Ein Auszug aus - kassiber 33 - November 97

Zur Kritik der Wehrmachtsausstellung

Konkurrenz um die passende Nationalmoral statt Aufklärung über Faschismus und Krieg (Teil II)


Teil I
Teil III


1.4. Das ist ein gut deutsches, ein nationalistisches Anliegen. Der Nationalismus, der diesem Konzept zugrundeliegt, ist natürlich kein Hurrapatriotismus. Er ergreift auch nicht umstandslos Partei für deutsche Bosnien-, Europa- oder Nato-Anliegen. Er ist komplizierter. Ich nenne ihn mal den idealistischen Verantwortungsnationalismus. Er sorgt sich darum, ob das Deutschlandbild eigentlich den eigenen Maßstäben von einer geläuterten Nation entspricht: Als Deutsche fühlen sich die Aussteller und als Deutsche, als Angehörige eines "Kollektivs, das geprägt ist von dem, wo es herkommt" (Heer), wollen sie, daß jeder Verdacht, daß das Vergangene heute noch Überlebenschancen hat, zerstreut wird. Dafür schauen sie sich merkwürdigerweise nicht die Politik an, die heute gemacht wird, sondern schauen drauf, ob eine glaubwürdige Vergangenheitsbewältigung betrieben wird. Und allein bei der entdecken sie Mängel. Verdächtig wird ihnen ihr Deutschland, weil sie bei der Befassung mit der Vergangenheit, mit dem Faschismus Versäumnisse entdecken und überhaupt eine Tendenz zum "Vergessen" bemerken. Und so machen sie sich denn ans Werk. Sie installieren eine Ausstellung, die ihren Maßstäben von glaubwürdiger Vergangenheitsbewältigung entspricht und machen auf ihre Tour Reklame für ein glaubwürdigeres Deutschland.

Inzwischen - nach mehreren Jahren der Auseinandersetzung mit der WMA, jetzt wo das Lob der Ausstellung die rechte Kritik an ihr längst überwiegt - ziehen die Aussteller übrigens eine ziemlich positive Bilanz. Sie nehmen inzwischen sich selbst und ihr Produkt als Beweis dafür, daß Deutschland schon auf dem richtigen Weg ist. Die öffentliche Aufnahme ihrer Ausstellung ist ihnen zirkulärer Beweis für das geläuterte Deutschland: Weil es uns geben darf, kann Deutschland nicht ganz falsch, sondern sogar ein bißchen Heimat sein. Um zu diesem Befund zu gelangen, muß man sich allerdings bereits in Deutschland geistig beheimatet fühlen und sich als eine wichtige nationale Kraft begreifen, von dessen Wirken das deutsche Ansehen mit abhängt.


2. Falsche Urteile über den Faschismus

Es kann nicht ausbleiben, daß bei einem Dementi von Legenden die Sache selbst gründlich verfehlt wird, die das Material für das nationalmoralische Glaubwürdigkeitsgetöber abgibt, also die faschistische Wehrmacht, die Kriegsziele des deutschen Faschismus, das politische Programm des Faschismus selbst. Ich behaupte, daß bei dieser Sorte Abbau von Legenden neue Legenden gebildet werden und alte Legenden an neuem Material aufgetischt werden. Die beiden zentralen neuen bzw. von den Ausstellern neu aufgefrischten Legenden, die ich im folgenden kritisieren will, deuten sich im Titel der Ausstellung an: "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" (Ostfront) Dargestellt wird in der Ausstellung, daß die deutsche Wehrmacht an "Kriegsverbrechen" beteiligt war, meint: daß auf Befehl des OKW Wehrmachtsteile an Judenerschießungen beteiligt waren, daß Zivilisten und sogenannte Partisanen systematisch liquidiert und massenhaft Kriegsgefangene getötet wurden. Die Sachverhalte sind gar nicht zu bestreiten, doch beide Urteile - das über die "Verbrechen" der Wehrmacht und das andere, das daraus den Befund vom faschistischen Vernichtungskrieg ableitet - halte ich für falsch


