Licht am Horizont
Annäherungen an die PKK
IV. Werte, Prinzipien und Methoden der PKK
IV.1.4. Sozialismus als Prozeß
IV.1.5. Sozialismus als internationale Bewegung
IV.2. Arbeit

IV.1.5. Sozialismus als internationale Bewegung

Unter anderem im Beschluß des V. Parteikongresses zum Internationalismus (16) wird deutlich, daß sich die PKK in ihren Zielstellungen nicht auf Kurdistan einschränken läßt. Sie betrachtet sich entsprechend als eine 'Menschheitsbewegung', dies genauer mit dem Anspruch, den Sozialismus als Weltanschauung zu erneuern und ihn als Versuch einer Antwort auf die großen Fragen menschlicher Entwicklung zu bestimmen. Die dazu nötige globale Sicht erfordert auch die Fragestellung, wie denn im internationalen Ausbeutungsverhältnis das dem Imperialismus gegenüber stehende Proletariat neu zu definieren ist. Dabei geht es unter anderem darum, inwieweit und wodurch die Arbeiterklasse in den imperialistischen Staaten noch beanspruchen kann, zu diesem internationalen Proletariat zu gehören. Dazu zählt auf jeden Fall die große Menge arbeitender, ausgebeuteter, neokolonial, teils auch national unterdrückter Menschen im Trikont, die von grundsätzlichen Bedingungen menschlicher Entwicklung (ausreichende Ernährung, Wohnung, Gesundheitsversorgung, Bildung und auch Arbeit) abgeschnitten sind. Politisch kann dieses Proletariat, enger gefaßt, auch dadurch definiert werden, daß es der bewußte Träger eines weltweiten revolutionären Prozesses gegen diese Ausbeutungsverhältnisse ist. In letzterem Sinn ist auch der Proletariatsbegriff der PKK zu verstehen: „Heute hat sich herausgestellt, daß das realsozialistische Verständnis, in 'zurückgebliebenen' Ländern ohne Proletariat könne kein Sozialismus entwickelt werden, durch die PKK überholt ist. Indem man den Menschen sozialistisches Bewußtsein gibt, die Auseinandersetzung darum führt und so den neuen Menschen schafft, ist es durchaus möglich, die Gesellschaft umzuwandeln. „

Die Überzeugung von der Richtigkeit ihres Weges führt auch die PKK auf die Suche nach Bündnispartnern für eine internationale sozialistische Bewegung, zu der in engerem Sinne Gruppierungen wie die mexikanischen Zapatisten, die Tamil Tigers oder die philippinische Befreiungsbewegung gehören können.

Dieses Verständnis wäre jedoch zu eng und würde letztlich kaum dem eigenen internationalistischen Anspruch gerecht werden. Insofern sind als Bündnispartner mehrfach all diejenigen Kräfte bestimmt, die sich bewußt, wenn vielleicht auch nur in Einzelfragen, gegen den Imperialismus stellen. Die PKK erhebt, angesichts ihres eigenen fortgeschrittenen Organisierung, in einem derartigen Bündnis einen Führungsanspruch. Zu dessen Realisierung wird allerdings einschränkend bemerkt: „Wir werden nicht den Fehlern der ehemaligen Sowjetunion verfallen. Es wäre kein gesundes Internationalismus Verständnis zu sagen: Ich bin der Vater und ihr seid die Kinder. „

Die Durchsetzung des Führungsanspruchs wird aber in Form ideologischer Auseinandersetzungen erwartet: „Das heißt aber auch, daß es eine ideologische Einheit geben sollte, das wäre am besten. Darin kann es auch den Klassenkampf geben, damit die anderen Organisationen ebenso eine umfassende Position darin einnehmen. Der Klassenkampf wird jedoch nicht so gehandhabt, daß man diejenigen in die Enge treibt oder ins Leere laufen läßt, sondern daß man sie umwandelt, daß sie zu einer richtigen Kraft entwickelt werden."

Auf die konkreten Konstellationen z.B. regionaler Bündnisse und ihrer Voraussetzungen wird unter der Überschrift 'Liebe zur Menschheit-lnternationalismus' eingegangen, ebenso auf das Verhältnis zu InternationalistInnen in den eigenen Reihen und ihren Aufgaben. Die internationalistische Praxis der PKK ist nach unserer Auffassung und anderen Beobachtungen insgesamt durch eine große Offenheit und Neugierde gegenüber allen Menschen anderer Völker bestimmt, die sich auch nur für die Befreiungsbewegung interessieren, unabhängig von ihrer jeweils konkreten Weltanschauung.
 


(16) Kurdistan Report 5/6, 1995, S. 25