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Offener Brief von Georg Warning, in dem er der Heimleitung der Flüchtlingsunterkunft Gustav-Schwab-Strasse und dem Landratsamt Konstanz besondere Schikanen und alltägliche Diskriminierungen von Flüchtlingen ("Bezirksarrest", Fresspakete, Wohnpflicht im Heim) vorwirft. Er fragt, ob "im Landratsamt nur noch Verfassungsfeinde eingestellt" würden zumal das Recht auf Ehe und Familie für ihn und seine Frau derart offensichtlich beeinträchtigt wird.


Absender: Georg Warning, Bodanstr. 15, 78462 Konstanz Konstanz, den 02.07.01

Sehr geehrter Landrat, Herr Hämmerle!

Sehr geehrter Herr Polizeidirektor!

Sehr geehrte Damen und Herren im Kreistag!

Meine nunmehrige Frau Gülsüm Warning und ihre beiden Kinder (türkische Staatsbürger) reisten Ende 1998 in Deutschland ein und beantragten politisches Asyl. Da wir später den Entschluss fassten, zu heiraten, mussten wir dem Standesamt der Stadt Konstanz diverse türkische Urkunden vorlegen, die ans Landratsamt Konstanz weitergeleitet wurden.

Das Landratsamt Konstanz gehört zu den wenigen Ämtern in Südbaden, die unter türkische Urkunden generell eine Apostille (auch für mich ein Fremdwort!) verlangen, die zwei von uns beauftragte Anwälte in der Türkei nicht besorgen konnten. Dies verursachte einige Kosten und eine längere Wartezeit. Da sich unser Recht auf Ehe und Familie daher vorerst nicht auf amtlicher Ebene beurkunden ließ, lebte ich als deutscher Staatsbürger mit meiner Frau und den beiden Kindern bis dahin zusammen im Asylantenlager in der Gustav-Schwab-Str. 8, denn während des Asylverfahrens waren sie zur Wohnsitznahme im Lager verpflichtet. Erst eine Beschwerde beim Innenminister des Landes Baden-Württemberg beendete die Blockadepolitik des Landratsamtes, und wir konnten am 8. März 2001 ohne Apostille heiraten.

Aufgrund des Bezirksarrests, dem alle Asylanten unterliegen, hätten wir auch nach dem 8. März nicht mal nach Überlingen, Meersburg oder Lindau fahren dürfen. So sieht das aus, wenn Asylanten Flitterwochen machen wollen! Eine Rücknahme des Asylantrags ermöglichte meiner Frau zumindest ein Reiserecht innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Da sie keinen Pass besitzt, kann allerdings die Aufenthaltserlaubnis, auf die sie einen Rechtsanspruch hat, nicht eingetragen werden. Nach den bisherigen Reaktionen des türkischen Generalkonsulats in Karlsruhe ist mit einer baldigen Ausstellung des Passes auch nicht zu rechnen. Ohne Pass erhält meine Frau nur eine Bescheinigung über die Stellung des Antrags auf Aufenthaltserlaubnis, das erste Mal für 3 Monate, jetzt für die Dauer von 6 Monaten.

Das hat zur Folge, dass wir kein Kindergeld erhalten und auch keine allgemeine Arbeitserlaubnis für meine Frau. Es hat zur Folge, dass das Landratsamt Konstanz meine Frau und die beiden Kinder noch immer nach dem Asylbewerberleistungsgesetz behandelt, dessen Sätze deutlich unter der Sozialhilfe liegen. Es hat zur Folge, dass wir weiterhin Esspakete bekamen - statt etwa Geld, wie das in der Sozialhilfe üblich wäre.

Mittlerweile haben wir eine für Konstanzer Verhältnisse günstige Vier-Zimmer-Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt erhalten. Inzwischen sind wir umgezogen, am 02. Juli 2001 wollte meine Frau den Schlüssel für das bisherige Zimmer im Asylantenheim bei der Heimverwaltung abgeben. Die Heimleiterin war strikt dagegen und wollte ihr verbieten, auszuziehen. Die Leiterin rief im Landratsamt Konstanz an, das das Verbot für meine Frau und meine Kinder, mit mir in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen, bekräftigte. Trotz der drohenden Gebärden und Worte der Heimleiterin ließ meine Frau sich nicht einschüchtern und übergab den Schlüssel des Zimmers im Heim. (Sie werden die Heimleiterin natürlich anders kennenlernen, denn wenn ein Flüchtling in deutscher Begleitung erscheint, vergisst sie nicht, ein süßsaueres Lächeln aufzusetzen).

Nicht nur, dass das Landratsamt uns in keiner Form bei der Wohnungssuche unterstützt hat, nicht nur, dass wir die Kaution von drei Monatsmieten, die Kücheneinrichtung und die Ausstattung der Wohnung selbst - gegen Aufnahme eines Kredits - bezahlt haben, nicht nur dass das Landratsamt eine Mietbeihilfe mit der denkwürdigen Begründung abgelehnt hat, die Wohnung sei zu teuer, weshalb es auch anteilig keine Kosten übernehme, nun will es uns sogar verbieten, in die Wohnung einzuziehen, die ich mit meinem eigenen Lohn bezahle und mit meinem finanziellen Risiko ausstatte. Das also ist Familienförderung beim Landratsamt.

Das also ist Schutz von Ehe und Familie, wie es im Grundgesetz steht. Werden im Landratsamt nur noch Verfassungsfeinde eingestellt?

Eine Kopie dieses Protestschreibens geht auch an Polizeidirektor Herrn Reichle, da das Landratsamt schon früher (beim Streik gegen die Esspakete) bewiesen hat, dass es lieber die Polizei vorschickt, wenn es keine Argumente hat. Wir bitten Herrn Reichle, eine Kopie dieses Briefs an seine Beamten auszuhändigen, falls sie angewiesen werden sollten, meine Frau und Kinder zwangsweise ins Asylantenlager zurückzuholen. Denn wir haben schon öfters festgestellt, dass die Polizistinnen und Polizisten auch zu Asylanten wesentlich menschlicher sind als die Damen und Herren hinter den Amtstischen.

Und noch eins: Wenn das Landratsamt meint, im Sozialbereich das Sachleistungsprinzip anwenden zu müssen und Hilfe in Naturalien auszubezahlen, bestehe ich darauf, meine Steuern künftig im Herbst in Form von Walnüssen und Haselnüssen zu entrichten. Ich sehe nicht ein, dass von meinem Lohn eifrig Steuern und Abgaben in bar abgezogen werden, mit denen sich die Herren vom Amt ihre Sessel kaufen, und Hilfsempfängern dann das vorgesetzt wird, was dem Amtsschimmel mundet.

Hochachtungsvoll

Georg Warning
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sw, 4.7.01