| Freitag
4.2. Demonstration zum Anlass der Regierungsangelobung
Die Demonstration begann um 10.30h auf
dem Ballhausplatz, wo die neue Regierung angelobt werden sollte. FrauenLesbenMädchen
hatte schon einige Tage zuvor hier eine Kundgebung für ein unabhängiges
Frauenministerium angekündigt, die Demo gestaltete sich aus aktuellem
Anlass allerdings unter männlichem Einschluss. Die zahlreichen, mit
Helm, Schildern und Schlagstöcken ausgestatteten PolizistInnen wurden
mit Eiern, Tomaten, Obst, Knallkörpern und Farbbeuteln eingedeckt.
Schliesslich wurde bekanntgegeben, dass die Angelobung auf 13.00h verschoben
wurde, tatsächlich fand sie um ca. 12.30h statt. Die frisch angelobte
neue Regierung musst statt dem üblichem Weg über den Ballhausplatz
einen unterirdischen Geheimgang zum Verlassen der Präsidentschaftskanzleibenutzen.
Besetzung des Bundesministeriums für
Arbeit, Gesundheit und Soziales
Der Demozug zog anschliessend über
den Ring. Das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales
wurde in "Ministerium für Widerstand" (siehe Photos auf der Homepage)
umbenannt, von ca. 200 Leuten gestürmt. Von einem Balkon wurden Transparente
entrollt und Flugzettel geworfen. Die BeamtInnen des Ministeriums waren
durchaus freundlich, die Polizei sah sich aber zum Einschreiten veranlasst,
hinderte die BesetzerInnen am Verlassen (!) des Gebäudes und drängte
die ausserhalb Demonstrierenden mit Schlagstöcken vom Eingang zurück.
Nach einiger Zeit konnten alle BesetzerInnen das Ministerium wieder verlassen.
Weiterer Verlauf der Demonstration -
Kolumbianische Botschaft solidarisiert sich mit den DemonstrantInnen
Der Zug bewegte sich weiter zu FPÖ-Zentrale,
Ballhausplatz und ÖVP-Zentrale, wo es jeweils wieder zu Auseinandersetzungen
mit der Polizei kam. Die kolumbianische Botschaft liess einige AktivistInnen
ein, von einem Fenster konnte ein Transparent entrollt werden. Die Polizei
wollte eingreifen, dies war aber nicht so ganz im Interesse der kolumbianischen
Botschaft.
Abend: Die Demonstration geht weiter
- Zuspitzung der Situation
Etwa um 19.00h wurde gab es angeblich eine
Anweisung für der Polizei, nun nicht mehr wie vorher "erhöhte
Toleranz" zu zeigen. Die Demonstration zog weiter, Hausmauern, Busse und
U-Bahn-Stationen wurden mit "Widerstand", "dagegen" und "Haider ist ein
Faschist" besprayt. Um etwa 22.00h waren die Demonstrierenden in der Gegend
Karlsplatz, woraufhin die U-Bahnen diese Station nicht mehr anfuhren, bzw.
durchfuhren.
Eskalation, Polizei setzt Wasserwerfer
ein
Um 22.30h kam es vor der FPÖ-Zentrale
zur Eskalation. Massiver Einsatz von Wasserwerfern und Schlagstöcken,
zahlreiche AktivistInnen verletzt wurden und verhaftet. (anti-schwarz-blau)
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Freitag, 4. Februar
Für Freitag 12.00 war die Angelobung
der neuen Regierung angesetzt worden. Bereits um 10.30 begann beim Ballhausplatz
eine bereits länger geplante, von FrauenLesben-Organisationen organisierte
Kundgebung gegen die massiv frauenfeindlichen Ankündigungen der designierten
Regierung. Um 12 Uhr waren bereits rund 10.000 Menschen aller Geschlechter
anwesend, um gegen die Angelobung zu protestieren. Der Ballhausplatz selbst
war abgeriegelt worden. Dennoch zogen die neuen Regierungsmitglieder vor,
durch unterirdische Geheimgänge zur Angelobung zu gehen. Es war extrem
laut. Gegen die Präsidentschaftskanzlei flogen pausenlos Knallkörper,
Eier, Farbbeutel, faules Obst und der eine oder andere feste Gegenstand.
Nach einigen Stunden setzten sich an die
5.000 Menschen in Bewegung und demonstrierten die Ringstraße entlang.
Beim nun in FPÖ-Hand befindlichen Sozialministerium angelangt, wurde
versucht, in das Ministerium zu stürmen. Eine vom Portier eilig zugeschlagene
Stahlgittertür hielt den Druck der Massen nicht stand, und so gelang
es tatsächlich einigen hundert Menschen in das Gebäude einzudringen
und mehrere Büros zu besetzen. Einige MinisterialbeamtInnen begrüßten
die BesetzerInnen mit freudigem Beifall und wiesen den Weg in jenes Zimmer,
von welchem der Balkon betreten - und mit Fahnen und Transparenten geschmückt
- werden konnte.
