Licht am Horizont
Annäherungen an die PKK
III. Der Kampf der Frauen als zentraler Punkt innerhalb der PKK

III.8. Der I. Nationale Frauenkongress in Kurdistan
III.9. Arbeit der YAJK (Yeketiya Azadiya Jinen Kurdistan / Freier Frauenverband Kurdistans) in Europa
III.10. Internationalistischer Frauenbefreiungskampf

III.9. Die Arbeit der YAJK (Yektiya Azadiya Jinen Kurdistan) in Europa

Im letzten Abschnitt wurde die Entwicklung zum 1. Nationalen Frauenkongreß 1995 in Kurdistan, die Arbeit der dortigen Genossinnen und wesentliche Ergebnisse geschildert.

Jetzt geht es um die Vorstellung der YAJK - Yektiya Azadiya Jinen Kurdistan - (Freier Frauenverband Kurdistan) in Europa. Wer ist die YAJK und wie sieht ihre Arbeit aus?

Die YAJK begreift sich generell als ein Teil der gesamten Befreiungsbewegung Kurdistans. Ihre Arbeit in Europa ist gebunden an die Entwicklungen in Kurdistan. Ohne die Entwicklungen in Kurdistan würde es die YAJK nicht geben. (I)

Es geht der YAJK um den Aufbau des „neuen Sozialismus" - der Mensch als schöpferisches Wesen steht im Vordergrund.

Sie unterstützt sowohl politisch als auch materiell die Frauenbewegung in Kurdistan. Sie vertritt, daß die Befreiung der kurdischen Frau gleichzeitig die Befreiung der kurdischen Gesellschaft schafft. Die Entstehung eines befreiten Gebietes -die Frauenarmee - ist ein Sprung zur Verwirklichung zu einer starken selbstbewußten Frau, die in jeder Beziehung unabhängig vom Mann denkt und handelt. Eine Frau, die sich der Kontrolle des Mannes auf allen Ebenen entzieht.

Für Heval Melza war die Arbeit in der YAJK-Europa sehr wichtig, weil sie sich mit der Frauenfrage sehr beschäftigte. Inzwischen ist sie am Guerillakampf beteiligt. Sie sagt: „lch habe in der YAJK eine Perspektive gefunden, gesehen wie und wo ich eine wirklich „freie Frau„ werden kann."

Heval Melza beschreibt die Entwicklung der YAJK folgendermaßen: „Vor allem in Europa wurde Anfang der 80er Jahre die politische Arbeit (Frontarbeit) innerhalb der kurdischen Bevölkerung aufgenommen. Diese Arbeit wurde damals in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche aufgeteilt. In Europa wurde zuerst ein Frauenverein gegründet. Es gab den Beschluß, daß die Arbeit des Frauenvereins mit dem Kampf um unser Land 'Kurdistan' verbunden sein muß. Diesem Verein wurde der Name YJWK - Yektiya Jine Welate paareza Kurdistan/ Patriotischer Frauenverein Kurdistan - gegeben. Erst als die Frauenarmee gegründet wurde, die innerhalb des kurdischen Befreiungskampfes ein qualitativer Sprung war, entstand in allen vier Teilen Kurdistans die TAJK- Tevgera Azadiya Jinen Kurdistan/Freie Frauenbewegung Kurdistan. Die TAJK wurde damit gleichzeitig zur sozialen und politischen Ansprechpartnerin aller kurdischen Frauen. Der politische Sprung zur Frauenarmee wurde ja extra dafür entwickelt, damit sich unsere Frauen bereits innerhalb der Revolution selbständig weiterentwickeln, um somit den gesellschaftlichen Umwälzungsprozeß mit voranzutreiben. Entsprechend ihres Anspruches übernahm daraufhin die YJWK in Europa den Namen TAJK und organisierte 1994 in Deutschland eine internationale Frauenkonferenz. Nachdem 1995 in Kurdistan der erste Nationale Frauenkongreß in vollem Umfang selbständig von den Genossinnen vorbereitet und durchgeführt wurde, benannte sich die TAJK in YAJK, Freier Frauenverband Kurdistan, um. „

Wie bereits erwähnt übernimmt die YAJK-Europa die Frontarbeit mit den kurdischen Frauen, d.h. sie ist in erster Linie für die Entwicklung des Bewußtseins verantwortlich.

Heval Melza: „Es kamen oft Frauen, die wir gar nicht kannten; sie hatten vom Befreiungskampf gehört und wußten, daß wir damit etwas zu tun hatten. Es kamen auch Kurdinnen, die noch nie in ihrer Heimat gelebt hatten und plötzlich merkten, daß sie dieser Kampf auch angeht. Jedesmal wenn wir uns trafen, kamen neue Frauen dazu. Meist redeten wir mit ihnen erstmal über ihre Probleme, bevor wir mit ihnen die Frauenfrage diskutierten. Wir müssen ja erstmal die Frau nahe kennenlernen, um über das Thema die „freie Frau„ zu reden. Unsere Frauen haben viele Probleme: Manchen Frauen war das Dorf niedergebrannt worden, oder Kinder wurden vor ihren Augen getötet oder sie hatten Vergewaltigungen von jungen Mädchen, Frauen oder von sich selbst erlebt. Wir machten große Frauenveranstaltungen und boten auch Näh- und Sprachkurse an, um mit den Frauen in die Auseinandersetzung zu kommen. Für uns ist es wichtig, daß ein Mensch ganz frei denken kann und eine freie Frau unabhängig vom Mann denkt. Üblich ist auch, daß die Frauen der YAJK die Familien besuchen, um auch so die Frauen zu erreichen, um sie zu organisieren."

