Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

vorheriges Kapitel

Kapitelübersicht

nächstes Kapitel

Suche im Buch

Startseite

Firmenverzeichnis



Kapitel 3.11

Weitere Geschäfte und Kontakte



Malaysia

1977 erhielt B + V (Bereich Consulting und System Technologie) vom malaysischen Militär den Auftrag, für die neue Hauptmarinebasis Lumut einen grossen Werftkomplex zur Wartung und Reparatur von Kriegsschiffen zu planen.1 Für Vorstudien hatte die deutsche Bundesregierung im Rahmen der militärischen Ausrüstungshilfe 1974-76 bereits einen Betrag von 300.000,- DM zur Verfügung gestellt.2 Lumut liegt an der geostrategisch wichtigen Strasse von Malakka, die den Pazifik mit dem Indischen Ozean verbindet. Nach einem Bericht der "Welt" von 1980 verband die NATO mit dem Projekt eigene Interessen: "Bei Lumut, hundert Kilometer von Butterworth, entsteht ein Flottenstützpunkt, der zu einem Eckpfeiler der westlichen Verteidigung im Fernen Osten werden dürfte."3

Die malaysische Regierung übertrug B + V 1980 auch die Beurteilung der von verschiedenen Industrieunternehmen abgegebenen Angebote zur baulichen Realisierung der Werft. So konnte die Thyssen -Tochter B + V ihre Auftraggeber davon überzeugen, dass ihre Düsseldorfer Schwester Thyssen Rheinstahl Technik (TRT) die beste Offerte unterbreitet hatte. TRT führte den Bau und die Ausstattung der Werft 1982-84 als Generalunternehmer aus, wobei 57 Werkstätten, Hallen und Gebäude erstellt wurden. Der Gesamtauftrag soll einen Umfang von 600 Mio. DM gehabt haben. B + V übernahm während der Bauphase mit einem Team von fast 50 Mitarbeitern die Bauaufsicht. Zugleich bereitete die Bundeswehr im Marinearsenal von Wilhelmshaven malaysische Offiziere auf Aufgaben des Werftmanagements vor.4

Seit 1993 sind die Konturen eines möglichen neuen Geschäfts mit Malaysia deutlich geworden. Das südostasiatische Land will sich bis zu 27 korvettenartige Kriegsschiffe mit Raketenbewaffnung anschaffen; offiziell werden sie als Offshore Patrol Vessels (OPV) oder New Generation Patrol Vessels (NGPV) bezeichnet.5 Über 30 Werften aus aller Welt haben ihr Interesse an dem Projekt bekundet. Gute Chancen werden dem deutschen Konsortium "German Naval Group" eingeräumt, das von B + V angeführt wird und zu dem daneben HDW, Thyssen Rheinstahltechnik und Ferrostaal gehören. Für den Korvettentyp MEKO 100 hat das Konsortium in Malaysia einen grossen Werbefeldzug gestartet.6 Bei Besuchen des Parlamentarischen Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium, Heinrich Kolb (FDP), im August 1993 und von Wirtschaftsminister Rexrodt im April 1995 ist in Kuala Lumpur über das Aufrüstungsvorhaben gesprochen worden.7 1996 wurde bekannt, dass das deutsche Konsortium in die Endauswahl der letzten sechs Anbieter gekommen ist. 8 Bei einem Erfolg von B + V wäre mit keinem nennenswerten Arbeitsplatzeffekt für deutsche Werftarbeiter zu rechnen, da Malaysia vom ersten Schiff an alle Einheiten im eigenen Land produzieren möchte - und zwar möglichst in Lumut.

Nachtrag:
Das "Handelsblatt" meldete am 13.10.1997 als erstes Presseorgan, dass das deutsche Schiffbaukonsortium den Auftrag für den Bau von zunächst sechs von insgesamt 27 "Küstenmotorschiffen" für die malaysische Marine erhalten habe. Es handele sich um "einen der grössten Marineaufträge Asiens". In dem Artikel hiess es: "Nach Informationen des Handelsblatts erhält das Konsortium unter Federführung von Blohm + Voss und Thyssen Rheinstahl Technik für die sechs Patrouillenboote rund 300 Mill. DM. Damit beziffert sich der Auftragswert für die insgesamt 27 anvisierten Küstenmotorboote auf rund 1"35 Mrd. DM." In dem Bericht wird wiederholt der CDU- Abgeordnete Dietrich Austermann zitiert, der offenbar auch hier das Seine zum Zustandekommen des Geschäfts beigetragen hat. Das "Hamburger Abendblatt" vom 17.10.1997 präzisierte, dass das Konsortium den Vertrag über den Bau der Kriegsschiffe Anfang 1998 unterzeichnen wolle. Bestätigt wurde die Information, dass die ersten sechs Schiffe auf der malaysischen Naval Dockyard (Lumut) gebaut werden sollen. Um den Export dennoch wieder mit dem Arbeitsplatzargument legitimieren zu können, wird die Erwartung geäussert, dass später - vielleicht ab 2002 - einige der Nachfolgeaufträge auf deutschen Werften ausgeführt werden könnten. Die in der Berichterstattung verwendeten Begriffe "Küstenmotorschiffe" und "Patrouillenboote" haben verharmlosenden Charakter, da die vorgesehenen Korvetten vom Typ MEKO 100 mit hoher Kampfkraft ausgestattet werden sollen.




