Ein Auszug aus - kassiber 29 - September 96Was bisher geschah
12. Juni 96 bis 19. August
12. Juni Rüstung sichert Bremer Arbeitsplätze Im Verteidigungsausschuß des Bundestags stimmen CDU/CSU, FDP und SPD dem Bau von drei Fregatten der Klasse "F 124" zu, PDS und Bündnis 90/Die Grünen lehnen ab. Ein Sprecher des Bremer Vulkan bezeichnet den damit erteilten Neubauauftrag als "Meilenstein auf dem Weg in die Zukunft". Er bedeute zunächt rund 400.000 Arbeitsstunden für die Bremer Vulkan Marineschiffbau GmbH (60 Angestellte) für die Konstruktion der Schiffe. Die Fregatten sollen dann frühestens 1998/99 von einer Arbeitsgemeinschaft gebaut werden, der neben dem Vulkan AG die Hamburger Blohm + Voss AG, die Howaldtswerke in Kiel, die Bremer Vulkan Marineschiffbau GmbH und die Thyssen Nordseewerke in Emden angehören. Das Auftragsvolumen beträgt drei Milliarden Mark, für acht Jahre seien 2.000 Arbeitsplätze gesichert. 13. Juni Comeback Mit Frank aus Köln, Ulli aus Oldenburg und Jutta aus Bremen stellen sich drei der vier Gesuchten im sog. radikal-Verfahren genau ein Jahr nach ihrem Abtauchen (s. Berichte in dieser Ausgabe). 15. Juni Sexistischer Angriff Ein unbekannter Mann versucht beim Hohenhorster See, ein 13jähriges Mädchen zu vergewaltigen. Als der Täter zu küssen versucht, beißt sie ihm in die Zunge und kann anschließend flüchten. 18. Juni Sexueller Mißbrauch Zwei Tage nach den 100jährigen Jubiläumsfeierlichkeiten des VfB Komet wird bekannt, daß mindestens fünf 12- bis 14jährige Jungen aus einer Fußballmannschaft von ihrem Trainer mißbraucht wurden. Der 27jährige Täter wird zunächst verhaftet, anschließend unter Auflagen wieder freigelassen. Seit dem 8. Juli befindet er sich wegen Wiederholungsgefahr wieder in Untersuchungshaft, schließlich läuft gegen ihn seit März ein weiteres Strafverfahren wegen sexuellen Mißbrauchs eines Jungens vor dem Jugendschöffengericht Delmenhorst. Allzuviel klingt hier ähnlich wie ein Jahr zuvor, als nach den 90-Jahr-Feiern des ATSV Sebaldsbrück bekannt gemacht wurde, daß zwei Betreuer zahlreiche Jungen einer Fußballmannschaft sexuell mißbraucht hatten (Konkret dazu und zum sexuellen Mißbrauch an Jungen allgemein vgl.: Auch Indianer kennen Schmerz, in: kassiber 28, S. 18ff). 22. Juni Berufsverbotsopfer erhält Schadensersatz Die 1987 aufgrund des sog. Radikalenerlasses als Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) entlassene Lehrer Dorothea Vogt aus Jever erthält jetzt doch Schadensersatz vom Land Niedersachsen, das diese Berufsverbotspraxis erst 1991 aufgegeben hatte. Darauf einigten sich die AnwältInnen der 47jährigen mit VertreterInnen von Bundes- und Landesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Der hatte im September 1995 geurteilt, daß das Berufsverbot gegen das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verstoßen habe (s. kassiber 28, S. 4). Über den Schadensersatz hinaus müssen alle entgangenen Bezüge nachgezahlt werden. Sexueller Mißbrauch Zwei fünfjährige Mädchen werden nachmittags auf dem Gelände eines Sportplatzs an der Thedinghauser Straße von einem etwa 20-25 Jahre alten Täter sexuell mißbraucht. 24. Juni Alle Räder stehen still ... Rund 1.000 ArbeiterInnen des Bremer Daimler-Benz-Werks legen für eine halbe Stunde die Arbeit nieder und protestieren so gegen das Ansinnen der Werksleitung, den Sonnabend als Regelsarbeitstag einzuführen. Demo für ProfessorInnenstellen Etwa 50 PhilosophiestudentInnen demonstrieren auf dem Marktplatz für die Wiederbesetzung zur Zeit unbesetzter ProfessorInnenstellen in ihrem Studiengang. Die rund 600 PhilosophiestudentInnen an der Bremer Uni sehen den Weitergang ihrer Ausbildung bedroht, bleibt doch vermutlich nur einer von bisher drei Professoren. 