2.1. Die erste alte/neue Legende besteht darin, diese Kriegshandlungen zu Verbrechen zu erklären. Die Logik ist nicht unbekannt. Wenn bei Schülern aus ihrem Geschichtsunterricht etwas hängen bleibt, dann ist es der Befund vom bösen Verbrecher Hitler und dessen verbrecherischer Judenvernichtungspolitik. Kurz, der Faschismus gilt heute insgesamt als ein einziges Verbrechen. Und jetzt ist - mit der Ausstellung - die Wehrmacht insgesamt zur verbrecherischen Organisation erklärt worden. Nun bringt zwar die Bezeichnung "Verbrechen" erkennbar die Ablehnung des NS-Regimes zum Ausdruck. Das mag auch als erste vorläufige Äußerung von moralischer Empörung etwas treffen: Damit will man nichts zu tun haben, das verbietet man sich selbst als Handlungsmaxime. Doch wer diese Sorte moralischer Ablehnung bereits für ein theoretisches Urteil nimmt, wer sie für so zutreffend hält, daß er damit eine ganze Ausstellung betitelt, der muß sich Kritik gefallen lassen:

* Die Ausstellung sortiert mit diesem Etikett - erstens - die Kriegshandlungen der Wehrmacht nach "verbrecherisch" und "nicht-verbrecherisch" bzw. "normal" (Reemtsma). Die Ausstellung legt also eine Sortierung von Kriegen nach "sauberen" und "unsauberen" Kriegen nahe. Dies ist kein Zufall, sondern das ziemlich zwangsläufige Resultat des Dementis. Dem politischen Sauberkeitsinteresse der Militärhistoriker kommen sie mit ihrem viel radikaleren Sauberkeitsanliegen, das nicht nur vereinzelte "Verbrechen" entdeckt, sondern die Wehrmacht insgesamt im Ostfeldzug der Verbrechen bezichtigt. Nein, sagen die Aussteller, die Wehrmacht war nicht sauber, sondern unsauber, verbrecherisch eben. Es ist also die Logik des Dementis selbst, die die Sortierung nach "normalen" Kriegen nahelegt, in denen keine der Verbrechen vorkommen, und nach jenen anderen, den "unsauberen" Kriegen, die "verbrecherisch" sind. Daß Kriegshandlungen (im Ostfeldzug) auf diese Weise nach dem Grad ihrer Verwerflichkeit sortiert werden, finde ich nicht deswegen unangemessen, weil Krieg "immer schlimm" ist - wie eine Leserbriefschreiberin meint, die in ihrer rein moralischen Stellung zum Krieg schon nicht mehr zwischen Zahnschmerzen, einem Autounfall und dem Rußlandfeldzug unterscheiden will. Diese Sortierung ist vielmehr deswegen so haltlos, weil sie Krieg gar nicht erst als das, was er seit dem 1.Weltkrieg bis heute ist, in den Blick kriegt, nämlich als Mittel spezifischer Außenpolitik konkurrierenden Nationalstaaten. Nicht das Töten und Getötetwerden im Staatsauftrag und für die Mehrung nationaler Größe, die bekanntlich nie die Sache der Leute ist, die dafür massenhaft geopfert werden, wird als "Verbrechen" vorgestellt, sondern innerhalb dieser Volksverheizungsveranstaltung werden "Verbrechen" einerseits und wird "Normalität" andererseits entdeckt. Es werden nicht die Kriegszwecke von Staaten untersucht, die ihre Völker als regelmäßig Manövriermasse benutzen; es interessiert die Aussteller am Krieg nur, ob in ihm ein bestimmter Grad von Verwerflichkeit überschritten worden ist.

* Der Befund "Kriegsverbrechen" nimmt - zweitens - immer Maß an irgendeiner Sorte von geschriebenem oder ungeschriebenem Recht. Das ist zunächst einmal das einzige Argument, das gegen die diskriminierten Kriegshandlungen vorgebracht wird: Sie verstoßen gegen geschriebenes oder ungeschriebenes Recht, sind eben Verbrechen. Sie sind eine Abweichung von Staatsrechts-, Völkerrechts- oder Menschenrechts-Normen. Der 2.Weltkrieg Hitlers an der Ostfront war ein Krieg, der - und jetzt zitiere ich Reemtsma - "die Regeln jener Kriegführung außer Kraft gesetzt hat, in deren prinzipieller Einhaltung traditionellerweise das Ethos des Soldatenstandes ... besteht." (Haager Landkriegsordnung) (Reemtsma, FR 15.4.97) Diese Kritik ist - logisch gesehen - gar keine. Sie hält nämlich an der inkriminierten Kriegshandlung nur die Abweichung von einer anderen, als "normal" geltenden Tat fest. Daß es sich um eine negativ beurteilte, also verurteilte Abweichung handelt, kommt dabei gar nicht aus dem Befund über die Tat selbst, sondern allein aus der vorentschiedenen Parteilichkeit für den Vergleichsmaßstab. Und dieser besteht gar nicht - wie die Aussteller behaupten - aus dem Staats- oder Völkerrecht überhaupt, sondern allein aus der heute gültigen bzw. für gültig erachteten Rechtsauffassung. Das verdient deswegen festgehalten zu werden, weil nach den Normen des faschistischen Rechtsstaats und dessen Völkerrechtsauslegung natürlich im Krieg von seiten der Wehrmacht kein einziger Rechtsverstoß stattgefunden hat. Der Befund "Kriegsverbrechen" lebt also von der Parteilichkeit für heute gültige oder heute erwünschte Rechtsmaßstäbe.


