Ein Auszug aus - kassiber 34 - Februar 98

Was bisher geschah


Abschnitt I: 16. Oktober bis 27. November 1997
Abschnitt II: 1. Dezember 1997 bis 14. Januar 1998
Abschnitt III: Kurzmeldungen



16. Oktober
Flüchtling aus Angst vor der Polizei in den Tod gesprungen
Ein junger Flüchtling aus Togo springt am Nachmittag angesichts der vor dem Haus in der Hemmstraße stehenden Polizei aus einem Fenster im dritten Stock. Etwa drei Wochen später, am 8. November, stirbt der Mann an seinen schweren Verletzungen. Zwar waren die Büttel nicht auf der Suche nach dem sich seit 1995 illegal in Bremen aufenthaltenden schwarzen Flüchtling, sondern wollten einen früher in dem Haus wohnenden Deutschen verhaften, doch reichte für den jungen Mann offensichtlich die Befürchtung, selbst von den deutschen PolizistInnen gemeint zu sein, um viele Meter in die Tiefe zu springen. Und darüber sollte kein Zweifel bestehen: Wären die PolizistInnen dem Flüchtling im Haus auch nur begegnet, hätten sie ihn kontrolliert, denn Borttschellers HäscherInnen ist jeder Schwarze verdächtig, und hätten ihn festgenommen - eventuelle Mißhandlungen, die bei der Bremer Polizei bekanntermaßen keine Seltenheit sind, eingeschlossen.


Sexistische Angriffe (I)
Eine Frau wird am Nachmittag auf dem Parkplatz des Bahnhofs Lesum von vier Männern überfallen. Einer der Täter zieht sie an den Haaren, ein zweiter dreht ihr den Arm auf den Rücken, während ein dritter Mann versucht, ihr die Bluse zu öffnen. Die 19jährige tritt diesem Täter vor das Schienenbein, woraufhin der vierte Mann ihr mit einem Butterfly-Messer Schnittwunden am Hals zufügt. Aufgrund der lauten Hilfeschreie der Frau flüchten die Täter.



17. Oktober
Faschistische Randale (I)
Zahlreiche Hooligans aus Hamburg und Bremen werden am Abend nach dem Bundesligaspiel SV Werder - Hamburger SV von der Polizei daran gehindert, in die Innenstadt zu marschieren, und weichen daraufhin in Richtung Funkschneise auf das ehemalige TÜV-Gelände aus, um sich dort zu prügeln. Leider verhindert die Polizei mit 45 Ingewahrsamnahmen die angeblich verabredete "Schlacht", die dazu hätte beitragen können, das Pack zumindest vorübergehend zu dezimieren.



26. Oktober
Sexistische Angriffe (II)
Eine Frau, die gerade in einer Telefonzelle im Halmerweg ein Gespräch geführt und sich dann in ihren Wagen gesetzt hatte, wird gegen 0.30 Uhr von einem Mann überfallen. Noch bevor die 24jährige die Autotür schließen kann, versucht der Täter, sich in den Wagen zu drängen. Mit Fußtritten und lauten Hilfeschreien gelingt es der Frau, den Mann in die Flucht zu schlagen.



30. Oktober
Polizistin verwarnt
Eine Polizistin aus Osterholz-Scharmbeck, die während einer nächtlichen Fahrzeugkontrolle im vergangenen Oktober auf eine Frau geschossen und diese lebensgefährlich verletzt hatte, wird vom Gericht verwarnt und zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 120 Mark auf Bewährung sowie zur Zahlung von 5.000 Mark Schmerzensgeld an das Opfer verurteilt. Schuld sei in Wirklichkeit die Waffe und nicht die Polizistin gewesen, darin waren sich der Staatsanwalt - er hatte Freispruch gefordert - und das Gericht einig. Denn die Pistole, mit der Niedersachsens PolizistInnen ausgerüstet sind, gehe sehr leicht los, zudem werde damit nur einmal pro Jahr trainiert.
Nicht nachgegangen wurde der Frage, inwieweit die Tatsache, daß es sich bei den InsassInnen des nach einer Verfolgungsjagd hinter der Autobahnauffahrt Bremen-Vahr gestoppten Autos um zwei türkische Jugendliche und ihre 18jährige Begleiterin handelte, den Finger am Abzug vielleicht ein wenig gelockert hat.



3. November
Bremer Rüstungsindustrie
Der Hamburger Historiker Hans Walden belegt in seinem heute erscheinenden Buch "Wie geschmiert. Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Hamburger Raum (Komzi-Verlag) u.a. auch die von der Bundesregierung immer noch bestrittene Lieferung von Kriegswaffen an Taiwan. Zuletzt im Februar hatte die Bundesregierung auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen behauptet, über die Lieferung von Torpedos oder Torpedoteilen dorthin keine Erkenntnisse zu haben.
Eine zentrale Rolle in diesem Deal spielte das Bremer Rüstungsbetrieb STN Atlas Elektronik. Nach Angaben Waldens, der seit 1991 u.a. in offiziellen englischen und US-amerikanischen Militärquellen recherchierte, hatte Taiwan 1988 bei der Firma AEG-Marinetechnik in Wedel bei Hamburg 200 Torpedos bestellt. Dieses Unternehmen ging 1989 an die Bremer Vulkan Verbund AG, hieß fortan DMT Marinetechnik und wickelte 1991 den Auftrag ab. Mit Schlüsselkomponenten aus der BRD wurden die Torpedos dann in Lizenz in Indonesien gebaut, von wo aus die kompletten Waffen dann nach Taiwan gingen. Die DMT Marinetechnik ging später in der damals ebenfalls zum Bremer Vulkan Verbund gehörenden STN Atlas Elektronik auf.


Sozialhilfeautomat
Im Sozialamt Mitte-West in der Hans-Böckler-Straße wird ein sog. Kassenautomat in Betrieb genommen, aus dem künftig SozialhilfeempfängerInnen ohne eigenes Girokonto ihre Zahlungen beziehen sollen. Dies betrifft rund 1.000 von etwa 15.000 Männern und Frauen im Bereich des Sozialamts Mitte-West. Die Einrichtung dieser "Zahlstelle" geht auf eine Initiative des Vorstandes der Sparkasse in Bremen, bei - aufgrund eines Abkommens mit der Stadt - der bisher die Auszahlungen erfolgten, im Jahre 1995 zurück. Dort wollte man, allen voran das damalige Vorstandsmitglied Friedrich Rebers (inzwischen AFB-Chef), Obdachlose, Flüchtlinge u.ä., eine lästige Klientel, die es voraussichtlich eh nie zu eigenem Einkommen bringen wird, loswerden.
Die betroffenen SozialhilfeempfängerInnen erhalten jetzt von ihren SachbearbeiterInnen im Sozialamt eine fälschungssichere Hochsicherheits-Chipkarte, auf der der fällige Betrag gespeichert wird. Die Karte wird in den Automaten eingeschoben - und von diesem einbehalten -, die Auszahlung erfolgt 35 Sekunden später. Und damit keine/r versucht, aus dem tonnenschweren Gerät mehr herauszuholen als ihr bzw. ihm zusteht, wurden Erschütterungssensoren angebracht, zudem wird das Ganze per Video überwacht.