Mehrere Hundertschaften der Polizei in
Kampfausrüstung waren binnen weniger Minuten am Ort des Geschehens
und drängten und prügelten die Leute, die noch ins Ministerium
strömen wollten, zurück. Ein Teil der DemonstrantInnen vor dem
Ministerium - vorwiegend die Blöcke rund um sozialdemokratische Organisationen
und von SP-nahen GewerkschafterInnen - distanzierte sich und zog weiter.
Einige der BesetzerInnen zog es angesichts
der großen Polizeipräsenz vor, das Gebäude freiwillig zu
verlassen und ernteten dafür beim Hinausgehen teilweise Polizeiprügel.
Die BesetzerInnen des Balkonzimmers wollten länger bleiben, entschlossen
sich aber, nachdem sie das Verlassen des Gebäudes durch die anderen
mitbekommen haben, auch zu gehen. Mittlerweile waren die Ausgänge
aber von der Polizei dichtgemacht worden. Auf der Straße wurden unterdessen
die Polizeisperren mit allem, was so in der Gegend herumlag, beworfen.
Dem einen oder anderen Polizeifahrzeug in der Gegend ging die Luft aus,
zumindest aus den Reifen. Andere DemonstrantInnen versuchten mit den Behörden
zu verhandeln und vereinbarten, dass die BesetzerInnen das Ministerium
verlassen, wenn die Polizei dies friedlich und ohne Personalienaufnahme
ermöglichen sollte. Dieses Ergebnis wurde sowohl von den BesetzerInnen
als auch der Polizei akzeptiert. Die BesetzerInnen des Balkonzimmers verließen
unbeschadet das Gebäude.
Dennoch wurden drei Frauen aus einem anderen
Zimmer, von den meisten anderen erst unbemerkt, von der Polizei festgehalten.
Nach etwa einer Stunde gelang es aber, auch deren Freilassung durchzusetzen.
Anschließend zog die Demo weiter
und machte sich auf die Suche nach der anderen. Am Ballhausplatz kamen
die beiden Fraktionen schließlich wieder zusammen. Von dort wurde
dann vereint weitergezogen.
Einige wenige DemonstrantInnen blieben
allerdings am Ballhausplatz zurück, wo es, nachdem einige ein Lagerfeuer
angemacht haben, zu einem Prügeleinsatz der Polizei gegen die relativ
kleine Gruppe gekommen ist.
Der Hauptteil der Demonstration zog in
bereits gewohnter Weise durch die Stadt, zu den Parteizentralen, durch
Wohngegenden etc.
Beim Schubgefängnis in der Rossauer
Lände kam es zu einem ziemlich unerwarteten und möglicherweise
auch nicht wirklich geplanten Polizeieinsatz - die Polizei hatte später
verlautbart, dass einige Beamten auf eigene Faust agiert haben sollen.
Mitten im von der Demo verursachten Verkehrsstau, also quer durch die stauenden
Autos machte die Polizei plötzlich knapp vor der ersten Demoreihe
einen Keil und schlug mit Schlagstöcken auf die DemonstrantInnen ein.
Massive Gegenwehr mit Knallkörpern und Steinen war die Folge. Die
Polizei wich nach einigen Minuten zurück, beschränkte sich darauf,
die Eingänge des Schubgefängnisses zu sichern und ließ
die Demo dann doch passieren.
Unterdessen kündigten der neue Bundeskanzler
Schüssel und die Polizei öffentlich an, fortan massiv gegen die
DemonstrantInnen vorzugehen.
Vermutlich wurde bereits für
ca. 22.00 eine gewaltsame Auflösung der Demonstration vorbereitet.
Darauf hin deutet, dass die U-Bahn-Station Karlsplatz - ohne sonst ersichtlichen
Grund - für alle drei dort fahrenden U-Bahn-Linien gesperrt wurde.
Es konnte aber doch noch bis nahe zur FPÖ-Zentrale gegangen werden.
Ein Weitergehen von dort wurde von der Polizei durch Sperre jener Seitengasse,
durch welche die Demonstration bisher immer fortgezogen ist, verhindert.
Mit allen Mitteln versuchten die Behörden offensichtlich, die Situation
zu eskalieren - was auch gelang: Immer mehr Gegenstände und Knallkörper
fielen auf die mehrreihige Polizeisperre.
Mehrmals wurde - vorerst nur begrenzt -
in die Demonstration reingeprügelt und die Leute zurückgedrängt.
Wasserwerfer wurden in Stellung gebracht und schließlich nach 22.30
Uhr auch eingesetzt. Es war dies der erste Einsatz von Wasserwerfern in
Wien überhaupt. Die neue Regierung zeigte - gerade mal zehn Stunden
nach ihrer Angelobung - ihr ohnehin nicht wirklich überraschendes
Gesicht. Dass die Wasserwerfer nur über die Köpfe der Menschen
zielten, um sie gerade mal nass zu machen, wie über bürgerliche
Medien verlautet wurde, ist übrigens unrichtig: das Wasser kam durchaus
auch oft genug in Bauchhöhe.
Gegen 23 Uhr begann der bis dahin massivste
Prügeleinsatz. Die Leute wurden in alle Richtungen auseinander getrieben.
