und Heilbronn rund um die Uhr von Videokameras der Polizei überwacht. »Der Vertreibungsdruck der baden-württembergischen Kommunen auf Wohnsitzlose und Punks hat enorm zugenommen«, sbestätigt Wolfgang Jeckel von der »Landesarbeitsgemeinschaft wohnungsloser Menschen in Baden-Württemberg«. Offensichtlich kommt es jetzt den Gerichten zu, den Vertreibungseifer der Städte zu bremsen.

Martin Höxtermann

vgl. Spontanes Punkerfest in Karlsruhe 16.07.02

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