Ein Auszug aus - kassiber 30 - Dezember 96 
 

Was bisher geschah (Kurzmeldungen/Lesebriefe)

Abschnitt I: 6. August bis 29. September 1996 Abschnitt II: 1. Oktober bis 13. Novermber 1996

1. Oktober Streiks fuer Lohnfortzahlung (V) Im Rahmen eines bundesweiten Daimler-Aktionstages demonstrieren 5.000 beim Bremer Daimer-Benz-Werk Beschaeftigte waehrend der Frueh- und der Spaetschicht mit Kundgebungen auf dem Hemelinger Markt fuer die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Die Nachtschicht arbeitet nur bis zwei statt bis sechs Uhr. (Durch die Streiks sind allein in Sebaldsbrueck 3.000 Autos nicht gebaut worden, teilt die Werksleitung am 9. Oktober auf einer Betriebsversammlung mit.) Spontane Streiks finden bei STN-Atlas Elektronik, Lloyd Dynamo Werke, DASA und Atlas Weyhausen statt, bundesweit streiken etwa 140.000 MetallarbeiterInnen. Massendeportationen nach Bosnien (II) Innensenator Borttscheller kuendigt an, dass die Abschiebung bosnischer Fluechtlinge "gegebenenfalls noch in diesem Jahr erfolgen" werde, wenn die jeweilige auslaenderrechtliche Voraussetzung, z.B. eine Abschiebeandrohung, gegeben sei. Dies treffe auf 18 Fluechtlinge in Bremerhaven zu. Die "Ausreisefrist" fuer in Bremen lebende bosnische Fluechtlinge werde auf fruehestens den 15. Januar festgesetzt. Borttschellers Sprecher erklaert, dass die "erste Phase" der "Rueckfuehrung" nach Bosnien bis Juli 1997 abgeschlossen sein soll. Betroffen seien Alleinstehende und Ehepaare ohne Kinder, denen eine Frist bis laengsten zum 31. Maerz 1997 zur "freiwilligen Rueckreise" eingeraeumt werde. Andernfalls werde notfalls die zwangsweise Abschiebung veranlasst. Hungerstreik im Bremer Knast Sieben kurdische und tuerkische Untersuchungsgefangene im Gefaengnis in Oslebshausen treten in ein befristeten Hungerstreik. Sie protestieren damit gegen das Massaker im tuerkischen Hochsicherheitsknast Diyarbakir am 24. September. 2. Oktober Bremer Ruestungsindustrie Das Verteidigungsministerium erteilt einem norddeutschen Werftenkonsortium den Auftrag fuer den Neubau eines Einsatzgruppenversorgers der Bundesmarine. Unter der Federfuehrung der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft werden die Rendsburger Kroeger-Werft und die Lemwerder Luerssen-Werft den Auftrag mit einem Volumen von 310 Millionen Mark abwickeln. Das 163 Meter lange Schiff (18.000 Tonnen Tragfaehigkeit) mit 140 Besatzungsmitgliedern, wird in der Lage sein, einen Verband von vier Fregatten rund 50 Tage lang hafenunabhaengig zu versorgen. 4. Oktober Prozess wegen sexistischer Angriffe Ein 30jaehriger Mann, der seine Freundin immer wieder beschimpft, bedroht und geschlagen hatte und, auch nach der Trennung Anfang 1995, die Angriffe - bis hin zu einem Brandanschlag - fortgesetzt hatte, wird vom Gericht zu neun Monaten Haft verurteilt. Die Frau befand sich erst in relativer Sicherheit, nachdem sie "unbekannt verzogen" war. Waehrend der Verhandlung wird bekannt, dass der Taeter auch seine jetzige Partner misshandelt. 7. Oktober Jugendfreizeitheim besetzt Maedchen und Jungen, die das Jugendfreizeitheim Wehrschloss am Hastedter Osterdeich nutzen, besetzen das Haus fuer eine Woche, um zumindest einen befristeten Vertrag fuer eine Sozialpaedagogin durchzusetzen, deren bisheriger Vertrag Ende September ausgelaufen war. 8. Oktober Nahkampfabzeichen Die Bremer Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck (Buendnis 90/Die Gruenen) erhaelt in Berlin das Bundesverdienstkreuz am Bande aus der Hand des Bundespraesidenten Roman Herzog. Nach offiziellen Angaben erhaelt Beck, die sich als erste westdeutsche Gruene auszeichnen laesst, das Lametta fuer die engagierte Unterstuetzung der BosnierInnen waehrend des Krieges und danach. Das Vaterland, Herzog hatte sie persoenlich vorgeschlagen, dankt damit einer der fruehesten und vehementesten Sezession- und damit KriegsbefuerworterInnen fuer das Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens aus den Reihen der Gruenen. 9. Oktober Demonstration gegen Abschiebungen (IV) Zahlreiche Fluechtlinge, vor allem aus Zaire, und einige wenige Deutsche demonstrieren gegen die Abschiebungen in das "lebensgefaehrliche Land", in dem willkuerliche Verhaftungen sowie Folter an der Tagesordnung sind und in dem im vergangenen Jahr 263 Personen hingerichtet wurden. Insbesondere der Bremer Senat verweigere Fluechtlingen aus Zaire den Schutz. So ist der Fluechtling Jean Nsotuna Mampouya, der am 11. September aus dem Kirchenasyl heraus festgenommen wurde, akut von Abschiebung bedroht. Zu der Demonstration, die am Vormittag vom Hauptbahnhof aus in die Innenstadt zieht, hatten die Communaut‚ Zairoise de Bremen (Zairische Gemeinschaft Bremens), der A.R.Z. Luebeck (Verein zairischer Fluechtlinge Luebeck), UDPS Oldenburg, PALU Schleswig-Holstein/Hamburg, ADLZ Hamburg sowie der Internationale Menschenrechtsverein Bremen und das Antirassismus-Buero aufgerufen. 