Wer erwischt wurde, wurde zu Boden geworfen, und bereits am Boden liegend,
mit Gummiknüppel-Schlägen und Fußtritten traktiert. Rund
20 DemonstrantInnen wurden verletzt. Die Zahl der Festnahmen ist noch ungewiss.
In den bürgerlichen österreichischen
Medien wurden die Ereignisse als gewalttätige Ausschreitungen der
DemonstrantInnen dargestellt und der Polizeieinsatz gerechtfertigt. Ein
Sprecher der "Demokratischen Offensive" distanzierte sich von der Demonstration
und erklärte, dass die Demokratische Offenisive die Demonstration
am nächsten Tag absage. Da die Demonstrationen dieser Tage aber nicht
von der Demokratischen Initiative organisiert wurden, war dies relativ
bedeutungslos.
(tatblatt)
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Wien: Brutaler
Polizeieinsatz gegen FPOE-OEVP-GegnerInnen!
Nach den von uns bereits
in einem Vorgaengertext berichteten
Ereignissen ging die spontane
Demonstration gegen die neue
oesterreichische Regierung
heute abend weiter durch die Stadt,
ungefaehr 5 000 Leute nahmen
daran teil. Immer stärker wurden
die Provokationen der Polizei,
immer wieder wurde in die Demo
reingeprueglt. Die DemonstrantInnen
dankten das indem
mehrere Polizeiautos beschaedigt
und Scheiben von einem
Gefangenenhaus eingeschlagen
wurden. Am spaeten abend
entschloss sich die Polizei
dann mittels Wasserwerfwerfereinsatz
(der erste in Wien seit
10 Jahren) und viel roher Gewalt die
Demonstration, die vor der
FPOE-Zentrale angekommen war,
gewaltsam aufzuloesen. Eingepruegelt
wurde auf alles, was wie
einE DemonstrantIn aussah.
Ergebnis: mehrere verletzte
DemonstrantInnen (Platzwunden
etc.) und ein zur Zeit nicht
naeher bekannte Zahl von
Verhaftungen. Ein kleiner
Vorgeschmack darauf, wie
diese Land in Zukunft gedenkt mit
Widerstand umzugehen.
Uebrigens: Die Aufloesung
hat im Endeffekt auch nicht geklappt,
ein paar hundert Leute haben
auch nachher noch weiter durch
die Stadt demonstriert...
Rosa Antifa Wien (RAW)
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DEMO-BERICHT
von Freitag
Diese Email sendet Ihnen gregor matjan
[mailto:gregor.matjan@univie.ac.at]
(Mit Ergänzungen im letzten Absatz
bezüglich des frühen abends von
Andreas Görg)
"Ministerium des Widerstandes"
Exzessiver Gewalteinsatz der Polizeikräfte
gegen die Besetzer des
Sozialministerium - Exekutive: Polizei
prügelte ohne Anordnung auf
Eigeninitiative - Weitere Zusammenst–þe
Wien - Nachdem etwa 50 Studenten und Schüler
das Bundesministerium für
Soziales besetzten, eskalierte die heutige
Protestkundgebung gegen die
neue Bundesregierung. Die Alarmabteilung
der Wiener Polizei verprügelte
die in der Zwischenzeit wieder aus dem
Geb”ude kommenden Demonstranten.
Das Tor des Ministeriums wurde nur zur
Hälfte geöffnet, die freiwillig
aus dem Gebäude abziehenden Jugendlichen
wurden einzeln aus dem Haus
gezerrt und mit Schlagstöcken verprügelt.
Lediglich das engagierte
Auftreten von Passanten und Demonstranten
konnte bislang Schlimmeres
verhindern.
Über die Anzahl der verletzen Personen
gibt es noch keine
Angaben.
Während die vor dem Gebäude verharrenden
Demonstranten mit
Wurfgeschossen auf die Exekutivbeamten
schossen, riefen vereinzelte
Polizeioffiziere ihre Kollegen zum "Räumen"
auf. Die Mitarbeiter des
Sozialministeriums indes waren überrascht,
dass die Demonstranten ins
Haus gekommen waren. Schlieþlich
war das Ministerium abgeriegelt, die
Mitarbeiter selbst mussten durch Nebeneingänge
bzw. das benachbarte
Wirtschaftsministerium in ihre Büros
gehen. Unter den Protestierern,
die das Gebäude schlieþlich
wieder verlieþen, befand sich auch
KPÖ-Vorsitzender Walter Baier.
Laut Polizei-Sprecher keine Weisung für
Schlagstockeinsatz
Für den bereits am Ballhausplatz stattgefundenen
Einsatz von
Schlagstöcken gegen Demonstranten
am Freitagmittag hat es keine
offizielle Anordnung gegeben. Dies betonte
der Sprecher des
Generaldirektors für öffentliche
Sicherheit Erik Buxbaum, Rudolf
Gollia. Die Stöcke seien demnach
auf Eigeninitiative einzelner Beamter
verwendet worden.