25.Juni Deutsche Waffen, deutsches Geld ... Aus 'sicherheitspolitischen Gründen' will das Verteidigungsministerium einen Verkauf oder eine mehrheitliche Übernahme der zum Bremer Vulkan-Verbund gehörenden Rüstungsfirma STN-Atlas Elektronik (STN-AE) an ein ausländisches Unternehmen verhindern. Es gehe vor allem darum, industrielle Mindestkapazitäten in der deutschen Wehrtechnik zu erhalten. Dieses Ziel könne gefährdet sein, wenn eine Mehrheit der Geschäftsanteile von einer nicht-deutschen Firma, gemeint sind insbesondere Lockheed Martin (USA) und Thomson (Frankreich), übernommen werdem die bereits auf dem gleichen oder nahe verwandten Gebieten tätig sei. Ein entsprechender Briefwechsel zwischen dem Verteidigungsministerium und Vulkan-Vergleichsverwalter Wellensiek wird von einem Vulkan-Sprecher bestätigt. 26. Juni Razzien auf Baustellen BeamtInnen des Arbeitsamts Oldenburg, des Hauptzollamts Bremen-Nord, des Bremer Ausländeramts sowie dreier Polizeireviere führen Razzien auf zwei großen Bremer Baustellen durch: im Weser-Stadien (Ostkurve) und Am Grashof. Angesichts des Großaufgebots und der generalstabsmäßigen Planungen können nur zwei Leute fliehen, 93 Beschäftigte aus 17 Firmen werden überprüft. Zehn von ihnen werden jetzt Verstöße gegen das Arbeitserlaubnisrecht vorgeworfen. Außerdem seien einige Fälle von "unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung" entdeckt worden, x-mal bestehe der Verdacht auf "Leistungsmißbrauch". 27. Juni Solidaritätsaktion wg. 13.6. Einige Dutzend Frauen und Männer protestieren mit einer Pressekonferenz und Kundgebung vor der Bürgerschaft dagegen, das der Frank ("Glosch") aus Köln, dem vorgeworfen wird, Redakteur der radikal zu sein, nach wie vor von der Bundesanwaltschaft in Untersuchungshaft gehalten wird. Er hatte sich, gemeinsam mit Ulli aus Oldenburg und Jutta aus Bremen, am 13. Juni den Behörden gestellt. Die Anwesenden demonstrieren ferner gegen die schikanösen Bedingungen für die Außervollzusetzung der Haftbefehle der beiden anderen, insbesondere gegen das sog. Kontaktverbot (s. Berichte in dieser Ausgabe). Abschiebetermin verschoben Bosnische Flüchtlinge sollen im Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium aus Bremen nicht, wie bisher geplant, ab dem 1. Juli, sondern erst ab dem 1. Oktober abgeschoben werden. Innensenator Ralf H. Borttscheller begründet dies damit, daß die Voraussetzungen für die im Neudeutsch der SchreibtischtäterInnen "Rückführungen" genannten Deportationen noch nicht gegeben seien. Am Abschiebebeschluß der deutschen Innenminister und -senatoren werde aber grundsätzlich festgehalten. Bremer Drogenpolitik Besorgte BürgerInnen und andere FreizeitfaschistInnen machen im Beirat Schwachhausen/Vahr einmal mehr gegen ein Drogenhilfeprojekt mobil. Selbst der Weser-Kurier-Reporter befand später, daß das mit "sachlicher Auseinandersetzung nicht viel zu tun" hatte: "Die Wogen der Erregung schlugen hoch, Bürger in Schlips und Kragen vergaßen die einfachsten Anstandsregeln, die Aggressionen waren mit Händen greifbar." Stein des Anstoßes ist das Therapiezentrum Steps, das von Lesum in die Villa im Schwachhauser Ring 110 (Monatsmiete: DM 10.000) umziehen will, um dort 18 Drogengebrauchern - nach ihrer "Entgiftung" - jeweils sechs Monate lang mit ÄrztInnen, PädagogInnen und PsychologInnen zu "betreuen". Statt nun die Drangsalierung der Junkies durch die Steps-TherapeutInnen zu problematisieren (zum Sinn und Unsinn von Drogen-Therapien vgl. kassiber 25, S. 24ff), gilt der Protest der braven BürgerInnen allein den DrogengebraucherInnen. Zwar versucht sich die flugs gegründete Bürgerinitiative Schwachhauser Ring noch mit einer latent antisemitischen Argumentation: "Wir sind gegen eine Unterstützung des Immobilienwuchers zu Lasten der Allgemeinheit und gegen ein Geschäft mit dem Elend zu Lasten der Sozialkassen", doch da auch nach Meinung des Beirats keinerlei rechtliche Handhabe gegen das Projekt besteht (Schwachhauser