4. November
StudentInnenstreik (I)
Die Vollversammlung der StudentInnen an der Universität beschließt einen auf drei Tage befristeten Streik gegen die Einführung der von der Wissenschaftsbehörde ab dem Wintersemester 1998/99 geplanten Einschreibegebühren in Höhe von 100 Mark pro Semester. Diese seien der "Einstieg in die Studiengebühren". Während der seit Wochenanfang stattfindenden Aktionswoche finden zahlreiche selbstorganisierte Veranstaltungen, Diskussionen etc. statt.
Am 5. November schließen sich auch die Vollversammlungen der Studierenden der Hochschulen Bremen und Bremerhaven der Uni-Resolution gegen die Studiengebühren, nicht aber dem Streik an.


Anti-Castor-Aktionen
Rund 200 mehr oder weniger entschlossene Bremer AktivistInnen am Mahnhof Mahndorf genügen, den Castor nicht fahren zu lassen - so zumindest die Geschichtsschreibung des Bremer Anti-Atom-Forums. Genaugenommen ist der Bahn-Transport mit zwei Behältern abgebrannter Brennelemente aus dem schleswig-holsteinischen Kernkraftwerk Krümmel zwar nur nicht über Bremen, sondern über Hannover Richtung Frankreich gefahren, doch das ist zweifelsohne auf die Kampfkraft der hiesigen Anti-AKW-Bewegung zurückzuführen. Einige ihrer VertreterInnen hatten bereits seit Ende Oktober mit einer Mahnwache in Mahndorf gegen den Castor-Transport protestiert.



5. November
"Dialog statt Verbot"
Rund 150 Männer und Frauen demonstrieren mittags während einer Kundgebung auf dem Marktplatz für die Aufhebung des "PKK-Verbots" und fordern stattdessen eine politische Lösung. Die Bremer Kundgebung ist die vierte in einer Reihe von über 20, die bis Ende November im gesamten Bundesgebiet stattfinden und zu denen die UnterzeichnerInnen des Aufrufs "Dialog statt Verbot", z.B. der Aachener Friedenspreis, die Redaktion der Sozialistischen Zeitung (SoZ), die Rote Hilfe, die SDAJ, der Bundesvorsitzende der DKP und 14 Bundestagsabgeordnete der PDS, aufgerufen hatten. Auf dem hiesigen Marktplatz sprechen u.a. der Bremer Rechtsanwalt Hans-Eberhard Schultz und die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Barbara Wulff.
Das sog. PKK-Verbot vom 26.11.93 zog eine harte Kriminalisierungswelle nach sich. Rund 300 KurdInnen sitzen derweil in deutschen Knästen Haftstrafen ab bzw. warten auf ihre Prozesse. Tausende von Verfahren wegen des Zeigens "verbotener Symbole", wegen der Teilnahme an "verbotenen Demonstrationen" oder wegen "verbotener Parolen" wurden eingeleitet. Ungezählte Existenzen wurden vernichtet, Familien zerbrochen, bisher unbescholtene Menschen zu hohen Geld- und Gefängnisstrafen verurteilt. Und nicht zuletzt wurde der Protest gegen die Verbote verboten - gleich, ob er von KurdInnen oder Deutschen angemeldet wurde.
Seit 1993 habe sich, heißt es im Aufruf, "vieles geändert, sowohl in Kurdistan und in der Türkei als auch in Deutschland. Die Bemühungen der kurdischen Organisationen und deren Verhaltensweisen in Europa werden von vielen Menschen, gesellschaftlichen Kräften und Organisationen in Deutschland wahrgenommen, begrüßt und unterstützt." Während die ERNK, die Nationale Befreiungsfront Kurdistans, europaweit immer mehr Zuspruch und diplomatische Akzeptanz erfahre und in vielen europäischen Hauptstädten (u.a. Rom, Wien, Kopenhagen) offizielle Büros unterhalte, sei die PKK nur in der Türkei und der BRD "verboten".
Daß die Bremer Kundgebung nicht verboten wurde, wertet eine der VeranstalterInnen, die ehemalige Dozentin an der Bremer Musikschule Heike Hildebrand, indes als ein "Zeichen von Tauwetter und Liberalität im Umgang mit der PKK".


Aktion gegen Tierversuche an der Uni
Einige GegnerInnen der geplanten Versuche des im Sommer an die Bremer Uni berufenen Frankfurter Hirnforschers Andreas Kreiter (s. kassiber 33, S. 4ff) begeben sich am Nachmittag im Gebäude NW 2 auf die Suche nach demselben, finden ihn aber nicht, hinterlassen dabei aber an den Wänden einige Parolen und werden dann, da sich Professoren durch das Eindringen der AktivistInnen bedroht gefühlt hätten, von der Polizei etwa eine Viertelstunde lang zur Personalienfeststellung festgehalten.



6. November
Faschistische Propaganda im Offenen Kanal
Das Verfahren wegen "Volksverhetzung" gegen einen 39jähriger Mann aus Worpswede, Verantwortlicher der Sendung Hot Spot - alle 14 Tage montags im Hörfunk des Offenen Kanals (OK) Bremen -, sowie einen 46jährigen Psychotherapeuten und zum "Experten" ernannter oftmaliger Diskussionspartner in o.g. Sendung zu allerlei Themen, wird gegen jeweils 500 Mark Geldstrafe eingestellt. Die beiden gehören zu der im OK eher seltenen Spezies jener RadiomacherInnen, die nicht einfach nur blöd oder peinlich sind oder/und von der Karriere bei Radio Bremen 4 bzw., schlimmer noch, beim taz-Bremen-Ableger Radio 107.1 träumen, sondern ein echtes Anliegen haben. So palierte man in der Vergangenheit u.a. über die Themen Atomkraft, Ernährung, alternative Medizin und dann am 9. Dezember 1996 zum Thema "Wer will den 3. Weltkrieg". Wir ahnen es schon es ist der Jude, was zu beweisen man sich noch einen 60jährigen ehemaligen Lehrer aus Schleswig-Holstein einlud, der 1976 - ja, auch einige Rechte traf es - per "Radikalenerlaß" aus dem öffentlichen Dienst entlassen wurde. Im Hot Spot fabulierte er dann über die Schuld der Juden nicht nur am ersten und am zweiten, sondern - das Thema der Sendung! - auch noch an einem dritten Weltkrieg.
Während nun der 39jährige die Verantwortung trug und sein Kumpel vorm offenen Mikro einige Aussagen machte, die "äußerst unglücklich formuliert" gewesen seien, also wohl das zum besten gab, was manch ganz normaler Deutscher zum Thema beizutragen hat, was aber eben auch für diese beiden (fast) folgenlos bleibt, wird das Verfahren gegen den 60jährigen vertagt. Der hatte nämlich erst im Prozeß zum Beweis seiner Aussagen einen Aktenordner mit 29 Seiten Schriftsatz und 40 Anlagen übergeben.


Demonstration gegen Einschreibegebühren
Während sich am Vormittag auf dem Marktplatz rund 2.000 StudentInnen und SchülerInnen nach einigen Kilometern Demonstration zur Kundgebung, die den Abschluß der Aktionswoche bildet, sammeln, beschließt nach der CDU- nun auch die SPD-Bürgerschaftsfraktion, den Einschreibegebühren für StudentInnen nicht zuzustimmen. Stattdessen müßten die im Wissenschaftshaushalt fehlenden 6,75 Millionen Mark durch Einsparungen in allen Ressorts aufbegracht werden. Die ASten der Universität und der Hochschule werten "das Umschwenken der SPD als einen großen Erfolg unserer Aktionswoche".