Anmerkungen:

(1) Zum Folgenden: Blohm + Voss: Auf unserer Werft 1985, Hamburg (1986), S. 35ff.
(2) Wehrdienst Nr. 433/73 vom 1.10.1975
(3) Die Welt 15.7.1980
(4) Wehrtechnik Nr. 2/1983, S. 73
(5) Vgl. Naval Forces Nr. II/1994, S. 69ff.; Marineforum Nr. 6/1995, S. 33
(6) Vgl. den PR-Beitrag in Asian Defence Journal Nr. 6/1994, S. 74ff.
(7) Hamburger Abendblatt 13.8.1993 und 12.4.1995
(8) Soldat und Technik Nr. 6/1996, S. 372f; Marineforum Nr. 7/8-1996, S. 39




Weitere Geschäfte: Iran

Noch zu Zeiten des Schahs hatte B + V vom iranischen Industrieministerium am 22.1.1975 den Auftrag erhalten, die Planung einer grossen Reparaturwerft für Öltanker (und andere Schiffe?) bei Bandar Abbas zu übernehmen. Auch machte sich B + V um 1978 Hoffnungen, zusammen mit HDW vier Fregatten für den Iran bauen zu können. 1 Doch die Vertreibung des Schahs und die Ausrufung der "Islamischen Republik" unter Ayatolla Khomeini machte 1979 einen Strich durch diese Rechnung; und B + V sah sich gezwungen, seine 26 Mitarbeiter, die beim Bau der Werft von Bandar Abbas als Aufsicht mitwirkten, zurückzuholen.2 Doch bald intensivierten sich die Kontakte wieder.

Der Hamburger Senat bestätigte 1984 auf Anfrage, "dass im Zusammenhang mit einem Auftrag des Iran an Blohm + Voss die Anfrage an das Institut für Schiffbau gestellt wurde, Iraner zum Studium zuzulassen".3 ( Insgesamt wolle der Iran an deutschen Fachhochschulen etwa 300 Schiffbaufachkräfte ausbildenlassen (ausser in Hamburg auch in Bremen, Kiel und Duisburg). Möglicherweise stand die angestrebte Ausbildung noch mit dem Werftprojekt von Bandar Abbas im Zusammenhang, vielleicht aber auch mit einem anderen, unbekannt gebliebenen Geschäft. Noch während des ersten Golfkriegs begann die Ausbildung von Iranern am Institut für Schiffbau in Hamburg. Aus Studentenkreisen wurde 1989 der Verdacht geäussert, dass die Ausbildung einen militärischen Hintergrund habe. Es sei auch der Eindruck entstanden, als würden die iranischen Studenten bevorzugt behandelt. Die Dozenten am Institut für Schiffbau sollen Sonderlehraufträge für die Iraner gehabt haben.




Anmerkungen:

(1) Wehrtechnik Nr. 11/1978, S. 41
(2) Blohm + Voss: Auf unserer Werft Nr. 2/1979, S. 6
(3) Bürgerschafts-Drucksache Nr. 11/2626





Weitere Geschäfte: Libyen

Am 1. Februar 1985 lief bei B + V ein 105 langes Schwimmdock mit einer Hebefähigkeit von 3.200 t für die Libysche Marine vom Stapel.1 Das Dock war als Neubau-Nr. 944 am 17. April 1984 auf Kiel gelegt worden. Das Geschäft gehörte zu einer ganzen Reihe kleinerer und grösserer Rüstungshilfen, die Libyen aus Deutschland erhielt, obwohl das Land Gaddafis in der Reagan-Ära zum Lieblingsfeind der USA avancierte.