Max Koch gegen Gewalt und Sprengstoff-Fake
SOS Mitmensch-Sprecher Max Koch forderte
"alle auf, ausschlieþlich mit
demokratischen Mitteln zu agieren und
von jeder Gewalt Abstand zu
nehmen".
Der vom neuen Innenminister Ernst Strasser
(V) angesprochene Sprengsatz
habe sich als "Eineinhalb-Liter-Flasche
mit Trockeneis" entpuppt, die
beim Aufprall am Ballhausplatz geplatzt
sei.
Demonstranten visitierten die Zentralen
von VP/FP
Zu weiteren Krawallen ist es am in der
Wiener Innenstadt gekommen. So
haben Demonstranten in der Kärntnerstraþe
auf Höhe Johannesgasse ein
Schaufenster zerschlagen. Die Beamten
wurden mit Wurfgeschossen von
Paradeisern bis zur Bierdose bedacht.
Verletzte gab es offiziell keine.
Nach Beschwichtigungsversuchen der gemäþigten
Gruppen via Megafon
schien sich diese "heiþe Phase"
wieder abzukühlen. Die Demonstranten
zogen Richtung Ballhausplatz, um sich
mit einem zweiten
Demonstrationszug zu verbinden und dann
zur ÖVP-Zentrale in die
Lichtenfelsgasse, um die dort um 17.00h
versammelte Menge "abzuholen".
Nach wie vor sind rund 600 Polizisten
im Einsatz. Nach lautstarkem
Aufenthalt vor der ÖVP-Zentrale setzte
sich der Zug wieder in Richtung
Parlament in Bewegung.
Wie in den vergangenen Tagen ist zu erwarten,
daß sich die
Demonstrationen in die Nacht hineinziehen.
[top]
Gedächtnisprotokoll
zum Vorfall vor dem Schubhäfen
als die demo am freitag um ca. 18.00 uhr beim abschiebehäfn auf
der roßauerlände vorbeiziehen wollte, kam es zu einem massiven
angriff der polizei auf die entschlossen dahinziehenden menschen. zu diesem
zeitpunkt waren ca. 3000 leute auf der Straße und skandierten Parolen
wie "eins, zwei, drei lasst die Leute frei" und "friede den hütten,
krieg den palästen - weg mit allen abschiebeknästen". als die
ersten reihen der demo am schubhäfn vorbeigezogen war stellte sich
die polizei, eigentlich nur einige vereinzelte polizistInnen, in den weg
und begann sofort zuzuschlagen. da die demo entschlossen weiterging und
sich nicht aufhalten ließ, wurde sehr schnell verstärkung herbeigeschafft.
es ging schließlich soweit, daß einige demonstrantInnen von
der polizei völlig verprügelt wurden. Die bilder der österreichischen
prügelpolizistInnen vor dem Schubhäfn sind mittlerweile über
CNN, BBC-Worldnews und andere sensationsgeile medienkonzerne um die welt
gegangen. Andere demonstrantInnen, die in den hinteren reihen gegangen
waren und die polizeiaktion noch selbst gesehen hatten, schmissen mit allem,
was sie finden konnten, um die prügler wieder zurückzudrängen.
nach einigen minuten gelang das und die demo ging weiter. die bullen sammelten
sich vor dem schubhäfn. da öffnete sich im letzten stock im nachbarhaus
ein fenster und das wasser flog kübelweise auf die polizistInnenköpfe.
so ist das halt wenn die menschen in dieser stadt merken, dass sie nicht
völlig machtlos sind und schon auch so kleine wasserwerfer einsetzen
können. (aus´m Tatblatt)
Meine erste
Angelobung
Historische Gelegenheiten bieten sich in der Regel nur einmal, und
der Tag der Angelobung ist ein solcher. Die gesamte internationale Presse
und Kamerateams sind anwesend, Polizei in Massen als Jediritter ausgerüstet.
Es ist klar, daß wenn heute nichts passiert, dann bleibt der Widerstand
gegen FPÖVP als Kampagne aus dem Ausland stehen.
Deshalb ist ein Einkauf auf dem Naschmarkt "Tomaten, bitte nur weiche"
angesagt. Eine Großpackung Schweizerkracher gehören zur Ausrüstung,
wie auch Lärminstrumente und weiteres rundliches Gemüse. Schließlich
soll die Sache feierlich begangen werden, es ist meine erste Angelobung.
Beim Eintreffen zwischen zehn und halb elf Uhr sind noch nicht so viele
Leute da, die Stimmung knistert aber angenehm. Viele Leute haben verdächtig
pralle Rucksäcke mit, überall tuschelt es "Ich war noch beim
Billa".
Als die Menge rasch zunimmt, hebt sich die Stimmung phänomenal.
Hier wird offensichtlich der Haß von vielen Jahren abgeladen werden
- auf den allgegenwärtigen Antisemitismus, AusländerInnenfeindlichkeit,
ewige bürokratische Schikanen, endlose Demütigungen durch eine
allgegenwärtige Obrigkeit, was auch immer sonst.