10. Oktober Jean Nsotuna Mampouya freigelassen Der zairische Fluechtling Jean Nsotuna Mampouya, der am 11. September aus dem Kirchenasyl heraus festgenommen wurde, wird von der Auslaenderbehoerde freigelassen. Das Bundesamt fuer die Anerkennung auslaendischer Fluechtlinge hatte zuvor entschieden, das Asylverfahren neu aufzurollen, nachdem die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts die erneute Pruefung des Falles angeregt hatte. Ende September war auch der Asylfolgeantrag des Fluechtlings abgelehnt worden. Freigabe der Gehaelter gefordert Rund 200 Angestellte des im Konkurs befindlichen Bremer Ruestungsbetriebs Deutsche System Technik (DST) demonstrieren in der Innenstadt vor der Sparkasse und der Bremer Bank fuer die Freigabe ihrer Gehaelter. 11. Oktober Razzia im Fischereihafen BeamtInnen des Hauptzollamts und der Kriminalpolizei nehmen bei einer Razzia im Bremerhavener Fischereihafen elf Maenner aus Osteuropa fest. Die elf Arbeiter, die weder Aufenthalts- noch Arbeitserlaubnisse besitzen und zwischen einigen Tagen und mehreren Monaten in Deutschland sind, hatten auf einem russischen Fischereimotorschiff Maschinen repariert. Sie werden in Abschiebehaft genommen und mit einem "zunaechst unbefristeten Wiedereinreiseverbot" belegt. 13. Oktober Sexistischer Angriff (II) Eine 17jaehrige Frau wird gegen 9 Uhr in der Rockwinkeler Landstrasse von einem unbekannten Mann bis zur Wohnung verfolgt und im Flur des Hauses bedraengt und angefasst. Als die Frau um Hilfe schreit, fluechtet der etwa 40jaehrige Taeter. 14. Oktober Plutoniumschmuggel? Ein 36jaehriger Mann aus dem Landkreis Vechta, der im August 1994 versucht hatte, auf dem Bahnhofsvorplatz 0,05 Milligramm Plutonium an einen Fernsehjournalisten zu verkaufen, wird vom Amtsgericht wegen Verstosses gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu acht Monaten auf Bewaehrung verurteilt. Der Journalist hatte damals den geplanten Deal zuvor an Polizei und Staatsanwaltschaft verraten, der 36jaehrige wurde, bevor das Geschaeft abgewickelt werden konnte, festgenommen. Die ganze Aktion geisterte anschliessend tage- und wochenlang durch die Medien - Tenor: Deutschland werde aus der zerfallenden Sowjetunion mit Kriegswaffen und radioakivem Material ueberschwemmt. Ob der Bremer Deal von dem beteiligten Fernsehjournalisten inszeniert wurde oder, wie der ebenfalls im August 1994 stattgefundene Muenchener Fall (dort liessen V-Leute des BND und des bayerischen LKA 363 Gramm via Moskau einfliegen), von deutschen "Sicherheitsbehoerden", bleibt offen. Der Angeklagte behauptet jedenfalls, das Plutonium von einem obligatorischen "Russen" erhalten zu haben. Der Kontakt sei durch einen seit langen Jahren in Bremen lebenden und im Oktober 1994 unter ungeklaerten Umstaenden ermordeten polnischen Kaufmann vermittelt worden. 15. Oktober Razzia auf Baustelle (II) Ein Grossaufgebot von Bereitschafts- und Kriminalpolizei, SEKlern, des Auslaenderamts, der Arbeitsaemter Bremen und Oldenburg sowie des Hauptzollamts fuehrt am Vormittag eine Razzia auf Bremens derzeit groesster Baustelle auf der Buergerweide durch. Mit dem Bau der Messehallen sind dort derzeit 200 Bauarbeiter und 40 Angestellte aus insgesamt 27 Firmen beschaeftigt. Nach Angaben des Arbeitsamts Bremen bestehe "in mehreren Faellen" der Verdacht des Leistungsmissbrauchs. Gegen zwei auslaendische Firmen werde wegen Verstosses gegen die Meldepflicht nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz ermittelt. Sie haetten nur einen Teil der Arbeiter angemeldet und muessten jetzt mit einem Bussgeld in Hoehe von 300.000 Mark rechnen. Weiterhin haette ein polnischer Arbeiter, der sich in einem Baucontainer versteckte, keine gueltige Arbeitserlaubnis besessen. Ermittlungsgruppe gegen "Jugendbanden" (II) Die Mitte September neugegruendete polizeiliche Ermittlungsgruppe zur Bekaempfung der jugendlichen Raubkriminalitaet legt eine erste Zwischenbilanz vor. Danach seien im vergangenen Monat 28 StraftaeterInnen im Alter von 12 bis 18 Jahren festgenommen worden, die vor allem andere Jugendliche beraubt haetten. Die Festgenommenen seien erkennungsdienstlich behandelt worden, um bei weiteren Straftaten eine schnellere Identifizierung zu ermoeglichen. 16. Oktober Demonstration fuer Buecherei (II) Die SchuelerInnen der Grundschule in der Lessingstrasse demonstrieren am Vormittag vor der Stadtteilbibliothek Oestliche Vorstadt (Vor dem Steintor) gegen deren geplante Schliessung. Nachmittags protestieren SchuelerInnen aus der Ronzelenstrasse (Horn), die rund 2.000 Unterschriften gesammelt haben, in der Buergerschaft gegen die Schliessung "ihrer" Buecherei. 