BürgerInnen und die anderer Nobelstadtteile waren in den letzten Monaten immer wieder vor Gericht gescheitert), wird nun eine Arbeitsgruppe aus AnwohnerInnen, Beiratsabgeordneten und Steps-MitarbeiterInnen eingerichtet werden, die ein wachsames Auge auf das Haus und seine Bewohner haben soll. 28. Juni Fake Angesichts der immer unkritischer werdenden Studierenden weist die Pressestelle der Universität per Aushang vorsorglich darauf hin, daß es sich bei einem in den letzten Tagen verteilten Schreiben (mit offiziellem Uni-Logo), in dem die EmpfängerInnen aufgefordert werden, 100 Mark "Verwaltungsgebühr" zusätzlich zum Semesterbeitrag an die Landeshauptkasse zu überweisen, um eine Fläschung handelt. Gar nicht dumm, wird gemutmaßt, daß es sich hier wohl um eine Protestaktion gegen die Einführung von Studiengebühren handelt. Sexistischer Angriff Ein Kripo-Beamter zwingt eine 44jährige Frau auf dem Polizeirevier während ihrer erkennungsdienstlichen Behandlung zum Oralverkehr. Der Täter wird zwar vorläufig vom Dienst suspendiert, behauptet aber, von der als Prostituierte arbeitenden Frau "blitzartig überfallen" worden zu sein. Dafür findet er Verständnis nicht nur bei Polizeipräsident Lüken ("Zur Zeit steht Aussage gegen Aussage"), zumal er als "Familienvater" aufgrund der Vorkommnisse selbstmordgefährdet sei und sich in psychiatrischer Behandlung befinde. 29. Juni Shell-Boykott In mehrere bundesdeutschen Städten findet ein Aktionstag gegen die mörderische Shell-Politik in Nigeria statt. In Bremen ruft das Panafrikanische Forum vor einer Shell-Tankstelle mit Transparenten und Flugblättern zum Boykott des Konzern, der die nigerianische Militärdiktatur stützt, auf. Proteste der Bevölkerung, insbesondere von den Ogoni, gegen das Regime und die Vernichtung ihrer Lebensgrundlagen durch die Ölförderung werden vom dortigen Militär grausam beantwortet. Mehrere tausend Menschen wurden ermordet. 30. Juni Sexueller Mißbrauch Ein dreijähriges Mädchen wird gegen 17 Uhr in der Bredaer Straße von einem etwa 30jährigen Mann sexuell mißbraucht. 1. Juli Keine Ermittlungen zu Brechmittelvergaben Auf einer Pressekonferenz des Anti-Rassismus-Büros (ARAB) liefern die RechtsanwältInnen Barbara Kopp und Günther Werner weitere Indizien für die ARAB-These, daß "Rassismus bei Polizei und Justiz prinzipiell folgenlos bleibt" (vgl. u.a. kassiber 25). So würden durch die Staatsanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren gegen Polizisten und Ärzte im Zusammenhang mit der Brechmittelvergabe an Schwarzen, die pauschal verdächtigt werden, Drogendealer zu sein, lediglich "rein formal durchgeführt". Ermittlungen im engeren Sinne gebe es nicht. Letztendlich erhielten alle Zeugen, Afrikaner mit schwarzer Hautfarbe, negative Bescheide. In zwei Fällen haben man regelrecht darum bitten müssen, daß die Mandanten zu den angezeigten Übergriffen und Mißhandlungen bei der Brechmittelvergabe vernommen werden. Im Januar 1996 seien alle vier Ermittlungsverfahren eingestellt worden, wogegen jeweils Beschwerde erhoben wurde. Im Mai wurde in zwei Fällen der Beschwerde stattgegeben. Eine weitere Beschwerde wurde abgelehnt, deswegen wurde nun Klageerzwingung beim Oberlandesgericht beantragt. Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hatte nicht etwa eigene Untersuchungen angestellt, sondern auf die Aussagen von Polizeibeamten, also von den Tätern, verwiesen. Wider alle Erfahrungen, was im Frühjahr auch durch Untersuchungen aus dem Apparat selbst gestützt wurde, behauptete der Leiter der Bremer Staatsanwaltschaft, Jan Frischmuth, dennoch: "Bedingt durch die strenge Auswahl der Polizeibewerber und ihre gründliche Ausbildung können Polizisten mit Streßsituationen gut umgehen und neigen nicht zu Übergriffen. Ich gehe davon aus, daß sie die Wahrheit sagen." 