9. November
Gedenkveranstaltungen an Reichspogromnacht
An den 59. Jahrestag der Reichspogromnacht erinnern drei Veranstaltungen. Vor dem ehemaligen jüdischen Altersheim und danach langjährigem Polizeirevier in der Gröpelinger Heerstraße/Ecke Morgenlandstraße findet am Vormittag eine Kundgebung statt, zu der die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) sowie Gröpelinger SPD eingeladen hatten.
Die alljährliche Gedenkveranstaltung der in der Bremischen Bürgerschaft vertretenen Fraktionen beginnt tags darauf um 12 Uhr beim Mahnmal am Landherrenamt. Anwesend sind einige VertreterInnen der Parteien sowie zahlreiche SchülerInnen der unweit gelegenen katholischen St.-Johann-Schule. Theaterintendant Klaus Pierwoß zitiert aus dem Dialog zweier Auschwitz-Überlebender, Senator und Major a.D. Hartmut Perschau (CDU) spricht einige offizielle Worte, den Abschluß bildet ein Gebet des Rabbiners Benjamin Barslai. Im Mittelpunkt der zentralen Gedenkfeier am Nachmittag im Rathaus steht der Beitrag Gideon Greifs (Yad Vashem/Jerusalem).
Am 9./10. November 1938 wurden in Bremen Heinrich Rosenblum, Adolf und Martha Goldberg, Selma Zwienicki und Leopold Sinason ermordet, zwei weitere Menschen wurden in den Tod getrieben. Bei vielen Geschäften jüdischer InhaberInnen, insbesondere in der Obern-, Söge-, Hutfilter- und Faulenstraße, und Privatwohnungen wurden die Fensterscheiben, teilweise auch die Laden- bzw. Wohnungseinrichtungen zertrümmert. Das jüdische Altersheim (s.o.) wurde überfallen, die Einrichtung zerschlagen, die alten Leute wurden mißhandelt und vor das Haus getrieben. Jüdische Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren wurden durch die Stadt nach Oslebshausen getrieben, von wo aus sie ins KZ Sachsenhausen gebracht wurden. Die in der Gartenstraße 6 (heute: Kolpingstraße 4-6) gelegene Synagoge wurde niedergebrannt, ebenso wie das daneben gelegene Verwaltungsgebäude der jüdischen Gemeinde; das jüdische Gebetshaus in Sebaldsbrück wurde verwüstet; die Kapelle auf dem jüdischen Friedhof zerstört, Gräber wurden beschädigt.



11. November
Kampagne gegen Landminen
120 Millionen Landminen, die in 60 Ländern liegen, fordern alle 20 Minuten ein Opfer. Frauen und Männer aus Bremer Friedensgruppen unterstützten die weltweite Kampagne gegen Landminen und verwandeln am Vormittag den Marktplatz mit rund 100 Attrappen in ein "Minenfeld". Für jede Spende von PassantInnen wird eine der "Minen" geräumt, das Geld geht an einen Fonds von medico international, mit dem Minenopfer unterstützt werden.



12. November
Prozeß gegen türkische Linksradikale
Die 3. Strafkammer des Landgerichts verurteilt eine türkische Frau sowie einen türkischen Mann zur Zahlung von Geldstrafen auf zwei Jahre Bewährung. Die beiden hatten am 12. Juli 1996 an der Besetzung der Büroräume des Arbeits- und Sozialattachés des hiesigen türkischen Generalkonsulats an der Schlachte teilgenommen (s. kassiber 29, S. 7), um so einen damals schon seit 56 Tagen laufenden Hungerstreik von politischen Gefangenen in der Türkei zu unterstützen, bei dem 12 der Gefangenen starben. Vier der BesetzerInnen, darunter auch der Angeklagte, sprangen damals, als die vermummten SEK-Beamten das Haus stürmten, aus dem Fenster im zweiten Stock, sie wurden wie die anderen sechs festgenommen. Das Gericht - vor dem SEK müsse niemand Angst haben - wertete dies allerdings als rein demonstrativen Akt und begründete damit ein höheres Strafmaß.
Bereits am 24. Juli 1995 hatten 15 mutmaßliche Dev-Sol-AktivistInnen die Büroräume des RTL-Studios in der Benquestraße besetzt und Fernsehberichte über Menschenrechtsverletzungen in der Türkei sowie die Freilassung dort inhaftierter GenossInnen gefordert (s. kassiber 27, S. 8). Von den wegen der beiden Besetzungen insgesamt angeklagten 22 türkischen Männer und Frauen wurden bis zu diesem Verfahren 14 verwarnt bzw. zu einer Geldstrafe verurteilt; ein Mann, der an beiden Besetzungen teilgenommen hatte, zu sieben Monaten Haft auf Bewährung.


Sexueller Mißbrauch
Ein zehnjähriges Mädchen wird am Nachmittag in der Nähe des Sodenmattsees sexuell mißbraucht. Der Täter sprach das Mädchen in Höhe des Kloßkampswegs an, nahm sie an die Hand und forderte sie zum Mitkommen auf, um sie dann in ein Gebüsch zu ziehen. Dort entkleidet der Mann die Zehnjährige teilweise und nimmt sexuelle Handlungen an ihr vor; danach flüchtet er.



13. November
ProfessorInnen gegen Tierversuche
An der Universität wird ein Memorandum aus Anlaß der dort geplanten Versuche mit Makakenaffen veröffentlicht, das von mehr als 30 ProfessorInnen erstunterzeichnet wurde. Zugleich beginnt eine Unterschriftensammlung unter den HochschulerInnen. Die Denkschrift ist sowohl inhaltlich als auch aufgrund der Tatsache bemerkenswert, daß eine große Zahl von ProfessorInnen aus verschiedenen Fachgebieten (auch aus den Naturwissenschaften) eines dem Vernehmen der letzten Monate nach für die Universität prestigeträchtigsten Unternehmen - und damit einen der ihren - ablehnen: "Die Unterzeichnenden bekennen sich zum Prinzip einer minimal invasiven Naturwissenschaft, nach dem der Mensch der Natur nicht mehr als Beherrscher und Vergewaltiger Erkenntnisse um jeden Preis abringt, sondern als ihr Teil eine zunehmend sensibler beobachtende und gestaltende Rolle einnimmt. Eine Kognitionsforschung, die auf Experimenten am Gehirn lebender Primaten angewiesen ist, widerspricht diesem Prinzip. Wir lehnen diese Experimente darüber hinaus aus ethischen Gründen ab."



14. November
Brandanschlag auf deutsch-armenischen Kulturverein
Auf den deutsch-armenischen Kulturverein in der Kirchhuchtinger Landstraße wird in der Nacht ein Brandschlag verübt. Unbekannte verschütten in mehreren Räumen Benzin, die Flammen ersticken aber aufgrund von Sauerstoffmangel.



15. November
Faschistische Randale (II)
Auf Veranstaltungen der Bremer CDU, zumal wenn es sich um Parties handel, kocht des öfteren die Volksseele so sehr, daß es für Nicht-Deutsche, aber auch z.B. Junkies ratsam erscheint, einen großen Bogen darum zu machen. So auch bei einem Fest des Kreisverbandes Bremen-Stadt der Jungen Union (JU) im Oberneuländer "Sasu". Jugendliche, die, so der nicht anwesende JU-Landesvorsitzender und Bürgerschaftsabgeordneter Jens Eckhoff eine Woche danach, "nicht von uns waren", sondern (?) aus den - CDU/JU-Hochburgen - Oberneuland und Horn kämen, beklebten Tanzende mit DVU-Aufklebern. Die Party endet später mit einem Streit.
Was sich nun genau zugetragen hat, ob nun JU-Kreischef Michael Glintenkamp wirklich zu besoffen war, um einschreiten - oder mitmachen - zu können, soll jetzt eine neutrale Untersuchung klären. Interessieren würde uns auch, was der eigentlich Anlaß zum Streit war: Ging es vielleicht um den passenden after hour event?