17. Oktober Sozialhilfeautomat beschlossen Die Deputation fuer Soziales beschliesst gegen die Stimmen der Gruenen die Aufstellung eines Geldautomaten fuer BezieherInnen von Sozialleistungen, denen von Banken und Sparkassen eigene Konten verweigert werden. Der 440.000 Mark teure Modellversuch soll im Fruehjahr 1997 im Volkshaus an der Nordstrasse anlaufen. Bremer Arbeitslosen-Initiativen hatten vergeblich gegen diese ausgrenzende und diskriminierende Massnahme protestiert und statt dessen das "Girokonto fuer alle" gefordert. Die Sparkasse in Bremen, seit 1974 Zahlstelle fuer SozialhilfeempfaengerInnen, steuert 100.000 Mark zu den Kosten bei. Die Herren Rebers (damals SPD, jetzt AFB), Noelle (immer noch CDU) und Konsorten hatten bereits 1992 einen Versuch gestartet, Obdachlose, Junkies und Fluechtlinge loszuwerden - und damals eigene Geschaeftsstellen geplant, wo diese Klientel ihre Sozialhilfeschecks einloesen sollte. Dieses Ansinnen musste aber nach grossen oeffentlichen Protesten zurueckgestellt werden. Streik fuer Lohnfortzahlung (VI) Im Stahlwerk Bremen legen etwa 700 ArbeiterInnen voruebergehend die Arbeit nieder, um sich vom Betriebsrat ueber die Gespraeche mit dem Vorstand informieren zu lassen. Der hatte am Morgen erklaert, zunaechst nur unter Vorbehalt auch im Krankheitsfall 100 Prozent Lohn zahlen zu wollen. 18. Oktober Prozess wegen sexuellen Missbrauchs (II) Das Landgericht Bremen verurteilt einen 42jaehriger Mann wegen sexuellen Missbrauchs zu drei Jahren Haft. Der Taeter hatte ueber Jahre seinen damals zwischen neun und 15 Jahre alten Sohn sowie seinen sechs Jahre alten Stiefsohn missbraucht. Der 42jaehrige bestritt die Taten vor Gericht, vielmehr wuerden die Kinder auf Geheiss seiner geschiedenen Frau, um ihm zu schaden, die Unwahrheit sagen. Sein Verteider hatte deshalb psychologische Gutachten zur Ueberpruefung der Glaubwuerdigkeit der Opfer gefordert und auf Freispruch plaediert. Dies wurde jedoch vom Gericht mit dem Hinweis, dass es selbst ueber "genuegend Sachkunde" verfuege, abgelehnt. 19. Oktober Faschisten sollen 320.000 Mark zurueckzahlen Der Staatsgerichtshof Bremen entscheidet, dass die Buergerschaft von der Deutschen Volksunion (DVU) 261.768,17 Mark und den Nationalkonservativen (NK), einer Abspaltung der DVU, 59.970,06 Mark zurueckverlangen kann. Der Rechnungshof war im Dezember 1994 bei einer Ueberpruefung des Finanzgebahrens der beiden faschistischen Buergerschaftsgruppen zu dem Ergebnis gekommen, dass Zuschuesse aus Steuergeldern "gravierend missbraeuchlich" verwendet worden seien (s. kassiber 25, Mai 1995, S.12). Unter anderem hatte die DVU, die allein von ihrem Einzug ins Parlament 1987 bis Januar 1993 ueber eine Million Mark kassiert hatte, ihrem Parteichef Gerhard Frey groessere Posten seiner Zeitungen abgekauft. Die NK- Abgeordneten haetten erst gar keine Buecher gefuehrt, sondern das Geld unter sich "schlicht verteilt". 23. Oktober Schluss mit lustig Die durch die Aenderung der Landesverfassung 1995 neu geschaffenen Moeglichkeiten des Volksbegehrens und des Volksentscheids, vor allem von den rot-gruenen Fraktionen der ehemaligen Bremer Ampelkoalition als Massnahme zur Bekaempfung der weitverbreiteten "Parteienverdrossenheit" gedacht, gilt nicht viel, wenn's drauf ankommt. Jedenfalls erklaert der - inzwischen - SPD/CDU-Senat gegen die Stimme der Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) die vom Zentralelternbeirat (ZEB) eingereichten und von 55.000 Unterschriften Bremer BuergerInnen gestuetzen drei Gesetzentwuerfe schlicht fuer unzulaessig. Sie werden nun dem Staatsgerichtshof zur verfassungsrechtlichen Pruefung vorgelegt. Die drei Gesetzesentwuerfe des ZEB befassen sich mit den Themen Lernmittelfreiheit, Unterrichtsversorgung und Schulraum. Nach Auffasung des Senats sind die beiden letztgenannten nicht verfassungskonform, weil sie das Haushaltsrecht einschraenken und damit den PolitikerInnen die Handlungsfreiheit nehmen wuerden, d.h. eigentlich woanders eingeplante Gelder muessten fuer den Bildungsbereich ausgegeben werden. Streik fuer Lohnfortzahlung (VII) Im Daimler Benz-Werk streiken etwa 3.000 ArbeiterInnen rund eine Stunde lang fuer die 100prozentige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. 24. Oktober Streik fuer Lohnfortzahlung (VIII) Viele tausend ArbeiterInnen aus Bremer Metallbetrieben demonstrieren - wie 400.000 bundesweit - einen Tag nach dem Scheitern des sog. Spitzengespraechs zwischen IG Metall und dem Unternehmerverband Gesamtmetall gegen die Kuerzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. An zwei Kundgebungen auf dem Hemelinger Marktplatz nehmen vormittags und nachmittags ArbeiterInnen von Daimler Benz, der Bremer Silberwarenfabrik Wilkens, STN Atlas Elektronik, den Dowaldwerken und den LLoyd-Dynamowerken teil. Bei Daimler Benz streiken 3.000 in der Fruehschicht ab 11 Uhr, die Spaetschicht faellt ab 16 Uhr aus. Bei den Stahlwerken Bremen stehen die Walzwerke fuer zwoelf Stunden still. Die geplante Kundgebung bei der Deutschen Aerospace Airbus (DASA) faellt aus, da der Konzern Daimler Benz hier eine 100prozentige Lohnfortzahlung zugesagt hatte. 