* Diese Rechtsmaßstäbe haben also - drittens - den kleinen Haken, daß sie immer erst in Kraft treten und verkündet werden und zwar vom Sieger, also wenn der Krieg beendet ist. Nachträglich wird der Krieg an Maßstäben gemessen und verurteilt, die im Krieg gar keine Gültigkeit hatten. Dieses geläufige Verfahren zeigt übrigens daß man es als Soldat immer und in jedem Krieg ziemlich schwer hat: Denn ob das Befolgen eines Befehles nun ritterkreuzverdächtig ist oder unter Kriegsverbrechen fällt, das ist der Kriegshandlung selbst gar nicht zu entnehmen. Das wird immer erst nach Kriegsende vom Sieger festgestellt. Und so mancher Ritterkreuzträger hat sich nach verlorenem Krieg als Kriegsverbrecher beschimpfen lassen müssen, wie umgekehrt mancher Soldat, der im Krieg vors Militärgericht zitiert wurde nach verlorenem Krieg zum Helden avanciert ist. (Als Soldat sollte man folglich dafür sorgen, immer zu den Siegern zu gehören. )

Die Ausstellung lebt also von den moralischen und rechtlichen Maßstäben der Sieger, sie folgt der Logik von Siegerjustiz, die sich auf Menschen- und Völkerrechte beruft, wenn sie dem Kriegsverlierer nach der militärischen auch noch eine juristische und damit zugleich eine moralische Niederlage beibringen will. Das ist nicht etwa deswegen verwerflich, weil nicht wahrhaft rechtsstaatlich - so denkt etwa Krenz, wenn er der deutschen Justiz im Mauerschützenprozeß Siegerjustiz vorwirft. Mein drittes Argument gegen die Sortierung nach verbrecherischen und normalen Kriegshandlungen will diesen Rechtsidealismus der Aussteller gerade kritisieren. Die glauben nämlich an die Existenz und Gültigkeit eines system- und staatsübergreifenden (Kriegs-)Rechts, an dem sich der Hitler mit den genannten Kriegshandlungen angeblich vergangen hat. Das ist deswegen so aberwitzig, weil der Sieger mit seiner Siegerjustiz gar nicht vorhat, militärische oder moralische Regeln fürs Kriegführen zu erlassen oder zu bekräftigen. Zumal der Krieg gerade vorbei ist und er ihn gewonnen hat. Vielmehr will er nach dem beendeten Krieg den Kriegsverlierer aller möglichen Unrechte und Verbrechen überführen, um ihn vor der Weltöffentlichkeit auch noch moralisch ins Abseits zu stellen. Kriege oder Kriegshandlungen zu Verbrechen zu erklären ist also das Vorrecht, das der Sieger sich herausnimmt. Er will damit zu verstehen geben, daß er mehr als bloß der Stärkere gewesen ist, daß er vielmehr auch moralisch im Recht, also auch noch der Gute ist, wenn er den Verlierer, d.h. Land und Leute, als seine Beute betrachtet (3). Er handelt nach dem Motto: Erfolg gibt recht und adelt die angezettelte oder mitgetragene Vernichtungsaktion auch moralisch ungeheuer - post festum. Dies ist die Logik, der sich die Ausstellung mit ihrer Sortierung anschließt.

