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Solidarität mit der Bewegung

Internationales Treffen 15. - 16.09.2001 Solidarität in der Bewegung - nach Genua vor Davos

[update 18.9.01] Dank an Savanne für Korrekturen und Ergänzungen (vgl. Kommentare bei indymedia)

Vom 15. bis 16. September fand in Zürich in der Roten Fabrik ein internationales Treffen statt, das den Stand der Antiglobalisierungsbewegung nach den Protesten gegen den G-8 Gipfel in Genua im Juli und vor der geplanten Mobilisierung gegen das WEF in Davos im Februar 2002 zu bestimmen versuchte. Hier kurz eine erste Zusammenfassung der Ergebnisse, die hoffentlich in den nächsten Tagen ergänzt und erweitert wird.

Insgesamt nahmen an dem von verschiedenen schweizer Gruppen aus dem linken/linksradikalen Spektrum organisierten Treff etwa 200 Leute aus der Schweiz, Österreich, Italien, Deutschland und USA teil.

Anti-Repression

Im ersten Teil der Veranstaltung fassten Menschen aus verschiedenen Solistrukturen / Antirepressionsgruppen ihre Arbeit in den letzten Monaten nach Genua zusammen. Ergänzt wurden ihre Berichte durch einen längeren Beitrag eines Turiner Anwalts, der in der RechtsanwältInnengruppe des Genua Social Forum organisiert ist und die Schwierigkeiten der RechtsantwältInnen in Genua schilderte, die DemonstrantInnen und Verhafteten juristisch zu unterstützen, da ihnen Polizei und Staatsanwaltschaft jeden erdenklichen Stein in den Weg legten. Er fasste die gegenwärtigen Ermittlungen gegen DemonstrantInnen zusammen, denen Angriffe auf Banken ect., Waffenbesitz und darüberhinaus die Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung", dem sogen. "Schwarzen Block" vorgeworfen wird. Prominentes Beispiel ist Luca Casarini, ein Sprecher der Tutte Bianchi, der gegenwärtig als "Rädelsführer" der Proteste angeklagt ist. Einige dieser Anklagen mussten inzwischen fallen gelasser werden, wobei noch nicht klar ist, ob die im Zuge der Ermittlungen entstandene Datensammlungen archivert werden oder nicht. Viele Menschen wurden aus Genua abgeschoben, um Ermittlungen zu verschleppen, da sie v.a. zu dem Überfall auf die Schule Diaz keine Aussagen mehr machen konnten, die die laufenden Ermittlungen der italienischen Behörden gegen die Gruppenführer des Polizeieinsatzes betreffen könnten. Es gibt gegenwärtig auch einzelne Klagen gegen Polizeibrutalität auf der Strasse und in der Kaserne Bolzaneto, wo über 500 Leute über mehrere Tage hinweg verhaftet wurden, die eventuell zu einer Sammelklage der Betroffenen und solidarischer Gruppen zusammengelegt werden. Darüberhinaus bereiten die AnwältInnen Dossiers vor, die Amnesty International der europäische Menschenrechtskommision und der Antifoltergruppe des europäischen Parlament übermittelt werden sollen. Für Ende des Jahres wird darüberhinaus ein großes öffentlichen Tribunal, das in Genua oder in Rom stattfinden soll, vorbeitet.

In der Folge bildete sich spontan eine Arbeitsgruppe, die die Soli- und Antirepressionsbewegungen der einzelnen Länder stärker in Dialog miteinander bringen möchte, um in (ferner ?) Zukunft an stabilen und verlässlichen Strukturen zu einem globalen EA zu arbeiten. Die Arbeitsgruppe möchte ihre Diskussionen über eine gemeinsame Mailingliste und auf dem Dezembertreffen weiter vertiefen.

Europäische Sicherheitsszenarios

Nach einer Pause wurde die Repression der Bewegung in Genua in den weiteren Zusammenhang der Entwicklung der sogen. "Aufstandsbekämpfung" in verschiedenen europäischen Ländern gestellt. Sowohl in der Schweiz als auch in Italien und der BRD findet bei den Herrschenden seit Beginn der 90er Jahre ein Rekurs auf restriktive Überwachungs-und Kontrollmechanismen statt. Eine zentralle Rolle spielt hierbei eine umfangreiche Datensammung und Auswertung. Mehr und mehr beginnen Polizeien und Geheimdienste, diese Daten auf verschiedenen Ebenen untereinander auszutauschen und sich formell und informell auf internationaler, nationalstaatlicher, und föderativer Ebene zu vernetzen. In der Diskussion wurden daraufhin kurz praktische Möglichkeiten des/der Einzelnen angesprochen, wie er/sie sich z.B. durch konsequente Anwendung eines email-Verschlüsselungsprogramms, der Überwachung entziehen kann.