26. Oktober Deutsche PolizistInnen (IV) Eine 18jaehrige Frau aus Bremen wird durch einen Schuss einer Polizistin lebensgefaehrlich verletzt. Zuvor war es auf dem Parkplatz der Discothek Arena in Ihlpohl zu einer Auseinandersetzung zwischen russischen und tuerkischen Jugendlichen gekommen. Dabei sei ein tuerkischer Jugendlicher mit einer Machete beobachtet worden. Wenig spaeter sei er zusammen mit einem Freund und der 18jaehrigen mit dem Auto davongefahren. Die Osterholz-Scharmbecker Polizei liess nach dem Wagen fahnden, der schliesslich auf der Autobahn Hansalinie entdeckt wurde. Da der Fahrer aber nicht auf die Signale der Polizei zum Stoppen reagiert haette, habe das Auto ausgebremst werden muessen. Das sei schliesslich mit Hilfe eines Bremer Streifenwagens in Hoehe der Auffahrt Vahr gelungen, der Streifenwagen aus Osterholz habe hinter dem Fluchtfahrzeug gehalten. Anschliessend haetten die InsassInnen nicht aussteigen wollen, woraufhin die Polizistin versucht haette, eine der hinteren Wagentueren zu oeffnen. Die sei zunaechst geschlossen gewesen, dann aber ploetzlich aufgegangen. Dabei habe sich der Schuss geloest, die Kugel durchschlug die Wagentuer und traf das Opfer in den Bauch. Diese Darstellung wirkt um so unglaubwuerdiger, beruecksichtigt man die zahlreichen Meldungen ueber von deutschen PolizistInnen erschossene Personen in den vergangenen Wochen. 28. Oktober Durchsuchungen beim AStA und im BBA-Laden Am fruehen Vormittag werden von Polizei und Staatsanwaltschaft auf Beschluss des Amtsgerichts die Raeume des AStAs der Universitaet und des BBA-Ladens durchsucht. Die Buettel sind auf der Suche nach den AutorInnen zweier Schreiben, die in den Ausgaben Nr. 69 (April 1996) und 70 (Mai 1996) des Universitaets- und Szeneblatts Bambule, das beim AStA und im BBA-Laden Briefkaesten hat, dokumentiert wurden. In den Schreiben der Republik freies Wendland und verschiedener Frauen/Lesben-Gruppen sei oeffentlich zu Straftaten wie Sabotage gegen Atommuell-Transporte aufgefordert worden. Gerne haetten man auch gewusst, wer die Verantwortlichen der Bambule sind, hatte doch die Recherche ergeben, dass es die im Impressum als v.i.S.d.P. genannte Person nicht gibt. Im BBA-Laden werden zwei Ordner beschlagnahmt, beim AStA nichts. Dass an der Uni seit Jahren politisch so gut wie nichts los ist, ist allgemein bekannt, dass aber die Buettel - die zumindest noch ein anderes Bild der Uni hatten und so immerhin mit etwa 10 (!) BeamtInnen anrueckten - sich im AStA geraume Zeit herumluemmeln duerfen, ohne dass sich auch nur annaehernd relevanter Widerstand der etwa 20.000 StudentInnen regt, das haette es frueher nicht gegeben ... 29. Oktober Streik fuer Lohnfortzahlung (IX) Um gegen die Ablehnungen der 100prozentigen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu protestieren, folgen etwa 100 Beschaeftigte des Bremer Hunde- und Katzenfutterherstellers Saturn Petfood GmbH dem Aufruf der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststaetten (NGG) und treten fuer mehrere Stunden in einen Warnstreik. Polizisten verurteilt Zwei Bremer Polizisten, die einem Mann aus der Ukraine 35.000 Mark gestohlen hatten, werden von der Kleinen Strafkammer des Landgerichts zu jeweils zehn Monaten auf Bewaehrung verurteilt - in der ersten Instanz waren sie Ende 1995 vom Amtsgericht freigesprochen worden. Im Maerz 1994 war der 31jaehrige Igor P. gemeinsam mit seinem Kollegen Nikolai K. (26) nach Bremen gekommen, um fuer die Firma von dessen Bruder zwei gebrauchte Kleinlastwagen zu kaufen. Hierzu hatten sie 35.000 Mark sowie 2.500 US-Dollar in einem Taschenguertel bei sich, das Geld wurde bei der Einreise in die BRD deklariert. Mit einem Osterholzer Autohaendler wurden sie sich im wesentlichen einig, wegen einiger Details wurde aber das Geschaeft auf den naechsten Tag verschoben. Am spaeten Nachmittag ging Igor P. in ein Kaufhaus, um einen Pullover zu kaufen. Dabei wurde er von einem Kaufhausdetektiv verdaechtigt, die Ware stehlen zu wollen, und bis zum Eintreffen der beiden Polizisten festgehalten. Die Rassisten in Uniform nahmen ihrem Opfer den Reisepass und das Geld ab - natuerlich ohne eine Quittung auszustellen. Daraufhin unterhielten sie sich im Streifenwagen und gaben Igor P. lediglich seinen Pass zurueck. Auch das Gericht kam jetzt zu der Auffassung, dass sie dabei angesichts ihres orts- und sprachunkundigen Opfers nur ein geringes Entdeckungsrisiko kalkuliert haetten. 30. Oktober "Girokonto fuer alle" Nach Hochrechnungen des Foerdervereins Schuldenberatung besitzen 3.500 Bremer Haushalte kein Bankkonto. Vor allem fuer langjaehrige Sozialhilfe-EmpfaengerInnen entstehen damit - ueber die Diskriminierung hinaus - grosse Probleme: Miete, Schuldenabtrag, Haftpflichtversicherung, Hortplatz und dergleichen mehr muessen bar eingezahlt werden, es entstehen jeweils hohe Gebuehren. Frauen und Maenner von der Aktionsgemeinschaft arbeitsloser Buerger und Buergerinnen (AGAB) und anderen Bremer Erwerbsloseninitiativen demonstrieren deshalb am "Weltspartag" vor der Sparkasse am Brill fuer ein "Girokonto fuer jedermann und jederfrau". 1. November Klassenkampf (III) Die 4. Kammer des Landesarbeitsgericht urteilt, dass die Firma Wertkauf jedem Betriebsratsmitglied sein/ihr eigenes Exemplar der Sammlung Arbeits- und Sozialordnung zu je 32,90 Mark und darueber hinaus fuer den gesamten Betriebsrat einmal das Arbeitsrechtshandbuch von Schaub (192 Mark), das Nachschlagewerk schlechthin auf diesem Gebiet, bezahlen muss. Wertkauf (400 Angestellte) hatte bereits in der ersten Instanz die Ansicht vertreten, dass fuer die neun BetriebsraetInnen ein - noch nicht einmal auf dem neuesten Stand befindliches - Buch mit den Arbeitsgesetzen ausreichen wuerde, und war mit dieser Auffassung unterlegen. Das Arbeitsrechtshandbuch hatte Wertkauf mit der Begruendung nicht kaufen wollen, dass das Buch schliesslich nicht einmal im Regal des Firmenchefs stehe - und deshalb die "Waffengleichheit" es erfordere, dass auch der Betriebsrat den Schaub nicht bekomme. 