19. November
Für Erinnerungsarbeit ausgezeichnet
Die evangelische Auferstehungsgemeinde in der Drakenburger Straße wird am Abend durch den polnischen Generalkonsul Mieczyslaw Sokolowski (Hamburg) mit der Goldenen Medaille der polnischen Regierung "als Anerkennung für die Pflege nationaler Gedenkstätten" ausgezeichnet. Gewürdigt wird damit die Erinnerung an das Leiden und Sterben junger polnischer Zwangsarbeiterinnen in Hastedt. Die bei der Großwäscherei Hayungs beschäftigten etwa 30 Frauen kamen bei einem Luftangriff im Oktober 1944 ums Leben, weil sie als Polinnen nicht einen der Luftschutzbunker benutzten durften. Der provisorische Erdbunker, in dem sie stattdessen Schutz suchten, wurde von einer Bombe getroffen. Nur einige der Toten wurden geborgen, die meisten wurden dort liegen gelassen, wo später die Auferstehungsgemeinde gebaut wurde.
An die Zwangsarbeiterinnen und das Massengrab unter der Gemeinde erinnert seit zehn Jahre eine Gedenktafel. Eine jetzt erschienene Broschüre dokumentiert die seitdem stattgefundenen Nachforschungen von Gemeindemitgliedern.



20. November
Privatuniversität nach Bremen-Nord? (I)
Bringfriede Kahrs, sozialdemokratische Wissenschaftssenatorin, hat noch Visionen. Nachdem inzwischen scheinbar (fast) jeder Hans und jede Franziska studieren darf - derzeit sind es 25.570 an den fünf Bremer Hochschulen -, könnte die Errichtung einer Privatuniversität geeignet sein, die Spreu vom Weizen zu trennen. Einen "Baustein für eine Vision" bildeten, so Kahrs, ihre gerade abgeschlossenen "erfolgsversprechende[n] Beratungsgespräche" mit der Delegation einer "namhaften", wenngleich nicht namentlich benannten, privaten US-Universität. Diese Damen und Herren hätten auf Initiative Bremens das (frühestens im Jahre 2000) freiwerdende Gelände der Bundeswehrkaserne in Grohn besichtigt und seien davon "sehr schnell angetan" gewesen. Kahrs hoffe auf eine baldige positive Rückmeldung der US-AmerikanerInnen, die auch noch versuchen wollten, zwei weiteren US-Universitäten für das Projekt zu gewinnen. Denn, so die Senatorin, bisher konnten US-Universitäten, die große Interesse an "Brückenköpfen" in Europa hätten, "in Deutschland nur irgendwo unterschlüpfen".
Beraten wurde über eine Universität höchstens Standards, die aus öffentlichen Geldern und - aus den USA - privaten Mitteln finanziert werden solle. Ein Drittel der StudentInnen kämen aus den USA, zwei Drittel wären EuropäerInnen, die Lehrsprache wäre Englisch. Gestartet würde mit 500 StundentInnen, die schärfsten Auswahlkriterien unterliegen würden, nach fünf Jahren wäre die Höchstzahl 2000 erreicht, die auch auf dem Campus wohnen würden und sowohl US-amerikanische als auch europäische Abschlüsse erwerben könnten. Geplant sei, unter Einbeziehung der Universität und evtl. der Hochschule Bremen ein "Center of Excellence" zu installieren. Und natürlich solle auch die hiesige Wirtschaft intensiv mit einbezogen werden.
Vorbild sei die US-Universität, mit der verhandelt werde. Die habe einen Nobelpreisträger hervorgebracht und näme nur die Besten der Besten nach intensiven Einzelgesprächen auf: von 4.000 BewerberInnen jährlich gerade einmal 600. Gearbeitet würde interdisziplinär, das Fächerspektrum biete ideale Kooperationsmöglichkeiten - und auf eine/n ProfessorIn kämen gerade einmal neun StudentInnen.


Kein Abschiebestopp für AlgerierInnen
Die Bürgerschaft lehnt mit den Stimmen der Großen Koalition (SPD/CDU) und der AFB den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen für einen Abschiebestopp nach Algerien ab.



21. November
Bürgerschaft lehnt Bürgerantrag ab
Die Bürgerschaft lehnt in namentlicher Abstimmung den Bürgerantrag "Keine Primatenforschung an der Universität Bremen", den 30.000 BremerInnen unterzeichnet hatten, ab. Von den 88 anwesenden Abgeordneten sind 20 dafür, 63 dagegen, fünf enthalten sich der Stimme.



22. November
Sexistische Angriffe (III)
Eine Frau wird gegen 4 Uhr an der Schlachte von einem Mann vergewaltigt. Die 25jährige hatte den Täter zuvor in der Discothek "Memory" kennengelernt und ging dann mit ihm in Richtung Weser. Dort drückt der Täter die Frau plötzlich auf eine Bank und vergewaltigt sie.



25. November
Tumulte in Gerichtsverhandlung
In dem seit Anfang November im Männerknast Oslebshausen laufenden "Mammutprozeß" gegen 16 KurdInnen aus dem Libanon kommt es am Vormittag in einer Verhandlungspause zu Tumulten. Einer der Angeklagten hatte wegen eines Asthma-Anfalls in ein Krankenhaus eingeliefert werden müssen, woraufhin die Sitzung unterbrochen wurde. Die übrigen Angeklagten und ihre Rechtsanwälte wurden in einen Nebenraum der Mehrzweckhalle geleitet, wo die Situation schnell eskaliert: Stühle werden zertrümmert, Fensterscheiben eingeschlagen. Im gesamten Knast wird Alarm ausgelöst, alle Gefangenen werden weggeschlossen. Derweil stürmen SEK-Beamte - in Zivil und mit übergezogenen schwarzen Sturmhauben bzw. hier wohl treffender: "Haßmasken" - den Raum und beenden den Tumult. Einer der Angeklagten wird durch Glassplitter am Hinterkopf verletzt, die Wunde muß im Krankenhaus genäht werden. Nach Darstellung von Polizei und Justiz ist er absichtlich in eine Scheibe gelaufen.
Und einer der SEK-Beamten muß sich danach krank schreiben lassen, weil er von Verteidiger Horst Wesemann einen Faustschlag ins Gesicht erhält. Nach polizeilicher Darstellung hatte der Beamte den Anwalt per "Armdrehgriff" am Verlassen des Raumes gehindert und ihn zurückgestoßen. Daraufhin hätte sich der umgedreht und zugeschlagen. Demgegenüber will sich Horst Wesemann nur gegen einen "vermummte[n] Mann in Jeans", der hereingestürmt sei und versucht habe, ihn zu schlagen, in einem Gerangel "gewehrt" haben. Doch der Polizist sei "noch nicht mal umgefallen". Schon sehr schön, Horst, doch beim nächsten Mal entweder besser zielen oder stärker zuschlagen. Sollte es Dir aber inzwischen an Kondition mangeln, könntest Du Dich ja z.B. mal wieder auf ein paar Demos sehen lassen - natürlich nur zum Mitlaufen ...