In den schweizer Beiträgen zur gegenwärtigen Repressionspolitik wurde immer wieder auf den sog. "Arbenzbericht" verwiesen. W. Arbenz gehört seit langen Jahren zu den sicherheitspolitischen Hardlinern der Schweiz. Er ist massiv an der rassistischen Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen der Schweiz beteilig und Autor des nach ihm benannten neuen Staatsschutzberichts, der sich nach den Protesten in Nizza, Götheborg und Genua explizit auf die geplante Mobilisierung gegen das WEF 2002 in Davos bezieht und darin eine Strategie für die nächsten Jahre entwirft. Grundzüge dieser Strategie sind Spaltungsversuche von Seiten der Herrschenden zwischen "Gewaltfreien" und militanten DemonstrantInnen, noch härtere Repressionen gegen die Bewegung und Umarmungsversuche durch Integration der "dialogbereiten" Teile.

Samstag abend klang der Tag mit Vokü und einem Solikonzert mit mehreren schweizer Bands für die Gefangen von Genua aus.

Diejenigen, die wollten, konnten sich Videos zu Genua, Prag und Götheborg von verschiedenen Videogruppen anschauen. Am Sonntag gab es nach dem Abschlussplenum noch den über zweistündigen Filmbeitrag "Multitudos" der von sieben unterschiedlichen Vidokollektiven aus Italien und Frankreich gemeinsam gestaltet und - allerdings zensiert - auf den Filmfestspielen von Locarno gezeigt wurde.

Anti-WEF Mobilisierungen und Kampagnen:

Im Zentrum der Schweizer Antiglobalisierungsproteste stehen die mittlerweile jährlich stattfindenden Aktionen gegen das World Economic Forum (WEF) in Davos. Sie nahmen deshalb auch einen entsprechend breiten Raum bei den konkreten Planungen am 2. Tag des Treffens ein. Zum WEF kommen jedes Jahr im Februar an die tausend Unternehmensführer, rund 250 Staatsvertreter, etwa 300 Wissenschaftler, hochrangige Kulturträger sowie ein Tross von Medienleuten zusammen. Anwesend sind auch die führenden Köpfe der UNO, der WTO, des IWF und der Weltbank. Die Proteste der letzten Jahre wurden vor allem von der Anti-WTO-Koordination in Bern organisiert und führten zu Demonstrationen mit bis zu 2000 Teilnehmenden im letzten Jahr - dies obwohl die Demo verboten war und Davos weiträumig abgeriegelt wurde. Minimalkonsens der WipeOutWef!-Plattform der letzten Mobilisierung waren:

Der Minimalkonsens des Bündnisses für die Mobilisierung gegen das WEF 2002 ist noch nicht definitiv so formuliert. Das nächste Mal ist von einer erheblich größeren und breiteren Mobilisierung auszugehen: An der Bündnis - Demo am 2.2.02 beteiligen sich Attac, Jusos, Aktion Finanzplatz, Partei der Arbeit, spirituelle, theologische, anarchistische und autonome Gruppen. Er wird schwieriger werden, den Minimalkonsens aufrechtzuerhalten.

Zur Zeit läuft noch ein Verfahren vor dem Schweizer Bundesgericht ob die Demoverbote der letzten Jahre rechtens waren. Die Anmeldung für nächstes Jahr wird jedenfalls nächste Woche rausgehen. Dieses Jahr wird schon mit je einer Kampagne in Bern und Zürich begonnen, die vor allem die Ziele und Inhalte der Bewegung in den Mittelpunkt stellen soll - die Gewaltdebatte soll dagegen eine eher untergeordnete Rolle spielen. Ideen zur Kampagne umfassen eine weniger regionale Beschränkung, Anzeigenserien in renommierten Tageszeitungen, offene Schreiben an WEF-Mitglieder, Postkartenaktionen, WEF-Stadtrundfahrten, Besuche bei den WEF-Mitgliedern zuhause (letzteres auf der Basis der beim letzten Mal gehackten Datensätze der WEF TeilnehmerInnen). Dazu muss mensch wissen, dass eine Firmen-Mitgliedschaft beim WEF nicht nur einen Jahresumsatz von mindestens einer Milliarde US$ voraussetzt sondern auch Aktivitäten in Globalem Ausmaß, ein wachsendes Unternehmen, mit hohem Ansehen und einer führenden Rolle in der Gestaltung der Zukunft. Von den weltweit 157 Dollar-Milliardären sind über 60 im WEF organisiert.

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sw, 23.09.01