2. November Sexistischer Mord Eine 47jaehrige als Prostituierte arbeitende Frau wird morgens auf dem Parkplatz eines Supermarktes im Bremerhavener Stadtteil Lehe tot aufgefunden. Die Leiche der Frau weist am ganzen Koerper Verletzungen auf, Verletzungen im Unterbauch deuten daraufhin, dass die Frau sexuell missbraucht wurde, bevor sie erwuergt wurde. Die Polizei verhaftet am 7. November einen 35jaehrigen Tatverdaechtigen. 4. November Faschistischer Ueberfall Mehrer AntifaschistInnen werden abends vor dem Kino 46 in der Waller Heerstrasse von einer Gruppe maskierter Nazis mit Baseballschlaegern und Knueppeln angegriffen. Die Nazi fluechten danach unerkannt. Die AntifaschistInnen hatten zuvor wie am 1. und 3. November gegen die Auffuehrung des Dokumentarfilm Torfsturm im Kino 46 protestiert, Flugblaetter an die ZuschauerInnen verteilt und einige Rechte am Betreten des Kinosaals gehindert. Kritisiert wird, dass der Film, der kuenftig auch an Schulen gezeigt werden soll, die rechte Jugendclique Torfsturm sozialpaedagogisch verharmlose, ihren Mitgliedern vor allem die Moeglichkeit zur Selbstdarstellung biete. 6. November 58. Jahrestag der Reichspogromnacht An der traditionellen, diesmal um drei Tage vorgezogenen Gedenkveranstaltung der in der Buergerschaft vertretenen Parteien anlaesslich des 58. Jahrestag der Reichspogromnacht nehmen mehr als 100 Frauen und Maenner teil. Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, erinnert in einer kurzen Ansprache am Mahnmal in der Dechanatstrasse an den 9. November 1938, als "in Deutschland und Oesterreich ueber 1.300 Synagogen brannten, mehr als hundert Menschen ermordet und Zehntausende in Konzentrationslagern gesperrt wurden", und fordert die Anwesenden auf, Vergangenes nicht zu vergessen. 9. November Privenau JN-Vorsitzender Markus Privenau (30), regionaler Statthalter eines europaweiten NS-Netzwerks und langjaehriger Organisator der Bremer Nazi-Szene, wird auf der Gruendungsversammlung des Kreisverbandes Bremen der Jungen Nationaldemokraten (JN) zum Kreisvorsitzenden gewaehlt. Der erst vor einigen Monaten von den JN aufgenommene Privenau hatte die in einem Gasthof in Heilshorn (Kreis Osterholz-Scharmbeck) stattfindende Versammlung der NPD- Jugendorganisation als "private Feier" angemeldet. Weiterhin wurde der Bremer Nazi-Fuehrer kuerzlich vom JN-Bundesverband zum kommissarischen Landesbeauftragten der Hamburger JN bestimmt. 10. November Sexistischer Angriff (III) Ein unbekannter Mann ueberfaellt kurz nach Mitternacht in der Naehe des Gruenenkamps eine 23jaehrige Frau und versucht, sie zu vergewaltigen. Die Frau hatte sich kurz zuvor von ihren Freundinnen verabschiedet und wollte zur Strassenbahnhaltstelle am Brill gehen. Wenig spaeter ueberfiel der Taeter die 23jaehrige von hinten, wuergte sie und zerrte sie in ein Gebuesch. Aufgrund der heftigen Gegenwehr der Frau fluechtet der Taeter. 11. November Faschistische Anschlaege Auf die noch geoeffnete Gaststaette San Francisco am Herdentorsteinweg wird kurz nach Mitternacht ein Anschlag mit einem Molotow-Cocktail veruebt. Dabei faengt auch das Hemd des 29jaehrigen Paechters an zu brennen, die Inneneinrichtung wird voellig zerstoert, es entsteht ein Sachschaden von mehr als 100.000 Mark. Vor der Neueroeffnung des San Franciscos im September war die Kneipe lange Jahre Treffpunkt von Hooligans und anderen Nazis. Da der 29jaehrige ein anderes Publikum haben wollte, kam es in den letzten Wochen wiederholt zu Auseinandersetzungen und Angriffen der Rechten. Zweimal flogen Gullydeckel in die Scheibe, die Frau des Paechters erstattete Anzeige wegen Koerperverletzung, nachdem sie angegriffen und geschlagen wurde. Der Taeter, der den Brandsatz warf, trug eine Tarnjacke und soll kurz zuvor mit einer Gruppe von Leuten vor dem San Francisco gestanden haben. 12. November Senat fuer Brechmitteleinsatz Der Bremer Senat beschliesst gegen die Stimme der Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD), dass im Bundesland Bremen weiterhin Brechmittel gegen angebliche Drogenhaendler eingesetzt werden sollen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte diese gesundheitsgefaehrdende Praxis, von der vor allem Schwarze betroffen sind, am 11. Oktober fuer rechtswidrig erklaert. Die hessische Generalstaatsanwaltschaft hatte daraufhin den weiteren Einsatz der Brechmittel untersagt. 