26. November
OVG: AStA hat kein "allgemeinpolitisches Mandat"
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen verbietet auf Antrag eines rechten Studenten dem Allgemeinen Studenten-Ausschuß (AStA) der Universität Bremen und seinen Arbeitskreisen unter Androhung eines Ordnungsgeldes zwischen fünf und 500.000 Mark, "politische Erklärungen, Forderungen und Stellungnahmen zu verlautbaren, die nicht spezifisch und unmittelbar auf die Aufgaben der Hochschule oder auf die Interessen der Studenten bezogen sind" sowie "politische Bestrebungen, die (diese) Begrenzungen ... nicht einhalten, durch Zahlungen einschließlich Kostenerstattung und Ankauf von Erzeugnissen oder durch Zuwendungen geldwerter Leistungen, insbesondere Dienst- oder Sachleistungen an Personen ... oder Organisationen zu unterstützen".
Das Verbot gilt "insbesondere für Verlautbarungen und Aktivitäten zur Energiepolitik einschließlich der 'Castor'-Thematik; zur Politik der Inneren Sicherheit einschließlich der Thematik 'Terrorismus' und 'RAF'; zur allgemeinen Arbeitsmarktpolitik einschließlich Lohnfortzahlung und Schwarzarbeit; zur allgemeinen Verkehrspolitik, z.B. zum Bau von Fernstraßen; zur Ausländerpolitik, soweit es nicht unmittelbar um Belange der Hochschulen oder von Hochschulangehörigen geht; zur Politik gegenüber der Türkei, zur Kurdenfrage, zur PKK und zu Newroz-Feiern".
Ende September hatte das Verwaltungsgericht Bremen in der Entscheidung über den Eilantrag des Studenten, der dem AStA die allgemeinpolitische Betätigung untersagen lassen wollte, zwar festgestellt, "daß die verfaßte Studentenschaft der Universität Bremen in der Vergangenheit mehrfach gegen das Verbot der Wahrnehmung eines allgemeinpolitischen Mandats verstoßen hat", doch keine Wiederholungsgefahr gesehen. Auch vertrat das Verwaltungsgericht die Ansicht, "daß der Übergang zwischen hochschulpolitischen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen fließend" sei und dem AStA "bei der Behandlung hochschulpolitischer Themen auch ein Brückenschlag zu allgemeinpolitischen Angelegenheiten" erlaut sei (s. kassiber 33, S. 37).



27. November
Polizei-Sponsoring
Im Kunden-Center des Bremer Mercedes-Benz-Werks im Holter Feld und nicht etwa in einer Behördeneinrichtung übergibt Innensenator Borttscheller 15 Mercedes-Funkwagen für die Polizeireviere und einen weiteren für die Verkehrsbereitschaft. Die Fahrzeuge mit einem Gesamtwert von 730.000 Mark wurden im Rahmen einer Sonderinvestition von 2,05 Millionen Mark angeschafft. Kürzlich wurden bereits 14 Zivilfahrzeuge für das SEK und die Kriminalpolizei angeschafft, weitere 24 Zivilfahrzeuge werden in den nächsten Wochen ausgeliefert.



1. Dezember
Aktion Saubere Stadt: Bettler und Obdachlose raus!
Nach Angaben der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Jens Börnsen und Hermann Kleen hat der Bremer CDU-Landesvorsitzende und Staatssekretär (Bonn) Bernd Neumann am vorhergehenden Wochenende mal wieder faschistoide Parolen geschwungen bzw., wie Börnsen und Kleen es ausdrücken, den sozialen Konsens in der Hansestadt aufgekündigt. Neumann hatte zur Attraktivitätssteigerung der Innenstadt gefordert, "der Polizei eine rechtliche Handhabe zu geben, Bettler und Obdachlose aus der Stadt zu verjagen".



3. Dezember
Hausdurchsuchung bei ARAB und Sielwallhaus
In den Morgenstunden findet die schon traditionelle alljährliche Durchsuchung des Antirassismus-Büros (ARAB) und des Sielwallhauses statt. Polit-Staatsanwalt Uwe Picard begibt sich mit 15 PolizistInnen auf die Suche nach Beweismitteln in einem seit Anfang September laufenden Ermittlungsverfahren gegen "Verantwortliche" des ARAB; zahlreiche Unterlagen und eine PC-Festplatte werden beschlagnahmt. Ermittelt wird laut Durchsuchungsbeschluß vom 10. November wegen "Beleidigung, Verleumdung u.a.". Gemeint sind Flugblätter und Plakate, mit denen das ARAB und zahlreiche andere Gruppen zu Aktionstagen und einer Demonstration gegen rassistische Polizeigewalt im Zeitraum Anfang bis Mitte September aufgerufen hatten. In denen seien "beleidigende und verleumderische Ausdrücke enthalten, wie z.B. Polizeiterror, rassistische Kriminalitätsdebatte, es werden darin Straftaten gebilligt, u.v.a." (s. auch die Presseerklärung des ARAB und die Solidaritätserklärung für das ARAB in diesem kassiber).
Kriminalisiert werden soll auch die Arbeit der Jugendinitiative Sielwallhaus und der sich dort treffenden Gruppen. Mit der Begründung, daß das ARAB "keine festen Strukturen" aufweise und sich in den Räumen der Jugendinitiave Sielwallhaus e.V. befinde, erstreckt sich die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts "sowohl auf die Räume, die dem ARAB erkennbar zur Verfügung stehen, als auch auf solche Räume, zu denen die Mitglieder des ARAB Zugang haben, auch wenn sie weder Mieter noch sonst Nutzungsberechtigte sind". Das ist eine bewußte Lüge, wissen doch Picard und Staatsschutz - und haben das in ihren Unterlagen festgehalten - nach wiederholten Hausdurchsuchungen, daß die AktivistInnen des ARAB lediglich zu den von ihnen angemieteten und abgeschlossenen Räumen Zugang haben, genauso wie andere Gruppen auch nur für die von ihnen genutzten Bereiche. Daß es sich hier (auch) um eine konzertierte Aktion verschiedener Behörden gegen das Sielwallhaus handelt, darauf weist er auch die Tatsache hin, daß sich unter den ungebetenen BesucherInnen ein Beamter des Gewerbeamts befindet, der das Haus nach einem eigenen Kriterienkatalog durchsucht. Und auch sogleich, angesichts zahlreicher im Keller befindlicher, von Vereins-Parties übriggebliebener Getränkekästen, eine widerrechtliche kommerzielle Nutzung behauptet und mit einem Verfahren droht ...


SchülerInnen-Widerstand gegen Abschiebung
Nach zahlreichen Aktionen, Demonstrationen und vielerlei anderen Aktivitäten gegen die geplante Abschiebung ihres Mitschülers Ibrahim Ali Yaya, erreichen die SchülerInnen des SZ Kornstraße im Gespräche mit VertreterInnen der Innenbehörde einen Aufschub bis Ende Januar. Außerdem räumt die Innenbehörde dem Flüchtling aus Togo jetzt doch die Möglichkeit eines Asylfolgeantrags ein.
Der 16jährige war vor eineinhalb Jahren gemeinsam mit seinem Bruder nach Deutschland geflohen. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte den Asylantrag Ibrahim Ali Yayas ab, doch der für den Minderjährigen eingesetzte Amtsvormund legte gegen diesen Bescheid keine Berufung ein, woraufhin das Verwaltungsgericht Bremen keine Klage zuließ.
Nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen müssen in Togo selbst Jugendliche mit politischer Verfolgung, Folter und Tod rechnen. Auch war es dem im Auftrag der Behörden tätig gewordene Internationale Sozialdienst nicht möglich gewesen, noch lebende Verwandte des 16jährigen zu finden.
Auch sieben andere Jugendliche aus Togo sind in Bremen von der Abschiebung bedroht. Sie haben zwar gegen die Ablehnung ihrer Asylfolgeanträge Rechtsmittel eingelegt, doch wurde im Oktober ein Schreiben der Ausländerbehörde bekannt, daß "die Ausreiseverpflichtung auch im Falle einer Klageerhebung" durchgesetzt werden soll.