Lernen kann man aus solcher Siegerjustiz schon einiges, allerdings nur gegen die Botschaft der Ausstellung: Nämlich erstens, daß nur der Sieger, d.h. derjenige, der aus der Gewaltenkonkurrenz zwischen Staaten als der neue Gewaltmonopolist hervorgeht, Recht setzt, Recht also im Prinzip nichts anderes ist, als die juristische Form eines Siegerinteresses. Und zweitens kann man lernen, daß sich die Maßstäbe und die neue Gültigkeit der vom Sieger vorstellten post-festum-Moral auch nur diesem Recht verdanken, folglich Moral nichts anderes ist als die ideelle Verwandlung des sehr irdischen Interesses des Staates, der sich mit seiner Gewalt durchsetzt, in höhere Werte (4). In der WMA steht der Zusammenhang von erfolgreicher Gewalt, politischem Interesse des Siegers und Recht also auf dem Kopf. In ihrem Kriegsrechtsidealismus behaupten sie glatt, daß sich das Interesse der kriegführenden Gewalten im Prinzip unter das Völkerrecht beugen würden. Nur von diesem Standpunkt aus macht die Anklage auf Kriegsverbrechen überhaupt Sinn: Hitler, wird von den Ausstellern behauptet, hat sich nicht an die Spielregeln gehalten. So hat denn schließlich für sie auch nur systemübergreifendes Recht mit dem Sieg recht bekommen. Das Gute hat über das Böse triumphiert!

"Verbrechen" im Krieg und "Kriegsverbrecher" entdeckt der Kriegsbetrachter Reemtsma z.B. immer, wenn er sich die Brille des "Haager Landkriegsabkommens" von 1907 aufsetzt - und zwar verkehrt herum. Er wird dann nicht müde, den Ostfeldzug an dem "Haager Abkommen" zu blamieren. Er scheint die §§ der Haager Landkriegsordnung tatsächlich für Regeln zu halten, nach denen eigentlich Kriege organisiert werden müßten, damit sie "normal", also ohne "Verbrechen" ablaufen. Er muß den Krieg für eine Art Fußballspiel halten, in dem ein Oberschiedsrichter, ausgerüstet mit einer Pfeife über die Regeleinhaltung wacht und bei Regelverstoß ein Truppenteil mit der roten Karte des Schlachtfeldes verweist. Dieser Zynismus ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern ist der Zynismus dieses Urteils übers Kriegsrecht. Wo Staaten mit ihrem Militär übereinander herfallen, wo sie ihren Gegensatz nur noch gewaltsam austragen, wo also von der Logik der Sache her sich die Staaten gerade ihr jeweiliges Gewaltmonopol, also die Grundlage ihres Rechts militärisch wechselseitig bestreiten, da ausgerechnet soll der Verweis auf einen Völkerrechtsparagraphen den Kriegführenden gebieten können, auf ihren militärischen Vorteil zu verzichten? Da sich im Krieg die Inhaber der politischen Hoheit selbst hochgerüstet gegenüberstehen, gelten auch Verabredungen zwischen ihnen auch nur soweit, wie es ihrem mit Gewalt ausgestatteten Interesse entspricht. Wenn die Gründe, sich an die §§ des Haager Kriegsrechts zu halten, entfallen, dann fühlt sich eine Krieg führende Partei durch nichts gebunden, weder durch ein multilaterales Vertragsrecht und schon gar nicht durch eine Moral - zumal dahinter ohnehin keine sanktionsfähige Gewalt steht. Es gibt eben in einer Welt, die durch die Konkurrenz von Nationalstaaten bestimmt ist, weder im Frieden und schon gar nicht im Krieg einen supranationalen Gerichtshof, der über die Machtmittel verfügt, jeden Staat bei Völkerrechtsabweichung rechtsgültig zu verknacken. Für Nationalstaaten, die sich Gewaltmittel zulegen, um ihre Konkurrenz notfalls mit militärischen Mitteln erfolgreich auszutragen, ist ein supranationales Gericht nämlich nichts als eine Bestreitung ihrer Ansprüche und ihrer Mittel. Und deswegen gibt es so etwas nicht - bzw. deswegen gibt es nur die allgemeine und sehr heuchlerische Klage von Staatsmännern, daß die internationalen Einrichtungen zur Überwachung des Völkerrechts so unwirksam sind - eine Klage, die natürlich nur laut wird, wenn es um ihre Angelegenheiten geht. Daß überhaupt so etwas wie das Haager Abkommen zustande gekommen ist, daß überhaupt Staaten, die allesamt mit Kriegen kalkulieren, die Paragraphen unterzeichnet haben, - eine ehrenwerte Mannschaft an Unterzeichnern ist da zusammengekommen !!! - , hat seine Ratio allein darin, daß sie ihre Kriege als Nationalstaaten führen, die wechselseitig anerkennen, daß es bei ihnen Abteilungen von Land und Leuten gibt, die nicht als Kriegsmittel vorgesehen sind. Eingeschlossen ist darin die Kalkulation, daß Kriegsverwüstungen die Benutzung von Land und Leuten im anschließenden Frieden nicht völlig verunmöglichen sollen. Immerhin führen die Parteien den Krieg ja nur deswegen, weil sie später als Sieger aus dem Eroberten politischen, territorialen, geostrategischen oder ökonomischen anderen Gewinn ziehen wollen. Nur aus diesem Grunde verabreden sie, "sinnlose Zerstörungen" und "sinnlose Massentötungen" von "unschuldigen Zivilisten" zu vermeiden. Sie versprechen sich in Hand, wechselseitig nur jene Verwüstungen anzurichten, die sie für kriegsnotwendig halten. Eine hübsche Verabredung! (5)