Anmerkungen:

(1) Blohm + Voss: Auf unserer Werft 1985, S. 57







Weitere Geschäfte: Thayland

1991 nannte der Vorstandsvorsitzende von B + V, Dr. Beer, Thailand als potentiellen Kunden im Kriegsschiffbau.1 Eine Militärzeitschrift berichtete in demselben Jahr, Thailand plane, auf einer indischen Werft (Italthai, Bangkok) zwei Zerstörer des Typs MEKO 360 oder MEKO 400 zu bauen.2




Anmerkungen:

(1) Hamburger Abendblatt 30.3.1991
(2) Naval Forces Nr. VI/1991, S. 22







Weitere Geschäfte: Indonesien

Auch Indonesien zählte Beer 1991 zu den Ländern, mit denen man im Marinebereich gerne näher in Kontakt kommen wolle. Grossaufträge sind bisher ausgeblieben; in begrenztem Umfang konnte B + V aber am umstrittenen Verkauf von 39 ehemaligen DDR-Kriegsschiffen an Indonesien partizipieren. Im Geschäftsbericht 1994 heisst es: "...Ausserdem sind wir mit der Beistellung von Ausrüstungen für die ex-NVA-Schiffe in Wolgast, Rostock und Neustadt beschäftigt, die diese für die Überführung nach Indonesien benötigen."1




Anmerkungen:

(1) Blohm + Voss: Geschäftsbericht 1994, S. 18







Weitere Geschäfte: Vereinigte Arabische Emirate (VAR)

1977 lieferte B + V ein Schwimmdock an Abu Dhabi aus, das "hauptsächlich für die Reparatur von Marine-Einheiten der VAR-Staaten vorgesehen" war.1

Es werde im nächsten Jahrzehnt ein Marinewettrüsten im Mittleren Osten geben, frohlockte man 1994 in einschlägig interessierten Kreisen.2 Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) hatten 1993 dieser frommen Hoffnung Nahrung gegeben, als sie ankündigten, mindestens vier, vielleicht auch acht hochmoderne Korvetten bzw. Fregatten in einer Grösse von ca. 2.500 ts erwerben zu wollen -geschätzter Stückpreis 400 Mio. US-Dollar. Beobachter äusserten die Ansicht, Hintergrund des Projekts sei der fortgesetzte Streit der Emirate mit dem Iran über Inseln in der Strasse von Hormuz. Sogleich waren 15 westliche Kriegsschiffsbauer zur Stelle, um den Scheichs Angebote zu unterbreiten.3 B + V trat mit einer MEKO-100-Variante an, kam im Wettbewerb jedoch nicht in die engere Wahl. Zu den fünf für die Endausscheidung ausgewählten Anbietern gehörte dagegen die Lürssen-Werft, mit der Blohm + Voss daraufhin eine technische Kooperation vereinbarte.3a Die Regierung der VAE beschloss 1996, vorerst zwei gebrauchte Fregatten aus den Niederlanden zu beziehen. 3b Der Kauf neuer Korvetten ist aber weiterhin geplant.

Nachtrag:
Auf der zentralen Rüstungsmesse für die Golfregion, der IDEX '97 in Abu Dhabi, stellte B + V "als besondere Referenz für das Korvetten- und das Patrouillenbootprogramm der VAE sein bewährtes MEKO-Konzept und in Ergänzung das MEKAT-Programm (Mehrzweck-Katamaran)" vor. Nicht zufällig lag während der IDEX '97 die erst Ende 1996 in Dienst gestellte Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern" im Hafen von Abu Dhabi. B+V-Chef von Nitzsch erklärte in einem "Wehrtechnik"-Interview, man sei "dem Bundesverteidigungsministerium sehr dankbar, dass es mit der Entsendung von Fregatten nach Kuwait und in die Emirate die Möglichkeit bot, unsere Produkte an Bord zu präsentieren".3c




Anmerkungen:

(1) Blohm + Voss: Auf unserer Werft Nr. 2/1977, S. 21.
(2) Naval Forces Nr. IV/1994, S. 27.
(3) Vgl. Naval Forces Nr. V/1993, S. 61, und Nr. 1/1995, S. 24ff.; Frankfurter Allgemeine Zeitung 23.3.1995.
(3a) Naval Forces Nr. 1/1997, S.8 ff. .
(3b) Jane's Fighting Ships 1996-97, S.750.
(3c) Wehrtechnik Nr. 6/1997, S.39 u. 44.
(4) Vgl. die Hinweise in Wehrtechnik Nr. 4/1995, S. 3.