6. Dezember
Postgewerkschafts-Demonstration
Mehrere hundert Beschäftigte der Deutschen Post AG protestieren auf dem Bahnhofsvorplatz gegen die für sie negativen Auswirkungen der Privatisierung. Die Bundesregierung, die mit aller Kraft den "Sozialstaat plattmache" wird auf der von der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) organisierten Demonstration aufgefordert, im Postgesetz einen "Finanzierungsschutz" für die Aufrechterhaltung einer flächendeckenden Postversorgung zu verankern. Andernfalls seien durch konkurrierende Kleinbetriebe mit 610-Mark-Jobs und Scheinselbständige allein rund 3.000 Arbeitsplätze bei der Deutschen Post AG gefährdet.



8. Dezember
StudentInnenstreik (II)
Wie bereits an einigen Dutzend Hochschulen im gesamten Bundesgebiet wird jetzt auch an der Bremer Universität gestreikt. Die mit rund 2.000 StudentInnen erstaunlich gut besuchte Vollversammlung beschließt den Streik: für mehr Geld, gegen die geplante Novellierung des Hochschulrahmengesetzes, das "Maulkorb"-Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das dem AStA allgemeinpolitische Äußerungen untersagt hatte, gegen die Diskriminierung nicht-deutscher StudentInnen und die sog. Ausländergesetze, gegen Kreiters Tierversuche, gegen Castor-Transporte und anderes mehr. Am gleichen Tag votiert die Vollversammlung der Hochschule dafür, den dort bereits laufenden Streik fortzusetzen. In den nächsten Tagen und Wochen werden zahlreiche Veranstaltungen an den Hochschulen, Aktionen außerhalb und Demonstrationen - teilweise gemeinsam mit SchülerInnen - stattfinden. (Despektierliches zum Thema findet sich in unserem Schwerpunkt zum StudentInnenstreik.)



11. Dezember
Razzia bei KurdInnen
Was sich durch eine seit dem Herbst andauernde Borttschellersche Kampagne schon abzeichnete, passiert in den frühen Morgenstunden: Polizei und Staatsanwaltschaft durchsuchen den Kurdisch-deutschen Solidaritätsverein in der Faulenstraße und die Wohnungen von fünf kurdischen Männern. Anlaß seien Erkenntnisse über "Spendengelderpressungen" für die PKK gewesen, die durch Aussagen in Bremen lebender KurdInnen in den letzten Monaten gestützt worden seien. Außerdem wären die angeblichen Erpressungsopfer aufgefordert worden, in den Kurdisch-deutschen Solidaritätsverein zu kommen.
Im Verein seien Werbematerialien für die PKK und ihren Chef Abdullah Öcalan beschlagnahmt worden, in den Wohnungen eine Schußwaffe samt Munition sowie Unterlagen, die auf erpreßte Geldzahlungen hindeuteten. Vier Männer werden festgenommen, ein weiterer befindet sich auf der Flucht, stellt sich aber später.
Am 16. Januar werden die Betroffenen aus der Untersuchungshaft entlassen. Nach Ansicht des Landgerichts gibt es für die Haftgründe Flucht- und Verdunkelungsgefahr keine ausreichenden Anhaltspunkte.


Beirat gegen Castor-Transporte
Gegen die Stimmen der CDU-Fraktion beschließt der Beirat Hemelingen einen sog. Bürgerantrag gegen Castor-Transporte. Der große Stadtteil im Osten Bremen, durch den mehrere Strecken der Bahn führen, die für solche Transporte abgebrannter Brennelemente in Frage kommen, sei dadurch überproportional gefährdet.



16. Dezember
910 bosnische Flüchtlinge "ausgereist"
Nach Angaben von Innensenator Borttscheller haben bis September 910 der rund 3.200 in Bremen und Bremerhaven lebenden bosnischen Flüchtlinge Deutschland verlassen. Vier Menschen, die sich der "Ausreise" widersetzt hätten, seien abgeschoben worden.


Privatuniversität nach Bremen-Nord? (II)
Die Verhandlungen von Wissenschaftssenatorin Bringfriede Kahrs mit der Rice-University in Houston/Texas (USA) zwecks Gründung einer Privatuniversität in Bremen-Nord konkretisieren sich (s. 20 November). Nach dem Präsidenten und dem Aufsichtsrat der US-Universität stimmt jetzt auch der Bremer Senat dem Projekt zu. Hatte Kahrs aber Ende November noch von einer Zielzahl von 2.000 StudentInnen gesprochen, ist jetzt von 1.200 die Rede, die nach fünf Jahren erreicht sein soll. Die Elite-Universität soll sich dann aus Studiengebühren und Privatkapital finanzieren.
Schon zuvor hatte Uni-Pressesprecher Uwe Gundrum verkündet, daß es sich bei den potentiellen KooperationspartnerInnen der Rice-University für das Projekt um die University of Indianapolis, die Havard-University in Massachusetts und das Massachusetts Institut of Technology (MIT). Uni-Rektor Jürgen Timm, der zusammen mit dem auch in den USA tätigen Bremer Uni-Professor Heinz-Otto Peitgen bereits 1996 die Kontakte hergestellt hatte, sei deshalb erst kürzlich in den USA gewesen und wolle nun im Frühjahr mit den US-amerikanischen VerhandlungspartnerInnen das Projekt festlegen.



19. Dezember
Abschiebungen nach Arbeitsamts-Razzien
Mitte Dezember wurden bei zwei Razzien des Arbeitsamtes vier polnische Männer, die weder eine Arbeits- noch eine Aufenthaltserlaubnis besaßen, von der Polizei festgenommen. Zwei der Männer wurde auf der Baustelle in einem ehemaligen Bäckereigebäude in der Bürgermeister-Smidt-Straße/Ecke Breitenweg, die beiden anderen in einer ehemaligen Kaffee-Rösterei in Hemelingen festgenommen; alle vier sollen abgeschoben werden. Gegen die Unternehmen werden Verfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zum illegalen Aufenthalt und wegen illegaler Beschäftigung eingeleitet.