Man darf sich angesichts dieses Kriegsrechtsidealismus also nicht wundern, daß noch jede offizielle Belobigung der Ausstellung in die Feststellung mündet, daß so etwas heute nicht mehr passieren kann, da die Bundesrepublik aus all dem die richtigen Konsequenzen gezogen und eine Bundeswehr aufgebaut hat, die allein für "Friedenspolitik im Geiste demokratischer Werte da ist" (Jakobsen). Dieses und jedes andere unerschütterliche Lob deutscher Politik, das anläßlich ihrer Ausstellung verkündet wird, haben sich die Aussteller selbst eingebrockt: Wer den faschistischen Ostfeldzug an heute gültiger Moral als "verbrecherisch" blamiert, der kriegt dafür die Quittung. Die besteht darin, daß die Ausstellung geradezu als Beleg dafür hergenommen wird, daß solche "Verbrechen" nie mehr möglich sein werden, weswegen es auch die herrschende Demokratie mit allen Mitteln zu verteidigen gilt. Das mögen die Aussteller vielleicht so nicht gewollt haben. Aber genau das haben sie selbst ins Leben gerufen.


2.2. Daß der Krieg ein Vernichtungskrieg war ist zwar der Sache nach ein richtiges Urteil, bei ihnen aber ganz falsch begründet:

Der Ostfeldzug war, sagt der Katalog, ein "Vernichtungsfeldzug", weil die Wehrmacht an den genannten "Verbrechen" beteiligt war. Es begründet sich dieses Urteil also weder aus den politischen Zwecken des faschistischen Krieges, noch aus dem, was Krieg als Mittel von Außenpolitik überhaupt ist. Sie ergibt sich vielmehr allein aus den genannten, als besonders exzessiv beurteilten Vorkommnissen wie dem Erschießen "unschuldiger Zivilisten", von Ostjuden, von angeblichen Partisanen usw.

* Es kommt damit in der WMA ein Urteil zur Anwendung, das die gesamte Nachkriegsdeutung des Faschismus durchzieht: Faschismus, das ist in erster Linie der Holocaust, dieses "rational nicht faßbare Verbrechen" von Deutschen. Alles andere, besonders jene Abteilungen der faschistischen Gesellschaft und Politik, die sie mit allen nichtfaschistischen bürgerlichen Gesellschaften, also auch mit der Demokratie im Prinzip teilt - Nationalstaatsprinzip mit Staatenkonkurrenz nach außen und Herrschaftssicherung nach innen, kapitalistische Wirtschaftsverfassung, bürgerlicher Familie, Rechtsstaatsprinzip etc., - finden für sich keine kritische Erwähnung. So wird denn auch gar nicht der faschistische Krieg untersucht, der eben zu 95% aus den "normalen" Massenschlächtereien zwischen regulären uniformierten Truppen bestand, sondern der "Holocaust" in ihm erstens aufgespürt und zweitens zum bestimmenden Charakteristikum des faschistischen Krieges erklärt: Der Befund "Vernichtungskrieg" speist sich folglich allein aus der Art und dem Umfang "nicht-normaler" Kriegshandlungen der faschistischen Kriegführung.