Als nach elf das Gepfeife und Gejohle wirklich laut wird, ist es Zeit,
auch etwas zur Stimmung beizutragen. Es fliegen schon die ersten Knallkörper,
Tomaten und Eier.
Die massiven Absperrungen der Polizei haben dafür gesorgt, daß
sich alle DemonstrantInnen nur an einer relativ schmalen Stelle in Sichtweite
des Ballhausplatzes versammeln können. Und dann wird es eine Stunde
lang richtig lustig. Begeistert stürzen die wartenden ausländischen
Kamerateams herbei. Während weiter Vitamine und Farbbeutel in Richtung
Präsidentschaftsgebäude fliegen, obwohl die Absperrung eigentlich
zu weit davon entfernt ist, bringen Kracher, die auf die Polizisten geworfen
werden und ständig direkt neben ihnen explodieren, Beschimpfungen
und Rangeleien die schwer bewaffnete Polizei so weit in Fahrt, daß
einige auszucken und mit Kleingefechten über die Absperrung beginnen.
Besonders böse reagieren sie, als einige versuchen, ihnen die Schilder
zu entreißen. Irgendwelche brav aussehenden Leute fragen plötzlich,
ob ich auch was zum Werfen habe, und so werden Gemüse und Kracher
geteilt. Bei jedem Gerangel an der Absperrung bekommt die Polizei einen
Hagel von Eiern, Krachern und Farbe auch aus weit hinten stehenden Reihen
ab. Ganz vorne kämpfen seriös aussehende Durchschnittsangestellte
mit Autonomen Seite an Seite. Von neben mir Stehenden wird erzählt,
daß gerade eben eine alte Frau mit ihrer Handtasche auf die Polizeischilder
eingedroschen hat, worauf die Polizisten vollkommen perplex waren.
Nach spätestens einer halben Stunde ist offensichtlich, daß
die neue Regierung diesen Tag abschreiben kann. Einmal sieht es sogar so
aus, als ob die vorderste Kette von Polizisten zu einem Ausbruch in die
Demonstration ansetzt, aber dann beruhigen sie sich wieder. Es ist sonnenklar,
daß es jetzt keine Prügelorgie geben soll, aber die Szenen an
den Absperrungsgittern reichen auch so, das Programm von FPÖVP bildlich
darzustellen.
Nach ein Uhr dauert es noch eine Weile, bis allen klar wird, daß
hier jetzt alles vorüber ist. Daraufhin beginnen Demonstrationsgruppen
auf der Suche nach neuen Abenteuern durch die Gegend zu ziehen. Doch das
ist wieder eine ganz andere Geschichte.
Welche Lehren können wir aus dem ziehen? Vielleicht diese, daß
es in einem Machtvakuum - zu dieser Zeit verabschiedete sich Schlögl
und der neue Innenminister hatte noch keine Funktion - zu unerwarteten
Gefühlsausbrüchen kommt, die auf schwache Gegenwehr treffen.
Haß bringt alles das fertig, was mit tausend Argumenten nicht erreicht
werden kann. Bezüglich Taktik sind Wurfgeschoße niedriger Intensität
ein mehr als notwendiges Mittel, TeilnehmerInnen einer Demo aus der Passivität
zu reißen. Tomaten und ähnliches heben moralisch sinnvolle Bedenken
wegen Verletzungsmöglichkeiten auf, ermöglichen aber die eigene
Aggression produktiv auszuleben. Infernalischer Lärm muß einfach
sein.
Das alles zum richtigen Zeitpunkt angewendet schlägt einen militärisch
unüberwindlichen Gegner. Durch die Auseinandersetzungen am Ballhausplatz,
die unbedingt politisch notwendig waren, zeigte die Regierung mit diesem
Großaufgebot an vorbeugender Repression ihre Schwäche. Daß
die Polizei dann auch noch hinprügelte, während sich die Regierungsmitglieder
aus Angst vor Wurfgeschossen nicht einmal über den Platz gehen trauten,
verstärkte diesen Eindruck. Ein Nebeneffekt davon ist, daß sich
die Polizei, die alles statt den Schüsseln abbekam, dadurch schwer
demoralisiert wurde. Einzelne PolizistInnen beklagten sich am Rande der
nachfolgenden Demos, daß sie verheizt würden und daß sie
niemand fragen würde, ob sie überhaupt diese Regierung verteidigen
wollen.
Alles in allem kann ich von meiner ersten Angelobung berichten, daß
es ein gelungenes Fest war. Vielleicht komme ich bei der nächsten
Regierung wieder, aber ob es dann auch so lustig wird, das bezweifle ich
schon jetzt.
Im Nachhinein erfahre ich, daß die britische BBC, CNN und weitere
Fernsehstationen eine ganze Stunde Live auf Sendung waren. BBC teilte den
Bildschirm. Während auf der einen Hälfte die Zeremonie beim Bundespräsidenten
zu sehen war, zeigte die andere Hälfte die Demo davor. Während
Schüssel "Ich gelobe" flötete, spielte die BBC den Demonstrationslärm
so darüber, daß Schüssel praktisch nicht zu verstehen war.