13. November Streik fuer Lohnfortzahlungen (X) Rund 150 Beschaeftigte der Fruehschicht beim Bremer Schokoladenhersteller Hachez, vermutlich gerade mit der Osterhasenproduktion beschaeftigt, treten fuer zweieinhalb Stunden in einen Warnstreik. Dazu hatte die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststaetten (NGG) aufgerufen, nachdem die Tarifverhandlungen mit dem Bundesverband der Deutschen Suesswarenindustrie ueber die 100prozentige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gescheitert waren. Sexistischer Angriff (IV) Auf Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft wird die Staatsanwaltschaft jetzt doch Anklage gegen einen Polizeioberkommissar erheben, der am 28. Juni eine 44jaehrige Frau auf dem Polizeirevier Vegesack sexuell missbraucht hatte (s. kassiber 29, September 1996, S. 6). Der Polizist hatte den Oralverkehr zwar zugegeben, jedoch behauptet, von der Frau "blitzartig ueberfallen" worden zu sein. Die Staatsanwaltschaft, die auch in diesem Fall dem Beamten mehr glaubte als dem Opfer, hatte im September das Verfahren eingestellt. Die Frau legte daraufhin Beschwerde gegen die Einstellung ein, die jetzt positiv beschieden wurde. Willi Leow


Kurzmeldungen

"Agitare Bene": Erscheinen eingestellt Die linksradikale Koelner Zeitung Agitare Bene hat ihr Erscheinen (vermutlich) endgueltig eingestellt. Seit Sommer letzten Jahres, damals erschien die 77. und wohl letzte Ausgabe, befanden sich die ZeitungsmacherInnen in einem Diskussionsprozess ueber eine moegliche Perspektive des Szeneblatts. Ein schwieriges, mitunter hoffnungslos erscheinendes Unterfangen, wovon mehrere "Generationen" von kassiber-RedakteurInnen nicht nur ein Lied singen koennten. Auch fuer die Leute von der Agitare Bene stell(t)en sich sowohl praktische Fragen - aufgrund von staatlichen Aktivitaeten - als auch politische, angesichts der schwindenden Resonanz der Linken: Welche Zeitung braucht die Linke, welche Form von Organisierung kann und soll eine Zeitung leisten? Hinzu kamen die fuer derlei Projekte ueblichen Probleme: zu wenige Frauen und Maenner, die mitmach(t)en, ausserdem natuerlich die ruinoese finanzielle Situation. Viele Diskussion sind gelaufen, allerdings wurde das, "was wir an Vorstellung rausgekriegt hatten", nicht umgesetzt. Und "fuer notwendige Veraenderungen" konnten "keine konkreten Loesungen gefunden" werden. Daher, so die gefallenen Engel in ihrem kurzen Abgesang, erfolgte im Oktober, nach "einer schleichenden Entwicklung, an deren Ende wir nicht mehr diskutiert haben", das (zumindest vorlaeufige) Aus. Schade. Taschenkontrolle in Supermaerkten Nach einem am 7. August veroeffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofs duerfen LadenbesitzerInnen die Taschen ihrer KundInnen nur bei einem "konkreten Diebstahlsverdacht" oeffnen und durchsuchen. Dies gilt auch dann, wenn im Eingangsbereich eine "Information" angebracht ist, entweder die Tasche abzugeben oder zuzulassen, "dass wir an den Kassen gegebenenfalls Taschenkontrollen durchfuehren muessen". (Az.: VIII ZR 221/95 vom 3.7.96) Ruestungsexporte Aus Deutschland wurden 1995 Kriegswaffen im Wert von 1,98 Milliarden Mark exportiert. Davon entfielen 1,4 Milliarden Mark auf Lieferungen an NATO-Mitgliedsstaaten und ihnen gleichgestellte Laender sowie 580 Millionen Mark auf andere Staaten. Bremer Rechtshilfe-Fonds fuer Fluechtlinge Das Asylrecht ist ein Menschenrecht, als solches ist es aus den Folgen der Geschichte Deutschlands nach dem II. Weltkrieg ins Grundgesetz aufgenommen worden. Dies zu sagen, wird immer wichtiger, seit der Grundgedanke - Menschen vor Verfolgung zu schuetzen - in der oeffentlichen Darstellung einfach nicht mehr vorkommt. Durch den sogenannten Asylkompromiss 1993 wurde das Asylrecht bis zur Unkenntlichkeit zusammengestueckelt. Demgegenueber werden weltweit immer mehr Konflikte militaerisch ausgetragen, die Brutalitaet von Regimen nimmt zu, die Zivilbevoelkerung wird vielerorts zum Spielball und die Erklaerungen ueber Einhaltung der Menschenrechte verkommen zu einer Farce. Abschiebungen werden in Bremen immer schneller, haeufiger und ruecksichtsloser durchgefuehrt. Die verantwortlichen Stellen, SachbearbeiterInnen und RichterInnen zeigen wenig Verstaendnis fuer die Fluchtgruende und Fluchtursachen. Immer abenteuerlicher fallen ihre Ablehnungsbescheide aus, mit immer fragwuerdigeren Aussagen werden Ablehnungs- und Ausweisungsbescheide begruendet. Nachforschungen ueber die Situationen von Menschen aehneln mehr und mehr Verhoeren mit nicht selten unzureichenden DolmetscherInnen, was dazu fuehrt, dass legitime Begehren nach Asyl und Duldung verweigert werden. Ohne gute anwaltliche Vertretung haben Fluechtlinge vor dem Bundesamt, Verwaltungsgericht und der Auslaenderbehoerde so gut wie keine Chance. In Deutschland ist durch die Asyldiskussion der allgemeine Rassismus angeheizt worden. Auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen, gibt es einen Zusammenhang zwischen den Reden ueber den Asylmissbrauch, der voelligen Entrechtlichung von Fluechtlingen, deren Isolierung in Lagern ausserhalb der Staedte und den Anschlaegen von Rostock, Hoyerswerda, Solingen, dem Brand in Luebeck und der Menschenjagd in Magdeburg. Dort wurden Fluechtlinge direkt angegriffen. Durch fragwuerdige Abschiebeverfahren und die Inhaftierung in Abschiebehaft werden Fluechtlinge nur in anderer Weise angegriffen. Wir sind der