Dabei kommt eine Verharmlosung von Krieg überhaupt heraus: Krieg zwischen Staaten oder "Völkern" ist seiner ganzen Natur nach nämlich immer Vernichtungskrieg. Immer geht es im Krieg darum, daß ein Staat beschließt, mit seinem gesamten Gewaltapparat den zum Feind erklärten Konkurrenzstaat zur Kapitulation, also zur Preisgabe seiner Souveränität über Land und Leute, zur Aufgabe seiner Eigenstaatlichkeit zu zwingen. Dies macht er, indem er Vernichtungen beim Gegner anrichtet: Er vernichtet das gegnerische Militär und er vernichtet das zivile Leben und zivile Einrichtungen, also Land und Leute, immer in dem Maße wie kalkuliert wird, auf diese Weise den feindlichen Staatswillen brechen zu können. Der andere hält immer entsprechend dagegen. Frieden ist, wenn ein Staat angesichts der in seinem Territorium und damit an seiner Kriegsfähigkeit hergestellten Verwüstungen zum Urteil kommt, daß er nicht mehr siegfähig, manchmal auch: daß er nicht mehr kriegfähig ist. Es sind eben nicht nur die besonders brutalen, in ihren Ausmaßen neudimensierten und - scheinbar - jeder Kriegslogik widersprechenden Verwüstungen wie der Giftgaseinsatz im 1.Weltkrieg, der Völkermord im 2. Weltkrieg, der Atomschlag in Hiroshima und die us-amerikanische Strategie der verbrannten Erde in Vietnam - von der geplanten Vernichtungsstrategie der Nato für einen 3.Weltkrieg ganz zu schweigen -, die den Namen "Vernichtung" verdienen. Jeder abgefeuerte Schuß hat keinen anderen Zweck, als mittels der Vernichtung eines Menschenlebens oder mittels der Zerstörung einer Gerätschaft einen politischen Willen, einen Staatswillen zur Aufgabe zu zwingen. Es ist also theoretisch falsch und politisch eine Verharmlosung aller imperialistischen Kriege, dem faschistischen Ostfeldzug als dessen Besonderheit das Prädikat "Vernichtungsfeldzug" anzuheften.

* Die WMA verharmlost mit der Charakterisierung "Vernichtungskrieg" nicht nur jeden Krieg allgemein. Sie verfehlt obendrein die Besonderheit des faschistischen Krieges. Die liegt eben nicht in "Kriegsverbrechen", in der Abweichung der Kriegshandlungen nach Brutalität, Bösartigkeit und Umfang von "normalen" Metzeleien. Die liegen vielmehr in den besonderen Zielen des Programms für die faschistische Außenpolitik. Der Faschismus hatte eben nicht nur Staaten den Krieg erklärt, sondern teilweise auch ihren Völkern. Gerade mit dem Krieg gegen die Sowjetunion und andere Oststaaten verband Hitler das imperialistische Eroberungsziel der "Beschaffung neuen Lebensraums" mit dem Vernichtungsfeldzug gegen seinen Hauptfeind, gegen den "verjudeten Bolschewismus". Da sollte nicht nur eine Staatsmacht unterworfen, sondern zusätzlich dessen Doktrin und seine Träger ausgerottet werden. Da sollte nicht ein Volk eine neue Staatsbürgerschaft und einen neuen, eben faschistischen Staatsherrn bekommen, dem es künftig zu Diensten sein sollte. Vielmehr war es Gegenstand einer Sortierung nach "Untermenschen" , Slawen und bolschewistischen Juden. Es sollte also in Teilen gleich mit ausgerottet oder versklavt werden. Denn der deutsche Faschismus sah im "Juden" den natürlichen Feind der arischen Rasse und im bolschewistischen Staat dessen politische Verkörperung. Hitler hatte also seinen Feind nicht allein im Sowjetstaat ausgemacht, sondern in ganzen Teilen der Ostvölker. Er führt folglich einen doppelten Krieg: gegen die Rote Armee und gegen die jüdische Rasse. Erst mit der Vernichtung beider sah er den Weg frei für das Gelingen seines Projekts einer arischen Weltherrschaft.

Aufklärung über den Faschismus und seinen demokratischen Nachfolgestaat leistet die Ausstellung also nicht. Sie befestigt beim Dementieren von Wehrmachtslegenden so ziemlich alle Legenden deutscher Vergangenheitsbewältigung und liefert Material und Ideologie gerade zur unkritischen Einschwörung auf den herrschenden Staat. Sie leistet einem theoretisch begründeten Antifaschismus einen Bärendienst. Die Ausstellung ist nicht zu verteidigen, sondern insgesamt zu kritisieren.

Teil I
Teil III


bezugsmöglichkeiten


zurück!

kombo(p) - 16.11.1997