Weitere Geschäfte: Kuwait

Die Zeitschrift "Marineforum" berichtete 1995:1 "Nachdem bereits mehrere andere Marinen der Golfregion intensiv die Beschaffung von Fregatten betreiben, plant jetzt offenbar auch Kuwait im Rahmen des Wiederaufbaus seiner im Golfkrieg zerschlagenen Marine erstmals den Erwerb grösserer Einheiten. 13 Schiffbauer in aller Welt wurden zur Abgabe von Angeboten für bis zu vier etwa 2000 ts grosse OMV (Offshore Missile Vessel) aufgefordert.“2

Für diesen Wettbewerb hat sich B + V erneut mit HDW und diesmal auch mit dem bisherigen Konkurrenten Lürssen zusammengetan. Der anvisierte Auftrag soll einen Wert von ca. 1,6 Mrd. DM haben. Aussenminister Kinkel hat bei seinem Kuwait-Besuch im März 1995 den Emir gebeten, deutsche Projektangebote "wohlwollend zu prüfen".3 Dafür wurde ihm von der hiesigen Rüstungslobby Lob gezollt: "Deutsche Aussenpolitik macht Boden gut"4 Die Bundeswehr beorderte ebenfalls im März 1995 die Fregatte "Augsburg" nach Kuwait, um nach Aussage der Bild-Zeitung "für die Vergabe des Auftrags nach Deutschland zu werben".5 Bedenken wegen des Rüstungswettlaufs in der Golfregion sind nicht entscheidungsrelevant: "Die Exportgenehmigung nach Kuwait stellt von deutscher Seite kein Problem dar", stellte B+V-Chef Beer klar.6 Die Aufträge sollen offenbar Anfang 1998 vergeben werden.




Anmerkungen:

(1) Marineforum Nr. 5/1995, S. 42.
(2) Frankfurter Allgemeine Zeitung 23.3.1995.
(3) Marineforum Nr. 5/1995, S. 42.
(4) Bild (Hamburg) 3.3.1995.
(5) Zit. nach Frankfurter Allgemeine Zeitung 23.3.1995.







Weitere Geschäfte: Südafrika

Die Pläne der südafrikanischen Marineführung, vier neue Korvetten zu erwerben, führten 1994 zu einer ersten internationalen Ausschreibung, an der sich auch B + V beteiligte.1 Die spanische Bazan- und die britische Yarrow-Werft kamen in die engere Wahl, aber B + V und die beiden anderen unterlegenen Werften, Danyard (Dänemark) und DCN International (Frankreich) gaben sich noch nicht geschlagen. Nach Meinungsverschiedenheiten im südafrikanischen Kabinett, die sich anscheinend an den Kosten entzündeten, entschied Präsident Mandela, die Kriegsschiffsplanung erst nach der Klärung grundsätzlicher militärpolitischer Fragen wieder aufzugreifen. Offenbar infolge dieser Wendung rechnet sich das deutsche Konsortium, dem neben B + V auch Thyssen Rheinstahl Technik und HDW angehören, eine neue Chance aus. Der Auftrag soll einen Wert von 700 Mio. DM haben, wobei die Südafrikaner die Kriegsschiffe ungern in bar bezahlen und lieber Tauschgeschäfte abschliessen würden. Es ist anzunehmen, dass die Korvetten-Frage beim Südafrika-Besuch von Bundeswehr-Generalinspekteur Klaus Naumann im April 1995 zur Sprache gekommen ist. Auch sonst setzt sich deutsches Militär wieder für Rüstungsexportgeschäfte ein: Die Bundesmarine entsandte im Oktober 1996 die Fregatten "Schleswig-Holstein" (Klasse 123) und "Rheinland-Pfalz" (Klasse 122, gebaut von B + V) nach Kapstadt - mit dem ausdrücklichen Auftrag, "in Südafrika deutsche Marinetechnologie anzupreisen".2




Anmerkungen:

(1) Vgl. auch zum Folgenden Naval Forces Nr. VI/1994 S. 64, Nr. 1/1995 S. 80, Nr. 2/1995 S. 24 und Nr. 4/1995 S. 59; Wehrtechnik Nr. 8/1995, S. 41
(2) Hamburger Abendblatt 5./6.10.1996







Weitere Geschäfte: Norwegen

Die Marine des skandinavischen Landes will nach dem Jahr 2000 eventüll sechs Fregatten kaufen. Unter den ersten Angeboten war auch eines von B + V (MEKO 200).1




Anmerkung:

(1) Marineforum Nr. 11/1996, S.34