Auffassung, dass Solidaritaet und Unterstuetzung von Fluechtlingen dringend notwendig geworden ist. Der Bremer Rechtshilfe-Fonds fuer Fluechtlinge e.V. ist daher gegruendet worden, um den Fluechtlingen und Abschiebehaeftlingen durch finanzielle Unterstuetzung die Inanspruchnahme von RechtsanwaeltInnen zu ermoeglichen. Wir sind daher auf Ihre Solidaritaet angewiesen - Spenden Sie Geld - Werden Sie Mitglied oder Foerdermitglied! Konto: Bremer Rechtshilfe-Fonds fuer Fluechtlinge e.V., Kontonummer 795950-203, Postbank Hamburg (BLZ 200 100 20) Bremer Rechtshilfe-Fonds fuer Fluechtlinge e.V., Rembertistrasse 93, 28195 Bremen, Tel: 0421-3630451, Fax: 3630432 Sexuelle Gewalt gegen "behinderte" Frauen Rund 85 Prozent aller "behinderten" Frauen sind lt. Studien aus den Niederlanden, Kanada und den USA schon einmal Opfer sexueller Gewalt geworden. Die sexuelle Gewalt richtet sich gerade gegen "geistig behinderte" und gehoerlose Frauen in Heimen, berichtet die Juristin Theresia Degener (Uni Frankfurt) auf der Ersten Europaeischen Konferenz behinderter Frauen Mitte August in Muenchen. Die Taeter seien oft Betreuer, fuer die das in der Regel folgenlos bleibe, weil die betroffenen Frauen sich kaum wehren koennten, Notrufzentralen und Frauenhaeuser fuer sie nicht erreichbar seien und ihre Beschwerden nicht wahrgenommen wuerden bzw. ihnen in der Regel nicht geglaubt werde. Hendrik Ostendorf, einer der aktivsten Bremer Nazis Auf dem Foto zu sehen ist Hendrik Ostendorf, der zu den aktivsten Bremer Neonazis zaehlt. Vor ueber zehn Jahren begann seine "Karriere" bei den Jungen Nationaldemokraten (JN), spaeter war er bei der Freiheitlichen deutschen Arbeiter Partei (FAP) und der Nationalistischen Front (NF). Er ist einer der Anfuehrer der Bremer Hooligan-Szene und Mitproduzent des Nazi- Hooligan-Heftes "Sturm". 1991 organisierte er mehrere Nazi-Skin-Konzerte in Bremen. Im August 1996 nahm Hendrik Ostendorf am Rudolf-Hess-Gedenkmarsch in Worms teil. "Ossi", wie er allgemein genannt wird, ist auch bei Anti-Antifa-Aktivitaeten zu finden. Im Umfeld von linken Demonstrationen ist er oefter zu sehen, zuletzt wurde er im Dezember 1995 in Hamburg aus der radikal-Demo geschmissen. Ob er die dort gewonnenen Informationen genauso wie die Infos aus der rechten Szene an Behoerden und Presse verkauft, ist noch nicht bekannt. Hendrik Ostendorf wohnt bei seinem Vater in der Salvador-Allende-Strasse. Sein Bruder Hannes war am 3. Oktober 1991 an dem Brandanschlag auf das Fluechtlingswohnheim in der Schwachhauser Heerstrasse beteiligt (s. kassiber 19, Juni 1992, S. 16f). "Ossi" ist ueber 1,80 m gross, schlaksig und zeitweise Brillentraeger. Zu finden ist er oft in den Kneipen der Bahnhofsvorstadt. Viel Erfolg beim Suchen und Treffen ... "Neue Erkenntnisse" Frohe Botschaft: Papst Johannes Paul II. hat Ende Oktober die Evolutionstheorie in einer Botschaft an die Mitglieder der Paepstlichen Akademie der Wissenschaften als mit dem christlichen Glauben vereinbar anerkannt: "Neue Erkenntnisse fuehren zu der Feststellung, dass die Evolutionstheorie mehr als eine Hypothese ist." Rassistische und faschistische Straftaten 1995 hat es nach Angaben des Bundeskriminalamts in Deutschland 7.896 bekanntgewordene Straftaten mit erwiesenem oder zu vermutenden rechsextremistischem Hintergrund gegeben, 1994 waren es 7.952. Demgegenueber sei die Zahl der rassistischen und faschistischen Gewalttaten gegen MigrantInnen und Fluechtlinge deutlich zurueckgegangen. SozialschmarotzerInnen und VersicherungsbetruegerInnen Grosse Teile der bundesdeutschen Bevoelkerung schaedigen die Allgemeinheit nicht nur durch Sozialhilfebetruegereien und dergleichen, viele (andere) verdienen sich auch beim "Versicherungsbetrug" eine goldene Nase. Das Marktforschungsinstitut Psychonomics befragte fuer die Zeitschrift Capital mehrere tausend deutsche Maenner und Frauen, die Versicherungen abgeschlossen haben. Mehr als die Haelfte gab an, den eingetretenen Schaden gegenueber der Versicherung anders dargestellt zu haben und damit, so Capital, zu Unrecht und zu Lasten der Versichtengemeinschaft Geld kassiert zu haben. Rund 40 Prozent haetten einfach die Schadenssumme zu ihren Gunsten erhoeht, jede/r Dritte outete sich als WiederholungstaeterIn. Zumeist geschehe dies bei der Privat-Haftpflicht, betrogen werde z.B. in 80 Prozent der Faelle, wenn Brillen kaputtgehen, bei Einbruechen uebertrieben rund 70 Prozent die Schadenshoehe. Der jaehrliche Schaden aufgrund dieser Manipulationen belaufe sich auf rund fuenf Milliarden Mark. Sexuelle Belaestigung am Telefon Etwa sieben Prozent alle Frauen in Deutschland wurden 1995 am Telefon sexuell belaestigt. Dies ist ein Ergebnis einer von der Psychologin Sabine Sczesny beim Psychologenkongress Ende September in Muenchen vorgelegten Studie, fuer die 3.000 Personen repraesentativ zu unerwuenschten "Ereignissen am Telefon" befragt wurden. Sexistische Werbung Selbst dem Deutschen Werberat, dem Schiedsgremium der Werbebranche, geht manche sexistische Werbung, vermutlich weil fuer die Branche imageschaedigend, zu weit. Zum dritten Mal