22. Dezember
Aktion gegen Atomtransporte
Greenpeace-AktivistInnen entern gegen 2.30 Uhr den RoRo-Frachter "Arneb", hindern ihn so am Anlegen an der Bremerhavener Kolumbuskaje und schweißen sich mit Bügelschlössern an dessen Heckklappe fest. Die Aktion richtet sich gegen den geplanten Weitertransport von 59 Kilogramm Plutonium aus dem früheren Brennelementewerk in Hanau in "die nukleare Müllkippe Europas", die schottische Wiederaufbereitungsanlage Dounreay. Kritisiert wird damit auch der Bremer Senat, der Bremerhaven zum "Umschlagplatz Nummer 1 für hochradioaktive Stoffe in Deutschland" gemacht habe. Seit 1991 hätten über 600 Atomtransporte über die bremischen Häfen stattgefunden
Weil Häfensenator Beckmeyer das macht, was sozialdemokratische Bremer Politik seit langer Zeit auszeichnet, nämlich mit allem und jedem Handel zu treiben, so lange dies ordentlich bezahlt wird, und parallel dazu mit den GegnerInnen der HandelspartnerInnen bzw. dieser Politik substanzlose Gespräche zu führen, ja ihnen sogar manchmal einen Menschenrechts- o.ä. Preis zukommen zu lassen, muß er verbale Prügel von Innensenator Borttscheller einstecken. Beckmeyer habe nämlich stundenlange Verhandlungen mit Greenpeace-Leuten geführt - das Gespräch am Vormittag dauerte etwas über 60 Minuten -, statt die Lage von den derweil untätig ausharren müssenden 40 PolizistInnen, darunter eine zehnköpfige SEK-Gruppe, "schnell und gründlich bereinigen" zu lassen. In den guten alten Zeiten hieß das noch "keine Gefangenen", was sich wohl auch die Besatzung der "Arneb" dachte und die Heckklappe trotz der daran verschweißten Männer und Frauen herunterlassen wollte - woran sie allerdings von der Wasserschutzpolizei gehindert wurde.
Nach 15 Stunden beendet die Polizei die Aktion, die AktivistInnen werden vorläufig festgenommen.



23. Dezember
Hungerstreik im Knast
Zehn kurdische Gefangene treten im Bremer Männerknast Oslebshausen in den Hungerstreik, um gegen ihre rassistische Sonderbehandlung zu protestieren. Gegen alle Hungerstreikenden, die jeweils zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, liegen Ausweisungsverfügungen vor, bei einigen von ihnen wurde die Abschiebung bereits letztinstanzlich angeordnet. Damit steht ihnen die Abschiebung direkt aus dem Knast bevor. "Vollzugslockerungen" wie Hafturlaub und Freigänge werden nicht gewährt. Knast-Chefin Ines Kalisch - "Ich lasse mich nicht erpressen" - ist genauso wenig zu Zugeständnissen bereit wie Justizstaatsrat Ulrich Mäurer (SPD): "Das Gesetz sagt eindeutig: vom Urlaub ausgeschlossen sind Gefangene, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung besteht." Außerdem bestände Fluchtgefahr, denn es handele sich bei den zehn Männern nicht nur "größtenteils um Straftäter mit erheblicher krimineller Energie" - Drogenhändler, PKK-Funktionäre und dergleichen mehr, fast schlimmer noch, sie drohten ihre gerechten Abschiebung zu entgehen und unterzutauchen. Einige von ihnen seien bereits einmal unter anderem Namen in die BRD gekommen, dann abgeschoben worden und anschließend wieder illegal eingereist.
Am 8. Januar wird der Hungerstreik beendet.



30. Dezember
Sexistische Angriffe (IV)
Eine Frau wird gegen 0.40 Uhr in der Bamberger Straße von einem Mann überfallen. Der Täter packt die 35jährige am Hals und versucht, sie in einen Durchgang zum Jan-Reiners-Weg zu ziehen. Weil die Frau laut um Hilfe ruft, flüchtet der Mann.



31. Dezember
Same procedure as last year?
Rund 500 Männer und Frauen feiern auf der Sielwallkreuzung, mindest 250 von ihnen sind PolizistInnen. Bundesgrenzschutz, Bereitschaftspolizei, SEK, zivile Greiftrupps und dergleichen mehr demonstrieren seit 18 Uhr massive Präsenz. Das tut der Stimmung aber keinen Abbruch. Dennoch bleibt zu hoffen, daß einigen Leuten die nächtlichen quasi Verbrüderungs- und Verschwesterungsszenen mit den Bütteln am nächsten Morgen zumindest peinlich waren: Hohe Promillegrade taugen als Entschuldigung höchsten gegenüber der bürgerlichen Justiz - und meine Oma hat immer gesagt, daß kleine Kinder und Betrunkene immer die Wahrheit sagen ...
Da es diesmal keine in der Nähe liegende Party zu überfallen gab und es auch noch etwa 20 Grad wärmer als vor einem Jahr ist, beschränkt sich die Polizei darauf, zu vorgerückter Stunde, einige Betrunkene zu verprügeln und sie in Gewahrsam zu nehmen.



5. Januar
Faschistischer Aufruf
Wie erst jetzt bekanntgegeben wird, hat die Polizei vor Weihnachten die Wohnungen einiger der 66 UnterzeichnerInnen des faschistischen Pamphlets "Völkermord am deutschen Volk" durchsucht. Verfasser und Herausgeber der 22seitigen Broschüre, die eine Auflage von 110.000 (!) Exemplaren haben soll, seien unbekannt; ihre Verteilung und Verschickung werde von Dresden aus organisiert. Die UnterzeichnerInnen, die mit Ortsangabe unter dem Aufruf aufgeführt sind, gehören verschiedenen faschistischen Parteien und Organisationen an und sollen durchschnittlich jeweils 1.000 Mark für die Druck- und andere Kosten gespendet haben. Das Geld ging auf das Konto des Rechtsanwalts und Notars Günter Lamotte im hessischen Friedberg.
Grundlage der Durchsuchungen, die von der Staatsanwaltschaft in Dresden koordiniert wurden, waren Ermittlungsverfahren u.a. in Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen, wegen "Volksverhetzung" sowie, zumindest in Sachsen, wegen "verfassungsfeindlicher Verunglimpfung von Staatsorganen". Das sei aber zugleich auch der Grund, weshalb die dortigen Ermittlungen nicht weiter gehen (dürften). Denn bevor die Dresdner Staatsanwaltschaft deswegen eigenständig strafrechtlich verfolgen dürfe, sei eine Ermächtigung des Bundesjustizministeriums erforderlich, die zwar seit einiger Zeit beantragt sei, aber noch nicht vorliege. Das Ministerium hat nach eigenen Angaben vom 8. Januar das Ersuchen am 9. Dezember zuständigkeitshalber an das Bundeskanzleramt weitergeleitet, wo es seitdem liegenblieb, weil Bundeskanzler Kohl erst eine Beurteilung des Aufrufs durch das Bundesinnenministerium abwarten wolle.
13 UnterzeichnerInnen des "Aufrufs an alle Deutschen zur Notwehr gegen die Überfremdung" kommen aus Bremen und Niedersachsen. In Bremen haben Hausdurchsuchungen bei Liselotte Päsler und Hildegard Newzella (DVU) stattgefunden, im Umland u.a. beim Ehrenvorsitzenden des Kreisheimatbundes im Landkreis Diepholz und des Syker Verkehrs-, Verschönerungs- und Bürgervereins sowie ehemaligen Wehrmachts-Majors, Edzard Folkerts, in Syke; beim ehemaligen Kreisvorsitzenden der NPD, Hugo Schag, in Delmenhorst und beim früheren Kreisvorsitzenden der Republikaner, dem Chirurgen Rigolf Hennig, in Verden.