8. Juli Rassenjustiz Das Amtsgericht verurteilt einen Mann aus Ghana wegen Beleidigung zu 1.200 Mark Geldstrafe (30 Tagessätze). Geklagt hatte ein Polizist, der den 28jährigen vor etwa einem Jahr deshalb angehalten habe, weil dieser in rücksichtslosem Tempo über dem Bahnhofsvorplatz geradelt sei. Aber noch nie in seinen immerhin 38 Dienstjahren sei er - dazu noch in aller Öffentlichkeit - von einem Verkehrsteilnehmer derart "gekränkt" worden. Ernest Q. habe u.a. behauptet, der 58jährige Polizist würde "immer nur Schwarze anhalten", außerdem sei er "blöde" und "Scheiße". Nun dürften dies zwar alles zutreffenden Bemerkungen sein, allein stellt die schwarze Hautfarbe des Angeklagten vor einem deutschen Gericht ein gravierendes Manko dar - schon gar, wenn der/die KlägerIn PolizistIn ist. Da half es dem 28jährigen auch wenig, daß er im letzten Jahr diverse Male zu Unrecht von weißen, deutschen PolizistInnen verhaftet wurde, weil aus dem sachsen-anhaltinischen Eisleben ein Festnahmeersuchen zwecks Abschiebung vorlag - und die dortigen SchreibtischtäterInnen es nicht für nötig befanden, ihn, der mit einer deutschen Frau verheiratet ist, von den Fahndungslisten zu streichen. 12. Juli Büro des türkischen Sozialattachés besetzt Zur Unterstützung des Hungerstreiks von politischen Gefangenen in der Türkei, der in der BRD bisher wenig Beachtung findet, besetzen zehn TürkInnen, acht Männer und zwei Frauen, am Nachmittag das Büro des türkischen Arbeits- und Sozialattachés an der Schlachte. Um 18 Uhr stürmt das SEK das Haus und nimmt die der Dev Sol angehörenden BesetzerInnen vorläufig fest. 13. Juli Sexueller Mißbrauch Ein etwa 30jähriger Mann mißbraucht ein junges Mädchen an der Rückseite eines Hochhauses in der Neuwieder Straße sexuell. Der Täter soll bereits im Juni im Stadtteil mehrere spielende Kinder mißbraucht haben. 19. Juli Bremer Drogenpolitik Innensenator Borttscheller kündigt an, auch weiterhin "mit aller Härte und Konsequenz" gegen DrogengebraucherInnen vorgehen zu wollen. Seine BeamtInnen seien "hochmotiviert" und würden sich sogar zu Sondereinsätzen melden. Dieser verbale Aktionismus korrespondiert aber nur wenigen mit den Zahlen und Fakten der diesjährigen Sommerloch-Aktion der Bremer DrogenbullInnen: So habe man "allein" (!) am Hauptbahnhof in den ersten beiden Juliwochen 70 Personen überprüft, 15 Durchsuchungen vorgenommen und acht Strafanzeigen in Zusammenhang mit Betäubungsmitteln erstattet - ein bißchen wenig, angesichts der Tatsache, daß sich dort seit eine Offene Szene befindet. 21. Juli Sexistischer Mord Eine 37jährige, als Prostituierte arbeitende Frau wird gegen 1 Uhr vermutlich von einem Freier in den Hinterräumen der "Krokodil-Bar" (Nordstraße) gewürgt und dabei so schwer verletzt, daß sie an den Folgen stirbt. Sexistischer Angriff Drei etwa 17- bis 19jährige Skinheads greifen kurz vor Mitternacht in der Leher Heerstraße eine 22jährige Frau an und versuchen, sie zu vergewaltigen. Die Frau, die bei dem Angriff verletzt wird, kann flüchten, als plötzlich mehrere Autos am Tatort vorbeifahren. 23. Juli Brandanschlag auf türkischen Verein Nachdem in der Türkei ein erster hungerstreikender politischer Gefangener gestorben ist, finden in mehreren bundesdeutschen Städten Anschläge auf türkische Moscheen und "Kulturvereine" statt. In Bremen richtet sich ein Brandanschlag um 3.15 Uhr gegen die Türkische Familienunion im Steffensweg; die dortigen Räume werden völlig zerstört. Wie fast immer bei solchen Anschlägen, nehmen die AktivistInnen keinerlei Rücksicht darauf, daß sich außer dem Verein noch Wohnungen im Haus befinden. So kann sich eine Familie mit drei kleinen Kindern aus diesem Haus, das zum dritten Mal Ziel eines Anschlags ist, nur mit knapper Not vor den Flammen in Sicherheit bringen. Leicht verletzt wird ein 33jähriger Mann, der als "Brandschutzwache" in den Vereinsräumen übernachtet. Die drei TäterInnen können flüchten. 