Das Herangehen der YAJK an die Organisierung der Kurdinnen macht deutlich, daß die Frau im Vordergrund steht und für den Kampf nicht funktionalisiert wird. Es geht um ehrliche Beziehungen untereinander. Jede Frau wird in ihren Problemen ernst genommen. Und wenn dann die Frauen ihre größten Probleme erkennen und überwinden, haben sie den ersten Schritt zur revolutionären Bewußtseinsbildung bereits getan.—Ziel dabei ist, daß die Frauen ihre Situation selbst in die Hand nehmen, um sich zu einer freien Frau zu entwickeln. Die Fragen, die sich die Frauen stellten waren: Wie kann die Freie Frau Kurdistans sein? Wie kann man das kurdische Frauenproblem lösen? Die YAJK hat viele Ergebnisse erzielt, darunter dies, daß junge Mädchen kämpfen gehen wollen. „Sie haben es ja selbst gelebt. Sie haben es ja selbst nahe gefühlt, deshalb haben sie uns sofort verstanden. Sie stellten sofort die Frage: Wie können wir frei sein?" (Heval Melza)

Die YAJK ist in mehreren europäischen Ländern organisiert, in Frankreich, Spanien, Österreich, Dänemark, Griechenland/ Bulgarien, der Schweiz und in der BRD. In all diese Länder ist die kurdische Bevölkerung aufgrund wirtschaftlicher Probleme und des  kolonial-faschistischen Terrors geflüchtet.

Allein in der BRD leben über 500 000 Kurdinnen und Kurden. Dort ist auch die YAJK in mehreren großen Städten vertreten. Sie geben die kurdische Frauenzeitung „ Jina Serbilind „ (Selbstbewußte Frau) heraus. Die YAJK hat sich für eine bessere Qualität dieser Broschüre eingesetzt, so daß sie jetzt von anderen Gebieten und Provinzen aus Kurdistan mit inhaltlichen Beiträgen unterstützt wird.

Die YAJK-Europa ist auch im Gesundheitsbereich aktiv. Sie entwickelt Solidarität mit den internationalen Gesundheitsorganisationen und sorgt auch für einflußreiche Delegationen mit Mitgliedern aus internationalen Frauenorganisationen, Parteien, humanitären Organisationen sowie für Delegationen mit Ärztinnen, Anwältinnen usw., die nach Kurdistan geschickt werden.

Die YAJK arbeitet mit allen Frauen, die sich emanzipieren wollen zusammen. Einige hat die Tatsache, daß ihre Männer Kurden sind in die YAJK geführt, andere wollen ihre internationalistischen Aufgaben erfüllen. Sie unterstützen die YAJK in ihren Beziehungen zu anderen Organisationen und arbeiten aktiv mit der YAJK, um Außenbeziehungen anzuknüpfen und weiterzuentwickeln.

Die YAJK hatte es sogar geschafft, zur UNO--Weltfrauenkonferenz nach Peking eingeladen zu werden, -obwohl sie zuerst als anarchistisch und terroristisch abgestempelt wurde und ein Frauenverband ist, deren Land noch nicht befreit und somit als Staat noch nicht existent ist. Ihr Interesse an der Konferenz war, u.a. den Freiheitskampf des kurdischen Volkes, insbesondere auch den Frauenbefreiungskampf in Kurdistan vorzustellen und Bündnispartnerinnen zu gewinnen.

Die YAJK-Europa versucht, mit allen Frauen, wie z.B. auch mit Frauen aus der SPD, Grüne und PDS in eine Auseinandersetzung zu treten. Doch die Erfahrungen, vor allem mit den SPD-lerinnen ist eher negativ.

Heval Melza: » Wir hatten größere Diskussionen mit ihnen. Aber sie standen immer neben „ uns. Sie hatten ihre eigene Politik und sie hatten mit dem Imperialismus mehr zu tun als mit uns. Sie stimmten z.B. Waffenlieferungen an die Türkei zu. Die Frauen aus den Parteien sind abhängig. Wir wollten uns z.B. auch mit ihnen zusammen auf einer Demonstration treffen und diskutierten vorher mit ihnen darüber. Auf der Demonstration standen sie aber NEBEN uns und haben dann gerade mal eine Unterschrift abgegeben. „

Die YAJK hat sich selbst zum Ziel gesetzt, die Beziehungen zu internationalen antiimperialistischen antikolonialen Frauenbewegungen verstärkt zu entwickeln. In diesem Zusammenhang sollen Aufklärungsarbeit und Versammlungen durchgeführt werden. Auch soll die Durchführung eines internationalen Frauenkongresses angestrebt werden.