in diesem Jahr verhaengte er deshalb seine schaerfste Sanktion, eine oeffentliche Ruege, die es nur gibt, wenn die Firma auf Beanstandungen nicht reagiert. Auch in den beiden anderen Faellen ging es um sexististische Anzeigen. Der Hemdenhaendler Shirt-Shock hatte mit einem T-Shirt-Motiv geworben, das eine Frau in der Hocke mit gespreizten Beinen zeigt. Die offenen Beine waren dabei der Maerchenfigur Pinocchio zugewandt - dazu der Text: "... und jetzt lueg, Pinocchio, lueg". Auch der Koelner Taschen-Verlag hatte auf seiner Anzeige eine hockende, fast nackte Frau gezeigt. Und fuer den Wodka Kremlyovskaya wurde mit einer in einem Netz gefangenen Frau und dem dazugehoerigen Spruch "Haetten sie nicht Lust, sie gleich zu oeffnen" geworben. Insgesamt aber habe es im ersten Halbjahr 1996 mit 134 Eingaben neun Prozent weniger Beschwerden gegeben als im Vorjahreszeitraum. 73 Anzeigen wurden behandelt, eine geaendert und eben drei geruegt; 45mal wurde die Werbung "freigesprochen". Politischer Druck auf Kneipe "Eisen" Schon seit ueber zwei Jahren steht das "Eisen" am Sielwall auf der roten Liste bei Bremens Polizei. Aus dem Praesidium wurde schon vor laengerer Zeit verlautbart, neben dem Sielwallhaus sei das "Eisen" der andere "Treffpunkt der autonomen Szene", einzelne Polizeistreifen wuerden sich nicht mehr ins "Eisen" trauen, sondern im Ernstfall erst Verstaerkung holen, bevor sie die Kneipe betreten. Vor einem Monat flatterte dann folgendes Schreiben vom Stadtamt ins Haus, datiert vom 18.10.96: "Im Zusammenhang mit den gewalttätigen Krawallen am 2./3.8.1996 ("Chaos-Tage") berichtet uns das Polizeipr"sidium Bremen, dass ein Grossteil der gewaltbereiten Personen zum Zeitpunkt der Krawalle aus Ihrem Betrieb kamen bzw. in Ihrem Betrieb verschwanden und dabei zeitweise auf dem Fussweg bzw. der Fahrbahn verharrten und Polizeieinsaetze blockierten. Die Zuverlaessigkeit von Gaststaettenbetreibern definiert sich nach den Versagungsgruenden nach õ 4 des Gaststaettengesetzes (GastG). Danach ist u.a. unzuverlaessig (die Erlaubnis nach dem GastG ist bei solchen Personen zu versagen bzw. zu widerrufen), wer seiner Aufsichtspflicht nicht nachkommt. Seiner Aufsichtspflicht als ordentlicher Gastwirt kommt derjenige nicht nach, der den Gaststaettenbetrieb im ganzen nicht ordnungsgemaess fuehrt und durch sein Verhalten Rechtsverstoesse ermoeglicht oder beguenstigt. Dabei ist es unerheblich, ob ihn ein Verschulden an den Rechtsverstoessen trifft. Nach den Erkenntnissen der Polizei sind von Ihnen keine Massnahmen getroffen worden, Rechtsbrueche zu verhindern. Sie haben durch die faktische Gewaehrung von Unterschlupf die polizeilichen Massnahmen nicht unerheblich behindert. Nur in Anbetracht der Tatsache, dass uns sonstige Erkenntnisse ueber ihren Betrieb aus der juengeren Vergangenheit nicht vorliegen, verzichten wir z.Zt. auf den Widerruf der Erlaubnis nach dem GastG. Wir fordern Sie auf, zukuenftig grundsaetzlich bei derartigen Gefahrenlagen eng mit der Polizei zusammenzuarbeiten und den Betrieb notfalls zur Abwendung von Rechtsverstoessen zeitweilig zu schliessen. Ggf. werden wir zusaetzlich praeventiv die Aufhebung der Sperrzeit widerrufen." Auf diesen Brief wurden von der "Eisen"-Belegschaft eine Antwort ans Stadtamt geschickt, in der dieses aufgefordert wurde, die ausgesprochenen Drohungen unverzueglich zurueckzunehmen. Ein weiterer Schrieb des Stadtamtes blieb jedoch bisher noch aus.

Leserin-Brief

"Voller Mitleid habe ich euren Eingangsbericht ueber das weibliche Nicht-vorhanden-Sein in bezug auf das Schreiben im allgemeinen und den kassiber im speziellen aus historischer Sicht bis hin zur Post-Moderne gelesen. In bezug auf den kassiber muss es da wohl eher heissen, die begruendete weibliche Interessenlosigkeit im besonderen. Da ich zugegebenermassen nicht gerade eine regelmaessige kassiber-Leserin bin und ihn sogar fuer lange Zeit aus meinem Interessenhorizont verbannt habe, hat mich euer Lamentieren dann doch stark emotional beruehrt. Ihr fuehlt euch und seid wohl auch von allen Frauen 'verlassen'. Zu allem Uebel verlassen euch dann auch noch zwei 'neue' Maenner. Es ist doch wirklich zum Heulen! Den kassiber als Opfer weiblicher Identitaetsfindung zu praesentieren, grenzt schon an wahre Maennlichkeit. Bravo! Ich denke, dass sich FrauenLesben mittlerweile eine solch intakte eigene oeffentliche Basis geschaffen haben, dass aus eurer Sicht euer Blatt einfach schlicht und doch ergreifend ueberfluessig ist. Den Laecherlichkeitsstatus, den ihr von Anfang an in 'der Szene' innehattet, habt ihr durch euren weinerlichen Bitte-Bitte-Artikel richtig schoen einzementiert. Nochmals Bravo! Ein Forum von schlauen Leuten, oh Entschuldigung, Maennern natuerlich, fuer schlaue koennt ihr doch auch anderswo bekommen. An der Uni zum Beispiel. Dort koennt ihr euch wunderbar austoben. Oder solltet ihr vielleicht euer Austoben doch besser auf die Strasse verlagern?! Aber das waere dann wohl zu viel verlangt. Oder? Eine 'mitfuehlende' Frau"


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kombo(p) - 07.02.1997