Para
Deiser (aus´m Tatblatt)
[top]
www.derstandard.at4.2.2000
20:01 MEZ
Demonstrationen halten bis
in die Nachtstunden an
Exzessiver Gewalteinsatz
der Polizeikräfte gegen die Besetzer des Sozialministerium -
Exekutive: Polizei prügelte
ohne Anordnung auf Eigeninitiative - Weiterhin tausende Menschen
unterwegs
Wien - Nachdem etwa 50 Studenten
und Schüler das Bundesministerium für Soziales besetzt hatten,
eskalierte die
heutige Protestkundgebung
gegen die neue Bundesregierung. Die Alarmabteilung der Wiener Polizei verprügelte
die in
der Zwischenzeit wieder
aus dem Gebäude kommenden Demonstranten. Das Tor des Ministeriums
wurde nur zur
Hälfte geöffnet,
die freiwillig aus dem Gebäude abziehenden Jugendlichen wurden einzeln
aus dem Haus gezerrt und
mit Schlagstöcken verprügelt.
Lediglich das engagierte Auftreten von Passanten und Demonstranten konnte
bislang
Schlimmeres verhindern.
Über die Anzahl der verletzen Personen gibt es noch keine Angaben.
Der Protestierenden
erhielten indes in den Abendstunden
wieder vermehrten Zulauf.
Während die vor dem
Gebäude verharrenden Demonstranten mit Wurfgeschossen auf die Exekutivbeamten
schossen,
riefen vereinzelte Polizeioffiziere
ihre Kollegen zum "Räumen" auf. Die Mitarbeiter des Sozialministeriums
indes waren
überrascht, dass die
Demonstranten ins Haus gekommen waren. Schließlich war das Ministerium
abgeriegelt, die
Mitarbeiter selbst mussten
durch Nebeneingänge bzw. das benachbarte Wirtschaftsministerium in
ihre Büros gehen.
Unter den Protestierern,
die das Gebäude schließlich wieder verließen, befand sich
auch KPÖ-Vorsitzender Walter
Baier.
Laut Polizei-Sprecher keine
Weisung für Schlagstockeinsatz
Für den bereits am Ballhausplatz
stattgefundenen Einsatz von Schlagstöcken gegen Demonstranten am Freitagmittag
hat es keine offizielle
Anordnung gegeben. Dies betonte Rudolf Gollia, der Sprecher des Generaldirektors
für Öffentliche
Sicherheit Erik Buxbaum.
Die Stöcke seien demnach auf Eigeninitiative einzelner Beamter verwendet
worden.
Max Koch gegen Gewalt - Angst
vor einer "Bombe"
SOS Mitmensch-Sprecher Max
Koch forderte "alle auf, ausschließlich mit demokratischen Mitteln
zu agieren und von
jeder Gewalt Abstand zu
nehmen".
Der vom neuen Innenminister
Ernst Strasser (V) angesprochene Sprengsatz habe sich als "Eineinhalb-Liter-Flasche
mit Trockeneis" entpuppt,
die beim Aufprall am Ballhausplatz geplatzt sei.
Demonstranten visitierten
die Zentralen von VP/FP
Zu weiteren Krawallen ist
es in der Wiener Innenstadt gekommen. So haben Demonstranten in der Kärntnerstraße
auf
der Höhe Johannesgasse
ein Schaufenster zerschlagen. Die Beamten wurden mit Wurfgeschossen von
Paradeisern
bis zur Bierdose bedacht.
Verletzte gab es offiziell keine.
4.000 Menschen in der Innenstadt
versammelt
Nach letzten Angaben haben
sich in der Zwischenzeit wieder etwa 4.000 Menschen in der Innenstadt eingefunden,
um
weiter gegen die Präsenz
der FPÖ in der österreichischen Bundesregierung zu demonstrieren.
Die Manifestanten teilen
sich ständig in mehrere
Gruppen und machen es somit der Polizei schwierig, sie zu verfolgen. "Wir
haben ein eigenes
Pech. Uns rennen ständig
die Demonstranten davon", klagte etwa einer der rund 600 Exekutivbeamten
über die
"Mobilität" der Protestgruppen.
So fanden sich gegen 17.30 Uhr innerhalb weniger Minuten rund 1.000 Demonstranten
vor der verbarrikadierten
VP-Zentrale ein, um dann über die Stadiongasse Richtung Parlament
zu ziehen. Auf dem Weg
dorthin wurden zahlreiche
Teilnehmer beobachtet, wie sie sich bei einer Baustelle mit Steinen bewaffneten,
die sie
bisher nicht einsetzten.
Brennende Äste und Feuerlöscher
- Neuerliche Zusammenstöße
Offenbar versprengte Gruppen
der seit den Morgenstunden des Freitag durch Wien ziehenden Demonstranten
gegen
Schwarz-Blau sind abends
am Heldenplatz mit brennenden Ästen gegen die Polizei vorgegangen.
Diese wiederum
"konterten" mit einem Ausfall
mit Feuerlöschern. Unterdessen prolongierten verschiedene Gruppen
von wenigen hundert
bis zu 1.000 Menschen ihr
Katz-und-Maus-Spiel mit der Exekutive. So kommt es immer wieder zu
"Zusammenrottungen" etwa
vor der VP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse, dem Parlament und dem Burgtheater.