1994 gab es in Köln die „Internationale Konferenz der Frauen aus Kurdistan zum internationalen Frauentag". Diese Konferenz wurde nachträglich von der TAJK in Form einer Broschüre veröffentlicht (Internationale Konferenz der Frauen aus Kurdistan zum internationalen Frauentag; herausgegeben von Freie Frauenbewegung Kurdistan -TAJK Köln 1994).

Es gibt mittlerweile internationalistische Frauenkomitees, die mit der YAJK zusammenarbeiten. Hierzu muß allerdings gesagt werden, daß die gegenseitige Verständigung noch nicht so gut ist, wie sie sein könnte. Trotzdem setzten sie sich miteinander zum Beispiel über die politischen/revolutionären Entwicklungen in ihren Ländern auseinander. Aktivitäten wurden gemeinsam geplant und umgesetzt, z.B. die Demonstration zum 8. März, dem Internationalen Frauenkampftag. Heval Melza: „ lnteressiert sind wir natürlich, daß deutsche Frauen/lnternationalistinnen mit uns arbeiten. Bis jetzt haben wir in Bezug auf die Frauenfrage keine Lösung bei anderen Organisationen oder Ländern gesehen. Die Frauenfrage ist bei uns immer für alle Frauen offen. Wenn der internationale Frauenkongreß in Europa stattfindet, dann wird bestimmt der thematische Schwerpunkt die „freie Frau„ sein, denn die YAJK hat ja mit der Frauenarmee zu tun. Vielleicht gibt es so eine Frage wie: Ist eine europäische Frau frei? Die YAJK würde es positiv bewerten, wenn sich Europäerinnen an der Vorbereitung dieses geplanten internationalen Kongresses beteiligen werden würden."

Das Arbeitsfeld innerhalb der YAJK ist für Europäerinnen und für europäische Internationalistinnen sehr vielfältig. Innerhalb der YAJK bzw. mit ihnen zusammen zu arbeiten ist deswegen anziehend, da wir von den kurdischen Freundinnen viel lernen können, überhaupt die YAJK in ihren politischen Zielen verstehen lernen.

„Damit uns nicht dasselbe passiert, wie den Frauen, die in anderen Frauenbewegungen tätig waren, die nach Beendigung des Kampfes wieder in ihre traditionelle Rolle zurückgedrängt wurden, wollen wir als Frauen des Freien Frauenverbandes Kurdistans eine zukunftsorientierte Organisierung schaffen. Ohne Organisierung wird die Lösung der Frage dem Zufall überlassen und dem Schicksal, sowie dem Wohlwollen der Männer überlassen, dies kann keinesfalls eine Lösung bedeuten. Denn mit der Revolution verschwinden bis dahin wirksame Wertmaßstäbe nicht plötzlich und ändert sich der herrschende Männlichkeitsbegriff und der 'Weiblichkeitswahn' nicht von alleine. Wenn dabei die traditionelle weibliche, sklavische und unterwürfige Haltung fortbesteht, wird die Ausbeutung als Geschlecht auch weitergehen. Um diese Ziele verwirklichen zu können, muß ein intensiver Kampf mit viel Durchsetzungskraft geführt werden. Wir können nicht von der Vorstellung ausgehen, daß mit der gesellschaftlichen Befreiung automatisch auch die Frauenbefreiung käme. Wenn wir dies täten, würden wir die Fehler des 'Real existierenden Sozialismus' wiederholen.

Eine Organisierung heißt für uns,

- daß emanzipierte (nicht vermännlichte) Frauen durch ihre Beteiligung auf allen gesellschaftlichen Ebenen die Lebensgestaltung und die Wünsche von Frauen durchsetzen. Die Frauen müssen selbständig mit viel Kraft und Selbstvertrauen für die Ziele einer gleichberechtigten Gesellschaft kämpfen.

- daß Frauen eine eigene Analyse der 'Weiblichkeit' machen und nicht die vom herrschenden System (imperialistischen Patriarchat) vorgegebene Definition annehmen. Auch die uns anerzogene und tief in uns verinnerlichte Rolle als 'Nur-Hausfrau und Mutter' muß abgelehnt werden.

- daß Frauen mit viel Geschick und Durchsetzungskraft das dominierende Verhalten der Männer und deren durch die Sozialisation beigebrachten 'Überlegenheitskomplex' durchbrechen und ein neues Bewußtsein vermitteln.

- daß Frauen Männer nicht als Gegner sehen, sondern versuchen, zusammen durch ein neues Bewußtsein eine neue Weltordnung zu schaffen. Wir sind nicht gegen Männer, sondern gegen falsche Grundsätze. „
(aus: Frauen aus Kurdistan, Herausgeber: Deutsch/Kurdischer Freundschaftsverein Musa Anter e.V. / Braunschweig)