8. Januar
Abschiebung nach Togo
Die Bremer Innenbehörde schiebt erstmals nach einigen Jahren wieder ein Flüchtling nach Togo ab. In den letzten Jahren waren Flüchtlinge, auch wenn eine Ausweisung gegen sie vorlag, nicht in das diktatorisch regierte afrikanische Land abgeschoben worden, weil auch die Gerichte die dortigen Verhältnisse als "Abschiebehindernisse" anerkannt hatten. Das hat sich inzwischen geändert, weil das Auswärtige Amt - die Bundesregierung hatte 1993 alle "Entwicklungshilfe" unter Verweis auf die Menschenrechtslage eingestellt - die politische Lage inzwischen als unproblematisch einstuft. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen hat sich allerdings nicht geändert. Bremen vollziehe, so Innensenator Borttschellers Sprecher Stefan Luft, mit der Abschiebung nunmehr die gewandelte Rechtssprechung der Gerichte. Etwa 50 weitere Flüchtlinge aus Togo müssen damit mit ihrer Abschiebung rechnen.
Gegen die Abschiebung hatten am Morgen knapp 100 Männer und Frauen in der Abflughalle des Flughafens demonstriert.


Sexistische Angriffe (V)
Gegen 9.45 Uhr wird eine Spaziergängerin im Bürgerpark in der Nähe des Sterns von einem Mann überfallen. Der Täter, der seinen Unterkörper entblößt hatte, faßt der 25jährigen von hinten an die Schulter und schlägt ihr auf den Kopf, als sie ihn anschreit. Da die Frau weiter um Hilfe schreit, flüchtet der Mann.


Rühe: 1998 Bundeswehr-"Gelöbnis" in Bremen
Mit "sehr vielen öffentlichen Gelöbnissen" soll 1998 nach Angaben von Verteidigungsminister Rühe (CDU) Stimmung für die Bundeswehr, die derzeit gewisse Imageprobleme hat, gemacht werden. Auf der CSU-Tagung in Wildbad Kreuth kündigt Rühe an, die Kriegsdienstleistenden auch in Städten, in denen es ein gehöriges Protestpotential gebe, schwören zu lassen. So sollen am 13. August öffentliche Gelöbnisse vor dem Roten Rathaus in Berlin, auf dem Hamburger Rathausplatz sowie Bremen - hier verfügt Rühe offenbar über keine Ortskenntnisse - stattfinden.
Die Diskussionen, die sich in den von Rühe genannten Städten in den folgenden Tagen abspielen, sind symptomatisch für die Befindlichkeiten in diesem Land. Während die Berliner CDU den Truppenaufmarsch des Jägerbataillons I vor dem Roten Rathaus vehement befürwortet, ist die Große-Koalitions-Partnerin SPD dagegen - allerdings nur gegen Ort und Zeit. Sie möchte die Bundeswehr stattdessen lieber am 20. Juli, dem Tag des konservativen, reaktionären, monarchistischen, rassistischen und antisemitischen Widerstands gegen Hitler, auf dem Platz der Luftbrücke sehen. Auch der rot-grüne Hamburger Senat lehnt Rühes Ansinnen ab - und möchte das Gelöbnis lieber auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Neuengamme stattfinden lassen.
In Bremen gibt es die ersten öffentlichen Reaktionen erst später, am 21. Januar. Die CDU ist, klar, dafür, Bündnis 90/Die Grünen auch. Während die CDU das Weserstadion am 9. Juni vorschlägt, halten es die Grünen, die auch noch viel mit der demokratischen Bundeswehr vorhaben, für eine gute Idee, das Gelöbnis auf dem Gelände des U-Boot-Bunkers Valentin in Farge zu feiern. Zu den Bauarbeiten an dem faschistischen Großprojekt, das heute in Teilen ein Materialdepot der Bundesmarine beherbergt, wurden in den 40er Jahren Tausende von ZwangsarbeiterInnen, Kriegsgefangenen, Gefangenen aus den Außenlagern des KZ Neuengamme und anderen Lagern gezwungen. Mindestens 4.000 von ihnen wurden ermordet, zu Tode gefoltert, starben an Hunger und aufgrund ihrer miserablen Lebensbedingungen (s. kassiber 25 und 26).
Zumindest die Bremer PolitikerInnen könnten für ihre weiteren Planungen vorgewarnt sein, führte ein hiesiges Rekrutengelöbnis am 6. Mai 1980 doch zur bis dahin wenn vielleicht nicht größten, so doch aber militantesten Straßenschlacht der westdeutschen Nachkriegsgeschichte - mit (fast) unentschiedenem Ausgang.



14. Januar
Lohnschreiberei
Dr. Herbert Schäfer, ehemaliger Chef des Bremer Landeskriminalamtes, legt eine im Auftrag der Innenbehörde verfaßte "Studie" zum Thema Graffiti vor, die keinen anderen Zweck hat als die aus den USA stammenden Thesen seiner Auftraggeber in puncto "Kriminalitätsangst" pseudo-wissenschaftlich zu unterstützen. Ideologische Grundlage der Lohnschreibe ist die reaktionäre "Broken-windows"-Theorie, die in zerbrochenen Fenster, Graffiti o.ä. die Ursache allen Übels sieht und die sich derzeit bei bundesdeutschen SicherheitsstrategInnen höchster Beliebtheit erfreut (s. kassiber 33). Und den Rest hat er auch noch abgeschrieben: Die Graffiti würden besonders bei älteren Leuten Bedrohungsgefühle und Ängste auslösen usw. usf. Oder um es mit Innensenator Borttscheller (im Vorwort des Papiers) zu sagen: "In der politischen Debatte und in den Medien ist der grassierende Farbvandalismus entweder vorwiegend unter dem Gesichtspunkt einer jugendspezifischen Kunstrichtung oder unter dem Aspekt der freien Entfaltung junger Menschen bagatellisiert worden." Tatsächlich aber schürten die Graffiti aber bei den meisten Menschen "ein Gefühl der Ohnmacht und Wehrlosigkeit".
Borttscheller wußte, was er von seinem Schäfer erwarten durfte, und kann denn auch bei Erscheinen der "Studie" erfreut resümieren: "Das aktive Einschreiten der Polizei gegen Farbvandalisten ist unverzichtbar. Aber: Dem Phänomen kann nur dann wirksam begegnet werden, wenn Staatsanwaltschaften, Gerichte, Schulen und Jugendarbeit ebenfalls ausreichendes Problembewußtsein zeigen und gemeinsam daran mitwirken, Kriminalität (wohlgemerkt: es geht in der Studie um Graffiti, Anm.) zu verhindern und zu reduzieren."

Willi Leow



Kurzmeldungen


Faschistische und rassistische Straftaten
5.173 "rechtsextreme", d.h. faschistische, rassistische bzw. antisemitische, Straftaten - und damit 14 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum - wurden von Januar bis September 1997 durch das Bundeskriminalamt (BKA) registriert, berichtet Bild am 11.11.97. Derzeit seien 47.000 Rechtsradikale in "Zusammenschlüssen" aktiv, 2.000 mehr als 1996. Damit habe das BKA, das jegliche Stellungnahme zu diesem Bericht ablehnt, erstmals seit 1993 wieder eine Zunahme der Mitgliederzahl verzeichnet.
Gestiegen sei auch die Zahl der Konzerte mit rechtsradikalen Musikgruppen, und zwar auf 79 bis Ende September; das seien mehr als doppelt so viele Konzerte gewesen wie im gesamten Jahr 1995.

Abschnitt I: 16. Oktober bis 27. November 1997
Abschnitt II: 1. Dezember 1997 bis 14. Januar 1998
Abschnitt III: Kurzmeldungen



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kombo(p) - 16.02.1997