27. Juli Brandanschlag auf türkischen Verein Auf einen türkischen Verein in der Georg-Seebeck-Straße im Bremerhavener Stadtteil Geestemünde wird von Unbekannten kurz nach 3 Uhr ein Brandanschlag verübt. Die TäterInnen schlagen ein Loch in die Scheibe und werfen einen Brandsatz hinein. Das Feuer wird jedoch schnell gelöscht, es entsteht nur geringer Schaden. 28. Juli Sexistischer Angriff Eine 26jährige Frau wird von ihrem 'Freund' in Bremerhaven-Geestemünde auf offener Straße brutal zusammengeschlagen und muß im Krankenhaus behandelt werden. Der Täter, gegen den bereits ein Haftbefehl wegen Körperverletzung vorlag, wird festgenommen. 29. Juli Platzverweise gegen Punks Die Bremer Polizei erteilt wenige Tage vor Beginn der in Hannover geplanten Chaos-Tage 30-40 Punks aus der Ex-DDR Platzverweise für die Stadt Bremen. Diese Maßnahmen werden an den folgenden Tagen fortgesetzt, um, so die Polizei, einerseits zu verhindern, daß die Punks von hier aus nach Hannover reisen, andererseits, daß in Bremen eine "Ersatzveranstaltung" stattfinde. 30. Juli Heim ins Reich Mit dem Tod von Johannes Waschkies beklagt der Bremer Bund der Vertriebenen den Verlust eines Mannes der ersten Stunde. Der Ostpreuße Waschkies, natürlich Träger des Bundesverdienstkreuzes, war von Anbeginn an Mitglied des Landesvorstandes der RevanchistInnenorganisation und wirkte in Bremen vor allem für heimatvertriebene Bauern. 31. Juli Faschistische Demonstration verboten Das Stadtamt verbietet eine vom Bremer Faschisten Markus Privenau für den 3. August angemeldete Demonstration anläßlich des neunten Todestages des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. Privenau, z. Zt. Mitglied der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten, hatte als Motto der Demonstration "Versammlungsfreiheit statt Verbote" (sic!) angegeben. Eine in Bremerhaven angemeldete Demonstration wird am 1. August verboten. Das Nationale Infotelefon der Nazis meldet, daß man für den 3. August bundesweit 89 Demos angemeldet habe. 3. August Keine Chaos-Tage Bremer Polizei und Bundesgrenzschutz verhindern mit massivem Aufgebot und Hunderten von Platzverweisen jegliche "Ersatzveranstaltungen" für die in Hannover nicht stattfindenden "Chaos-Tage". Hunderte Punks werden bei der Anreise am Hauptbahnhof in Gewahrsam genommen und bald wieder in ihre Heimatstädte 'abgeschoben'. Zahlreiche andere Punks greifen die Schergen in verschiedenen Stadtteilen ab. Auf der Sielwallkreuzung werden am Sonnabend und Sonntag jeweils nach Mitternacht Dutzende Personen eingekesselt und festgenommen, anschließend in ein Sammellager in der Kaserne Vahr gebracht (s. Bericht in dieser Ausgabe). Antisemitischer Anschlag Die Synagoge der Jüdischen Gemeinde in Bremerhaven wird von Unbekannten mit sechs braunen Farbeiern beworfen. Da der Lack, als dieser Anschlag bemerkt wird, bereits getrocknet ist, muß die Synagoge neu gestrichen werden. Für den 3. August waren in Bremerhaven und Bremen sowie in 87 anderen Städten faschistische Demonstrationen anläßlich des Todestages von Rudolf Heß angemeldet, aber verboten worden. 19.August Durchsuchungen bei Bremer Presse Die Redaktionsräume von taz, Weser-Kurier, Weser Reprt und Radio Bremen sowie zwei Privatwohnungen werden von der Polizei nach einem vertraulichen Dokument des Bremer Landesrechnungshofs durchsucht. Die erfolglose Aktion ruft in der Öffentlichkeit einen Sturm der Entrüstung hervor. Daß Durchsuchungen und Beschlagnahmungen gegen linke Zusammenhänge schon lange Mechanismen des staatlichen Repressionsapparates sind und offenbar auch keinen Halt vor den bürgerlichen Medien machen, ist eigentlich nichts Neues - und daher ist der mediale Aufschrei doch eher Ausdruck eines größeren Sommerlochs ... Willi Leow (& Mahmout El Khalil)
bezugsmöglichkeitenkombo(p) - 20.11.1996