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Redebeitrag der Gruppe augenauf Zürich für die Protestdemonstration am 29.9.01, und 20.10.01 in Chur, Kanton Graubünden

Die Schweizer Ausschaffungsmaschine hat eine Geografie des Todes hervorgebracht. Hamid Bakiri Tod ist der dritte bekannt gewordene Fall, in dem ein Sans-Papiers direkt zum Opfer der Schweizer Politik des "Ausschaffens um jeden Preis" geworden ist.

In der Nacht vom 19. auf den 20. September erhängte sich Hamid Bakiri in einer Zelle der Kantonspolizei Chur. Der ????-jährige Hamid hätte am nächsten Tag ausgeschafft worden sollen. Sein Tod ist weder ein Zufall noch ein bedauerliches Unglück, wie uns die Bündner Behörden weismachen wollen. Es gab viele Anzeichen der existentiellen Not des jungen Mannes. Ja, mehr als das - die Bündner Behörden und das BFF waren durch die mehrfachen Interventionen des Pfarrers gewarnt. Noch einen Tag vor seinem tragischen Tod, versuchten wir von augenauf auf seinen Fall aufmerksam zu machen. Hamid ist - das wissen wir unter anderem aus seinem traurigen Abschiedsbrief - regelrecht fertiggemacht worden. Er wurde nach zwei missglückten Ausschaffungsversuchen in eine Zelle im Polizeiposten von Thusis gesteckt. Er war zwei Monate lang alleine, ohne menschliche Kontakte ausser zum Pfarrer, ständig eingeschlossen. Eine Stunde täglich durfte er sich in einer Art Hundekäfig die Füsse vertreten. Ansonsten sass er alleine in diesem Betonbunker. Alleine mit sich und der Angst vor der Zukunft. Doch nicht nur die Isolationshaft in Thusis, die übrigens völlig illegal ist, hat Hamid fertiggemacht. Er hatte sich bei einem Unfall im Durchgangszentrum Landquart den Fuss gebrochen. Der Knochenriss wurde aber falsch diagnostiziert und behandelt. Hamid litt dauernd grosse Schmerzen, sein Bitten um ärztliche Hilfe blieb nutzlos. Ohne ihn je gesehen zu haben, verschrieb ein Arzt ihm Medikamente. Ist eine Übertreibung, im Fall von Hamid Bakiri von Folter zu sprechen?

Warum wurde Hamid so schlecht behandelt? Sind die beteiligten Behörden einfach besonders unsensibel? Haben sie tatsächlich, wie dies Frepo-Chef Heinz Brand behauptet: "Nichts gewusst"? O nein! Wir behaupten, man weiss in Chur ganz genau, was man macht.

Hamid wurde nach zwei missglückten Ausschaffungsversuchen in die Polizeizelle in Thusis gesteckt. Die Verantwortlichen wussten damit genau, was sie Hamid antun. Er sei nicht sicher, ob die Ausschaffungshaft in Thusis und Davos den Minimalbestimmungen des Bundesgerichts entsprechen. Der dies zugibt, ist der verantwortliche Haftrichter, Urs Raschein, also jener Richter, dem der Wunsch der Ausschaffungspolizisten Befehl war. Legal, illegal, scheissegal - Hauptsache die Ausschaffung klappt. Die Bündner Behörden haben Hamid in Thusis zwei Monate lang mit gebrochenem Fuss völlig isoliert, weil sie Hamids Willen brechen wollten. Indirekt bestätigt Raschein diese Einschätzung: Hamid habe die Haft ja jederzeit beenden können, wenn er ausgereist wäre. Was in Thusis praktiziert wurde, war Beugehaft der schlimmsten Art. Tatsächlich ist das Unterfangen gelungen - Hamids Wille zu leben wurde gebrochen - seine Leiche kehrte nach Algerien zurück.

Nun in der ersten Aufregung nach dem Tod des Flüchtlings wird verwischt und verwedelt. Dem willfährigen Monopolblatt, der Südostschweiz, bindet man einen Bären nach dem anderen auf. Richter Raschein behauptet, man habe Hamid in Thusis isoliert, weil dort die ärztliche Versorgung besser als in Davos sei. Warum hat man Hamid denn nicht behandelt? Warum fanden es Ärzte nicht nötig, einen genauen Blick auf ein Röntgenbild zu werfen? Frepo-Chef Brand erklärt kaltschnäuzig, die Polizei habe nichts von Suizid-Gefahr gewusst. Liest man bei der Frepo oder im Berner BFF die Post nicht? Bereits im Juli ((((????)))) hat der Pfarrer schriftlich auf die schwierige Lage von Hamid hingewiesen, im September mit einem sehr eindringlichen Brief nachgedoppelt. Erst ein Tag vor dem Tod von Hamid, dem Sans-Papiers, hat "augenauf" seine sofortige Freilassung verlangt. Wie kann es sein, dass wir um die Gefahr für einen Häftling in Thusis wissen, und Herr Brand, der für sein Leib und Leben verantwortlich ist, nicht?

Hamids Schicksal reiht sich ein. Zürich: Khaled Abuzarifa - an der Knebelung jämmerlich erstickt. Sion: Samson Chukwu - erstickt während dem er durch eine Sondereinheit der Polizei für die Ausschaffung gefügig gemacht wurde. Chur: Hamid Bakiri - Selbstmord kurz vor der Ausschaffung nach monatelanger Misshandlung durch die Bündner Polizei. Wie lange wollen wir das buchstäblich mörderische Treiben der Polizeien, der Frepochefs und Regierungsräte noch dulden? Die Schweiz - dieser Hort von Demokratie, Fremdenhass und Diktatorengeldern - hält unterdessen einen traurigen Rekord in Europa. Drei Sans-Papiers mussten in zweieinhalb Jahren ihr Leben während oder wegen der Ausschaffung lassen.

Wir forden einen sofortigen Ausschaffungsstopp und die Freilassung aller Ausschaffungshäftlinge - vor allem (aber nicht nur) im Kanton Graubünden.

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sw, 07.10.01