Danach zogen die Demonstranten
wieder über den Ring, hinein in den 9. Bezirk. Weitere Zusammenstöße
mit der Polizei wurden bereits gemeldet. (APA/gd)
[top]
Gegen
Westenthaler:
"Organisierte, teils bezahlte linksradikale
Berufsdemonstranten aus
Deutschland und Österreich wollen
gezielt destabilisieren und der ORF
spielt mit", so Westenthaler in einer
Aussendung. An SPÖ und Grüne
gerichtet meinte er, diese sollten ihre
"Kohorten zurückpfeifen" und
sich klar gegen jede weitere Form der
Gewalt aussprechen.
Standard,
4.2., 16.05 Uhr
Genau deshalb finde ich derartige Aktionen,
wie gestern Abend in der
Kärtnerstraße, kontraproduktiv.
Tausende demonstrieren friedlich, viele
PassantInnen schließen sich an,
auch AutofahrerInnen regieren positiv
und unterstützen mit lauten Gehupe
- die aber kommen alle nicht vor im
öffentlichen Diskurs. Sehen und hören
kann mensch nur jene, die
Pflastersteine werfen, Autos zerdeppern,
sich gegenseitig prügeln (und
damit sind sowohl DemonstrantInnen, als
auch PolizistInnen gemeint) und
Auslagen einschlagen.
Haider, der FPÖ und letztlich auch
der neuen Regierung wird damit in
die Arme gearbeitet: Rauch-Kallat tanzt
mit einem Pflasterstein in der ZiB
3 auf. Westenthaler beschuldigt von "Sozialisten"
angefangen bis zu
Grünen und SOS-Mitmensch alle zu
derartigen Gewalttaten aufgerufen zu haben und versucht damit ein derart
harsches Vorgehen der Polizei zu
legitimieren.
Alle DemonstrantInnen werden - wie vorgestern
von Haider in einem
Interview gemacht - als Linksextreme und
Gewalttätige bezeichnet. Und
sein breites, präpotentes Grinsen
wird noch breiter.
Meiner Meinung nach wird so nicht nur den
Rechten zugearbeitet, sie
schaffens - bzw. versuchens zumindest
- auch die DemonstrantInnen zu
spalten. Viele werden sich nun - leider
- dreimal überlegen, ob sie
nochmals auf die Straße gehen, wenn
dann einige wenige derartige
Aktionen liefern und damit alle Proteste
für FPÖVP verunglimpfbar
machen.
Deshalb:
- - Weitermachen
- - Gewaltfrei demonstrieren
- - FPÖVP keine Chance geben alle
Demos "von Chaoten gesteuert"
darzustellen
- - Nicht schon wieder den Rechten die
Chance geben, Keile zwischen
DemonstrantInnen
zu treiben. Die Front gegen diese Regierung reicht -
zum Glück
- von Bürgerlichen bis ganz nachg Links. Das müssen wir
nutzen.
[top]
Nachtrag
zu den 4 Festnahmen vom 4.2.2000 in Innbruck
Am Freitag, den 4. Februar wurden nach
einer Nach-Demo vor der FPÖ-Zentrale, wo es zu einer Sitzblockade
kam, 4 Jugendliche grundlos und äußerst brutal niedergeprügelt
und festgenommen. Kurze Zeit später wurde die Feuerwehr von der Polizei
gerufen, um das Blut vom Gehsteig zu wischen. Die 4 Jugendlichen kamen
erst am Abend so gegen 22:30 auf freien Fuß, und haben kein Gramm
von ihrem Widerstandswillen eingebüßt. Sie sehen sich nun allerdings
einer Anzeigen wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt" konfrontiert.
Einige andere AktivistInnen wurden wegen dem Besetzen des Gehsteiges mit
Verwaltungsstrafen eingedeckt.
[top]
Demonstration
in Innsbruck, 4. Februar 2000
*rien ne va plus*
war der Titel der Protestkundgebung gegen die neue Regierung vor dem Hauptbahnhof
in Innsbruck am Freitag, 04.02.00 von 11.30 bis ca.13.00 Uhr. Da diejenigen
Organisationen, die den Apparat, die Zeit und das Geld zur Verfügung
haben, schwiegen, wurde die Demonstration von vier Privatpersonen in nur
48 Stunden auf die Beine gestellt. Mit modernen elektronischen Kommunikationsmitteln
ausgestattet und von der abenteuerlichen Regierungsbildung angetrieben
gelang es, ca. 600 DemonstrantInnen zu mobilisieren.
Wohl
zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte hat das Springer-Provinzblatt
*Tiroler Tageszeitung* die Zahl der DemonstrantInnen erhöht, sodass
man am nächsten Tag von 900 TeilnehmerInnen lesen konnte. Ueber die
Inhalte der zahlreich erschienen RednerInnen schwieg man sich dann aber
doch lieber aus.
Vor
dem Haupttransparent mit der Losung *die halbe nazion iss irre & die
andere hälfte nich ganz bei groschn* sprachen VertreterInnen der Oppositionsparteien,
von Sozialinitiativen, von antirassistischen Gruppen. Zum zufälligen
Hauptredner wurde aber ein sich auf der Durchreise befindender ehemaliger
französischer Diplomat. Monsieur Claude Asslan hielt eine großartige,
emotionsgeladene Rede, in der er den alle Demokraten aufrief, Widerstand
gegen den Extremismus der Mitte zu leisten. Sein Vater habe im Spanischen
Bürgerkrieg gekämpft und so sehe er sich jetzt gezwungen, wiederum
die *Losung No pasaran* auszugeben. Er werde in Frankreich über den
Widerstand in Autriche berichten.
Wer
jahrelang den Dreck unter den Teppich kehrt, darf sich nicht wundern, wenn
er eines Tages darüberstolpert. In Bandzuspielungen wurde bei der
Kundgebung an den Mordanschlag in Oberwart am 05. Februar 1995 erinnert
und anhand einer aktuellen Zeitungsmeldung &endash; in Oberwart wurde
erst unlängst eine Straße vom ÖVP Bürgermeister nach
einem illegalen Nationalsozialisten benannt - die rechte Grundstimmung
in Österreich aufmerksam gemacht. Nach 11/2 Stunden ging die Kundgebung
zu Ende.
Am
Freitag Nachmittag wurde das ÖVP-Landesparteibüro von vorwiegend
jungen Demonstranten friedlich besetzt. Die Polizei stellte ein Ultimatum
von 15 Minuten bis zur Räumung, daraufhin zogen die Demonstranten
zur FPÖ-Zentrale weiter. Der Rückseite des Gebäudes, in
dem das ÖVP-Landesparteibüro untergebracht ist, schmückte
noch stundenlang ein Transparent mit der Losung *no holidays in nazi-country*
während am Haupteingang die Polizei Wache schob.
Vor
dem FPÖ-Büro blockierten ca. 60 DemonstrantInnen den Eingang.
Nach ungefähr 15 Minuten schlug die Polizei zu: Vier junge Männer
wurden willkürlich aus der Menge Demonstranten herausgerissen und
bei den 4:1-Verhaftungen einer der Demonstranten verletzt.
Redebeitrag
bei der Protestkundgebung in Innsbruck, 4.2.00: THE MOB RULES
Wenn
heute in Österreich Leute ministrabel sind, die dem Staatsoberhaupt
einen blutigen Kopf androhen oder wünschen, dann ist es eine Frage
der Lautstärke des öffentlichen Protestes, dass diese Leute,
die jetzt die Mehrheit in der Regierung bilden, nicht mit voller Wucht
ihre
Gewaltphantasien &endash; ausgestattet mit politischen Ämtern
&endash; an Leuten austoben, die nicht die Möglichkeit haben,
gegen diesen politischen Stil zu protestieren.
Der
Bundespräsident konnte in letzter Minute denjenigen FPÖ-Politiker,
der ihm den blutigen Schädel gewünscht hat von der Ministerliste
streichen. Was tun aber diejenigen, die nicht mit dieser formalen Macht
ausgestattet sind, diejenigen, die sich schon bisher beim Kontakt mit dem
österreichischen Gemüt und dessen Vollstreckern einen blutigen
Schädel geholt haben und die jetzt die Ehre haben, offizielles Gesprächsthema
am Regierungsstammtisch zu sein?
Protest
gegen die neue Regierung ist nicht der Ausdruck der Sorge um das Ansehen
oder die Reputation der Heimat oder sonstiger ideologischer Versatzstücke,
sondern Widerspruch dagegen, dass der Alltagsrassismus ungefiltert und
durch Zehntausende Stammtische legitimiert eins zu eins an die Spitze des
Staates exekutiert wird.
Wer
seine Stimmen mit dumpfem Ressentiment und sich dem Alltagsrassismus anschmiegenden
Parolen erkauft, der ist nicht demokratisch, sondern rassistisch legitimiert
und muss damit rechnen, vom Aus- und Inland kritisiert zu werden.
Wer
Jahrzehnte lang den Dreck unter den Teppich kehrt, wer diese Art der Bewältigung
als selig machende, die Harmonie- und Sozialpartnerschaft garantierende
Politik verkauft, der darf sich nicht wundern, wenn er einmal über
diesen Teppich stolpert.
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Am 4. Februar riefen Grüne und ein Protestforum
- eine Plattform verschiedenster Organisationen von der KPÖ bis ins
katholische Lager - zu einer Kundgebung "für ein anderes Österreich"
auf. Etwa 1500 GrazerInnen versammelten sich vor der ÖVP-Zentrale
und harrten zahlreiche Redebeiträge lang unter der Nationalflagge
und in der Kälte aus. Die einzigen Auseinandersetzungen auf der Demo
spielten sich zwischen dem Donauwalzer der OrganisatorInnen und den Sprechchören
einiger MusikbanausInnen unter den TeilnehmerInnen ab. (aus dem tatblatt)
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